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Erinnerung vergeht nicht

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18.11.2004
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Erinnerung vergeht nicht

Zeit vergeht schnell, aber Wunden heilen nur langsam. Sieben Jahre ist es nun her, dass Saskias Mutter gestorben war, doch die Erinnerung schmerzte noch genau wie früher. Ein Bild von ihr stand auf Saskias Nachttisch. Es war ein altes Foto, als ihre Mutter noch langes, welliges Haar hatte, blond wie das eines Engels. Zum Schluss waren alle ihre Haare einer kahlen Glatze gewichen, die sie aber auf eine für Saskia völlig unverständliche Art immer mit Würde und Zufriedenheit getragen hatte. Damals hatte sie ihre Mutter dafür gehasst, wie sehr ein zehnjähriges Mädchen seine Mutter überhaupt hassen konnte. Nein, sie war nie eine gute Mutter gewesen und doch hing Saskia an jeder einzelnen Erinnerung an sie, klammerte sich daran wie an einen Rettungsring, während sie in einem Meer aus Hass und Verzweiflung zu ertrinken drohte.
Saskia stand nun vor einem Museum, mit einem Schild in der Hand und sah sich um, sah in all die entschlossenen Gesichter ihrer Mitmenschen, wie sie sich an diesem Museum festkrallten, um ihrem Leben irgendeinen Sinn zu geben und ihren Enkeln und Urenkeln in ferner Zukunft einmal erzählen zu können, wie sie dies Gebäude vor dem kommerziellen Boom kurz vor der Jahrtausendwende hatten retten können. Für eine kulturell gesicherte Zukunft. Saskia war dieses Museum im Prinzip genau so egal wie all den anderen Menschen hier. Es war nur Mittel zum Zweck. Es war das einzige, was Saskia mit ihrer Mutter über den Tod hinaus verband. Sie hegte eine tiefe Abneigung gegen all die Praktiken und Werte, die ihrer Mutter am Herzen gelegen hatten, aber das Demonstrieren an sich war Saskias persönlicher Trauerzug, so zu sagen eine Ehrerbietung an ihre Mutter, auch wenn jene zu Lebzeiten andere Ziele verfolgt hatte.
Ihre Mutter starb während einer Demonstration. Den Sinn hatte Saskia bis zum heutigen Tag nicht verstanden und vermutlich würde sie ihn auch nie verstehen. Polizisten gingen gewaltsam gegen die Demonstranten vor, die mit Steinen und Flaschen nach den Ordnungshütern warfen. Saskias Mutter war mitten im Getümmel, trat mit ihren Springerstiefeln auf einen am Boden liegenden Beamten ein und bekam einen Schlag auf den kahlen Hinterkopf. Sie ging zu Boden und mehrere Polizisten prügelten mit ihren Schlagstöcken auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührte. Saskia kam in ein Heim und wurde nur kurze Zeit später zu einer Pflegefamilie gegeben, aber sie hatte sich nie zur Familie zugehörig gefühlt. Auch wenn ihre Pflegeeltern und ihre neugewonnenen Geschwister sich immer alle Mühe gegeben hatten, damit sie sich wohl fühlte, konnte sie sich einfach nicht dem Gedanken entziehen, dass ihre Familie an einem anderen Platz war. Sie war zu anders als die anderen, passte nicht in die sorgsamen Reihen, wie sie selbst es empfand. Ihre Mutter war schon immer ihre ganze Familie gewesen.
Allein deshalb stand sie nun hier und demonstrierte gegen den Abriss eines Museums, das sie noch nie im Leben betreten hatte. Der Erfolg oder Misserfolg dieser Demo war ihr vollkommen egal. Am Abend würde sie gehen und das Schild einfach in den nächsten Mülleimer werfen. Morgen gab es eine weitere Demonstration für den Erhalt eines Biotops. Dort würde sie wieder mit einem neuen Schild stehen und in all diese Gesichter blicken, würde wieder dort warten bis zum Abend und an ihre Mutter denken.

 

Hallo Brynn,

ich finde Deine Geschichte liest sich gut, man kommt locker durch bis zum Schluss und sie bewegt. Allerdings finde ich, dass zuviel Erzählbericht darin steckt und zu wenig 'Saskia' selbst. Von ihr erfährt man nur ihre Einstellungen, aber ich wüsste spontan als Leser gerne mehr über sie.
Ich bin ähnlicher Meinung wie Kristin, eine Überarbeitung würde sich sicher lohnen!
Das mit den Polizisten finde ich zu krass und eher unglaubwürdig...
Aber insgesamt eine interessante Geschichte, wie gesagt, ein Ausbau lohnt sich!

Viele Grüße
Kala

 

Hallo Brynn,

wie toll könnte deine Geschichte sein, wenn du sie uns erfahren und erleben lassen würdest. Aber leider wählst du die etwas selbstmitleidiger Perspektive eines inneren Zwiespalts, den du uns zugleich vorenthältst. Sollen die Glatzen andeuten, dass die Mutter rechtsradikal gewesen ist?
Es wäre Hoffen und Bangen um die Mutter möglich gewesen, wenn die Rückblenden den Tod nicht schon gleich klar gemacht hätten. Es wäre Spannung möglich gewesen, wenn die fehlende Interaktion mit den anderen Demonstranten zu Konflikten geführt hätte. So bleiben leider die beschriebenen Seelen ein leeres Abziehbild, dabei hätte der Plot so viel Potential in sich getragen, dass ich fast versucht wäre, ihn dir zu klauen. ;)

Es war ein altes Foto, als ihre Mutter noch langes, welliges Haar hatte
Da fehlt etwas: Es war ein altes Foto aus einer Zeit, als ... oder Es war ein altes Foto, das ihre Mutter noch mit welligen ... zeigte. Sonst ist die Satzaussage einfach unvollständig.
Damals hatte sie ihre Mutter dafür gehasst, wie sehr ein zehnjähriges Mädchen seine Mutter überhaupt hassen konnte.
gehasst, so sehr ...
wie sie dies Gebäude
dieses Gebäude

Lieben Gruß, sim

 

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