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Endstation

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23.01.2014
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Endstation

Meine Hand strich über die leere Wolldecke, die auf der Couch des Hotelzimmers lag, und es war, als richteten sich feine Haare auf, als sprächen die Fasern mit meiner Haut, sagten ihr irgendwas.
Gestern hatte sie unter ihr geschlafen.

Schmucklose, graue Fabrikhallen, die sich nur kurz neben mir aufhielten und hinter mir verschwanden. Nicht wert, den Kopf zu drehen. Weiß der Teufel, was in ihrem Inneren hergestellt wurde. Etwas, das irgendjemandem Geld einbrachte, am wenigsten denen, die an den Toren standen und hastig an ihren Zigaretten zogen. Alter dreckiger Beton, rissig, Graffitis mit hellen Flecken überall da, wo der bemalte Putz abgebröckelt war.
Sie war zugestiegen und hatte sich mir gegenübergesetzt, obwohl der ganze Zug leer war. Sie sprach kein Wort.
Die Hallen draußen waren noch da. Andere nun, die nicht anders aussahen. Aber es stand jetzt kein Mensch mehr davor. Wir verließen die Stadt. Wir verließen die Menschen. Der Schienenweg führte an einem schmalen Fluss entlang, der schmutziges Wasser und Müll führte. Vorstadt wie aus einem Endzeit-Movie, die Welt wie nach der Bombe. Manche der Fensterläden hatten sich noch verblichene grüne oder braune Flecken bewahrt, die bei genauerem Hinsehen doch nur grau waren. Der Farbeindruck nur ein Wunsch meiner Vorstellung, die sich nicht darauf einstellen wollte, dass dieses B-Movie in Schwarz-Weiß gedreht war.
Sie war klein, stämmig, hatte einen blonden Bürstenhaarschnitt. Unreine Haut. Ich war voller Dankbarkeit für den Farbfleck auf ihrem Kopf. Sie stierte vor sich hin, durch mich hindurch, als ob es mich nicht gäbe. An der Endstation stieg sie mit mir aus.
Endstation. Niemand wartete. Außer uns beiden war auch niemand ausgestiegen.
Ich verließ den Bahnsteig. Auch am Schalter in der kleinen Wartehalle, an der Imbissbude, dem Tabakkiosk. Keine Menschenseele. Kein Zug, der zurück fuhr. Ich wandte mich dem einzigen Ausgang zu. Auch kein Bus vor dem Bahnhof.
Ich nahm die Straße, die am Fluss entlang zurückführte. Bis zu der Station, an der wir zuletzt Halt gemacht hatten, konnte ich zu Fuß gehen. Dort hatte ich noch Menschen gesehen. Hier hatte ich nichts verloren.
Ich ging auf einem schmalen Gehsteig, ein rostiges Geländer zwischen mir und einem Graben. Ich hörte die Frau atmen, die jetzt neben mir schritt.
Ich fragte mich, warum ich sie nicht ansprach. „Was wollen Sie von mir?“ Warum tat ich das nicht?
Aber sie war so vollkommen unaufdringlich. War einfach da. Wie ein Schatten.
Nur um mich zu vergewissern, dass sie nicht zufällig denselben Weg hatte, verlangsamte ich meinen Schritt. Sie ebenso. Ich hatte nichts anderes erwartet.
Als ich wieder Menschen sah, fühlte ich mich falsch zwischen ihnen. Sie saßen in Autos. Es gab Ampeln und ich musste bei Rot stehenbleiben. Mein Schatten auch. Warum empfand ich keine Erleichterung?
Die Frau folgte mir in den Bahnhof, bestieg mit mir den Zug, der zurück ins Zentrum fuhr, ging neben mir, bis wir vor dem Eingang meines Hotels standen. Den Zimmerschlüssel hatte ich nicht abgegeben.
Noch hatten wir kein Wort miteinander gewechselt.
Im Lift war es eng zwischen uns. Sie stand mir gegenüber und ihre Brüste berührten mich fast.
Wir stiegen aus. Sie folgte mir durch den schmalen Korridor. Ich hörte sie nicht, weil ihre Schritte sich meinen anpassten, obwohl sie so viel kleiner war als ich. Und weil der blaue muffige Teppich, der die Fußbodenleisten mit bezog, die Schritte dämpfte.
Aber ich wusste, dass sie da war.
Die schmalen Türen, die wir passierten, waren mit einer Schicht rissiger, aufgeklebter Holzfolie beklebt. Es roch modrig und nach Putzmitteln. Am Ende des Korridors, mein Zimmer.
Als ich es betrat, schloss sie die Tür hinter mir.
„Wer bist du?“
Ich wusste nicht, ob sie die Frage erwartet hatte. Vielleicht dachte sie, wenn ich sie bisher nicht gestellt hatte, bräuchte ich die Antwort nicht.
„Ich dachte, du fragst nicht, weil du es weißt.“
Natürlich wusste ich es, aber was bedeutete Wissen?
Wusste ich, warum ich hier war? Noch einmal diese Stadt sehen, in der ich nicht mehr gewesen war, seit ich die Mauer überwunden hatte.
Als es sie Jahrzehnte später nicht mehr gab, wollte ich nicht zurück. Wollte sie nicht sehen, herausgeputzt, fremd geworden.
Aber jetzt nach der Diagnose. Noch einmal die Orte, wo ich gespielt hatte, wo meine Schule war. Ich hatte nichts wiedergefunden. Alles war unkenntlich oder nicht mehr da. Nur die Menschen sprachen so, wie ich längst verlernt hatte, zu sprechen.
Natürlich wusste ich, wer diese Frau war.
„Du kommst früh“, sagte ich.
„Ich? Du warst zu früh. Du hast dich doch auf den Weg gemacht. Vor der Zeit. Solche Sehnsucht nach Stille?“
Ich blickte zu Boden. Auf den verschlissenen Teppich, auf den Koffer, der aufgeklappt auf dem Boden vor dem Schrank lag. Ich hatte noch nicht alles ausgepackt.
„Ich hab dich zurück begleitet, weil die Zeit noch nicht da war.“
„Gehst du wieder?“
„Ich schlafe ein paar Stunden“, antwortete sie und blickte sich im Zimmer um. „Ich bin müde. So einen Menschentrubel bin ich nicht gewohnt. Wenn du aufwachst, bin ich weg. Du kennst ja den Weg. Und du wirst wissen, wann du aufbrechen musst.“
Sie griff sich die Wolldecke, die zerknüllt am Fußende meines Bettes lag, weil mir heute Morgen kalt gewesen war. Wie so oft in der letzten Zeit. Sie legte sich auf die Couch, rollte sich ein und gab schon nach wenigen Augenblicken ein leises Schnarchen von sich.
Ich kroch in mein Bett. Auch ich war müde. Dachte an die farblose Welt vor den Zugfenstern, an den Bahnhof, der nicht das Ziel sein konnte. Hörte das laute Atmen von der Couch.

Als ich wach wurde, dämmerte es und sie war weg.
Ich fühlte noch Kraft in mir. Kraft zu denken, Kraft, die Bilder zu betrachten, die in mir auftauchten. Kraft, hinzunehmen, zu bleiben, zu warten.
Eines Morgens nicht mehr.
Ich fand das Gleis. Fand den Zug wartend. Er war bereits voll.
Ich wusste, wo die Menschen aussteigen würden. Spätestens.
Ich blieb sitzen. Sie stieg ein. Blieb neben der Tür stehen, sah mich.
Der Zug fuhr wieder an.
Sie lächelte, zog die Jacke aus, den Pullover. Ihr Oberkörper war jetzt nackt. Muskulös, wie der eines Mannes. Auch ihre Brüste wie Muskeln.
Aus den Schulterblättern wuchsen weiße Flügel, entfalteten sich langsam, gerade soweit, wie es die Enge des Zuges zuließ.

 

Hallo @wander,

vorab Textkram:

Weiß der Teufel, was in ihrem Inneren fabriziert wurde
Das fabriziert hat eine (ungewollt?) lustige Konnotation. Natürlich heißt es fabrikmäßig herstellen aber auch abwertend: etwas blödes tun oder etwas laienhaft zusammenbasteln. Nimm doch das neutrale herstellen.

Sie war zugestiegen und hatte sich mir gegenüber gesetzt
Ich weiß, es tut in den Augen weh, aber: gegenübergesetzt.

Manche der Fensterläden hatten sich noch verblichene grüne oder braune Flecken bewahrt, die bei genauerem Hinsehen doch nur grau waren.
Da bleibe ich am sich hängen, kannst getrost streichen.

Niemand wartete. Niemand stieg ein. Außer uns beiden war auch niemand ausgestiegen.
Überdeutlich, nicht nötig.

Ich verließ den Bahnsteig. Auch die Schalter in der kleinen Wartehalle, die Imbissbude, der Tabakkiosk. Keine Menschenseele.
liest sich strange, als würde was fehlen.
Auch am Schalter in der kleinen Wartehalle, an der Imbissbude und am Tabakkiosk war keine Menschenseele.

Ich wendete mich dem einzigen Ausgang zu.
Ich wendete den Wagen doch ich wandte mich um.

Ich nahm die Straße, die am Fluss entlang zurück führte.
zurückführte.

Natürlich wusste ich es, aber was bedeutete Wissen?
Fände ich noch herausgestellter besser.
Natürlich wusste ich es, aber was bedeutete es zu wissen?

Natürlich wusste ich, wer diese Frau war(punkt)

Ich hab dich zurück begleitet
zurückbegleitet

Also, lieber wander, die Atmosphäre, dieses Endzeitliche hat mich schon gepackt und deine Sprache ist dazu sehr passend verkürzt, verknappt, ein wenig trostlos.
Das Buch: "Der Titel: Tu, was du tun musst. Ein Ratgeber zur Selbstverwirklichung. Folge deiner Bestimmung!" ist mir etwas zu sehr Holzhammer, vor allem das mit den leeren Seiten. Das liest sich so als wäre das bisherige Leben sinnlos vergeudet worden. Und jetzt wird der Prota gezwungen, das zu verstehen. Nu kapier doch endlich, du hast dich nicht verwirklicht! Soll er die Seiten im Jenseits füllen? Sich dort verwirklichen? Hmm.
Der Engel: macht im Nachhinein Sinn. Das ist gut gemacht, dass es quasi bis zur letzten Fahrt, zum Ausbreiten der Flügel dauert, bis ich das Engel-Ding kapiere. Anfangs war ich auf der One-Night-Stand-Schiene. Sie die stille Begleiterin, er der Todgeweihte und die beiden finden sich, um sich Trost zu spenden oder so.
Sympathisch, dass sie Pickel hat, unperfekt ist und kein Heidi-Klum-Gewächs.
Die Flügel: "bis dir eigene gewachsen sind" habe ich nicht verstanden. Hat sie immer einen Satz Notflügel dabei, wie ein Reserverad, das nur bis zur nächsten Werkstatt hält? Warum grabscht sie ihn nicht und macht einen Tandemflug?
Der Koffer: Könnte verlustfrei aus der Geschichte verschwinden, genau wie das leere Buch, das er (wozu?) transportiert, was sein einziger Zweck zu sein scheint, denn er soll ihn ja leer mitnehmen.
Trotz Gemecker gerne gelesen, einige sehr schöne Ideen, wenn mir auch etwas der Überbau fehlt.

Peace, linktofink

 

Gude @wander,

kurz und knapp, mysteriöser Einstieg. Es hat mir sehr gut gefallen, dass der Mann zur Endstation und zurückfährt. Unerwartet, auch zunächst sehr paradox, dass er sich von den Menschen zurückzieht, dann wieder zurückkehrt. Jetzt, da ich es aufschreibe, fällt mir auch die Metaphorik auf. Macht natürlich Sinn: Er fährt zur Endstation, wo keine Menschen mehr sind (Tod) und wird dann als Engel zurückgeschickt. Deswegen ist er auch alleine im Zug, allein mit seinem Engel.

Etwas sehr geballt angesichts dieser Mystik fand ich den erklärenden Absatz:

Natürlich wusste ich es, aber was bedeutete Wissen?
Wusste ich, warum ich hier war? Noch einmal diese Stadt sehen, in der ich nicht mehr gewesen war, seit ich die Mauer überwunden hatte.
Als es sie Jahrzehnte später nicht mehr gab, wollte ich nicht zurück. Wollte sie nicht sehen, herausgeputzt, fremd geworden.
Aber jetzt nach der Diagnose. Noch einmal die Orte, wo ich gespielt hatte, wo meine Schule war. Ich hatte nichts wiedergefunden. Alles war unkenntlich oder nicht mehr da. Nur die Menschen sprachen so, wie ich längst verlernt hatte, zu sprechen.
Das sind viele Infos auf einmal, ich würde mir das eher gestreut wünschen. Das würde z.B. beim Dialekt der Menschen gut passen, wenn er zurückfährt.
"nach der Diagnose" ist etwas plakativ, vergibt aber auch klar die Information. Könnte schwächer sein, aber das ist dann schwer zu sagen, wie deutlich ein Text sein soll oder nicht, weil da die Leser*innen einfach sehr unterschiedlich sind. Wenn da nur steht: "Aber jetzt. Noch einmal ...", dann könnte man - glaube ich - sich erarbeiten, dass er "jetzt" an einem Zeitpunkt angekommen ist, der entscheidend für ihn ist, wo er "noch einmal" (und nur einmal) hinmöchte. Klingt doch schon nach Abschiednehmen. Aber wie gesagt, ist es eigentlich unmöglich, die eine "richtige" Version zu treffen, da Leser*innen so unterschiedlich sind.
Wo ich allerdings protestiere :dagegen:: "Aber was bedeutete Wissen?"
Das klingt so ein bisschen nach einem Weisheitsspruch aus einem B-Movie. Ist mir einfach zu nichtssagend. Wenn da stehen würde: "Wusste ich es?" wäre es so eine halbrhetorische Frage, die seine Unsicherheit ausdrückt ohne so einen Allgemeinplatz zu belegen.

Sonstige Fundstücke:

Ich öffnete das Buch und es stand nichts drin. Nur weiße Blätter.
--> Der Ratgeber ist super :lol: Würde ich gerne so zu Weihnachten verschenken.

Schmucklose, kantige graue Fabrikhallen, die sich nur kurz neben mir aufhielten und hinter mir verschwanden.
-> Sehe ich wie Novak, bei "aufhielten" bin ich kurz gestolpert. Man versteht natürlich, was gemeint ist, aber das Bild ist so etwas schief.

Natürlich wusste ich, wer diese Frau war
-> Punkt am Ende fehlt

Sie griff sich die rote Wolldecke
Aus der Pingeligkeit des Kommentatoren heraus frage ich mich, warum sie hier rot sein muss, am Anfang war es ja noch nicht wichtig. :klug:

Und das Ende:

Aus den Schulterblättern wuchsen weiße Flügel, entfalteten sich langsam, gerade soweit, wie es die Enge des Zuges zuließ.
-> Bäm. Knallt, finde es auch stimmig. Wegen der "Diagnose" vielleicht etwas zu deutlich, worauf es hinausläuft, weswegen es nicht die 180°-Wende, die Offenbarung ist. Muss es aber auch nicht, wenn du das nicht möchtest.
Ich mag die Beschreibung des Engels auch sehr.

Insgesamt sehr gern gelesen, die Metaphorik der Endstation ist toll. Die Frage für mich am Ende ist, was von der Geschichte bleibt, was ist die Prämisse. Warum z.B. wird er ein Engel? Was soll das über ihn oder andere aussagen? Das wäre, was mir ganz persönlich fehlen würde, damit es für mich eine richtig gute Geschichte wäre.

Ich hoffe, das konnte soweit hilfreich sein.


Liebe Grüße
Vulkangestein

 

Danke @linktofink
danke @Vulkangestein
Ich komme lansam ein wenig in die Krise. ;-)
Viele mögen die Athmosphäre. Manche mögen etwas, das andere gerade nicht mögen. Manche werfen Fragen auf, die sich andere gern selbst beantworten. Zum Teil auch ganz anders, als ich es mit gedacht habe. @Chutney z. B. meinte, der volle Zug bedeute, dass er nicht allein sterben würde. Sie fand das tröstlich. Das hatte ich so nicht gemeint. Für mich mussten alle anderen wieder aussteigen und am Ende wäre er wieder allein mit seinem Begleiter.
Ich sehe selbst einige Schwächen in der Geschichte. Viele liegen in der Koffer-Thematik. Die habe ich, wie schon @Novak bemerkte, vielleicht zu eng verstanden. Der Koffer musste rein. Aber was sollte in den Koffer? Socken wären zu wenig bedeutsam. Ok. Also die Flügel. Das ist zu gewollt. Er muss ja auch gar nicht wirklich zum Engel werden, und dann braucht er auch keine Interims-Flügel. Das mit dem Buch ist auch nicht wirklich nötig.
Ich frage mich jetzt, ob ich die Geschichte nochmal umarbeiten sollte für die Challenge, oder einfach in Ruhe warten, bis sie vorbei ist und mich der Geschichte dann nochmal widmen. Letzteres ist wahrscheinlich sinnvoller. Jetzt ist sie nun mal so, wie sie ist. Aber vielleicht finde ich ja in den nächsten Tagen nochmal Zeit, radikal drüber zu gehen.
Danke nochmal
wander

 

Hallo @Novak ,
jetzt habe ich mich doch nochmal über die Geschichte hergemacht. Man kann selbt die kürzeste Geschichte kürzen. ;-)
Danke nochmal für deine Anregungen.
wander

 

Moin @wander,
da ich diesmal nach meinem rauszitieren tatsächlich alle Komms überflogen hab, weiß ich, dass Du wirklich ziemlich hart gekürzt hast. Die Geschichte hat mir gefallen, eine wenn auch irgendwie vorhersehbar, aber sehr überraschend gezeigte Wendung, zwischendurch richtig spannend.
Ich mochte viele Ideen, hatte aber trotzdem manchmal ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem mit Deinem Prot. Leider kriege ich noch nicht ganz zu fassen, woran das liegt und ich fand auch keinen Hinweis in den anderen Komms - also wahrscheinlich einfach subjektiver Lesegeschmack, nimms nur als Eindruck. Ansonsten hab ich nur ein paar Leseeindrücke für Dich.

Endstation
schön zweideutig, aber ich hatte schon das richtige Gefühl ...

Meine Hand strich über die leere Wolldecke, die auf der Couch des Hotelzimmers lag, und es war, als richteten sich feine Haare auf, als sprächen die Fasern mit meiner Haut, sagten ihr irgendwas.
Schmucklose, graue Fabrikhallen, die sich nur kurz neben mir aufhielten und hinter mir verschwanden.
Ich finde den ersten Satz zwar nicht überwältigend, aber gut, doch der Szenenwechsel hat mich "überfordert" Hotelzimmer als Bild und schwup sitzt er in einem Zug. Auch beim dritten Lesen frage ich mich - gibt es eine leere Decke? Unbenutzt, benutzt, liegengeblieben, verlassen?

Ich war voller Dankbarkeit für den Farbfleck auf ihrem Kopf.
Du meinst die blonden Haare? Zählt das echt als Farbe?

Endstation. Niemand wartete. Außer uns beiden war auch niemand ausgestiegen.
Ich verließ den Bahnsteig. Auch am Schalter in der kleinen Wartehalle, an der Imbissbude, dem Tabakkiosk. Keine Menschenseele. Kein Zug, der zurück fuhr. Ich wandte mich dem einzigen Ausgang zu. Auch kein Bus vor dem Bahnhof.
okay, es ist einsam!

Nur um mich zu vergewissern, dass sie nicht zufällig denselben Weg hatte, verlangsamte ich meinen Schritt. Sie ebenso. Ich hatte nichts anderes erwartet.
ich werde echt neugierig - auf den Tod war ich durch die gute Wahl einer Frau nicht sofort eingestellt - super. Aber gleichzeitig habe ich sein Verhalten immer wieder angezweifelt, macht man das?

Die Frau folgte mir in den Bahnhof, bestieg mit mir den Zug, der zurück ins Zentrum fuhr,
reden wir eigentlich wirklich von Zug? Ich sehe bei den Entfernungen und dem innerstädtischen Punkten irgendwie immer eine Straßenbahn ... mag ja regional auch unterschiedlich sein.

der die Fußbodenleisten mit bezog, die Schritte dämpfte.
ist für mich zu aktiv - überzog? bedeckte?

Als ich es betrat, schloss sie die Tür hinter mir.
Ne, irgendwie glaube ich ihm nicht, das er es einfach so akzeptiert, sie mitlaufen und dann mit ins Zimmer lässt.

Natürlich wusste ich es, aber was bedeutete Wissen?
?

. Noch einmal die Orte, wo ich gespielt hatte, wo meine Schule war. Ich hatte nichts wiedergefunden. Alles war unkenntlich oder nicht mehr da.
Das kann ich auch nicht so recht glauben, man findet immer etwas vertrautes, immer einen Punkt, weil man wirklich solange sucht, bis es klickt. Sosehr verändert sich etwas nur, wenn alles abgerissen und völlig neu gemacht wird - das haben aber die Bilder davor ganz anders dargestellt.

„Gehst du wieder?“
„Ich schlafe ein paar Stunden“, antwortete sie und blickte sich im Zimmer um. „Ich bin müde.
Das war zwar völlig überraschend und auch "unglaublich", aber hallo, sie ist was "Anderes" - da darf sie sich gerne anders verhalten, also erwartet.

Aus den Schulterblättern wuchsen weiße Flügel, entfalteten sich langsam, gerade soweit, wie es die Enge des Zuges zuließ.
Das finde ich aber einfach nur toll, und den "fantastischen" Teil kaufe ich sofort - vielleicht komme ich ja noch dahinter, warum ich mit dem Prot so hadere, nimms nur als Eindruck.
Vielen Dank trotzdem für die interessante Version.
Beste Wünsche
witch

 

Als ich wieder Menschen sah, fühlte ich mich falsch zwischen ihnen.
[...]
„Du kommst früh“, sagte ich.
„Ich? Du warst zu früh. Du hast dich doch auf den Weg gemacht. Vor der Zeit. Solche Sehnsucht nach Stille?“
Ich blickte zu Boden. Auf den verschlissenen Teppich, auf den Koffer, der aufgeklappt auf dem Boden vor dem Schrank lag. Ich hatte noch nicht alles ausgepackt.

Ich nochmal, wenn ich darf,

wander,

zwischen Anfang und Ende.
Ich mag Deinen schwermütigen Text und hab‘s ja eh mit verschlüsselten Botschafte(r)n.

Sicher ist das Bild des Lebens als Reise so alt wie das Bewusstsein über die eigene Sterblichkeit und die Utopie und der Wunsch des ewigen Lebens. Aber zum letzten Gang, wenn ein Mensch das Personenrecht verlässt und sich zur Sache wandelt, braucht es keinen Koffer, eigentlich nicht einmal des letzten Hemdes, das aber etymologisch auf immer im Deutschen „Leichnam“ mitschwingt vom ahd. līh(i)namo übers mhd. līch(n)ame, der „Leibeshülle“ und als zwotem „Bestandteil verwandt mit eben dem „Hemd“ in dessen ursprünglicher Bedeutung als ‚Hülle‘“ (Duden | Leichnam | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft). Einem Gerücht – ob wahr, ob falsch wird man selbst nie erfahren, zieht im Todeskampf das ganze Leben an einem vorbei, wie ein Zug i. d. R. ja auch nur an bestimmten Stationen hält – und sei‘s eine einzige, die Endstation, und sei's eine

... leere Wolldecke, …
der Erinnerung.

Aber jede Änderung birgt Gefahren, so auch hier in der Reihenfolge ihres Auftritts:

... Keine Menschenseele. Kein Zug, der zurück fuhr.
„zurückfahren“ i. S. eines „zurück an den/(in Richtung auf) den Ausgangspunkt fahren“ zusammen, wie zwei Sätze später korrekt praktiziert, wenn auch mit „führen“
Ich nahm die Straße, die am Fluss entlang zurückführte.
Und doch wiederholt es sich, hier
„Ich hab dich zurück begleitet, weil die Zeit noch nicht da war.“
„zurückbegleiten“

Eine winzige Flüchtigkeit

Sie lächelte, zog sie ihre Jacke aus, ihren Pullover.
Entweder „zog sich ihre Jacke aus“ oder – alternativ das „sie“ streichen, wobei das Possessivpronomen auch Streichkandidat in beiden Fällen wäre ...
oder "Lächelnd zog sie ihre Jacke aus ..."
Aus den Schulterblättern wuchsen weiße Flügel, entfalteten sich langsam, gerade so[...]weit, wie es die Enge des Zuges zuließ.

So viel oder wenig vom Friedel,
der noch ein gutes neues Jahr wünscht!

 

Danke @greenwitch und @Friedrichard ,
jetzt geht es ja gottseidank zu Ende mit der Challenge. Ich reise künftig nur noch mit Umhängetasche oder Rucksack. ;-)
Ein wunderbares neues Jahr Euch beiden!

 

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