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Einzelschicksal?
Langsam schlug ich die Augen auf und fing an mich zu orientieren. Ich war vermutlich zuhause und lag nicht in der Gosse, denn meine Komastätte war weich. Nun was auch immer jemand, der regelmäßig Nächte und manchmal auch Tage auf Bürgersteigen oder auf versifften Hinterhöfen verbringt unter weich verstehen mag. Es war eine alte, zerschlissene Matratze, deren Federn mich in den Rücken stachen, aber immerhin es war meine eigene. Eines der wenigen Dinge die mir in diesem Leben noch geblieben waren. Nach einiger Zeit schlug ich die Augen auf und wurde mir meiner Umgebung mit erschreckender Klarheit bewusst: Eine Wohnung bar jeder Möblierung (natürlich bis auf die Matratze), fleckige Wände ( einige der Flecken bestanden aus geronnenen Blut, ich neige manchmal den Kopf an Wände zu schlagen um das bisschen Rest Gefühle in mir mit körperlichen Schmerz abzutöten) und natürlich das alte Radio, eine Hinterlassenschaft des Vormieters, aus dem gerade der Song „Sunday Morning Coming Down“ von Johnny Cash klang. Jaja der alte Johnny verstand was vom Leben, ich meine das richtige Leben, nicht dieses pinkplüschige Traumbild. Bei der Texstelle „the beer i had for breakfast“ beschloss ich es dem alten Meister gleichzutun und suchte nach einer der wenigen übrigen Bierflaschen von letzter Nacht. Als es mir schließlich gelang, eine zu finden und mir dieses kleine Restchen Trost in den Hals zu schütten, fing ich wieder an nachzudenken:
Was war genau in meinem Leben schiefgelaufen, hatte ich nicht eine wohlbehütete Kindheit, hatte ich nicht Talent und Ambitionen, hatte ich nicht eine hervoragende Schulbildung genossen? Wie kann jemand mit derartigen Chancen nur so enden wie ich? Nun wenn Sie sich das auch fragen kann ich ihnen nur das sagen was mir immer wieder darauf einfällt: Life sucks and then you die!
Im übrigen gerade an den letzten Teil dieses klugen Spruches blieb ich immer öfter hängen je mehr ich mir klar wurde dass es einfach keinen Sinn mehr macht zu leben. Ich weiß ich weiß, aber ich bin nun mal Pragmatiker. Und wenn Sie ehrlich sind, reicht nicht schon dieser kurze, natürlich unvollständige Einblick in meine Situation um in ihnen einen ähnlichen Gedanken hervorzurufen? Natürlich tut er das. Seien sie wenigstens zu sich selber ehrlich, wenn schon zu sonst niemanden.
Aber wie dem auch sei, all diese Gedanken schwirren mir jetzt gerade in meinem Kopf herum, als ich in geschätzten 20 Metern Höhe mit eingenähten Bleigewichten in meinem Mantel auf der alten Eisenbahnbrücke stehe. Nun sie wundern sich vllt wegen der Gewichte, aber fänden sie es nicht merkwürdig einen ziemlich abgehalfterten Mann zu sehen, der einen schweren Stein und ein Seil mit sich herumschleppt? Noch dazu auf dem Weg zu einem Fluss? Ja sehen sie, man kann mir viel vorwerfen, aber Dummheit und Unbedachtheit nicht, darauf bestand ich schon immer. Also abschließend muss ich sagen, es ist eine gute Entscheidung die ich getroffen habe und ehe ich den letzten Schritt tue sage ich ihnen noch:
Weint nicht um mich denn ich war schon längst tot
Goodbye du grausame Welt