Engel
Ich will aus der Welt springen, einfach ins Nichts, ins Ende allen Seins. Ich spüre, wie mein Puls in meinen Schläfen hämmert. Ein Kater? Ich weiß es nicht, ich war noch nie betrunken, aber ich dachte, es würde die Sache leichter machen. Ich weiß nicht, wie spät es ist. Es ist nicht mehr dunkel, aber auch noch nicht hell, die Nacht soll ewig bleiben und alles überdecken, aber es passiert schon.
Plötzlich kommt der Bürgersteig näher – ich falle. Der Schlag durchfährt meinen Körper und in meiner Nase beginnt ein dumpfes Pochen. Der graue Beton unter meinem Gesicht färbt sich rot. Ich versuche mich aufzurichten aber als ich meinen Oberkörper hebe und aufrecht stehe, überkommt mich die Übelkeit. Ein brennendes, warmes Gefühl steigt in meinem Hals auf und erfüllt meinen Mund, im nächsten Moment mischt sich mein Blut auf dem Bürgersteig mit den schleimigen Überresten der Salzstangen, die ich in der Bar gegessen hatte.
Die Bar – der Engel, ob es schon jemand entdeckt hat? Mein Magen verkrampft sich bei dem Gedanken daran, als wolle er alle Luft aus seinem Inneren herauspressen. Vielleicht suchen sie schon nach mir. Ich gehe weiter, als ob ich flüchten könnte.
Ich hätte nie gedacht, mich so schnell in jemanden verlieben zu können, aber sie war so schön, so schrecklich schön, dass mich das Verlangen nach ihr fast zerrissen hätte.
Ich wollte ihr langes, braunes Haar berühren und über ihre zarten Wangen streichen. Ich wollte sie in Ruhe ansprechen – allein, nur deshalb bin ich ihr gefolgt, als sie die Bar verlassen hatte, ich wollte nur mit ihr reden, nichts weiter.
Alles dreht sich. Ich spüre wie das warme Blut aus meiner Nase quillt und über meine Lippen rinnt, es schmeckt nach Metall. Mein ganzer Körper ist schwer, aber ich muss weiter laufen, ich weiß wohin ich flüchten kann, wo mich niemand finden wird. Zu ihr.
Ich betrachtete ihre zarten, blassen Hände. Mit der einen hielt sie den Henkel ihrer braunen Lederhandtasche, die andere baumelte an der Seite. Ihre Fingernägel waren rot und ihr Haar glänzte im Licht der Straßenlaternen. Plötzlich kam ein Windstoß.
Ich bin fast da, in Sicherheit. Ich stehe da und schaue in das Nichts vor mir. Ich hole tief Luft. Ich weiß nicht mal warum, es wird sowieso passieren. Ich will, dass es passiert.
Als ihr wunderbarer Duft mich erreichte, musste ich die Augen schließen, weil ich nichts anderes mehr wahrnehmen wollte. Er war so süß und blumig … mit nichts zu vergleichen. Ich folgte ihm.
Ich öffnete die Augen und atmete aus. Erst da bemerkte ich, wie nah ich ihr gekommen war.
Ihr Gesicht war eine angsterfüllte Maske.
Ich wollte sie nicht verletzen. Sie sollte nur ruhig sein, sollte aufhören zu schreien. Ich liebte sie. Ich wollte sie spüren, ihr so nah wie möglich sein und ich tat es. Ich sagte ihr, dass sie keine Angst haben musste, aber sie hörte nicht auf. Ihre leblosen Augen.
Ich falle.