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Erwachen

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26.05.2006
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Erwachen

Es erwachte.
Von einem Moment auf den anderen wurde es sich seiner selbst bewusst.
Es wusste mit dieser Erkenntnis nichts anzufangen, sie war einfach noch zu neu, zu fremd, zu bedrohlich.
Es bemerkte das Gelb um sich herum. Es gefiel ihm, mit dieser Farbe konnte es sich identifizieren. Vage erkannte es weitere seiner Art ganz in der Nähe. Das erschien ihm richtig, aber mit ihnen konnte es nichts anfangen, sie nahmen ihm nur den Saft weg.
Diese Nahrung, die von unten zuströmte, brauchte es um zu leben. Was bedeutete dieses Unten eigentlich? Ach, egal, nicht weiter interessant - bedeutsam doch nur, dass der Strom nicht versiegte. Es benötigte unbedingt diese Flüssigkeit.

Seine Farbe stimmte nicht. Es empfand sich als zu hell. Es funkelte weiß, mit einem leichten Hauch von grünem Schimmer. Das passte nicht.
Hoch über ihm fand es auch diese vertraute Gelb. Es fühlte sich umfangen von der Helligkeit. Es badete regelrecht in Wärme und dem Saft.
Es wuchs. Es wusste einfach, es gehörte hier hin. Die anderen seiner Art mochten ähnliches fühlen, es beachtete sie nicht. Einzig wichtig erschien ihm, dass es lebte.

Die Helle über ihm wanderte. Es begann, sich zu fürchten. Es konnte sich nicht vorstellen, diese Wärme zu verlieren, das wäre sein Tod. Es wusste instinktiv, dass sein Leben davon abhing.
Es fühlte sich gebunden an dieses Unten, das ihm Nahrung zuführte. Aber irgendwie empfand es diese Abhängigkeit als in Ordnung. Damit konnte es leben. Sein Instinkt sagte ihm, dass es im Sinne seiner Natur lag.
Das Licht über ihm verlor den Glanz und verschwand.
Bevor es vor Furcht erstarrte, bewegte sich das Unten. Die Ränder bogen sich nach oben, es fühlte sich einen Moment bedroht. Da erkannte es dieses dunkle Grün. Es spürte den Schutz. Dankbar sah es ihm entgegen, als er sich sanft um es und die anderen seiner Art schloss. Der Zustrom von Saft versiegte bis auf einen winzig kleinen Rest und es schlief ein.

Es spürte die Bewegung, es fühlte sich beengt. Das dauerte nicht lange, dann bog sich der dunkelgrüne Schutz zurück. Das Unten streckte sich, bog sich wieder gerade und es konnte merken, wie das Licht langsam wieder zum Vorschein kam. Mit dem Hellen kam die Wärme zurück.
Es erkannte, es hatte sich verändert. Der grüne Schimmer seiner Haut trat deutlicher hervor, das Weiße dunkelte nach und machte einem hauchzarten Gelb Platz. Es freute sich. Diese Farbe gefiel ihm, sie passte zu ihm. So wie es nun zu der Farbe rundherum passte.
Es badete im Gelb, in der Helle und in der Wärme. Es döste vor sich hin und genoss den Saft, der ihm zur Verfügung stand, wann immer es ihn brauchte.

Es schreckte auf. Ein bedrohlicher Schatten fiel über es. Groß, braun, fremd.
Es beobachtete, dass das Bedrohliche näher kam. Es wurde wieder gestreift von der Schwärze, die die Wärme stahl.
Die Drohung schwebte über ihm, senkte sich auf es herab. Es spürte das Gewicht der Drohung, fürchtete sich, bis es feststellte, die Furcht war schlimmer als die Bedrohung selbst.
Es beschloss, hinzunehmen, was eben geschehen mochte und es beruhigte sich. Das Gewicht des braunen Fremden drückte es nicht nieder, obwohl es damit rechnete. Feine Härchen die aus dem Fremden herauswuchsen, streiften an ihm vorbei. Diese Berührung empfand es als angenehm.
So plötzlich wie die Drohung aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder. Fast schon wartete es darauf, das Gewicht wieder zu spüren, um anschließend den Hauch einer Berührung zu erleben, den die Härchen des Braunen bescherte.
Die wärmende Helle wanderte wieder, es bemerkte, wie sich das Unten sanft bewegte, um es ins Licht zu heben. Es fühlte sich zufrieden.

Es lebte weiter offen in der Helle oder versteckt im Grün, bis es eines Tages die Veränderungen spürte. Sein grünlicher Schimmer verlor sich, das zarte Gelb wurde intensiver.
Voll Schrecken bemerkte es, dass das Gelb rundherum, mit dem es sich so freudig identifiziert hatte, verblasste.
Es streckte sich. Seine gelbe Farbe wurde immer dunkler.

Noch einmal schlief es ein im Schutz des Grüns, erwachte im Licht. Es war nicht mehr länger gelb, jetzt identifiziere es sich mit dem Braun, das seine Haut zierte. Es hatte sich immer weiter gestreckt, aus ihm wuchs ein langes dünnes Haar, ähnlich dem des braunen Fremden, das es vor ewigen Zeiten so sanft gestreift hatte.
Ihm gefiel sein Haar, das sich am Ende mittlerweile fächerartig ausbreitete. Es war neugierig, warum ihm wohl dieser Schmuck gewachsen sein mochte.

Einer von den Braunen flog vorbei. Es mochte die Berührung nicht mehr, empfand sie fast als Bedrohung. Instinktiv ahnte es, eine Berührung würde Veränderung bedeuten. Es mochte die Veränderungen nicht, wusste es doch nicht, wohin sie führen würden. Selbst den Luftzug, den das Braune mit seinen Flügeln verursachte, bereitete ihm Unbehagen. Es hatte Glück, das Braune wandte sich ab und suchte etwas, das weiter entfernt stand und in ihm mit der gelben Farbe eine vage Erinnerung zu wecken versuchte.

Es wurde immer schlimmer. Der Zustrom von Saft versiegte. In ihm keimte der Verdacht, die anderen seiner Art könnten dafür verantwortlich sein. Dieser Argwohn löste sich auf, als es merkte, die anderen kämpften mit denselben Schwierigkeiten. Auch sie fühlten sich trocken.
Dann kam der Wind. Es hatte auch diese Berührung immer als angenehm empfunden. Jetzt aber fürchtete es diese Berührung.
Das Angenehme war weg. Fordernd und besitzergreifend war diese Berührung, es mochte sie nicht. Sein schönes Härchen wurde ihm zum Verhängnis. Der Wind packte es an diesem Härchen und riss es mit sich.
Es erstarrte vor Furcht. Das Unten war weg. Es war schutzlos! Es war so hoch oben, es hatte Angst, sich an der Helle zu verbrennen.
Es erkannte, die Furcht war schlimmer als das, was mit ihm geschah. Es wurde wieder ruhiger und beobachtete.

Es sah die Wiese unter sich vorbeiziehen, sah Gelbes, das versuchte, in ihm eine Erinnerung zu wecken, sah andere seiner Art, die wie es selbst haltlos im Wind schwebten.
Es spürte, das war richtig und natürlich so. Es verlor seine Furcht ganz und fand Gefallen an diesem Schweben. Es sah die Braunen aus einer völlig neuen Perspektive. Von oben wirkten sie nicht mehr wie bedrohliche Schatten. Es wusste, nun hatten sie jedes Interesse an ihm verloren. Es mochte die sanfte Berührung der Braunen nicht mehr, es wollte nur frei sein und ewig weiter schweben.

Es fiel.
Der Wind hatte einen Moment nicht Acht gegeben und es losgelassen. Er fing es wieder, kurz bevor es im Meer der grünen Halme versank. Er hob es höher, immer höher und es freute sich an seinem Flug.
Der Wind ließ nach, es fiel endgültig.
Diesmal versank es zwischen den grünen Halmen, stürzte auf eines dieser federnden Hindernisse, rutschte ab, fiel weiter. Endlich endete sein Sturz.
Es lag auf braunem Boden, fühlte sich fremd, fühlte etwas Fremdes an sich, in sich.
Es wusste, es würde wieder Veränderungen geben. Es schlief ein, schutzlos der Kälte des Dunkel ausgeliefert und es träumte von hellem Gelb.
Es merkte nicht, wie seine Haut aufplatze, sich ein feiner Keim einen Weg hinaus bahnte und nach dem schützenden Dunkel der braunen Erde tastete.

 

Hi Schusterjunge,

ich frage mich ein bisschen, warum du dem Kreislauf eines ganzen Lebens im Titel nur den Beginn zugestehst. Es geht ja um mehr als um das Erwachen.
Die sächliche Form deiner Blume hat mich irritiert. Komischerweisen habe ich immer statt "es" er gelesen und musste noch mal schauen, ob da wirklich "er" stehen würde. Tat es nie. Wahrscheinlich hattest du so eine Umschreibung wie das "Butterblümchen" im Kopf und deshalb die sächliche Form gewählt. Ich glaube aber, die weibliche fände ich eindeutiger und sprachlich schöner.
Manchmal wiederholst du mir Dinge zu häufig. Ein bisschen straffen könntest du die Geschichte glaube ich.
Aber im Großen und Ganzen hat mir diese manchmal etwas Angst besetzte und widerwillige Fügung in den Kreislauf gut gefallen.
Eine sprachliche Anmerkung habe ich aber doch:

Besonders in der Zeit, wo das Helle hoch oben besonders intensiv die Wärme verbreitete.
"wo" ist in diesem Zusammenhang falsch. Entweder "in der Zeit, da das Helle" oder "Zeit, in der das Helle"

Lieben Gruß, sim

 

... in der Zeit, wo ...
Autsch. Böser Fehler!
Danke, ist schon korrigiert.

Sagt mir bitte, wenn ich wo Mist gebaut hab. Ich will ja, dass die Texte besser werden.

sim schrieb:
ich frage mich ein bisschen, warum du dem Kreislauf eines ganzen Lebens im Titel nur den Beginn zugestehst. Es geht ja um mehr als um das Erwachen.
Hm. Schon. Aber es geht nicht um die Pflanze, sondern um ein Samenkorn. Und das ist nur der Beginn eines Lebens.
Andererseits, es ist das komplette Samenkorn-Leben.
Vielleicht fällt mir ein besserer Titel ein.


sim schrieb:
Die sächliche Form deiner Blume hat mich irritiert.
Mich auch. Ich hab mich beim Schreiben unheimlich zusammen nehmen müssen. ;)
Aber "das Korn" ist nun einmal ein "es". Ich wollte das nicht vermenschlichen.
Glücklich bin ich nicht drüber. Du hast Recht, es liest sich komisch. Wie kann sich ein Leser mit einem Prot identifizieren, der nur ein "es" ist?
Wiederholen von Wörtern und Informationen ist ein Fehler, den ich mir nur schwer abgewöhnen kann.
Ich überarbeite die Geschichte mal. Dabei kann ich ja probieren aus "es", dem Korn, eine "sie", die Blume, zu machen.

Danke für deine Anmerkungen!

Lieben Gruß vom Schusterjungen

 

Hi Schusterjunge,

ich sehe meinen Fehler. Beim Lesen hatte ich tatsächlich weniger ein Samenkorn im Kopf, sondern tatsächlich eine gelb blühende Blume. Im Erwachen sah ich das Öffnen der Knopse, im Saft das Wasser, welches sich die Blume aus dem Boden zieht und in der Sonne das Licht, dem sie sich öffnet.
Beim Wind hätte ich aber stutzig werden müssen, denn der trägt ja in der Tat nur den Samen weiter, nicht die ganze Blüte. Aber wenn man einmal ein falsches Bild im Kopf hat ... ;)

Und keine Angst, ich sage hier schon (meistens schmerzhaft deutlich), wenn jemand Mist gebaut hat. :)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Schusterjunge,

mir gefällt die Idee, die Entwicklung eines Samenkorns zu beschreiben. Muß aber ehrlich zugeben, dass ich ohne die Kommentare zu lesen auch nicht wirklich draufgekommen wäre, dass es sich um ein Samenkorn handelt, dachte auch eher eine Blume.
Von meinem Gefühl her, würde ich die Geschichte eher ins Präsens umschreiben. Ich denke, das würde besser passen, weil das ja nicht nur einmal passiert ist, sondern es ja tagtäglich den armen Samenkörnchen so ergeht;) Es sind tatsächlich viele Wortwiederholungen drinnen und die Formulierungen sind teilweise etwas umständlich, aber leider bin ich da selbst auch keine Expertin. Ich denke aber, dass du einige Sätze zusammenfassen könntest, um dadurch Wortwiederholungen zu vermeiden.

Dann war die Drohung über ihm, senkte sich auf es herab. Es spürte das Gewicht der Drohung, fürchtete sich, bis es feststellte, die Furcht war schlimmer als die Drohung selbst.

Drohung, finde ich da unpassend. Eine Drohung ist für mich eher etwas, dass man ausspricht. Würde meinen, "Bedrohung" ist da richtiger. Vielleicht könntest du das Wort auch teilweise durch Ungetüm oder so ersetzen.
Aber seine Farbe stimmte nicht. Es empfand sich als zu hell
Die Sätze sind eher holprig. Würde eher schreiben.
"Doch seine Farbe stimmt nicht. Es ist zu hell."
Hab das jetzt in Präsens geschrieben, weil ich die ganze Geschichte im Geiste schon umformuliert hatte;)

Hoffe du kannst mit meinen Vorschlägen irgendetwas anfangen, aber wie gesagt, finde die Idee sehr schön.

lg
scribine

lg
scribine

 

Hallo Schusterjunge,

du hast ja schon einige Hinweise bekommen, besonders wichtig finde ich die Reduzierung der (Informations-)Wiederholungen.
Für mich ist dein Text keine Geschichte, sondern die Beschreibung eines Ablaufs (es fehlt ein Spannungsbogen). Die Thematik könnte sich für eine Kindergeschichte eignen, dann ist die Personifizierung auch nicht so problematisch und der `Held´ könnte Abenteuer bestehen, die das Ganze zur Geschichte machen.

„Es merkte, wie es zu leben begann.“

- Interessant: Wenn man merkt, dass man lebt, lebt man schon, man kann das `Lebendig werden´ nicht beobachten.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Danke, ihr beiden!
Der Text ist schon etwas älter. Den hatte ich geschrieben, bevor ich schlaue Bücher über das Schreiben gelesen hab.
Ich hätte mehr dran tun müssen, als nur die neue RS reinbringen, das sehe ich ein. Ich arbeite dran. Kann aber dauern, Arbeit geht vor - leider. :-)

 

Hi scribine!
Ich glaube nicht, dass ich die Geschichte im Präsens hinkriege. Auch wenn das Tag für Tag geschieht, ist es diesem Samenkorn schon passiert. Wenn ich anfange zu berichten, ist es schon vorbei.
Tut mir leid, ich kann nicht.
(Ich mag auch nicht gern Geschichten lesen, die im Präsenz stehen. Keine Ahnung, warum.)

Hallo Woltochinon!
Ein wenig schäm ich mich doch, die Geschichte eingestellt zu haben. Ich weiß, dass ich nicht so viel wiederholen soll oder darf. Ich mach es trotzdem. :fluch:
Aber ich arbeite dran. Ich kapier das noch, ganz bestimmt. :)

Das Lebendig werden...
Jetzt, nachdem du mir das gesagt hast, sehe ich auch, dass ich da Blödsinn geschrieben hab. Vorher erschien mir das logisch.

Ist keine Geschichte. Hm.
Für mich war es eine. Zumindest zu dem Zeitpunkt, als ich sie schrieb.
Nun, wenn ich ehrlich sein soll, jetzt habe ich irgendwie keinen Draht mehr dazu. Überarbeiten fällt mir schwer. Aber ich hab es versucht.

Wenn ihr Zeit habt...
...ich wüsste gern, ob sie jetzt besser ist. Oder hab ich verschlimmbessert?

 

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