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Elaine

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17.02.2006
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Elaine

Sie sieht in den Spiegel. Was sie sieht, ist nicht das, was der Realität entspricht. Zumindest sagen das alle. Elaine kann sich nicht vorstellen, dass sie recht haben könnten. Wie soll es denn möglich sein, dass sie etwas sieht, was da nicht war? Natürlich hat sie jede Menge Bauchspeck. Da ist doch überall viel zu viel.
Als sie vierzehn gewesen war, hatte sie Domenico kennen gelernt. Er wurde ihr erster Freund, und sie glaubte, ohne ihn nicht mehr leben zu können. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich eingebildet hatte, er sei ihr Mann fürs Leben. Elaine war schon immer frühreif gewesen, und so hatte es keine ihrer damaligen Freundinnen gewundert, als sie verkündete, jetzt die Pille nehmen zu wollen. Heute schmunzelt sie, wenn sie daran zurückdenkt.
Elaine war in ihrem Wesen damals unkompliziert und locker gewesen - einfach so hatte sie ihre Mutter angesprochen und gemeint, sie wolle Sex haben, endlich erwachsen sein. Ihre Mutter war geschockt und wusste nicht, was sie tun sollte. Elaine entfernte sich mehr und mehr von ihr und wurde zu schnell zu selbstständig. Nach der Schule kam sie nicht mehr nach Hause, blieb manchmal nächtelang fort. Es war ihr selbst nicht klar, warum sie das tat, warum sie ausgerechnet gegen ihre Mutter rebellierte. Vielleicht gehörte das einfach dazu zum Dasein eines Teenagers. Zweimal rief die Mutter die Polizei, beide Male tauchte Elaine wieder auf. Helfen konnte die Polizei bei den Problemen, die sie hatte, jedoch nicht. Domenico fand sie zu kindlich, nicht hübsch; drohte ihr damit, sich zu trennen. Sie erinnerte sich genau, wie er ihr einmal auf der Couch in seiner Bruchbude mitgeteilt hatte, sie sei langweilig, nachdem sie beim Sex nicht gekommen war. Sie sei einfach keine Frau. Einfach keine Frau. Elaine glaubte, sie sei zu dick. Heute weiß sie, dass sie Domenicos rücksichtslose Kommentare falsch interpretiert hatte. Aber damals war sie dazu viel zu unerfahren gewesen. Sie hatte einfach nichts mehr gegessen. Es war ihr egal, alles war ihr egal. In sich spürte sie nur Leere, schon länger, das war ihr gar nicht aufgefallen. Sie merkte es erst, als sich auch ihr Magen nicht mehr füllte.
Es änderte sich nichts. Niemand bemerkte eine Veränderung. Zwei Monate später wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Ihre Mutter hatte den Notarzt gerufen, als Elaine morgens vor der Schule einfach so umgekippt war. Sie machte sich Vorwürfe, wusste aber nicht, was sie hätte tun sollen oder nun tun sollte. Sie wusste nur, dass die beiden es alleine nicht mehr schaffen würden. Das hatte sie Elaine mehrfach gesagt.
Nach einem halben Jahr wurde diese aus dem Krankenhaus entlassen. Die stationäre Behandlung hatte sie rundum versorgt, mit Therapien, Mitleid, Anteilnahme - und Essen. Doch die Leere blieb, auch mit vollem Magen.
Sie hatte einen Rückfall, schon kurz nach der Entlassung. Sie wurde wieder dünner und dünner, doch mittlerweile lebte sie in einer Wohngemeinschaft, sodass es zunächst niemandem auffiel. Sie wollte mit niemandem etwas zu tun haben, ließ niemanden an sich heran. Sie schränkte sich in allem ein, nicht nur in ihrem Essverhalten. Elaine verbot sich, ein Vollbad zu machen, tief einzuatmen, wenn es draußen gut roch. Sie verbot sich auch, Lippenpflege oder Handcreme zu verwenden. Genaugenommen versagte sie sich all die Dinge, die sie als Genuss empfunden hatte. Sie meinte, sich quälen zu müssen, nichts Gutes verdient zu haben. Beim Aufstehen wurde ihr immer schwarz vor Augen, ständig fühlte sie sich schwach, war schlecht gelaunt. Doch sie versuchte nicht, etwas zu ändern. Denn durch all die neuen Probleme und Dinge, die mit ihr geschahen, all den Kummer und die Wut über sich selbst, spürte sie wenigstens diese Leere nicht mehr so sehr. Elaine bemühte sich sogar, den Schmerz in ihrem Körper so gut festzuhalten, wie sie konnte, wollte all das aufsaugen, was sie fühlte. Denn immerhin fühlte sie jetzt wieder etwas - irgendetwas ... Sie war sehr oft kurz davor, zusammenzubrechen. Es geschah letztendlich, als sie eine Straße überqueren wollte. Sie hielt sich mit beiden Armen an einer Ampel fest, um nicht vornüber zu kippen, doch es gelang ihr nicht, sie rutschte ab, fiel und war bewusstlos.
Im Krankenhaus wachte sie wieder auf. Sollte alles wieder von vorn beginnen? Wieder die stundenlangen Therapiesitzungen, die ihr letztenendes doch nur zeigten, dass sie nicht war wie alle anderen? Zunächst kam es anders, als sie damals gedacht hätte. Da sie sich weigerte, zu essen, kam Elaine an den Tropf. Man sagte ihr, sie wiege nur 34 Kilo. Elaine lächelte in sich hinein. Dann ist eine Hälfte davon mal zehn meine Körpergröße - klingt doch eigentlich gut, dachte sie. Dass es viel zu wenig sein könnte, auf die Idee kam sie gar nicht. Als ihr Gewicht etwas stabiler war, musste sie wieder in die Sitzungen, zur Ergotherapie, zur Ernährungsberatung. Auf Station lernte sie Hannes kennen. Er arbeitete hier. Ihre erste Begegnung mit ihm war, als sie missmutig einen Muffin malträtierte, den man ihr als Zwischenmahlzeit hatte aufzwängen wollen. Sie hatte es aus dem Papierförmchen gelöst und war gerade dabei, es zwischen ihren dünnen Fingerchen zu zerquetschen, sodass die Schokoladenstückchen daran klebten, als sie Hannes anrempelte. Elaine war trotzig; sie wollte sich nicht entschuldigen - wofür auch? Er lächelte sie an und hatte sie sofort in sein Herz geschlossen. Ihm war es egal, wie Elaine im Moment aussah. Er verliebte sich in sie und sie sich in ihn, schneller als sie es je für möglich gehalten hatte. Sie fühlte sich nicht mehr leer. Sie war erfüllt mit Gefühlen, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Sie fühlte sich nicht mehr schwerfällig und plump wie zuvor, sie kam sich befreit vor und vor allem leicht, und das hatte nichts mir ihrem Körpergewicht zutun. Nie hätte sie gedacht, so etwas Schönes je wieder fühlen zu können, und dann auch noch zu diesem Zeitpunkt. Jetzt wollte Elaine das Krankenhaus gar nicht wieder verlassen.
Doch vier Monate und zwei Wochen später war es dennoch soweit: Sie wurde entlassen und sollte ab jetzt nur noch ambulant betreut werden - zweimal die Woche. Sie konnte bei Hannes einziehen. Er hatte sie wie beiläufig eine Woche vor ihrer Entlassung einfach gefragt und sie hatte zugesagt, ohne zu wissen, dass es tatsächlich bald soweit war und wirklich passieren würde. Der Umzug - falls man es überhaupt so nennen konnte - erfolgte binnen weniger Stunden. Die Sachen, die Elaine besaß, holten Hannes und sie aus der Wohnung ihrer Mutter ab - nachdem Elaine die WG verlassen musste, hatte die Mutter die Sachen zurückgeholt - und schafften sie in seine. Es waren nur ein kleiner Schrank und eine Lampe. Kleidung besaß Elaine kaum mehr - es hatte nichts mehr gepasst und war alles entsorgt worden. Im Krankenhaus musste sie die Sachen, die sie hatte, nicht so häufig wechseln. Trotzdem hatte sie ihren Teil des Kleiderschrankes, den Hannes in seinem Wohnzimmer hatte, mit den Sachen, die sie hatte, gefüllt. Sie war stolz gewesen und froh.
Das ist nun zwei Wochen her. Elaine sieht noch einmal in den Spiegel. Versucht, ein Stück ihres Bauches zwischen zwei Finger zu bekommen, es gelingt ihr nicht.
"Du bist nicht ich.", sagt sie zu sich. "Ich bin Elaine. Du bist meine Vergangenheit." Sie geht in die Küche, nimmt sich ein Brötchen und einen Teller, stellt beides auf den Tisch und setzt sich.

 

hallo CJ,
hier haben wir mal wieder eine Betroffenheitsgeschichte, die meiner Meinung nach so gar nix über die Betroffene preisgibt. Über Andeutungen und Beschreibungen der Fakten geht das leider nicht hinaus.
Sätze wie:
Elaine entfernte sich mehr und mehr von ihr und wurde zu schnell zu selbstständig....
Elaine war in ihrem Wesen damals unkompliziert und locker gewesen...
Er verliebte sich in sie und sie sich in ihn....,
lassen mich nur ratlos zurück. Weder Elaine, noch eine andere Figur wird für mich lebendig. Schade, aber da ist wirklich kein Fleisch auf den Knochen.
LG,
Jutta

 

Liebe CJ,
ich schließe mich Jutta an.
Man kommt nicht wirklich in deine Geschichte rein, da sie nicht dicht an den Figuren/der Figur ist. Du hast zwar viele Fakten angeführt, aber das reicht meiner Meinung nicht aus, um Figuren/Geschichten/Stimmungen zu schaffen, die einem im Gedächtnis bleiben.
Versuch doch einmal eine ähnliche Geschichte aus der Sicht der Familie zu schreiben. Dann bist Du ganz dicht an Elaine dran, hast vielleicht aber nicht den Druck "alles" schreiben zu müssen. Ich hatte das Gefühl, dass Du dir während des Schreibens nicht genügend Zeit gegeben hast, aber jede Menge Ideen hattest. Das Problem ist, dass Du dafür keine "Situationen" entwickeltst, an denen etwas "fühlbar" wird.
Lass zum Beispiel die kleine Schwester (und die weiß aus ihrer Perspektive eben nicht alles) erzählen, wie es ist, wenn die Schwester nichts mehr isst (und man Tag für Tag mit ihr an einem Tisch sitzt und sie vielleicht sieht, wie die Schwester Essen verschwinden lässt), wie sich die Schwester äußerlich verändert, wie sich das Familienleben verändert (möglicherweise ist es nun die kleine Schwester, um die sich die Eltern nicht mehr kümmern) usw.
Stell dir neben der Frage "Was passiert?", auch immer die Fragen "Wie passiert etwas?" "Wie drückt sich das Geschehen in einer Situation aus?" "Wie beeinflusst das Geschehen die Figuren?"..
Liebe Grüße,
Bambule

 

Hallo CJ,

ein heißes Eisen, faktengenau beschrieben. Mich hat die Geschichte betroffen gemacht. Wobei ich mir durchaus - wie Jutta und Bambule - ein wenig mehr Fleisch an dem Text gewünscht hätte. Wohlwissend, dass mit der Länge der Geschichte die Zahl der potentiellen Leser abnimmt.

Ob ein Perspektivwechsel hier wirklich mehr erreichen würde, wie Bambule vorschlägt, weiß ich nicht. Meine eigene Betroffenheit resultiert gerade aus der durchgehaltenen Perspektive Elaines. Alles andere würde für mich zu sehr nach pädagogisierender Prosa klingen.

Auch kann ich glaube ich nachvollziehen, warum du diese ultrakurze Form gewählt hast: Elaine steht vor dem Spiegel, erinnert sich an Fetzen aus ihrem zurückliegenden Leben und geht schließlich - Pointe und Happy End - in die Küche, um sich ein Brötchen zu machen.

Aber wie funktioniert Erinnerung? Was geht in einer jungen Frau vor, wenn sie die Vergangenheit reflektiert? Mit Sätzen wie

Angefangen hatte alles vor drei Jahren. Sie war damals vierzehn gewesen. Elaine hatte ihren ersten Freund gehabt...
brichst du aus ihrer Perspektive aus und wendest dich direkt an den Leser, erklärst ihm - und bist damit aus Elaines Kopf verschwunden.

Spannender fände ich es, als Leser wirklich in dieser Situation vor dem Spiegel zu bleiben und zu sehen, wie sich Elaine erinnert. Also die Bilder zu sehen, die ihr durch den Kopf gehen, wenn sie sich an die letzten Jahre erinnert. Woran denkt sie, wenn sie an Domenico denkt? Welche Klamotten trägt er in ihrer Erinnerung, wo finden diese Szenen statt? Was sagt er und: Wie fühlt sie sich dabei?

Gab es eine Schlüsselszene im Krankenhaus, in der sie sich versorgt und aufgehoben gefühlt hat? Wie reagiert sie heute emotional darauf, wenn sie sich daran erinnert?

Solche szenischen Details (beim Schreiben auch die sinnlichen Details einbeziehen: was riecht, schmeckt, hört, fühlt und sieht sie?), gepaart mit emotionaler Empathie sind das, was ein bleibendes Leseerlebnis vermittelt. Du hast in deinem Text mit viel Empathie berichtet, wie Elaines Leben vor Hannes aussah. Und hast damit den Plot für eine emotionale Geschichte angelegt. Ich würde mich freuen, wenn du an dieser Geschichte weiter arbeiten würdest, weil ich das Thema wichtig finde und das Gefühl habe, dass du es mit der nötigen Empathie angehst. Es lohnt sich bestimmt.

Herzliche Grüße,
Ennka

 

Hi,

Ob ein Perspektivwechsel hier wirklich mehr erreichen würde, wie Bambule vorschlägt, weiß ich nicht. Meine eigene Betroffenheit resultiert gerade aus der durchgehaltenen Perspektive Elaines. Alles andere würde für mich zu sehr nach pädagogisierender Prosa klingen.

Also ich habe keinen Perspektivwechsel vorgeschlagen, weil ich glaube, dass diese Geschichte eine andere Perspektive braucht, sondern vielmehr kam mir die Geschichte zu "voll" vor. Durch eine eingeschränktere Perspektive (z.B. die eines Familienmitglieds) mit welcher "Elaine" nur in Situationen wahrgenommen werden kann und die vielleicht auch nicht "Anfang" und "Ende" der Geschichte kennt, würde man vielleicht eher an jene (s)"Kernthema(-en" kommen, die man in seiner Geschichte behandeln möchte. Vielleicht als Vorarbeit für eben diese Perspektive.
Diese Geschichte war mir zu voll, insbesondere, wenn man dies zur Länge in Bezug setzt. Als Leser erfährt man, warum sie magersüchtig ist, dass sie im Krankenhaus gelandet ist, dass sie sich verliebt hat, wieviel sie wiegt.. Es erschien mir alles zu schnell und zu viel, ohne, dass es an Tiefe gewinnt.
Man könnte Elaine auch einfach "vor dem Spiegel stehen lassen" und aus dieser Körperbetrachtung ihre Geschichte erzählen, indem immer wieder der Körper als Bezugspunkt gewählt wird und den Rahmen der Geschichte bildet.
Ich habe gelegentlich selbst das Problem mit "zuviel" an eine Geschichte ranzugehen und Dinge, wie ich sie oben beschrieben habe, haben mir geholfen eine "Bremse" einzubauen und mich auf zentrale Punkte zu konzentrieren, die dann mehr oder weniger hübsch durch Situationen/Charaktere/Schauplätze etc. ausgedrückt werden.
Einen lieben Gruß,
Bambule

 

Hallo CJ_06,

Tut mir leid, aber dein Text liest sich eher wie eine Stoffsammlung für einen Roman, aber nicht wie eine Kurzgeschichte.
Es sind leider nur Skizzen, die du hier anbietest, aber als solche sind sie nicht schlecht.
Elaine steht unzufrieden vor dem Spiegel, dann Rückblende.
Sie ist vierzehn und ihr Leben wird aufgerollt: Der erste Freund Domenico. Was ist das für ein Typ? Wie behandelt er sie? Welche Erfahrungen macht sie mit dieser ersten, vielleicht großen Liebe? Sie will die Pille und sagt das ihrer Mutter, die damit überfordert ist. Dann Probleme mit der Polizei. Sie isst nicht mehr. Vielleicht weil sie mit all dem komplett überfordert ist. Sie und verbringt ein halbes Jahr im Krankenhaus. Das ist ein lange Zeit ...

Das allein ist schon Stoff für einige Kurzgeschichten, aber die wollen erzählt werden.
Ich habe den Eindruck, du hast dir hier zu viel vorgenommen. Viele gute Ideen skizziert, aber keine Geschichte erzählt - noch nicht.
Aus dem Material kannst du aber noch jede Menge machen.

Mit besten Grüßen
falky

 

Hallo,
vielen Dank für die sehr konstruktive Kritik! :) Habe jetzt versucht, die Geschichte komplett zu überarbeiten. Vielleicht könnt ihr mir ja sagen, ob es jetzt etwas besser rüberkommt und mehr wie eine KG ist.
Würde mich sehr freuen!
lg

 

Liebe CJ,
also, die größte Veränderung, die ich gesehen habe, ist im folgenden Abschnitt zu finden:

Ihre erste Begegnung mit ihm war, als sie missmutig einen Muffin malträtierte, was man ihr als Zwischenmahlzeit hatte aufzwängen wollte. Sie hatte es aus dem Papierförmchen gelöst und war gerade dabei, es zwischen ihren dünnen Fingerchen zu zerquetschen, sodass die Schokoladenstückchen daran klebten, als sie Hannes anrempelte.
Aber vielleicht ahnst Du es schon: Das ist meiner Meinung nach nicht genug.
Aber lass uns mal bei diesem Abschnitt bleiben.
Was ich meinte mit "erlebbar" machen etc. meine, wäre z.B.. Und jetzt ganz viel Blabla :o).

Auf ihrem Teller schob Elaine den Muffin von Tellerkante zu Tellerkante. Man würde sie erst zurück aufs Zimmer lassen, wenn sie diese Kalorienbombe bis auf den letzten Krümel vertilgt hätte.
Die Hände hatten auf dem Tisch zu bleiben. Mit Argusaugen wachte Schwester Johanna darüber, dass die Mädchen, oder wie sie sie nannte " die Hungerleider" nichts unter den Tisch fallen oder gar in den Ärmeln verschwinden ließen. Leise lachte Elaine in sich hinein, als sie ein Bröckchen des Küchleins in den Mund schob. Was wusste die schon? Später würde auf den Toiletten das Essen wieder die Münder der Mädchen verlassen und einen säuerlichen Geruch in den kleinen Badezimmern der Station verbreiten.
Bröckchen um Bröckchen, Krümelchen um Krümelchen zwang sich Elaine das Gebäck durch die Zähne. Schließlich den Rachen hinunter. Nachdem sie den letzten Rest mit ihren Spinnenfingern aus dem Papierchen gekratzt hatte, sprang sie eilig auf und warf den Stuhl mit einem lauten Krachen um.
"Aufs Klo. Nichts wie aufs Klo.", dachte sie in ihrer Hast, als sie plötzlich in ein unbekanntes Augenpaar blickte und sich in den Armen eines jungen Pflegers wiederfand.

Also hab versucht an deinem Abschnitt klar zumachen, was ich eigentlich meine. Ich habe meinen Abschnitt jetzt sehr schnell geschrieben, aber vielleicht wird dir doch deutlich, was ich meine.
Im Englischen gibt es den Ausdruck: Show don´t tell. Also nicht alles erzählen, sondern dem Leser die Dinge zeigen, ihm Situationen und Charaktere anbieten und nicht "Lebensdaten usw." abrattern.
Sehr positiv ist aber, dass Du bereit bist an Deinem Text zu arbeiten.
Viele liebe Grüße,
Bambule

 

Hallo Bambule!
Vielen Dank für den Kommentar. Ich sehe aber deinen Vorschlag, z.B. diese Muffin-Passage so sehr auszubauen, kritisch. Denn eigentlich sollte keine der Szenen derart hervorgehoben werden; es sollte mehr so eine Art, keine Ahnung, "Brainstorming" sein, eben so die Dinge, an die sich eine Betroffene erinnert und wie sie sich erinnert. In dem Fall eben relativ kurz, dauernd kommen ihr neue Gedanken, was dann passiert ist und so. Und ich denke, indem man zu sehr auf die Gefühle eingeht, die Elaine in den Momenten hat, driftet das Ganze ins Rührselige ab, und ich wollte mit der Geschichte eigentlich kein Mitleid erregen und Gefühle vorgaukeln und beschreiben, die ich mir eben nicht vorstelle ... Mit dem show not tell hast du aber natürlich recht, da muss ich wohl noch mal drübergehen bei Gelegenheit ... Gefällt es dir denn trotzdem schon etwas besser?
MfG und schönes WE! ;)
CJ

 

hallo cj,

also ich habe deine kg jetzt zum ersten Mal gelesen, also wohl die überarbeitete version...
für mich liest sich das eher wie ein bericht. das ist mehr informierend als unterhaltsam. wenn man der plot von einem film oder roman durchliest oder eine synapse, das geht das so in die richtung.
was mir gut gefiel war die stelle, wo der freund meint sie sei langweilig weil sie gekommen ist...
oder wo elaine in sich hineinlacht als sie hört dass sie nur 34 kilo wiegt... an solchen Stellen ist Leben drin... und nicht nur fakten
aber dein vorhaben an sich ist letztlich eine schwierige... man kann eher schwer eine solche lange geschichte in ein kg einbauen, ohne dass es anfängt wie ein bericht zu klingen...
ich hoffe du verstehst was ich meine.
stell dir vor man würde bei fluch der karibik die komplette handlung erzählen und alle dialoge weglassen, inklusive was johnny depp sagt, und wie er mit den armen rumwedelt wenn er spricht, und wie er immer schelmisch seine goldzäne fletscht, und wie er sich an keira ranmacht... und die art wie er läuft...
solche dinge bringen charaktere zum leben.
aber wie gesagt, schwer so viel in eine so kurze story einzubauen.


lg,

juju

 

Hallo,
vielen Dank für den Kommentar. Hm, ja das versteh ich, und ich denke, viel länger sollte man eine KG dann auch irgendwann nicht mehr machen. Man verliert ja wirklich das Interesse, sie zu lesen irgendwann... Schade, denn das Thema halte ich eigentlich für durchaus erzählenswert.
lg

 

Hallo CJ_06,
das ist wirklich ein schwieriges Thema, bin aber auch der Meinung, dass du hier zuwenig ins Detail gegangen bist, obwohl ich den "Faden durch die Geschichte" gut finde ... es wird aber alles irgendwie nur "angerissen" ... das ist schade ...was mich persönlich stört ist, dass sie durch einen Mann in ihre Lebenskrise rutscht und nur durch einen anderen wieder rauskommt ... mir persönlich widerstrebt der Gedanke, dass es nur diese Möglichkeit gibt, sein Leben in den Griff zu bekommen ... aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache ... der letzte Satz deiner Geschichte macht Hoffnung ... den find ich als Abschluss sehr gut. Wenn du sagst, dass du nur ein "Brainstorming" machen wolltest, dann finde ich es ok so, wie es geschrieben ist ... ich habe die Geschichte jedenfalls fertig gelesen und auf irgendeine Art und Weise fand ich sie interessant und auch lesenswert ... dein Schreibtalent zeigt sie jedenfalls ... nicht aufgeben! Das ist noch ne Menge Potenzial.
Liebe Grüße,
Gerti

 

Hallo Gerti!
Vielen Dank für deine Kritik und das Lob! :)
Naja, ich finde ja auch, dass es teils eben nur angerissen ist und dadurch kaum Tiefe bietet, aber das lässt sich eben nur schwer ändern. Ich werde diese KG jetzt auch ausschreiben, wie viele hier ja auch vorgeschlagen haben, also ich mach für mich selbst eine längere Geschichte daraus, mit 30-40 Seiten oder so. Aber an sich wollte ich eben wie gesagt nur mal so darstellen, was einem in so kurzer Zeit alles passieren kann und wie das Leben so an einem vorbeiziehen kann in "Stationen", sodass es einem, wenn man selbst sich erinnert, tatsächlich nur wie ein Brainstorming vorkommt und sogar wenn man drinsteckt gar nicht mehr versteht, wie das das eigene bisherige Leben gewesen sein kann. Man hat in dem Fall dann eben auch nicht viele Gefühle bei der Erinnerung... Keine Ahnung, ob das jetzt verständlich ist. :D
Naja, also danke auf jeden Fall! :)
lg

 

Hi CJ,

klar ist es eine Option, die Geschichte auf 40 Seiten zu blähen. Damit würdest Du aber Deine Idee aufgeben. Mein erster Impuls war der gleiche, den auch Bambule hatte: selbst eine Version schreiben und Dir damit zeigen, was wir meinen. Aber letztlich geht es darum, dass Du einen eigenen Stil findest, nicht versuchst, andere nachzubauen.

Deswegen ein anderer Rat, bevor Du Dich an die 40-Seiten-Version machst: Notier Dir einmal in Stichworten die Stationen/Bilder, die Elaine dort vor dem Spiegel sieht. Je Lebensstation nur ein Stichwort/Bild. Und dann schließ die Augen und schau, was Du bei diesem Stichwort siehst. Beschreibe dieses Bild, entweder schon in die Tastatur, oder einfach auf den mp3-Player.

Im besten Fall erhälst Du so eine Assoziationskette aus tatsächlichen Bildern, also Beschreibungen, die Elaines emotionale Verfassung tragen. Diese Bildketten müssen gar nicht länger sein als der Text in seiner jetzigen Fassung, sind aber besser zu lesen, weil sie das Kopfkino anregen und nicht mehr abstrakt sind.

Viel Erfolg,
Ennka

 

Hallo Ennka und CJ,
also ich wollte nicht, dass CJ/Du irgendeinen Stil nachbau(s)t.
Ich wollte ihr nur an ihrem Text zeigen, was ich meine, in dem man eben "Szenen" entwirft und nicht vom einen Fakt, zum anderern weitergeht.
Die Assoziationen sind eine super Idee, vor allem werden sie helfen die wichtigen Themen/Bilder dieser Geschichte herauszufiltern.
Liebe Grüße,
Bambule

 

hallo ihr beiden!
vielen dank für die idee! :) das ist wirklich nicht schlecht, werde das definitiv versuchen.. also zu jedem "fakt" eine szene entwerfen? hab ich das so einigermaßen richtig verstanden? also zu jeder station?
werde das gleich mal anfangen! danke schön!!
lg

 

klingt bei dir anders, deswegen noch mal: keine Szene entwerfen, sondern einfach "vor dem geistigen Auge" sehen, welche Assoziation dir bei dem Stichwort/der Szene kommt. Dieses Bild möglichst detailliert aufschreiben/oder dem mp3 beschreiben. Lass also Dein Unterbewusstes die Szene zunächst malen (ohne selbst zu konstruieren, einfach mit geschlossenen Augen). Denn das ist es ja, was du beschreiben willst: Elaines Assoziationskette vor dem Spiegel. Das ist aber nur glaubhaft, wenn Du selbst diese Kette siehst. Mehr als diese Bilder braucht es gar nicht, um Elaines Gedankengang plastisch erlebbar zu machen. (Und für Autoren ist es eine gute Übung, die Bilder, die sie im Kopf haben, zu Papier zu bringen.)

Gruß,
Ennka

 

Danke Ennka.
Ich hatte auch schon angesetzt, aber Du kannst es besser erklären.
Liebe Grüße und (CJ viel Spaß und Erfolg bei den Assoziationen!),
Bambule

 
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Hi! :)
Okay, vielen Dank! Hab damit jetzt schon mal angefangen. :) Das mit dem Muffin war bisher glaub ich das Einzige, wo ich wirklich direkt ein Bild vor Augen hatte,zumindest so grob. Gut, werde dann mal anfangen mit dem Schreiben.
Vielen, vielen Dank noch mal! Ich bin froh, dass ich meine Lust am Schreiben wiedergefunden habe und man mir hier Tips gibt. Danke!!
ich habe noch eine Frage. Ich hab mir überlegt, den Teil der erinnerung (also das meiste) in der Ich-Form zu schreiben, ich denke dann könnte es glaubhafter wirken. Könnt ihr mir vielleicht sagen, was ihr dazu denkt? Wäre super!!
lg

 

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