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Endlich am Strand...
Die letzte Düne wollte noch erklommen zu werden, dann waren wir endlich am Meer. Schon seit einer halben Stunde hatte ich es gerochen, aber der Weg von unserem Ferienhaus führte durch eine ausgedehnte Dünenlandschaft, die Jonathan und Maria nur mit sichtbarem Widerwillen durchschritten hatten. Etwas zielstrebiger waren ihre Eltern, aber sie konnten auch nicht mehr tun als die beiden manchmal anzutreiben.
Kaum sah ich das Meer, lachte ich Jonathan an und rannte los. Der trockene Sand wirbelte hoch, ich versank und hatte Mühen, voran zu kommen. Besser gings auf dem nassen Sand in Wassernähe, auch Jonathan erreichte ihn kurz nach mir. Seine Eltern suchten sich einen vertrockneten Baumstamm als Sitzgelegenheit aus, Maria trottete ziellos durch den Sand, wollte nicht bei ihren Eltern bleiben, aber auch nicht mit Jonathan und mir spielen. Seit ihr Handy nach der zweiten Düne den Empfang verloren hatte, war sie mürrisch.
Ich genoss das Rennen auf dem nassen Sand und schaute aufs Meer. Die Brandung blieb heute recht niedrig, der Wind blies mäßig aufs Ufer und brachte einen intensiven salzigen, leicht fischigen Geruch mit, der in mir ein Gefühl von Freiheit und Ruhe entfachte. Jonathan spielte an den kleinen Wellen. Er wagte sich nicht besonders nahe heran, sprang bei anrollendem Wasser sofort zurück, als sei es eine schmerzhafte Säure. Tatsächlich trugen die Wellen schmutzig aussehenden Salzschaum, den sie beim Zurücklaufen in großen Bergen auf dem Strand hinterließen. Jonathan schien davor noch mehr Angst zu haben als vor dem Wasser, doch ich sprang aufgeregt hindurch, lachte über die aufgewirbelten Flocken und versuchte, den kleinen Schisser hinein zu schubsen.
Dann lief ich zu Maria, die gerade gelangweilt mit ihrem Schuh Kreise in den Sand zog, und versuchte, auch sie umzuwerfen. Doch ich schien sie nur in ihrer schlechten Laune zu stören. So eilte ich lieber wieder zu Jonathan. Er traute sich etwas näher an die Wellen, ließ aber keinen Tropfen an seine Turnschuhe kommen. Lachend hopste ich an ihm vorbei durchs knöcheltiefe Wasser und zeigte ihm, dass es mich nicht zersetze, sondern ich unversehrt heraus kam. Er lachte zurück, folgte mir aber nicht weiter in die Wellen. Dabei war das Wasser mild, angenehm zu spüren, kaum kalt und kein bisschen ekelig.
Maria schaue abwechselnd zu uns und ihren Eltern, hatte keine Lust, bei ihnen zu sitzen, kam sich aber wohl zu alt oder empfindlich oder was weiß ich vor, um mit uns beim Wasser zu spielen. Doofe Kuh, dachte ich mir, aber ich hatte es aufgegeben, ihr meine Lebensfreude zu vermitteln.
Aber bei ihren Eltern war noch nicht alles vergebens, ich flitzte zu ihnen. Sie genossen zwar sichtlich das Meer und die erfrischende Luft, waren aber nicht ganz entspannt. Sie schmiedeten irgendwelche Pläne über das Programm der nächsten Ferientage und stellten Listen für den Einkauf am Nachmittag auf. Urlaub besteht doch nicht darin, die Zukunft zu planen, sondern die Gegenwart zu genießen. Sie beachteten mich kaum.
Auf dem Strand kam ein älteres Paar näher, deutlich übergewichtig, beide mit einem stützenden Gehstock. Obwohl sie sichtlich Schwierigkeiten hatten, durch den Sand zu laufen, und obwohl ihre Stöcke tief im Sand versanken, schienen sie mir entspannter als Maria oder ihre Eltern. Ich eilte hin und zwinkerte ihnen zu, sie lächelten freundlich zurück. Wenn sie könnten, würden sie mitrennen, das wusste ich.
Jonathan hatte sich ein paar Steinen genähert, die das zurückweichende Wasser gerade freigelegt hatte. Ich bat die Alten, mir zu folgen, doch sie ignorierten mich und humpelten tapfer und zufrieden weiter. Diese Steine bieten oft eine Fülle an maritimen Kleinigkeiten, und tatsächlich verkroch sich gerade ein kleiner Krebs, als ich ankam. Jonathan stand etwas abseits, also half ich ihm, den Krebs auszugraben. Doch ihm schien dieses krabbelnde, schleimige Umfeld noch suspekter zu sein als die Wellen eben. Wir waren doch schon im letzten Jahr am Meer gewesen, und am Ende der drei Wochen hatte Jonathan sein Zögern fast komplett abgelegt. Sollte er das alles vergessen haben? Insgeheim lachte ich ihn aus und hoffte, dass er es nicht merkte.
Ich raste zu Maria, die sich in den Sand auf ihre Jacke gesetzt hatte und missmutig an ihrem Handy herumtippte. Sie schimpfte mich an, weil ich ein paar Sandkörnchen aufwirbelte.
Die Eltern überlegten jetzt, welche Blumenkübel sie auf der Terrasse wohin stellen wollten, damit der Grill bei der erwarteten Änderung der Windrichtung seinen Rauch nicht über den Esstisch wehen würde -- so ein Blödsinn. War ich denn auch in diesem Urlaub der einzige, der Spaß hatte und die Zeit genoss? Ich suchte mir ein schönes Spielzeug und versuchte eine Zeitlang, die Eltern zum Mitmachen zu bewegen, aber sie zeigten wenig Ausdauer und warfen den Stock nur herum, ohne sich selbst zu bewegen. Mir wurde das zu mühsam, sollen sie doch selbst zusehen, dass sie sich erholen. Plötzlich höre ich ein Bellen. Ich drehte mich um und sah, dass es von einem Neufundländer-Weibchen mit wunderschönem, dunkelbraunen Fell kam. Sie duftete schon aus der Entfernung verführerisch und hatte auch eine Familie dabei. Meine ließ ich kurz alleine und peste zu ihr hin, um ein wenig zu flirten.