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Ernüchterung
Ich habe fünf Jahre auf diesen Moment gewartet. Und nun …
Ernüchterung.
Ich komme mir dumm vor und kindisch. Warum der Aufwand? Wieso habe ich so viele Menschen vor den Kopf gestoßen? Um jetzt hier zu stehen? Dumm. Blöd.
Ich weiß nicht was ich sagen soll. Er steht mir gegenüber. So, wie er wahrscheinlich täglich seinen Fans gegenübersteht. Er hat keine Ahnung was ich schon alles auf mich genommen habe. Nur um jetzt hier zu sein: bei ihm.
Er schreibt seinen Namen auf das Blatt Papier, das ich vor mir halte. Er sieht nicht mal richtig auf. Wahrscheinlich ist er in Eile. Ich höre mich „Thank you“ sagen. Sehe ich da ein Lächeln? Selbst wenn - es ist normal zu Lächeln, wenn sich jemand bei einem bedankt. War er jemals Fan? Hat er einfach nur vergessen, wie das ist? Man hört die Musik, sie tröstet einen und sie ist ebenfalls da wenn man fröhlich ist. Irgendwie ist er immer da.
Ich halte meinen Fotoapparat hoch. Drücke den Auslöser. Er unterschreibt noch auf anderen Blättern. Um mich herum stehen noch andere Leute. Ich sehe in ihren Augen Glück. Nun steigt er in ein Auto. Sie winken ihm zu. Er winkt zu uns zurück. Ich starre ihn an. Er sieht mich nicht. Ich bin ja auch nur eine von vielen. Wie konnte ich denken, dass der heutige Tag etwas ändern würde? Das Auto rollt an.
Um mich herum lachen viele. Freude. Zwei Mädchen umarmen sich sogar. Sie sind glücklich. Ich stehe allein hier. Halte in einer Hand den Fotoapparat, in der anderen den Block. Ich sehe auf seine Unterschrift hinunter. Ich habe sie schon in einigen Zeitschriften gesehen. Das Auto verschwindet in der Ferne. Um mich herum wird es leer. Wir waren nicht viele. Vielleicht acht Leute.
Ich gehe zur Bushaltestelle. Der Bus bringt mich zum Bahnhof. Von dort liegen drei Stunden Heimfahrt vor mir. Stunden, um nachzudenken. Aber es werden noch viel mehr Stunden sein, die ich mich schrecklich fühlen werde.
Ich habe ihn getroffen. Mein Ziel. Mein Ziel ist nun erreicht. Und nun? Das Glücksgefühl, das ich auf der Hinfahrt hatte, ist weg. Das Glücksgefühl, das ich die letzten fünf Jahre bei dem Gedanken vor ihm zu stehen hatte, ist weg.
Ernüchterung. Das Leben geht weiter.