Epilog
Die Schlacht ist vorbei. Verloren.
Die Leichen der Erschlagenen liegen verstreut auf dem blutbefleckten Boden des Schlachtfeldes.
Die Verwundeten, der kümmerliche Rest des versprengten Heeres, sind zerstreut worden.
Dort hinten am Horizont, wo die Schlacht bis zum letzten Augenblick erbittert getobt hatte, sammeln sich schon die Vögel. Schwarz, glänzendes Gefieder. Gierig nach totem Fleisch. Ihnen geht es gut in dieser Zeit.
Die Verwundeten werden bald genauso hier liegen; Knochen und faulende Reste alten Fleisches.
Sie werden den nächsten Morgen nicht mehr erleben.
Auch ich nicht.
Ich weiß es, obwohl ich nicht verwundet bin. Es scheint ein kleines Wunder zu sein, dass ich in der Schlacht keine Verletzung erhalten, ja nicht einmal eine Schramme davongetragen habe.
Nur wird mir dieses Wunder auch nicht helfen zu überleben.
Ich habe mich auf das Hochplateau geflüchtet.
Nur wenige Gefallene liegen hier.
Sie wurden hinterrücks erschossen, als sie zu fliehen versuchten.
Nur mich hat man verschont.
Zum wiederholten Male lasse ich meinen Blick über die Ebene wandern. Tod und Verfall, so weit das Auge reicht.
Ich habe Durst, schrecklichen Durst, und in meiner Magengrube macht sich langsam ein dumpfes Hungergefühl breit.
Doch hier gibt es nichts, rein gar nichts, was man verzehren könnte. Wir haben alles in der Schlacht verloren. Außer...
Mein Blick fällt auf den toten Soldaten neben mir. Seine gebrochenen Augen scheinen mich vorwurfsvoll anzusehen, so als wisse er, was in mir vorgeht. Schnell wende ich mich ab und blicke in die andere Richtung.
Ich werde sterben. Bald.
Seltsam, irgendwie fühle ich gar nichts dabei, nur ein leises Bedauern, dass es so enden musste. Mit einer Niederlage...
Ich beschließe, hier auf dem Plateau zu bleiben und auf den Tod zu warten. Oder auf die Vögel, obwohl das im Endeffekt das Gleiche bedeutet.
Kein Mensch ist unten auf der Ebene zu sehen. Kein lebender Mensch...
Nur ich bin noch übrig...
Ich nehme ein altes Schwert zur Hand, die Klinge ist schartig und mehrfach gespalten. Eine innere Stimme flüstert mir zu, mich in die Klinge fallen zu lassen. Es ist doch sowieso bald vorbei.
Einen Moment lang zögere ich, ziehe die Möglichkeit dann wirklich in Betracht.
Wie hätte alles sein können, wenn diese Schlacht nie geführt worden wäre, ohne diesen Krieg...
Wie hätte es sein können, wenn er noch leben würde...
Als ich aus meinen Gedanken aufschrecke und den Kopf zum Himmel hebe, sehe ich eine große schwarze Wolke am Horizont. Die Vögel sind verschwunden.
Das Schwert fällt mir wie von selbst aus der Hand. Wolken können Regen bringen. Und Regen bedeutet Leben.
Mit etwas Glück könnte ich es über die Grenze schaffen, in die nächste Stadt.
Ich warte und hoffe.
Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffne ist es Abend. Und es regnet. Dicke Tropfen perlen von meiner Haut ab und benetzen meine aufgesprungenen Lippen.
Ich springe auf, jauchze, lache, strecke meine Arme aus zu dem köstlichen Nass.
Und trinke, trinke...
Erst nach geraumer Zeit fällt mir der eigentümliche Geschmack des Wassers auf.
Doch ich trinke weiter, zu groß ist mein Durst.
Die Tropfen sind zu dunkel für Regen, zu schwer...
Zu rot...
Zu spät erkenne ich die Flüssigkeit.
Oh nein.
Es gibt ihn doch, den Fluch...
Ich fühle, wie das Blut mich hinwegspült...
Zum zweiten Mal erwache ich.
Doch diesmal ist es anders.
Ich verspüre keinen Durst mehr, und mein Hunger ist gestillt.
Ach ja, der Regen.
Ich denke kurz an den Fluch. Blödsinn. Ich lache leise. Da haben mir die Soldaten aber schöne Ammenmärchen erzählt.
Der Himmel ist wieder klar, keine Spur von Vögeln.
Ich trete ganz nah an den Rand des Plateaus.
Die Verwundeten sind versprengt worden.
Nun ist es Zeit, sie zu suchen.
Mit einem lauten blutgierigen Schrei breite ich meine Flügel aus und stoße hinauf in den Himmel.