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Eloi, Eloi, lema sabachtani?

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02.06.2001
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Eloi, Eloi, lema sabachtani?

Vater, welcher Sünde habe ich mich schuldig gemacht, dass du deinen eigenen Sohn derart bestrafst? Womit habe ich deine Ungnade verdient, deinen Zorn herauf beschworen?
In dieser, meiner schwersten Stunde, rufe ich dich verzweifelt, über die Berge und Täler dieser verfluchten Erde. Und dabei ist mir bewusst, dass mein Klagen dich nicht erreichen wird. Du bist kalt, Vater, so kalt. Warst nicht du es der mich lehrte, gütig zu sein? Mein Herz verzehrt sich nach jenen glücklicheren Tagen, als wir uns so nahe standen, wie nur ein Vater sein eigen Fleisch und Blut lieben kann.
Und doch hast du mich verstoßen und in die tiefsten Abgründe menschlicher Höllen verbannt.
Ich versprach dir, ein guter Sohn zu sein und jeden Tag meines Lebens Zeugnis jener Taten abzulegen, die in deinem Namen geschehen sollten. War ich deiner nicht würdig genug? Sprach ich den Suchenden, den Leidenden, den Einsamen nicht genug des Trostes zu, um dein Herz mit Liebe zu füllen? Oh Vater, all der Schmerz den ich nun erdulde ist nachgerade köstlich wie Honig, vergleiche ich ihn mit den Qualen, die mir deine abweisende Haltung zufügt.
Die Pein meines Fleisches lässt dich gleichgültig; erkennst du denn nicht, dass ich mich nach deinem Trost sehne? Sei mir ein Vater und ich werde mit deinem Namen auf meinen blutgetränkten Lippen glücklich sterben.
Siehst du mein Blut, das in die Erde deines Landes sickert? Siehst du, wie gierig der karge Boden es aufsaugt, wie ein Dürstender klares Quellwasser? Ich hoffe, dass die Frucht meines Lebens auf deinem Acker erblühen und dich mit Freude erfüllen wird. Und ich hoffe, dass man sich meiner als jenen Sohn entsinnen wird, der seinem grollenden Vater niemals gram war und ihm in den letzten Augenblicken seines kurzen Lebens für die Momente der Liebe dankte. Jene Liebe, die wir den Menschen bringen wollten.
All diese Mühe darf nicht vergebens sein! Vater, wenn du mich liebst, lass meinen Tod nicht sinnentleert sein. Schenke jenen Trost, die Bitterkeit in ihren Herzen tragen; gib jenen Liebe, die von Hass beseelt sind; sei ihnen jener Vater, der du für mich warst, ehe du mich verstießest.
An diesem unheiligen Ort, den die Hebräer Golgota nennen, soll meine Lebensader durchtrennt werden. Ich beuge mich deinem Wunsch, Vater, auf dass ich jetzt sterbe und den Menschen Frieden bringe. Wie sehr liebe ich dich, und wie sehr fürchte ich dich doch!
Ich fühle meine Kräfte schwinden wie jene eines dir zu Ehren geopferten Lamms. Und seit Stunden stelle ich mir und dir die selbe Frage:
Eloi, Eloi, lema sabachtani?
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

 

Hallo,

ich wollte mich zu dem Thema äußern, ob "Gedankenfetzen" als Kurzgeschichten angesehen werden können.
Ich denke, hier ist die Antwort im Bezug auf diese Rubrik ein absolutes "JA"!

Nicht immer ist eine detaillierte Handlung nötig, um eine "Geschichte" zu erzählen. Gerade in dem hier vorliegenden Fall würde eine solche Beschreibung der Geschichte mehr schaden als nützen.
Die Situation erschließt sich dem Leser hier von alleine durch die Wahl des Titels und den Verlauf. Jedes weitere Wort, das die Szenerie näher beschreibt, würde den Gedankenfluss und somit die Handlung unnötig stören.
Geschichten sind für mich Texte, die mir etwas vermitteln wollen. Sei es nun ein explizites Geschehen oder wie hier die Gedanken einer Person.
Zugegeben, ein Krimi ohne Handlung ist nicht denkbar (oder doch?), aber gerade wenn es um philosophische Themen geht, ist die Handlung meist nur Beiwerk, um die Eigentlichen Aussagen in einen erzählerischen Rahmen zu bringen. Die Gefahr, daß bei philosophischen Texten die Handlung den Kern des Werkes verdrängt möchte ich am Beispiel des Marquis de Sade verdeutlichen.
Hier wurden die sexuellen Handlungen, die eigentlich nur dazu dienen, den philosophischen Betrachtungen de Sades Ausdruck und Anschaulichkeit zu verleihen, von einigen Zeitgenossen derart überbewertet, daß es sogar Veröffentlichungen gab, die nur die sexuellen Handlungen, keineswegs aber die moralphilosophischen Elemente seiner Werke wiedergaben. So wurden aus brillianten Texten schlichte "Wichsvorlagen".
Und eben aus diesem Grunde möchte ich, was die Texte in dieser Rubrik angeht, für etwas mehr Toleranz werben.
Rainer nutzt bei seiner Geschichte bewußt das Gedankenmoment, um eine Geschichte zu erzählen. Und es gelingt ihm vortrefflich, dieses als stilistisches Mittel einzusetzen. Und was ich noch wichtiger finde ist der Punkt, daß er nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern einen Bogen spannt, zu vielen kleinen Geschichten, die sich tagtäglich abspielen.

Ich hoffe, ich habe richtig zwischen den Zeilen gelesen....:)

Tom

 

Gott Vater hat die Welt so sehr geliebt , dass er seinen einzigen Sohn geopfert hat. Daran kann man ermessen ,wie sehr Gott jeden einzelnen Menschen liebt... Gottes Sohn (Jesus) liebt seinen Vater und deshalb wünscht er nichts anderes als im Willen des Vaters zu sein. Der Himmel war nach dem Sündenfall verschlossen für die Menschen und Schlacht- und Menschenopfer hätten Gott nicht mehr versöhnen können, es war ein größeres Opfer notwendig um Sühne zu leisten. Gottes Sohn hat alle Sünden auf sich genommen und gesühnt, damit der Mensch, der sich an die Weisung Gottes hält ,wieder zur Anschauung Gottes (=Paradies) gelangen kann. Er setzte das Sakrament der Beichte ein. Er hat zwar alle Sünden der Welt ,die begangen wurden und noch begangen werden, gesühnt, aber er verlangt , dass jeder Einzelne sich zu seinen Fehlern bekennt,aufrichtig bereut und umkehrt, dass der Mensch sagt, das und jenes sind meine Sünden ,die du getragen hast. Das geschieht in der Beichte. Gott hat uns die Sakramente hinterlassen , Unterpfand und Sicherheit das ewige Leben zu erreichen. Es wird schwer für diejenigen, die darum wissen und dennoch achtlos daran vorrüber gehen......

 

Es wird schwer für diejenigen, die darum wissen und dennoch achtlos daran vorrüber gehen......
Nunja. Wer "weiß" denn schon wirklich, was Sache ist in dieser Hinsicht ... man kann es glauben oder nicht. Ich kanns schon nachvollziehen, wenn man es nicht glaubt.

 

Schade Rainer, denn mit zwei Dingen hast du für meinen Geschmack die Geschichte zerstört. Zum einen mit dem schon in der Geschichte selbst überdeutlichen Hinweis auf den Urtext, der doch durchaus auch schon vorher gut genug zu erkennen war, zum anderen mit deinem erklärendem Posting.
Ein Gebet kann eine Geschichte sein, oder eine Geschichte kann das Gebet als transportierendes Stilmittel verwenden. Gerade die aktuelle Situation im Zweistromland bietet diese Form an, gerade der christlich-missonarische Erweckungseifer mit dem dieser Krieg begründet wird macht diese Form dann wieder zur Farce.
Die Verlassenheit die man im Angesicht des Todes spürt hast du gut eingefangen, die Worte sind bildgewaltig, wenn auch nicht wirklich neu. Das empfinde ich nicht als schlimm, denn zu diesem Thema wurden schon so viele Worte geschrieben, dass es kaum möglich ist, neue zu erfinden. Ich hätte, erst recht nachdem ich deine Erklärung dazu gelesen habe, deiner Geschiche gern etwas ironischen Sarkasmus gewünscht, das hätte sicherlich die Betroffenheit erhöht, mehr Tiefe geschaffen, und die Blut und Bodenphilosophie hinter dem Sinn dieses Krieges entlarvt. Leider hats du dich aber in den Worten der Blut und Boden Terminologie angepasst.

(irgendwie kann ich nciht zu retten sein, in meinem fünftem Beitrag einen Moderator derart mies zu kritisieren ;))

 

hallo sim, ich habe auch nicht viele beiträge mehr als du, aber ich wage es auch ma:

mir kommt der text vielmehr pathetisch als philosophisch vor.

das ist doppelt schade, denn der autor kann offensichtlich auf hohem niveau schreiben. und inspiriert war er auch. vielleicht aber auch ZU inspiriert.

vielleicht bin ich aber auch nur zu sehr noch in den 90ern und reagiere auf alles was keine selbtironie oder distanzierung beinhaltet etwas allergisch.

gruss

harkhov.

 

Ein flüssiger Text, schöne Ausformulierungen.
Ich denke, das mit dem Inhalt geht schon in Ordnung.
Es gibt nicht zu wenig oder zu viel Inhalt, es kommt darauf an, was man draus macht. Und hier ist es eine recht gut gelungene KG.

Doch im Laufe des Textes kommt mir der Inhalt sehr gedehnt vor und man könnte vieles, was du in einem Absatz ausdrückst auch mit einem Satz formulieren.
Bist du vielleicht ein zweiter Titus Feuerfuchs?
Naja, auf jeden Fall ist diese deine Eigenschaft, zu dehnen, nicht unbedingt negativ.
Aber ein bisschen geschwafelt hast du schon, gibschonzu :)

lg hank

 

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