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Erkenntnis

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24.06.2008
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Erkenntnis

Sie starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, in denen mehr Überraschung als Furcht erkennbar war.

Meine Frau und ich saßen auf einer Tagesdecke und beäugten die Natur. Ich schenkte mehr Aufmerksamkeit der Tierwelt, sie den Bäumen und dem Himmel.
Unsere zwei Jungs rannten hintereinander her, lachten und fielen bereitwillig in das weiche Gras.
Mehrmals wurden wir von ihnen aufgefordert mitzumachen, doch unsere Interessen lagen mehr darin, sie beim Spielen zu beobachten und ihrem glücklichen Lachen zu lauschen.

Ihre zittrige Hand legte sich auf meinen Unterarm. Ich warf einen unverständlichen Blick auf diese Geste.

„Machst du ein Foto von mir?“ Meine Frau schaute mich an.
„Gleich hier?“ Ich nahm die Digitalkamera und richtete sie auf die Mutter meiner Kinder.
„Schlägst du etwas anderes vor?“
„Du siehst überall wunderschön aus!“
„Spinner!“ Sie wurde ein wenig rot und lächelte verlegen. Diesen Augenblick verewigte ich auf der Kamera.
Was ich an ihr so liebte war, dass sie immer noch rot wurde, wenn ich ihr ein Kompliment machte. Es war toll, sie als junges Mädchen zu sehen, voller Lebensfreunde und Unbeschwertheit, die sich an kleinen Dingen der Welt erfreuen konnte und sich niemals beschwerte.

Sie lächelte mich plötzlich an. Es war ein sonderbares Lächeln, welches ich an ihr noch nie gesehen habe. Ihre Hand rutschte dabei von meinem Unterarm und hinterließ eine rote Spur der Wahrheit.

Die Jungs saßen jetzt mit uns, um etwas Eßbares zu sich zu nehmen.
Zwei Kühlboxen haben wir mitgenommen. In der einen lagen Sandwiches, Obst, Gemüse; in der anderen etwas zu trinken, für jeden Geschmack.
Der jüngere Sohn biss ein Stück vom Sandwich ab und sagte laut: „Habt ihr gesehen, wie ich einen Flickflack gemacht habe?“
„Du hast es drauf, Mann!“ Ich zwinkerte ihm zu.
„Klar doch!“ Er lachte.
Sein Bruder war mehr der ruhige Typ, hing wahrscheinlich daran, dass er der ältere war und sich für seinen Blutsverwandten verantwortlich fühlte, was jedoch nicht immer der Fall war. Manchmal waren die beiden richtige Rivalen, wenn es zum Beispiel um das letzte Eis ging…

Sie saß jetzt mit dem Rücken an die Beifahrertür gepresst. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Ich sah mir den Rücksitz an. Die Jungs waren nicht dieselben. Es war ungewöhnlich.

Die Sonne verlor noch immer nicht an Kraft, als wir uns entschlossen haben diesen schönen Platz zu verlassen und zum Auto zurückzugehen.
Sie war guter Laune, die Jungs bisschen müde von der ständigen Rennerei, dennoch begutachteten sie alles um sie herum mit Begeisterung, und ich… ich war stolz auf mich. Ich betrachtete es als meinen Verdienst, dass der heutige Tag etwas anderes wurde, etwas, das sich vom gestressten Alltag eindeutig unterschied. Und wenn ich so meine Frau anblickte, hatte ich höchstwahrscheinlich einen Preis gewonnen – ich fieberte schon der gemeinsamen Nacht entgegen.

Der Jüngere weinte leise vor sich hin und versteckte seine Augen vor mir. Der Ältere sah mich voller Gram an.

Als wir endlich den Parkplatz erreichten, stockte mir der Atem: Überall Polizeifahrzeuge, Krankenwägen und einfache Passanten. Es war laut und chaotisch. Wir blieben zunächst unsicher stehen und schauten uns um.
Die Frau und die Jungs gingen dann näher an die Absperrung ran. Ich stattdessen rührte mich nicht vom Fleck und verlor die drei bald aus den Augen.

„Weine nicht“, beruhigte der ältere seinen jüngeren Bruder, „nicht weinen!“ Er sah mich an und sagte emotionslos: „Es wird bald vorbei sein…“

Ich überlegte mir eine Strategie, wie ich unser Auto erreichen konnte und suchte gleichzeitig nach einem Polizisten, der so viel Verständnis aufbringen würde mir bei diesem Problem zu helfen.
Ein Polizeibeamter erschien von selbst. Er musterte mich stumm mit einem scharfen Blick, in dem keinerlei Argwohn zu erkennen war, und sagte schließlich: „Wollen Sie zu Ihrem Auto?!“
Ich lächelte erleichtert. „Sieht man mir das sofort an?“
Er ging darauf nicht ein. „Kommen Sie mit! Ihre Familie wartet schon auf Sie!“
Er drehte sich abrupt um und ging los. Ich folgte ihm.

Er umarmte seinen leise weinenden Bruder. Eine unnatürliche Stille trat ein. Es tat irgendwo weh. Die Luft war auf einmal unnatürlich schwer geworden.
Ein Schuß zerbrach die Stille...

Die drei standen vor unserem Auto und starrten hinein. Sie sprachen nicht miteinander, was seltsam war.
„Fahren Sie vorsichtig!“, sagte der Polizeibeamte und verschwand in der bunten Menge.
Er gab mir keine Zeit mich bei ihm zu bedanken und ich ließ es dabei bleiben.
Ich näherte mich den drei wichtigsten Menschen im meinem Leben, und sagte: „Etwas Interessantes da drin?!“
Sie blieben stumm.
„Ist was passiert?!“
„Lass uns einfach nur fahren“, sagte meine Frau nur und alle drei stiegen ein.

Meine Frau… Meine Kinder…
Blut und Schmauch in der Luft…

Meine Hand legte sich auf den Türgriff und da sah ich mich, auf dem Fahrersitz. Das Gesicht bleich an die Fensterscheibe gepresst. Die Augen starrten leblos in die Leere, hinter denen sich die einzige Wahrheit verbarg…

Revolver in meiner Hand.
Blutspur auf meinem Unterarm.
Die Erkenntnis.
Tränen um Verzeihung.
Die Wärme der Mündung unter meinem Kinn.
Und die Ewigkeit.

Meine Augen waren geschlossen und ich zitterte an ganzem Körper. In meinem Kopf spulte ich immer und immer wieder dieselben Worte ab – Träume ich!
„Was machst du da?“ Die Stimme meiner Frau hinter mir. Realität oder Fiktion?
Eine Hand berührte meine Schulter und ich öffnete die Augen.
Ich drehte mich um und… Es war keiner da.

Wo bin ich?!

Der Parkplatz war leer und so ruhig, dass es für meine Ohren wiederum zu laut war.
Die Bäume standen still da, sowie die Wolken am Himmel, die wie aufgemalt aussahen.
Obwohl die Sonne kräftig strahlte, empfand ich keine Wärme.

 

Hallo Geert!

Nachdem ich gefühlte 100 Mal beim Lesen und Kritisieren deiner Geschichte unterbrochen wurde und mein halbfertiger Kommentar dann noch freundlicherweise weggeklickt wurde, kriegst du jetzt doch noch eine Kritik von mir. :xxlmad: Sämtliche Aggressionen haben nichts mit deiner Geschichte zu tun, ich versuche mich zurückzuhalten. :D

Unsere zwei Jungs rannten hinter einander her,
hintereinander
doch unsere Interessen lagen mehr darin sie beim Spielen zu beobachten
darin, sie
Ihre zittrige Hand legte sich auf meinen Unterarm… Ich versank in ihrem Blick…
Das ist jetzt natürlich Geschmackssache, aber mir persönlich bluten die Augen, wenn ich diese drei Auslassungspunkte in geballter Form in Texten sehe. Das sieht dann immer aus, als versuche der Autor dem Leser zu sagen: Achtung, Dramatik! Fehlt nur noch die passende Hintergrundmusik. Und der zweite Satz ist auch arg abgedroschen.
Der jüngere Sohn, biss ein Stück vom Sandwich ab, und sagte laut: „Habt ihr gesehen, wie ich einen Flickflack gemacht habe?!“
Die ersten beiden Kommas weg. Und: Hier gilt im Prinzip dasselbe wie für die drei Punkte. Entweder Fragezeichen oder Ausrufezeichen, beides zusammen ist ätzend. Zumal in diesem Text wirklich nirgends eine Berechtigung für ein ?! ist.
Ich hab es geschafft, dass heutiger Tag etwas anderes wurde,
Tempus: Ich hatte es geschafft. Und willst du das wirklich so schreiben? Ich finde: dass der heutige Tag klingt besser.
Der jüngere weinte leise vor sich hin
Der Jüngere
Der ältere sah mich voller Gram an.
Der Ältere
Die Frau und die Jungs gingen dann näher an die Absperrung ran.
Wieso sagt er: die Frau? Es ist doch nicht irgendeine Frau, sondern seine.
Ich überlegte mir eine Strategie wie ich unser Auto erreichen konnte
Strategie, wie
Meine Hand legte sich auf die Türklinke
Türklinke verbinde ich eher mit Haustüren und so, aber ich glaub du meinst die am Auto. Ich weiß grad selber nicht wie das heißt, aber ich würde das irgendwie wegmogeln. ;)
und ich zitterte an ganzem Körper.
Andersrum: am ganzen Körper
Es kann nicht sein! Es darf nicht sein!
Böh. Das ist nicht schön. Der ganze Text ist voll von dieser Dramatik, die ich zwar lese, mir aber nicht gezeigt wird und mich somit völlig kalt lässt. Daran krankt die Geschichte ein bisschen. Dramatik mit multiplen Satzzeichen und abgedroschenen Phrasen verdeutlichen zu wollen reicht einfach nicht.

Stilistisch fand ich die Geschichte nicht so berauschend, aber das Experiment finde ich schon interessant. Ich musste es auch mehrmals lesen, um zu verstehen. Oder naja, ich glaube, es weitestgehend verstanden zu haben, obwohl mich die kursiven Stellen immer noch durcheinander bringen. Es ist wohl von einem Familienvater die Rede, der sich erschossen hat und jetzt aus einer anderen Perspektive beobachtet, wie seine Familie und die Polizei ihn finden. Dabei ist er selbst noch als Mitglied der Familie und findet quasi sich selbst. Und dieses Familienpicknick war wohl nur seine Einbildung. So habe ich das im Groben verstanden. Was nicht heißt, dass ich nicht verwirrt bin. :D
Diese Gegenüberstellung von heile Welt und Schock (kursiv) fand ich interessant, aber ich kann das Kursive nicht richtig einordnen. Obwohl diese Passagen auch Spannung erzeugen und mich als Leser bei der Stange halten, was schonmal gut ist. Erst dachte ich, es wäre irgendwie die Vergangenheit des Vaters, dass er seine Frau betrogen hat oder weiß der Geier. Aber ich denke jetzt eher, dass es die Situation ist, nachdem seine Familie ihn gefunden hat und auch er begriffen hat, dass er tot ist. Also, das Kursive ist hintereinander gelesen die Fortsetzung des Normalgedruckten? Ich weiß es nicht. Weil ich vor allem das hier seltsam finde:

Sie lächelte mich plötzlich an. Es war ein sonderbares Lächeln, welches ich an ihr noch nie gesehen habe. Ihre Hand rutschte dabei von meinem Unterarm und hinterließ eine rote Spur der Wahrheit…
Ich bezweifle sehr stark, dass die Frau die Leiche anfassen darf. Also keine Ahnung, ich kenn mich da nicht aus, aber das war mein erster Gedanke.

Also tja, als Experiment gelungen, die Geschichte selbst fand ich aber eher nicht so gut. Es bringt sich einer um, aber wieso, weshalb, das wird völlig außer Acht gelassen. Die Figuren haben keine Persönlichkeit und interessieren mich folglich nicht besonders, obwohl ich natürlich verstehe, dass es schwierig wäre, solche Dinge noch in einer Geschichte in dieser Form unterzubringen. Aber die Kunst wäre halt, eine experimentelle Geschichte, die mich als Leser noch mitnimmt.

Aber immer schön weiterschreiben. :)

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo, apfelstrudel!

Danke für dein Kommentar.
Zur Klärung der Geschichte: Alles was mit dem Picknick zu tun hat, stellt er sich nur vor, - die Welt ist schön und heil. Als sie am Parkplatz ankommen und er Probleme kriegt (wie soll er zum Auto gelangen), erscheint ein freundlicher Polizist und hilft ihm. Als er beim Auto ist, kommt die Wahrheit ans Licht.
Die kursiv geschriebenen Stellen müsste man eigentlichen ab diesem Moment lesen, doch ich hab mich anders entschieden. Sie zeigen das, was wirklich passiert ist: Er fuhr mit seiner Familie in den Wald. Und dort geschah etwas mit ihm und er erschoss alle. Als er zur Besinnung kommt, begeht er Selbstmord.

Und alles andere, wie Fehler und die Dramatik, deren Wirkung fehlschlug, muss ich noch umschreiben. Bei manchen Fehlern, die du gefunden hast, fragte ich mich, war ich beim Schreiben blind.

Also, danke noch mal für dein Kommentar.


mfg
Geert

 

Hallo Geert,
von mir sind keine großen Kritiken zu erwarten, zufällig stolperte ich über deine Geschichte, weil ich meine in derselben Kategorie gepostet habe.
Klare Bilder, zuerst ein Sommertag, idyllisch, fast kitschig.
Die kursiven Einschübe überlagern das Bild, von dem "normalen" Text immer mehr. Es wird zunehmend unstimmiger und wirkte auf mich erst irritierend, später immer gruseliger.
Zum Ende schließt du den Kreis, der Mann hat Selbstmord begangen, vermute ich, und erlebte noch einmal die letzte Zeit seines Lebens aus der dritten Person, als "Geist".
Gerne gelesen,
Kubus

 

Hallo, Kubus!

Danke für dein Kommentar!
Du hast Recht, er hatte Selbstmord begangen nachdem er seine Familie unbrachte. Und fantasierte sich schließlich in eine schönere Welt hinein, wo alles schön und gut ist. Doch die Wahrheit - in der Geschichte kursiv geschrieben - kann man nicht einfach so verschwinden lassen, und so wird der Mann mit ihr konfrontiert.
Am Ende ist er allein in einem Ort, aus dem es kein Entrinnen gibt.


mfg
Geert

 

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