Was ist neu

Einzelschicksal

Mitglied
Beitritt
10.11.2008
Beiträge
24

Einzelschicksal

Der Nachhall eines erstickten Schreis scheint, realitätszerfetzend, viel zu lange in der Luft zu hängen, die stille der Nacht wie ein wütend zerschmissenes Glas zu zersplittern. Schreckgeweitete Augen starren aus allen Betten ins Leere. Nichts regt sich. Stille lähmt den peinlichen Moment. An Schlaf ist nicht zu denken. Doch steht niemand auf, rastlose Starre. Kein Handlungsschema abrufbereit. Gelaberte Courage verfliegt schneller, als flüssiger Äther auf dem versifften Leinentuch.
Alles erwartet, der Perversion bewusst, den zweiten Schrei, der nicht erklingen will.
Bald ist er vergessen, totgeschwiegen, unbewußt absichtlich nicht erinnert. In kollektiv absurdem Gedankenaufwand exekutierte Vergangenheit, bedeutungslos gemacht, nicht hinterfragt.
Ach zivilisierte Welt aus bibeltreuen Christen, Humanisten, Lämmern, die wie kleine Kinder - im Angesicht des unerwünschten – beschämt die Straßenseite wechseln.
Angst ersetzt den Impuls, als reprogrammierter Instinkt. Seht ja alle weg, ihr könntet retten, oder in Peinlichkeit verschwimmen.
Böse Welt, die furchtbares toleriert, um weiter mit Bauklötzen zu spielen. Bedeutungsschwangerschaft zu zelebrieren, sich abzugrenzen vom Tier und seiner Einfachheit.
Untätigkeit macht Mittäter, nicht zu bestrafen mangels Gewissen.

Brennender Schmerz macht sich schleichend bemerkbar, als, nicht wahrgenommene Ewigkeiten später, Licht durch die Dumpfheit der Wahrnehmung dringt. Brennend eingerissene Körperöffnungen, Hämatome am Leib, puppenhaft unbewußt, nächtlich benutzt. Was tun, wen beklagen? Tötendes Gefühl benutzter Wertlosigkeit, das sich ventillos im Inneren verteilt, sich hineinfrißt, verharrt, tief in der Persönlichkeit. Ich ziehe Mißhandlung an, bin Spielball, bin Opfer, zum verletzenden benutzen gemacht, Triebventil.
Das Opfer weiß, es ist nur Körper, den kein Schutz umgibt, der nicht nur rechtlos ist, sondern verdient und selbst verschuldet, was ihm widerfährt.
Der Schlag des Vaters als Kind... verdient, die Fremdabhängigkeit... verdient, die Wertlosigkeit... in die Wiege gelegt. Schicksal, Fügung, Strafe, Prüfung, gerecht und unrächbar.
Suizidnachrichten sind unangenehm, unverständlich, Drogentode ebenfalls, melancholisch gefärbter Gesprächsstoff für sentimental besoffene Abende vorm Einschlafen.
Reaktionsbare Schreie, unverknüpft, zusammenhanglos... in unbequemer Leichtferigkeit vergessen.

Solange es niemand abwendet sind wir dem Schicksal geliefert, das Fremde uns bereiten.

 

Hallo B Beck.

Stille der Nacht

Der Nachhall eines erstickten Schreis scheint, realitätszerfetzend, viel zu lange in der Luft zu hängen, die stille der Nacht wie ein wütend zerschmissenes Glas zu zersplittern.
Wow, den Schreibstil finde ich großartig!

Doch steht niemand auf, rastlose Starre. Kein Handlungsschema abrufbereit.
Omg, das kommt mir so bekannt vor, das erinnert mich an dieses Brainstorming-Schreiben, das sich dann liest, als wären das Gedanken, das ist wundervoll. *_*

Wie gesagt, diese Art zu schreiben kenne ich. Hatte ich vor langer Zeit selbst versucht, aber fand es dann zu schwierig. Eine Freundin hatte mich darauf gebracht, und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du wärst sie. Deins klingt echt genauso, das ist fast schon unheimlich. ;)

Also, Schreibstil wunderbar, ev. nicht jedermanns Sache, aber trotzdem wunderbar. Eine Intention ist auch leicht zu finden. Ich würde jetzt sagen "die Geschichte ist zu kurz" als dass die Intention wie gewünscht beim Leser ankommen würde, aber diese in Anführungszeichen gesetzte Phrase hasse ich selbst wie die Pest. ;)

Die Geschichte finde ich echt toll. Vielleicht schaue ich bei Gelegenheit, was du noch so geschrieben hast. Nur vielleicht. :)

Viele Grüße von Jellyfish

 

Grüss dich, B Beck,

Keinen leichte Kost, die du uns hier bietest, das muss genau gelesen werden. Es ist Freitagabend und schon spät, das macht die Sache nicht besser. Ich bin wohl in der falschen Rubrik ;-)

Ich mag die Art und Weise, wie du Sprache benützt. Bei mir kämen bei diesem Thema nur Klischees raus. Ein bisschen neidisch... ja, das bin ich schon.

Eine kleine Kritik: sollten "im Angesicht des unerwünschten" und "die furchtbares toleriert" die Wörter Unerwünschten und Furchtbares nicht gross geschrieben werden? Irrtum vorbehalten.

 

Hallo B Beck,

ich bin beeindruckt. Schwer beeindruckt! Und wenn mich hier jemand nach meinem "Lieblingssatz" fragt, dann zitiere ich den ganzen Text!

Ich meine, ich muss solche Texte nicht jeden Tag haben, aber in kleiner Dosis sind sie - wie guter Whisky zu Feiertagen - etwas Besonderes.

Vielen Dank
Fliege

 

Hallo B Beck,

Wow! Toller Text, auch wenn es um diese Uhrzeit schwer war, ihn zu lesen ;)

<Ach zivilisierte Welt aus bibeltreuen Christen, Humanisten, Lämmern, die wie kleine Kinder - im Angesicht des unerwünschten – beschämt die Straßenseite wechseln.
Angst ersetzt den Impuls, als reprogrammierter Instinkt. Seht ja alle weg, ihr könntet retten, oder in Peinlichkeit verschwimmen.>

Diese Stelle hat mir persönlich am besten gefallen und da an dem gesamten Text nichts auszusetzen ist, belasse ich es bei einem "Super" *daumen hoch*


LG
Alizee

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom