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Ermordet
„Sie sind schwanger.“ sagte mir die Schwester aus dem Krankenhaus und in mir legte sich ein Schalter um. Ich war glücklich da ich es mir ja gewünscht habe, irgendwann wieder einmal ein Kind zu bekommen doch gleichzeitig hatte ich auch realisiert, dass es nicht möglich ist, dieses kleine Lebewesen zu behalten. Ich wusste nicht, wie mein Mann darauf reagiert, der im Moment grade bei unseren besten Freunden saß und auf mich wartete.
Als ich aus dem Krankenhaus draußen war, rief ich meine beste Freundin Jenny an und ich sagte ihr, dass sie es ihm sagen sollte. Nach dem ich aufgelegt habe, musste ich noch zur Frauenklinik fahren, wo ich genug Zeit hatte nachzudenken. Ich wusste, es ist nicht möglich das Kind zu behalten und ich wusste auch, dass ich es nicht abtreiben kann. Und prompt kam mir die Idee. Ich werde das Baby bekommen und zur Adoption freigeben. Das war für mich persönlich die beste Lösung für dieses Problem, da ich selbst auch ein Adoptivkind bin.
Nach zwei Stunden war ich aus der Frauenklinik wieder raus und hatte nun Gewissheit, dass mein Baby in Ordnung ist. Ich bin dann gleich zu Jenny gefahren und wollte meinem Mann die frohe Botschaft verkünden.
Doch es kam anders als erwartet. „Ich oder das Kind!“ schallte die Stimme meines Mannes immer wieder in meinen Kopf. Ich versuchte es ihm zu erklären, „Dass kannst du nicht von mir verlangen, Schatz! Ich will das Baby bekommen und weggeben. Ich hab doch selbst die Erfahrung gemacht und weiß, was es heißt. Ich hab schon genau darüber nachgedacht…“ Doch ich kam gar nicht dazu auszureden, da sich Jenny einmischte. „Ich kenne dich nun schon lang genug, um dir sagen zu können, dass du das Kind, nachdem du es neun Monate in dir getragen hast, nicht weg geben kannst. Dazu bist du garnicht in der Lage.“ Ich war ratlos und wusste gar nicht, wie ich meinen Standpunkt deutlich machen sollte. Unter Tränen sagte ich ihnen „Was ihr da von mir verlangt, dass kann ich nicht. Da könntet ihr mir auch sagen ich solle von einem Hochhaus springen.“ Doch egal was ich ihnen entgegenbrachte, es half nichts.
Ich bin am selben Abend noch zu meiner Oma gefahren, weil sie mir schon immer in schwierigen Situationen geholfen hatte. Ich habe gehofft hier den Zuspruch zu bekommen den ich so gesucht habe. „Mensch Kind, wie konnte das den nur passieren? Du hättest zu mir kommen können und ich hätte dir dann die Pille bezahlt. Aber nun haben wir den Salat. Was sagt den dein Mann zu der Sache?“ Ich erzählte ihr wie er darüber dachte und was ich mir wünsche. Ich sagte ihr, dass ich es zur Adoption freigeben möchte. Meine Oma brach in Tränen aus. „Wichtig ist jetzt dass du deine kleine Tochter nicht vergisst. Traust du dir zu, trotz der Schwangerschaft eine starke Mutter für dein Kind zu sein? Auch wenn du alleine wärst, ohne dein Mann?“ Ich konnte diese Frage nur Beneinen da ich zu labil war, um dass alles zu packen.
So bin ich dann den Weg der Abtreibung gegangen, ohne dass ich realisiert habe, was da mit mir geschieht. Ich hatte einige Arzttermine und bin dann irgendwie bei Dr. Anton gelandet.
„Also der Schwangerschaftsabbruch mit Medikamenten wäre noch möglich aber dann müssten wir gleich heute schon mit der Einnahme der ersten drei Tabletten beginnen. Und in zwei Tagen kommen Sie dann wieder und nehmen dann noch mal zwei Tabletten. Bringen Sie jedoch Zeit an diesen Tag mit, da Sie drei Stunden hier bleiben müssen, da in dieser Zeit der Abgang beginnt.“ Ich nickte nur und nahm die drei Tabletten ein, ohne dass ich das alles realisiert hatte.
Zwei Tage später stand ich wieder da und nahm die anderen beiden Tabletten ein. Und wie er es auch gesagt hat, traten nach 1 ½ Stunden sehr starke Blutungen ein. Nachdem ich weitere 1 ½ Stunden dort gesessen hatte durfte ich dann gehen.
Den eigentlichen Abgang hatte ich dann 15 Minuten später, als ich grade meine einjährige Tochter aus der Kinderkrippe abholte. Ich wollte es beerdigen aber es ging einfach nicht. Ich wollte mich damit nicht konfrontieren und mein Mann drängte mich. „Was willst du den damit? Schmeiß es weg, oder willst du es noch länger hier zu hause behalten. Das ist doch widerlich.“ Ich fühlte mich immer noch als wäre das alles nur ein böser Traum und tat was er mir sagte. „Aber bitte schmeiß es nicht vor meinen Augen unten in die Tonne, Schatz.“ Sagte ich nur zu ihm aber er tat es trotzdem.
Ich war am Boden zerstört, hängte mich in die Arbeit um alles zu vergessen es einfach zu verdrängen aber es half nichts. Damit ich von den anderen nicht angesprochen werde, sagte ich zu ihnen, dass das Baby nicht in Ordnung gewesen ist und dass ich daher mit dem Abbruch gut klar komme. Aber ich habe einfach eine Maske aufgesetzt und gehofft, alles wäre nicht so, wie es geschehen ist.
Heute bereue ich meinen Entschluss. Jetzt nachdem ich verstanden habe was ich da getan habe. Ich habe ein kleines Lebewesen ermordet. Einfach so…