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Endlich zu zweit

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18.09.2007
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Endlich zu zweit

Es fehlen ihr die Beweise, um mich der Polizei auszuliefern. Dennoch bin ich in ihrer Hand.
Ich habe den Tod meiner Schwiegermutter geplant und veranlaßt, sie also ermordet. Ich war überzeugt, es wäre zum Besten aller Beteiligten. Nach ihrem Tod, so hatte ich gehofft, würden meine Frau und ich endlich wieder harmonische Zweisamkeit genießen können.
Nach langen Jahren der Kindererziehung würden wir zu dem Leben zurückkehren können, das wir davor geliebt hatten. Gemeinsame Wanderungen, Radtouren, im Winter Langlaufen, Skiausflüge und dergleichen, darauf hatte ich nun jahrzehntelang warten müssen. Gerne und freiwillig wollte ich meine Frau auch auf Städtereisen und zum Shopping begleiten, obwohl diese Form der Freizeitgestaltung nicht zu meinen Vorlieben zählt.
Eine Krankheit meiner Schwiegermutter führte jedoch binnen kurzem zu Pflegbedürftigkeit und fortschreitender Demenz. Was meine Frau dazu veranlaßte, von gemeinsamen Unternehmungen mit mir immer öfter abzusehen, um in ihrer kargen Freizeit ihre Mutter – soweit möglich - zu pflegen.
In diesen Wochen und Monaten begann meine Frau in Depressionen zu verfallen, obwohl ich in unserem eigenen Haushalt fast alle Pflichten auf mich genommen hatte. Unmittelbar nach der Arbeit fuhr sie zu ihrer Mutter, um oft erst um neun, zehn Uhr abends völlig erschöpft zu Hause auf ein Sofa zu sinken. Versuche meinerseits, sie mit kleinen Köstlichkeiten zu verwöhnen, scheiterten meist, da sie nichts anderes wollte, als schlafen zu gehen. Auch die Wochenenden vergingen mit Krankenbesuchen und Besorgungen für Mamá.
Ich geriet in düstere Stimmungen. Meine gelegentlichen Wutausbrüche - der Situation wegen - verschlimmerten die Lage unserer Beziehung weiter.
So sann ich auf Abhilfe und bat meine Frau zuweilen, von der Pflege ihrer Mutter zu erzählen, was sie bereitwillig und ausführlich tat. Ich interessierte mich vor allem für die Gefahren, denen sich meine Schwiegermutter unbewußt aussetzte, denn sie mochten einen Lösungsansatz bieten. So hatte sie die riskante Gewohnheit, in ihrem Lehnstuhl Zigaretten zu rauchen. Oft verfehlte sie beim Abklopfen der Asche den bereitgestellten Aschenbecher, manchmal entfiel ihr eine brennende Zigarette, gelegentlich schlief sie mit einer solchen zwischen den Fingern einfach ein. Auch versuchte sie immer noch, selbst Essen zu kochen und vergaß dabei in schöner Regelmäßigkeit Töpfe und Pfannen auf glühend heißen Herdplatten.
Weiters hatte mir meine Frau erzählt, daß Mutter zwar in ihrem Haus nur noch im Erdgeschoß mit ihrem Rollstuhl manövrierfähig war, daß jedoch die aus dem Erdgeschoß zugängliche Kellertreppe eine unkalkulierbare Gefahrenquellen darstellte. Sie hatte deshalb die Kellertür abgesperrt, was bei Mamá Tobsuchtsanfälle ausgelöst hatte. Man entmündige sie.
Je unerträglicher unser gemeinsames Leben wurde – aufgrund des seelischen Zustandes meiner Frau war auch jedes Sexualleben zum Erliegen gekommen – desto mehr wuchs in mir der Wunsch, den Pflegling tot zu sehen. Die Frage war, ob ich eine vage Phantasie in einen konkreten Plan oder gar in eine Tat umsetzen können würde.
Ich begann, meine Frau öfter zur Pflege zu begleiten – unter dem Vorwand, zur Hand gehen zu wollen oder auch Müll zu entsorgen.
Bei diesen Gelegenheiten versuchte ich genau zu beobachten, wann und wie meine Schwiegermutter in gefährliche, eventuell erfolgversprechende Situationen geriet.
Endlich, nachdem ich fünf quälende Samstage im Mief der Krankheit verbracht hatte, trat die ersehnte Situation ein. Wir saßen bei Kaffee und Kuchen. Mamá liebte Hefegebäck mit Butter und Marillenmarmelade zu dünnem Filterkaffee, der ihr nicht süß genug sein konnte.
Das Glas Marillenmarmelade auf dem Tisch war nahezu leer, und meine Frau mußte ein neues aus dem Keller holen. Sie bat mich, darauf zu achten, daß Mamá nicht in die Nähe der Kellertreppe kam, sie fahre ihr gelegentlich nach, wenn sie zu lange fortbleibe.
Tatsächlich wurde Mamá unruhig, sobald meine Frau das Zimmer verlassen hatte, fragte und rief nach ihr. Ich ließ sie gewähren. Sekunden später schob sie ihren Rollstuhl langsam an, kroch durch die Küche und war eben auf der Schwelle zum Vorzimmer, direkt gegenüber der Kellertür, als ich sie anhielt. Begütigend erklärte ich, meine Frau käme gleich, sie solle sich beruhigen. Sie fuhr jedoch fort, nach ihrer Tochter zu rufen, so, als habe sie mich nicht verstanden. Meine Frau kam atemlos aus dem Keller gehetzt.
Meine Phantasie reifte zum Vorhaben. Noch war ich überzeugt, einen Mord niemals vollbringen zu können, doch ein Zufall kam mir zu Hilfe. Meine Frau erkrankte und beauftrage mich, so schwer es ihr fiel, mit der Betreuung von Mamá.
Ich will es kurz machen: Während meine Schwiegermutter fortwährend nach ihrer abwesenden Tochter rief, bereitete ich Kaffee zu, stellte frisch gekauftes Hefegebäck auf den Tisch, deckte den Tisch und erklärte Mamá, daß ich Marillenmarmelade erst aus dem Keller holen müsse.
Hinter der Tür eines Kellerraums wartete ich, bis ihre Rufe näher kamen. Der sprichwörtliche Angstschweiß stand mir im Gesicht, ich zitterte, mein Puls raste. Journalisten pflegen über kaltblütige Täter zu schreiben – was für ein Unsinn. Sie haben keine Ahnung, wie belastend eine Mordtat ist. Emotionslose Killer – völliger Unsinn. Schon vor dem Tod des Opfers ist man fix und fertig.
Die Rufe kamen näher, sie mußte am oberen Ende der Treppe angehalten haben. Wieder rief sie nach ihrer Tochter. Um die Sache zu beschleunigen, rief ich mit hoher, verstellter Stimme um Hilfe. Wenig später krachte und polterte es, Mamá stöhnte kurz auf, Stille. Ich wagte mich nicht aus meinem Versteck. Wenn sie nun noch lebte? Mehrmals glaubte ich, weitere Stöhnlaute zu hören. Ich blieb stocksteif – doch es galt zu handeln: den Notarzt, meine Frau benachrichtigen, es durfte keine nachweisbare Verzögerung bei der Alarmierung geben.
Ich kam hervor, versuchte, den Blick abzuwenden. Mamá lag seltsam verkrümmt am Fuß der Treppe, der Rollstuhl auf ihr, ich drückte mich an ihr vorbei, so wie ich es als Kind getan hatte, wenn eine große Spinne in einem Mauerwinkel hockte.
Die Anrufe beim Roten Kreuz und meiner Frau gelangen mir aufgewühlt und kurzatmig, ohne dass ich mich verstellen mußte. In dem Moment, als ich nach dem Gespräch mit meiner Frau das Handy zugeklappt hatte, wurde mir ein Fehler klar: Ich hatte keine Erste Hilfe geleistet. Kein besorgter Schwiegersohn würde Mamá so, wie sie lag, liegen lassen.
Ich stürzte die Kellertreppe hinunter, schleuderte den Rollstuhl zur Seite, zerrte Mamá, sie unter den Armen festhaltend, so aus ihrer Position, daß sie auf dem Rücken lag, legte einen Finger an ihre Halsschlagader, spürte keinen Puls, brachte sie in die stabile Seitenlage und hörte das Klingeln. Ich hetzte hinauf, riss die Tür auf, stand erregt und zittrig vor den Rettungsleuten und stammelte, unten, unten im Keller.
Ein Weinkrampf, der mich nun zu schütteln begann, veranlaßte den Notarzt, skeptisch die Augenbrauen hochzuziehen. Eine so starke emotionale Reaktion auf einen Unfall der Schwiegermutter erschien ihm wohl unglaubwürdig. Ich verfolgte erschüttert die Arbeiten der Rettungsleute vom Treppenabsatz, als meine Frau – schweißnass, rotäugig, provisorisch gekleidet - eintraf. Ein Blick voll Zorn und Verachtung traf mich.
Man brachte meine Schwiegermutter zwar noch ins Krankenhaus, doch sie verstarb am selben Tag.
Meine Frau sprach an diesem Tag nicht mehr mit mir, doch ich hoffte, sie würde an ihren unausgesprochenen Anschuldigungen bald zu zweifeln beginnen und sie schließlich begraben.
In der Nacht konnte ich nicht einschlafen. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, kam der Rollstuhl mit meiner Schwiegermutter mit blutigem Gesicht auf mich zugefahren, in einem engen Gang, als befände ich mich in einem Bergwerksstollen. Zahllose fürchterliche Male wiederholte sich die Szene
Und als ich endgültig aufzuwachen schien, drehte sich meine Frau zu mir herum: „Es war noch Marillenmarmelade im Kühlschrank. Ganz vorne.“

 

hallo dioptrienotto,

bei usern, wie du einen verkörperst, frage ich mich immer wieder aufs neue, weshalb sie überhaupt Geschichten posten, obwohl sie kein Interesse am Dialog zu haben scheinen.
Nun ja, dein Bier. Da ich die Geschichte gelesen habe, bevor ich mich über dich schlau gemacht habe, will ich sie auch kurz kommentieren.

Also, wäre das Ende nicht einigermaßen überraschend, hätte ich die Geschichte schlicht nur langweilig gefunden. Du schilderst und schilderst, bringst aber kein Leben in deine Erzählung. Meinem Lesegeschmack nach, hättest du den Text durch wörtliche Rede auflockern sollen, so ist das alles zu narrativ.

Zudem ist dein Protagonist ne ziemliche Pfeiffe ;)

Ich begann, meine Frau öfter zur Pflege zu begleiten – unter dem Vorwand, zur Hand gehen zu wollen oder auch Müll zu entsorgen.
wäre ihm diese Idee mal früher gekommen, seiner Frau etwas unter die Arme zu greifen. Dann wäre die Situation erst gar nicht soweit gekommen...
(was das mit dem Müll entsorgen an dem Satz soll, verstehe ich obendrein überhaupt nicht)

grüßlichst
weltenläufer

 

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