Was ist neu

Er oder Ich?

Der Ich-Erzähler kann nichts leichter erzählen als ein Er-Erzähler, dazu ist er noch beschränkter in dem, was er erzählen kann – weil er eben nicht allwissend sein kann -, lauter Nachteile also, ich wüsste nicht, warum ich es mir freiwillig so schwer machen sollte.

Doch schlimmer als den Ich-Erzähler finde ich den Du-Erzähler, also den, der Geschichten in der Briefform zu schreiben versucht – gewöhnlich an eine(n) Abwesende(n). Das sind meistens irgendwelche Abrechnungen mit den einst geliebten oder ungeliebten Menschen, oder Oden an eine(n) Tote(n), alles Dinge, die eben nur die zwei – wenn überhaupt – interessieren dürften, mich jedenfalls langweilen sie so sehr, dass ich es bisher noch nie geschafft habe, von solchen Texten mehr als einen Absatz zu lesen. Ich weiß, dies ist jetzt ein wenig off-topic, aber mich interessiert schon, was ihr dazu meint.

Dion

 

Du hättest mal Horni bei der Gelsen-Kirchen-Lesung hören sollen! Dann hättest du deine Meinung ziemlich sicher geändert. Das war allerdings kein Brief und abwesend war sie auch nicht.

 

Ja? Was hat er denn so Interessantes gelesen, Anika?

 

"Der Löwe schläft" oda so. Aber man muss es einfach GEHÖRT haben. Das war einfach genial vorgetragen.

 

@Anika und @monnshadow
Habt ihr euch angesprochen gefühlt, ha? Oder gar ertappt?

Ja, Horni hat da ein schönes Stück Prosa gelungen. Obwohl es auch da um eine Abrechnung ging. Wie vorausgesagt! Beim Du-Erzähler kann es kaum etwas anderes werden. Da ist immer die Konstellation: ich und du. Daher ist beinahe alles absehbar. Aber okay, ich werde bei der nächsten Du-Geschichte mindestens zwei Absätze lesen. Unter Umständen auch mehr. Man kann nie wissen. Soweit habt ihr mich gebracht. Und so schnell! Verdammt, wo ist bloß mein Kampfgeist geblieben?

 

Ganz einfach: Hornis Protagonist hadert mit seiner Freundin, ist eifersüchtig bis geht nicht mehr. Und du, moonshadow bist auch Freundin von irgendjemand, nicht? Oder zumindest mal gewesen? Dann passieren eben Dinge, die Horni beschreibt. Ob aktiv betrieben oder passiv erlebt, das spielt keine Rolle – Identifikation ist immer garantiert. Daher der Erfolg bei der Lesung. Ist zumindest anzunehmen.

 

Dion? was redest du?
Ich habe lediglich den link zur geschichte gepostet und gesagt, dass horni sie wunderbar vorgelesen hat. Was hat das damit zu tun, ob ich von irgendwem die Freundin bin oder nicht? :confused:

 

@Dion:

Doch schlimmer als den Ich-Erzähler finde ich den Du-Erzähler, also den, der Geschichten in der Briefform zu schreiben versucht – gewöhnlich an eine(n) Abwesende(n). Das sind meistens irgendwelche Abrechnungen mit den einst geliebten oder ungeliebten Menschen, oder Oden an eine(n) Tote(n), alles Dinge, die eben nur die zwei – wenn überhaupt – interessieren dürften
Ich stimme Dir zu, daß es sich in den meisten Fällen von Du-Erzählungen um irgendeine Form der Abrechnung handelt, jedenfalls sind auch die, die mir einfallen, großteils so. - Erotikgeschichten gibt es aber auch ein paar in Du-Form.

Aber Dein Fehler ist glaub ich, daß Du offenbar davon ausgehst, daß Du-Geschichten real sein müssen, also Du davon ausgehst, daß zum Beispiel Hornis Geschichte so von ihm erlebt ist. - Was aber tatsächlich ja überhaupt nicht sein muß. Und warum sollte es dann nur "die beiden" (den Autor und seinen Protagonisten?) etwas angehen, wenn der Autor doch bloß eine fiktive Geschichte in diese Form verpackt? Selbst, wenn fünfzig oder noch mehr Prozent des Textes Vorwürfe sind, können diese Vorwürfe eine Geschichte erzählen. Ich denke, daß die Du-Form eben einfach gut geeignet ist, um Wut, Aggressionen, Eifersucht, aber auch Liebe darzustellen.
- Was ich eher nachvollziehen könnte, wäre, wenn Du sagen würdest, Du magst keine aggressiven Texte. ;)

 

Hi Dion,

Die "Du-Erzählung ist natürlich auch eine Form der "Ich-Erzählung". Und deinen Vorwurf, es geht in den meisten Fällen um eine Abrechnung ist nicht unbegründet. Trotzdem ist für einige Plots auch diese Form sehr begründet. Briefromane waren einmal sehr gefragt. "Gefährliche Liebschaften" ist als solcher, finde ich, sehr beeindruckend.
Die Kritiken, die ich hier für meine "Du-Erzählung" "Ein tiefer See" erhalten habe, zeugen nicht gerade davon, dass sich die Leser gelangweilt hätten, obwohl sich die Geschichte eindeutig an einen Abwesenden wendet und so etwas wie eine Abrechnung ist.

Vielleicht habe ich ja mal das Glück, dass du mehr als die ersten zwei Absätze liest. :)

Heute Abend dann auch wieder mehr zum "Ich" und eine Antwort an Anika zu ihren neuen Vorschlägen. :)

Lieben Gruß, sim

 

Dion... wieso eigentlich ertappt? Selsbt, wenn ich mich wiederfinden WÜRDE, wäre es nicht so, schließlich sehe ich das so, dass die Freundin über die Häßlichkeit hinwegsieht und der Mann das einfach nur nicht glauben kann. Ein bedauerlicher Protagonist. Horni ist weißgott nicht sein eigener Protagonist! Ich bin übrigens solo :dozey: Du solltest aufhören Realität und Fiktion zu verwechseln.

 

@moonshadow
Stimmt, du bist nicht betroffen. Du wolltest nur hilfereich sein – ich danke dir dafür. Habe dich Einfachheit halber in einem Zug mit Anika genannt. Bitte um Entschuldigung.

@Anika
Soll ich dir hier eine Abhandlung über die Ursachen der Leseridentifikation mit literarischen Figuren liefern? Dafür gibt es kompetentere Leute als mich, Anika, liest dort mal nach, dann wirst du schon verstehen, was ich meine. Im Übrigen habe ich ganz deutlich vom Hornis Protagonisten gesprochen, verstehe daher deine diesbezüglichen Worte nicht.

@Häferl
Wo bitte habe ich gesagt, dass die Du-Geschichten real sein müssen? Ich habe wörtlich gesagt: Hornis Protagonist hadert mit seiner Freundin, ist eifersüchtig bis geht nicht mehr. Wieso glaubst du nun, ich ginge davon aus, Horni hätte die Geschichte selbst erlebt?

Das Problem mit den Du-Geschichten liegt meines Erachtens schlicht daran, dass der Autor den Leser zum Voyeur macht, denn ein Brief ist fast immer eine rein private Angelegenheit, selbst wenn die Personen nur fiktiv sind.

Und was die aggressiven Texten angeht: ich mag sie. Ich mag Texte, die Stellung beziehen, Texte des Einer- und des Andererseits sind mir ein Gräuel.

@sim
Du sagst es selbst: Briefromane waren einmal sehr gefragt. Sie waren. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, wahrscheinlich sind die heute üblichen Verdächtigen Kino und Fernsehen daran schuld, dass sie aus der Mode kamen.

Dein Text „Ein tiefer See“ ist – soweit ich es beim Überfliegen sehen konnte - nicht durchgängig in der Du-Form geschrieben. Und: ich habe bereits gesagt, dass ich bei guten Texten eine Ausnahme machen will, Hornis Geschichte war nur ein Anfang.

Dion

 

Hallo alle!

Ich finde abschreckend, dass sich der Leser in das geschriebene Wort "ich" zwar hineinversetzen kann, aber nur schwer eine Person damit assoziieren kann: Führt man "Heinrich" mit dem Satz: "Heinrich hatte immer Durst, wann immer man ihn sah, schaute einem der Durst aus seinen Augenhöhlen entgegen. Er war groß und hager und stand nie wirklich sicher auf den Beinen. Seine hohe Stimme klang er erschreckt, und es schien, als würde er beim reden Luft holen."

Wenn man dann nachher auf "Heinrich" eingeht, hat der Leser (hoffentlich) dieses Bild vor Augen -- all das finde ich bei "Ich" viel schwieriger, zumal eine Beschreibung wie oben hier ja gar nicht möglich ist.

Ich glaube, die Ich-Form bietet sich an, wenn man den Antagonisten charakterisieren will, während man für skurrile Protagonisten die Dritte Person verwenden sollte.

Gernot

 
Zuletzt bearbeitet:

Wieso sollte man ausgerechnet für Antagonisten die Ich-Form wählen??? :confused: Das ist doch der Gegenspieler oder nicht?

@dion: Ich verstehe nicht, was du meinst, denke ich... hoffe ich... ich werde mich lieber nicht auf eine Grundsatzdisskusion mit dir einlassen, ich glaube nicht, dass wir da zu einem Ziel kommen.

 

Hallo Anika!

Mit Antagonisten meinte ich den Gegenspieler des Erzählers. Wenn der Erzähler in der Ich-Form schreibt, kann er ale Seine Gedanken zu seinem Gegenspieler ausdrücken, wie er aussieht, wie er unter seinem Verhalten leidet etc. Den Ich-Erzähler, also den Protagonisten selbst, kann man dafür etwas schlechter charakterisieren, glaube ich.

Gernot

 

Bei mir ist es unterschiedlich. der direktere Einstieg in eine Geschichte fällt mir mi "ihm/Ihr" oftmals leichter, der persönlichere Bezug/ der authentischere scheint mir hingegen bei Wahl der "ich" form gegeben. ich benutze sie je nach Thema gleich gern.
Lord

 

Sol Stein, der New Yorker Lektor, empfielht allen Autoren, die 3. Person zu nehmen, da diese angeblich "lieber gelesen" werden. Soweit ich weiß, war er Lektor für Geschichten, die sich vom Niveau her oberhalb von Grisham bewegen, aber nicht weit oberhalb.

Ich denke, dass der Mann insofern Recht hat, dass man die Ich-Form sicherlich meiden sollte, wenn man für ein sehr breites Publikum schreiben will.

 

hehe, ich denke, dass man die Ich-Form lediglich meiden sollte, wenn man nicht damit umgehen kann. Das gilt übrigens für jede Form :dozey:

Was den Antagonisten angeht: Hö? Den kann man doch prima in der dritten Person beschreiben??? Und den Ich-Erzähler kann man sehrwohl gut charaktarisieren, bloß hat nicht in Form einer Beschreibung.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom