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Eros einer Heuchelei

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28.02.2009
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Eros einer Heuchelei

"Magst du mich?", hauchte sie fast poetisch aus ihrem vor Anstrengung immer noch geröteten Kopf in die Stille.
Das war sie also.
Eine der Fragen, die man nicht hören möchte, wenn man ein 21 Jahre alter Junggeselle ist und vor wenigen Minuten den besten Sex seines bisherigen Lebens hatte.
"Magst du mich?"
Die Worte hallten immer wieder durch seinen Kopf. Natürlich taten sie das. Gedanken und Ideen waren dort nicht mehr; es gab genügend Leere für ein Echo.
Wie dämlich das doch war, geradezu kindisch, albern. Als ob man die Frau, der man gerade nach allen Regeln der Kunst die kalte Seele aus dem Leib gefickt hat, die ihren letzten, geringen Wert als Individuum unter den harten Stößen verlor und komplett zum Objekt der eigenen Lust und Fantasie wurde, noch mögen könnte, so wie man jedes beliebige Gänseblümchen am Wegesrand oder die eigene Großmutter mochte.
"Ja," sagte ich und fühlte ihre sanfte Wärme.

 

Hallo Dorftrottel,

"Magst du mich?", hauchte sie fast poetisch aus ihrem vor Anstrengung immer noch geröteten Kopf in die Stille.
Diesen Satz fand ich erst ganz gut, aber dann fing ich an zu zweifeln, ob Du das aus-dem-Kopf-Hauchen wirklich so huebsch grotesk gemeint hast, wie ich es las.

Als ob man die Frau, der man gerade nach allen Regeln der Kunst die kalte Seele aus dem Leib gefickt hat, die ihren letzten, geringen Wert als Individuum unter den harten Stößen verlor und komplett zum Objekt der eigenen Lust und Fantasie wurde, noch mögen könnte, so wie man jedes beliebige Gänseblümchen am Wegesrand oder die eigene Großmutter mochte.
Abgesehen, dass ich mich so'n bisschen gefragt hab: Haeh, was geht den jetzt ab? ist dieser Satz arg gestelzt und will so gar nicht zum Protagonisten passen, in dessen hohlem Kopf doch soeben noch die Worte des Lustobjekts nachhallten. Die Unterstreichungen makieren reichlich ungelenke Versuche, die Botschaft des Satzes eindringlicher zu gestalten.
Ausserdem frage ich mich: Warum kalte Seele? Wenn sie eh kalt, also tot oder so ist, ist es doch auch egal ob sie im Objekt drinbleibt oder rausgefickt wird. Wenn der Held die Dame seelenlos oder zum kalten Objekt ficken wuerde ok, aber so holperts mir inhaltlich.

Eine der Fragen, die man nicht hören möchte, wenn man ein 21 Jahre alter Junggeselle ist und vor wenigen Minuten den besten Sex seines bisherigen Lebens hatte.
Ich kenn keine 21jaehrigen, die sich selbst als Junggeselle bezeichnen wuerden. Dazu muss man heutzutage mindestens Mitte 35 sein.
Und: natuerlich seines "bisherigen" Lebens, also weg damit
Ich frage mich auch, warum dieser Mensch sich selbst als "man" denkt.

Die Tatsache, dass der Text hier in Gesellschaft steht, laesst mich Botschaft vermuten: Irgendwas ueber Sex und Gefuehle, Partner als Objekt. Ich weiss nicht, ob der Leser sich an dieser Stelle ueber eine Gesellschaft empoeren soll, in der Sexualpartner zum Objekt herabgefickt werden, oder ob er die Verlogenheit einer Gesellschaft erkennen soll, in der blanke Triebabfuhr zur Vereinigung zweier Seelen verklaert wird. Ist mir aber auch egal, weil ich beides lahm und darueberhinaus nicht besonders gut umgesetzt finde.

Ich fuerchte, Dorftrottel, hiermit wirst Du weder aufruetteln noch schockieren koennen.

lg
fiz

 

hallo Dorftrottel,

ich find die Geschichte kurz. ich find da fehlt auch so ein bißchen die Ambivalenz z.B Humor würde das relativieren oder so - das Leben ist ernst genug

Grüsse
Arkadius alias Arek ;>

 

Hallo feirefiz,
erstmal danke für das Feedback, ich habe da aber noch ein paar Fragen.

Hallo Dorftrottel,


Abgesehen, dass ich mich so'n bisschen gefragt hab: Haeh, was geht den jetzt ab? ist dieser Satz arg gestelzt und will so gar nicht zum Protagonisten passen, in dessen hohlem Kopf doch soeben noch die Worte des Lustobjekts nachhallten.


Kannst du dieses "Haeh, was geht denn jetzt ab?" etwas näher beschreiben? Das geht nämlich in die Richtung des gewünschten Effekts und es wäre gut zu wissen, wenn es funktioniert hätte.


Ausserdem frage ich mich: Warum kalte Seele? Wenn sie eh kalt, also tot oder so ist, ist es doch auch egal ob sie im Objekt drinbleibt oder rausgefickt wird. Wenn der Held die Dame seelenlos oder zum kalten Objekt ficken wuerde ok, aber so holperts mir inhaltlich.

Das ist mir jetzt nicht ganz klar. Kalt heißt doch nicht gleich tot. Gedacht war hier der Kontrast "Kalte Seele/sanfte Wärme", die das Thema umschreibt.

Ich kenn keine 21jaehrigen, die sich selbst als Junggeselle bezeichnen wuerden. Dazu muss man heutzutage mindestens Mitte 35 sein.
Und: natuerlich seines "bisherigen" Lebens, also weg damit
Ich frage mich auch, warum dieser Mensch sich selbst als "man" denkt.

Vorweg: Ich komme eigentlich aus dem Bereich der Lyrik und mache hier gerade meine ersten Gehversuche. Sind Realismus und Authenzität wieder derart "in"? (Frage ist ernst gemeint.)
Ich meine, das hat ja nen Grund, dass der so denkt, und da du dich fragst, scheinst du den Grund erschließen zu wollen.

Die Tatsache, dass der Text hier in Gesellschaft steht, laesst mich Botschaft vermuten: Irgendwas ueber Sex und Gefuehle, Partner als Objekt. Ich weiss nicht, ob der Leser sich an dieser Stelle ueber eine Gesellschaft empoeren soll, in der Sexualpartner zum Objekt herabgefickt werden, oder ob er die Verlogenheit einer Gesellschaft erkennen soll, in der blanke Triebabfuhr zur Vereinigung zweier Seelen verklaert wird. Ist mir aber auch egal, weil ich beides lahm und darueberhinaus nicht besonders gut umgesetzt finde.
Nein, an Sex hab ich eigentlich nicht gedacht, als ich das geschrieben habe, d.h. mein Stift hat an Sex gedacht, mein Kopf eher an die hässliche und unfreundliche Frau beim Edeka an der Kasse, der ich trotzdem jeden Abend ein nettes "Schönen Tag noch, Frau Meyer!" schenke, damit sie nicht so sehr trödelt, wenn ich in der Schlange stehe.
Vielleicht verlange ich auch zu viel Arbeit vom Leser, wird sich zeigen.
Was meinst du mit "lahm"?

shineorrain schrieb:
ich find die Geschichte kurz.
Warum?

das Leben ist ernst genug
Das stimmt wirklich. Aber wäre es dann nicht entweder verlogen oder aber zynisch, im Schaffen immer nur lustig zu sein?


Grüße aus dem Dorf,
Dorftrottel

 

Hallo Dorftrottel,

meimei, hab ich mich wirklich sooo undeutlich ausgedrueckt? Man kann sich ja auch zu Tode fragen. Waere ja auch interessant zu wissen, was Du zu den Anmerkungen sagst, die Du nicht mit einer Frage, bzw. Gegenfrage beantworten kannst.

Kannst du dieses "Haeh, was geht denn jetzt ab?" etwas näher beschreiben? Das geht nämlich in die Richtung des gewünschten Effekts und es wäre gut zu wissen, wenn es funktioniert hätte.
Wenn Du jetzt hoeren willst, dass da ein Kontrast zum "poetischen" Beginn entsteht, ja, der ist da. Aber das ist jetzt kein unglaubliches Kunststueck narrativer Strategie und richtig erschreckt hab ich mich auch nicht. So! An den Satz solltest Du uebrigens wirklich nochmal dran.

Das ist mir jetzt nicht ganz klar. Kalt heißt doch nicht gleich tot. Gedacht war hier der Kontrast "Kalte Seele/sanfte Wärme", die das Thema umschreibt.
Nee, klar. Ich bleib aber dabei. Ein Individuum mit warmer Seele zum kalten Objekt zu ficken, ist eindrucksvoller, als eins mit kalter Seele - weil das naemlich schon von vornherein ein Defizit impliziert. Das wuerde mir einen warm beseeltes Individuum vs. kalt entseeltes Sexobjekt Kontrast ergeben, der auch zum letzten Satz passen wuerde. Mit dem Kontrast "Kalte Seele/sanfte Wärme" kann ich ehrlich gesagt nix anfangen.

Ich meine, das hat ja nen Grund, dass der so denkt, und da du dich fragst, scheinst du den Grund erschließen zu wollen.
Nein, das war eigentlich eine rhetorische Frage. Natuerlich kann man sich da jetzt was zu ausdenken, warum der so denkt, weil er ne Stoerung hat, fuer die Allgemeinheit zu denken glaubt, aber ehrlich gesagt kam mir der Text nicht so sorgfaeltig komponiert vor, dass man hinter jeder Einzelheit liebevoll versteckten Sinn vermuten duerfte. Hinzu kommt auch, dass der Held einmal "ich", mehrmals "man" und einmal "er" ist.
Die Worte hallten immer wieder durch seinen Kopf.

Vielleicht verlange ich auch zu viel Arbeit vom Leser, wird sich zeigen.
Och, ich bin eigentlich ein ganz fleissiger Leser (sieht man schon an diesem langen Zweitkommentar). Mal sehen, ob sich da noch leistungsbereitere zeigen.

Was meinst du mit "lahm"?
abgenudelt, alt, langweilig.

Viele Gruesse,

fiz

 
Zuletzt bearbeitet:

Das stimmt wirklich. Aber wäre es dann nicht entweder verlogen oder aber zynisch, im Schaffen immer nur lustig zu sein?

Kunst ist nicht die Abbildung vom Leben. Das Leben ist lediglich Inspiration für die Kunst, aber keine Maxime, deswegen muss Ambivalenz rein - aber wenn man es genau betrachtet: ist das Leben nicht auch ambivalent?

Gruss
Arek alias Arkadiue alias Shineorrain.....wer bin ich? >;

 

Hallo Dorftrottel,

man kann sich angesichts deines Endes in Verbindung mit dem Titel fragen, ob erst die Lüge (oder wie du es nennst: die Heuchelei) menschliche Wärme schafft, ob darüberhinaus die Heuchelei Merkmal der sozialen Kompetenz ist, die dein Erzähler ja erst mit der positiven Antwort wieder kommt. Demnach wäre die Heuchelei der Zugang zum eigenen Gefühl, das beim seelenlosen Fick verloren ging.
Mir persönlich ist das zu viel Spekulation und in der Lyrik ist es ja zur Zeit "in" möglichst nicht verstanden zu werden, möglichst nicht interpretiert werden zu können, sondern allenfalls Spekulationsräume zu öffnen.
Stilistisch findet sich in einem Text dieser Kürze viel Überflüssiges, was unterscheidet zum Beispiel "fast Poetisches" vom Poetischen, vor allem bei einer so profanen Frage wie "Magst du mich?", die ja auch noch so vage gestellt ist, dass Bindungsängste gar nicht wirksam werden können?
Auch tut das Lebensalter des Erzählers nichts zur Sache, der gesellschaftliche Bezug wird viel stärker, wenn direkt nach dem Sex gar kein Mann diese Frage hören möchte, so wie keine Frau die Frage "War ich gut?" im Anschluss ertragen kann. Noch stärker wird der gesellschaftliche Bezug, wenn sich die direkte Frage nach positiver Zuwendung nicht auf den Sex bezieht, denn egal, wann sie gestellt wird, die Frage "Magst du mich?" erlaubt niemals eine ehrliche Antwort, sondern erbettelt immer eine Heuchelei. Liegt der Eros darin, dass sogar der Heuchler seine Lüge so sehr glaubt, dass ihm warm ums Herz wird und er die Wärme der Frau (des Anderen) darin empfindet?
Letztlich finde ich den Text zu misanthropisch, denn wenn man gleichfalls schreibt, ein Mensch, den man gerade gefickt hat, wäre nicht mehr zu mögen und die Aussage, dies trotzdem zu tun als gesellschaftliche Heuchelei betrachtet, ist keine Liebe mehr möglich. Der Mensch mutiert zum egoistischen emotionslosem Krüppel, der nur eigener Triebbefriedigung dient.

So pessimistisch kann und mag ich nicht sein.

Lieben Gruß
sim

 

denn egal, wann sie gestellt wird, die Frage "Magst du mich?" erlaubt niemals eine ehrliche Antwort, sondern erbettelt immer eine Heuchelei.
Ja, Dorftrottel,

wir alle heucheln – sim hat das sehr schön auf den Punkt gebracht -, denn nicht nur der Mann, der wunschgemäß antwortet, auch die fragende Frau weiß schon vorher, dass die Antwort eine heuchlerische sein wird. Insofern ist das ein altes Thema, aber leider spielt das in deiner Geschichte nur vordergründig eine Rolle - selbst wenn die Frage nicht gestellt, der Prot würde absolut das gleiche über die Frau denken: Eine, die sich von mir ficken lässt, hat ihren letzten, schon ohnehin geringen Wert verloren.

Er entpuppt sich als einer, der nur das Eine will – ich wundere mich, dass hier nicht schon längst eine unserer Emanzen aufgetaucht und dir die Leviten gelesen hat. Oder in Triumphgeheul ausgebroch ist. :D

 

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