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Erzwungener Genuss von unwahrem Glück

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10.08.2003
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Erzwungener Genuss von unwahrem Glück

Sie war lange genug allein, aber mit der Masche ihrer Freundinnen einen abbekommen?
Besser als nichts.
Besser als nichts!!!
Wie oft ihr dieser Satz heute im Kopf bereits herumspukte, unzählbar.
Mut machen soll er, sie aufmuntern.
Besser als nichts.
Schicht für Schicht beginnt Eva die Schminke aufzulegen, Schicht für Schicht verliert sie sich selber aus den Augen. „Ich habe es nötig!“, schreit sie dieses neue verwirrte Gesicht an.
Nötig!
Endlich die Erfahrungen machen, von denen alle schwärmen. Endlich erzählen zu können wie dies und das mit ihm war. Das Glück durch jemand anderen.
Mit ihm…
Je länger sie nun vor diesem abscheulich ehrlichen Spiegel steht, umso mehr bekommt sie den Eindruck, sich hinter dieser Schminke zu verstecken, und sie ist froh darüber, direkt erleichtert.
Der Mascara wischt die Zweifel hinweg, der Lipgloss und der Lippenstift halten sie endgültig verschlossen. Und das ist nur der Anfang.
Mitten in dieser vermeintlich Glück bringenden, tatsächlich aber traurigen Arbeit, hört Eva das Telefon klingeln.
Etwas entnervt, weil im höchsten Maß bemüht ihre Selbstzweifel im Zaum zu halten, nimmt sie ab und wie erwartet, freut sich am anderen Ende der Leitung, Antje, eine gute Freundin:
„Na wie sieht’s aus? Soll ich gleich mal vorbeikommen und dein Outfit mit dir durchchecken?“
Wie gewohnt drauflos plappernd, blubbert sie gleich weiter ohne zu merken, dass Eva mit ihren Gedanken weit weg von ihr, ihrem Freund und der lustigen Autofahrt zu diesem echt überschätzten Konzert ist.
„Komm ruhig vorbei, aber ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist.“
Dankbar für die fragliche Unterstützung legt Eva auf. Natürlich sind schon jede Menge Klamotten für diesen besonderen Abend bereitgelegt, aber mehr zur Ablenkung als aus Vorfreude.
Wenn sie schon herkommt, kann Antje ihr eigentlich auch beim Schminken helfen. Sollte man sich nicht sowieso davor anziehen? Sie wird’s schon wissen, schließlich hat sie weitaus mehr Erfahrung bei so etwas, ein zweifelhafter Ruhm zwar, aber besser als keiner.
Als es an der Tür läutet, wäscht sich Eva gerade den letzten Rest Make-up aus dem Gesicht. Beschwingte Schritte kommen die Treppe herauf und kurz darauf steht Antje schon bei ihr, redselig wie immer, irgendwie liebenswert eben.
Antje hat das mit den Jungs schon seit ich sie kenne, seltsamerweise liegt dieses Selbstvertrauen in der Familie.
„Grüß dich Eva,
(„Hi Antje!“)
bist du arg nervös? Brauchst du nicht. Ich bin ja da. Hast ja noch viel vor dir!? Nur die Ruhe, des klappt heut Abend mit dir, du wirst schon sehen. Zeig mir mal dein Gesicht. Komm wir rubbeln des erstmal trocken…
Eine knappe Dreiviertelstunde später sitzen Eva, Antje und ihr Freund Pappe im Auto und diskutieren, wer weswegen wohl mit wem wann kommt.
Müßig zwar, aber geistlos genug, dass Eva während dieser Unterhaltung wieder in eigene Gedanken verfällt. Das dieser Abend bisher ziemlich klischeehaft verlief ist ihr klar, aber auf ein klischeehaftes Ende darf sie doch trotzdem hoffen?
Sie hat vielleicht keinen zuvor ausgesuchten „Schwarm“ oder dergleichen aber die Maxime des Abends lautet schließlich:
Besser als nichts.
Oder etwas reifer formuliert:
Schluss mit der Einsamkeit…
Doch um jeden Preis? Ist Antje mit ihrem geistlosen Pappe etwa ein erstrebenswerter Zustand? Sie weiß es nicht, aber sie weiß, dass es so nicht weitergehen kann.
Sie sitzt zwischen zwei unbequemen Stühlen, einzig aufzustehen erlaubt man ihr nicht.
Plötzlich wird ihr heiß, sie schwitzt, schaut aus dem Fenster, versucht sich von all dem abzulenken.
Warum soll bei ihr fehlschlagen, was sonst überall klappt? Zweisamkeit macht glücklich!?? Jeden Tag sieht sie hundert Beispiele dafür, 99 davon im Fernsehen und eins sitzt gerade vor ihr und versucht plötzlich ihr Mut zuzureden.
„Warum bist du denn so still?“, fragt Antje aufmunternd, „mach dir keine Gedanken, es gibt immer ein erstes Mal, ich weiß wie unromantisch das klingt, aber das ist doch nur im Fernsehen so perfekt. Vielleicht ist bei dir heute das „das“ wichtiger als das „wie“…“
Eva weiß, dass sie ihren ersten Freund nicht durch Willkür und Alkohol haben will, doch genau so sehr ist sie immer fester davon überzeugt, dass es wohl langsam an der Zeit wäre. An der Zeit für den ersten Kuss. An der Zeit dieses von überallher prophezeite Glücksgefühl zu durchleben, zu genießen. An der Zeit an diesem Gefühl teilzuhaben.
Überschwemmt von diesen Gedanken macht sich, nachdem sie aus dem Auto ausgestiegen sind eine Art Vorfreude in ihr breit. Eine Spannung auf das, was sie erwartet. Die Zweifel sind in weite Ferne gerückt. Was sie im Auto noch aus der Fassung brachte, ist nun zu einem leisen schüchternen Flüstern verkommen, bald gänzlich im Alkohol ertrunken.
„Eva komm mit, schließlich hat’s bei uns genau gleich angefangen,“ ermutigt sie Pappe und mit teils gespielter und teils empfundener Euphorie antwortet Eva: „Ihr habt recht, was einmal klappt kann ja auch zweimal klappen.“
Hätte sie sich heute morgen so reden gehört… Eine eigenartige Stimmung hat sich ihrer bemächtigt, bereit zu tun was die vollkommene Antje ihr rät.
Den Eintritt bezahlt, stehen die drei planlos im viel zu großen Zelt, wippen ein wenig zur Musik mit und stellen zur selben Zeit fest, dass etwas zu trinken angebracht wäre.
Nach viel gutem Zureden ist die ehemalige Eva, die unzufriedene, über das Niveau der Jungs grübelnde, in Selbstzweifeln ertrinkende, verschwunden, versteckt vielleicht, auf jeden Fall aber weg.
Der Weg frei für die herbeigesehnte zum Glück bereite Eva, fern jeder Konsequenz.
Sie hat schon lange aufgegeben zu fragen, warum sie bislang ohne Freund durchs Leben ging. Vielerlei Antworten hat sie erhalten, doch keine war in der Lage sie zu befriedigen, das zu ersetzen, was ihr von überall als fehlend bescheinigt wird.
Diese Eva beginnt allerdings den Abend etwas relativ und unwirklich zu erleben, als sie mit Antjes tatkräftiger Unterstützung ein paar Mutmacher zu viel trinkt.
Der Typ, der die Getränke verkauft, ist zwei Stufen über ihr und hat etwas erwachsenes an sich, ein Selbstvertrauen, das ihn attraktiv und unerreichbar macht. Als er sie jedoch fragt, ob sie ihn in seine jetzt beginnende Pause begleiten will, steht Eva kurz davor zu erfahren, was alle mit diesem Glück meinen. Wovon alle reden, wenn sie über ihren ersten Kuss berichten. Von diesem Glück, das der Zweisamkeit vorbehalten ist.
Sie stehen nahe der dunklen Rückseite des Zeltes und nachdem sie ihr letztes Glas des Abends ausgetrunken hat, hört sie Aldo plötzlich fragen:
„Sag mal Eva geht’s dir eigentlich auch so mit mir,“, er stockt kurz, „wie es mir mit dir geht?“, es klingt zwar auswendig gelernt, verwirrt jedoch durch seine scheinbare Inhaltslosigkeit.
„Wie meinst du mit dir?“, übernervös und durcheinander dauert es ein wenig bis sie glaubt, ihn wirklich verstanden zu haben.
Etwas unsicher fügt sie noch hinzu:
„Ich glaube schon…“
Ein erster Kuss, im unkontrollierten halbwachen Zustand, von jemandem der das Entjungfern auf diese Weise gleichermaßen genießt wie perfektioniert.
Nüchtern wäre ihr die Absprache hinter ihrem Rücken aufgefallen, nüchtern wäre es dazu wohl nicht gekommen, da hätte ihr etwas Einhalt geboten, was sie diesen Abend bezichtigte ihr das Glück zu verbieten, mit jeder Faser hätte das, was wir Vernunft oder schlechtes Gewissen nennen, aufgeschrieen, ihr gesagt, dass sie sich nur unglücklich macht.
Aber betrunken und verwirrt hört man nicht mehr auf sich selbst. Und was bringt es uns?
Besser als nichts?

Am nächsten Morgen ist Antjes Stolz auf sie kaum zu überhören: „Mensch Eva, das gestern kann nicht jeder von sich behaupten, wie war’s denn? Seht ihr euch wieder? Erzähl doch!“, sie sprudelt vor Selbstverliebtheit, angesichts des am Abend zuvor hervorragend funktionierten Planes.
„Es war toll, genauso wie man es sich vorstellt“, antwortet Eva nicht ganz wahrheitsgemäß, um das Weltbild Antjes nicht völlig aus den Fugen zu reißen. Plötzlich kocht eine unglaubliche Wut in ihr hoch und lässt sie gehässig fragen:
„Sag mal Antje, kann es sein, das du nur so viel mit Pappe prahlst, um zu verbergen, wie scheiße es dir mit ihm geht?“
Das sinnlose Tuten des Telefons, stellt einerseits die Reaktion Antjes und andererseits das Ende einer lang währenden, aber im nachhinein unglaublich oberflächlichen Freundschaft dar.
Ratschläge wie ihre machen nicht glücklich, sie verwirren und lenken davon ab, was wirklich zählt.
Mit sich selbst auch mal zufrieden sein, auch wenn es nicht den hohen Maßstäben des Fernsehens oder „guten“ Freunden genügt.
Die alte Eva ist wieder zurück, mit dem Entschluss sich nie wieder zu belügen, um etwas zu bekommen, dessen Fehlen ihr nur eingeredet wird.
Besser als nichts?
Viel besser!
Unzufrieden vielleicht, aber nur oberflächlich und nicht auf ewig.
Schließlich ist es ihr eigener Entschluss.

 

Hey Maniac,

aber auf die Tour ihrer Freundinnen einen abbekommen?
auf der Tour
und was und wen meinst du mit "einen"?
aber auf der Tour ihrer Freundinnen einen (Mann, Jungen, Kerl, Typ) abbekommen?

Je länger sie nun vor diesem abscheulich ehrlichen Spiegel steht, je mehr bekommt sie den Eindruck
umso mehr bekommt sie den Eindruck

Glücksbringenden
klein

tatsächlich aber traurigen Arbeit
"tatsächlich" streichen

zu diesem echt überschätzten Konzert ist.
"echt" streichen

Antje hat das mit den Jungs schon mit der Muttermilch aufgesogen, seltsamerweise liegt dieses Selbstvertrauen in der Familie.
Dieser Satz sagt in beiden Teilen das gleiche aus, drum würd ich:
"seltsamerweise liegt dieses Selbstvertrauen in der Familie." streichen

(„Hi Antje!“)
Wieso in Klammern?

hunderte von Beispielen dafür
Beispiele

und versucht plötzlich ihr Mut zureden.
"plötzlich" streichen

die vollkommen Antje ihr rät.
vollkommene

Der Typ der die
Typ, der

Hard to be a girl, so nice to be a boy... Adam Green. Das Lied erinnerte mich an deinen Text. Bis aufs im meiner meinung zu belehrenden Tonfall geschriebene Ende gefiel mir die Geschichte sehr gut. Besonders lustig, dass du bzw. deine Protagonistin selber schon heraushebt, wie klischeehaft das alles ist. Aber auch traurig, wie sich das arme Mädchen die Schminke wieder aus dem Gesicht wischt, die sie sich gerade sicher in langer Arbeit aufgetragen hat.
Also bis aufs Ende war es schön zu lesen.

Eike

 

Hi Maniac,

eine angesichts deines Nicks doch recht reife Erkenntnis, die du Eva zum Schluss haben lässt.
Dies ist für mich eindeutig eine deiner besseren Geschichten, auch wenn sie fast ein bisschen pädagogisch wirkt. Aber sie steht ja in Jugend, da kann es ja so etwas wie einen Erziehungsauftrag geben. ;)

Endlich erzählen zu können wie dies und das mit ihm war. Das Glück durch jemand anderen.
ich würde das "zu" weglassen, einfach vom Gefühl her.
Mit ihm…
ihm ...
Mitten in dieser vermeintlich Glücksbringenden, tatsächlich aber traurigen Arbeit
Glück bringenden, tatsächlich aber ...
(„Hi Antje!“)
Warum in Klammern?
bist du arg nervös? Brauchst du nicht. Ich bin ja da. Hast ja noch viel vor dir!? Nur die Ruhe, des klappt heut Abend mit dir, du wirst schon sehen. Zeig mir mal dein Gesicht. Komm wir rubbeln des erstmal trocken…
Müsste alles in die wörtliche Rede - trocken ...
wer weswegen wohl mit wem wann kommt.
Tempus: kommen wird
Der Weg frei für die herbeigesehnte zum Glück bereite Eva, fern jeder Konsequenz
Wenn du das ale neuen Satz schreibst, muss es "Der Weg ist frei" heißen.

Dir ein frohes neues Jahr. Vielleicht schaffst du es ja mal wieder in den ICQ. ;)

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo ihr
Vielen Dank für eure Feedbacks

Die Stellen wo ichs für nötig befand hab ich geändert, anere so gelassen und noch mehr wahrscheinlich vergessen;)

zunächst einmal hallo eike

zu deinem Song fällt mir auch etwas ein:
Mit Grund für diese Geschichte war die Textstelle der Dresden Dolls
"You´d rather be a bitch than an orinary broken heart..." hat mich zum grübeln gebracht ob es so etwas wirklich gibt...

ich hab des am Anfang infach gelassen, weil damit der Einstieg mitten hinein in ihr Leben ohne Vorwissen gezeigt werden sollte

das tatsächlich soll den Gegensatz verdeutlichen

das echt soll die umständliche, nichtssagende Unterhaltung im Auto verdeutlichen

das hi antje steht in Klammern soll verdeutlichen wie der Redeschwall ihrer Freundin sie verschluckt und gar nicht wahrnimmt

das plötzlich soll zeigen wie Eva aus ihren Gedanken gerissen wird

Der Schluss war auch meiner Ansicht nach die Achillesferse aber nach zu langem herumdoktoren kam er etwas abgehoben zustande

Sim deine Punkte ähneln den zuvor erwähnten

die wörtliche Rede hätte die hektische Art Antjes nicht so aufgezeigt wie dieser etwas lieblose Schreibstil

Der Satz mit dem Tempus soll die Atmosphäre im Auto verdeutlichen ist also von der Grammatik her nicht so sehr zu beachten

Der letzte Satz passt für mich so besser. Vielleicht kann man das als Ellipse gelten lassen;)

Vielen Dank euch beiden
Musste diese Antwort übrigens dreimal schreiben weil ich als unangemeldet gedeutet wurde...

Viele dankbare Grüße
Euer Maniac

 

Hi Maniac,

mir hat Deine Geschichte ganz gut gefallen, auch der Schluss, an dem Eva endlich erkennt, dass es nichts bringt, sich zu verstellen, schon gar nicht anderen zuliebe. Das dachte sie ja noch anfangs: dass sich mit ein wenig Änderung des Äußeren und Anpassung das Innere gleichfalls verändern würde.
Den Satz: "Ratschläge wie ihre machen nicht glücklich, sie verwirren und lenken davon ab, was wirklich zählt" könntest Du m.E. auch noch etwas anders verpacken. So, wie er da steht wirkt er wirklich ein wenig "belehrend". Vielleicht könnte deine Prot. genau den Inhalt dieses Satzes noch einer anderen Freundin erzählen (wörtliche Rede) oder z.B. in ihr Tagebuch schreiben? Einfach um es besser in die Geschichte "einzuflechten".

Gruß
Isha

 

Hallo Maniac,

mir aht Deine Geschichte recht gut gefallen. Stilistisch sind keine größeren Patzer drinnen , liest sich flüssig und locker. Inhaltlich hat es mich nicht umgehaut, aber die Gedanken sind gut wichtig. Der etwas pädagogische Schluss hat mir eigentlich gefallen, diese Art der Selbstfindung - weil sie eben so oft nicht passiert!! Wie viele angepasste gibt es, die nach außen hin alles übertünchen, mti Schminke, mit Lachen, mit "Freunden" ... und innerer Leere. Schön, dass Du einen Gegenpol beschreibst.

liebe Grüße
Anne

 

Danke für eure Kommentare und das leise Lob das sie beinhalten... ;)

Der Schluss war ein Problempunkt, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Er sollte ihre Einsicht zeigen, allerdings so, dass klar wird, dass dieses Wissen durchaus zuvor schon da war.
Dabei habe ich die Bindung zur Geschichte selbst seltsamerweise vernachlässigt.
Die pädagogische Schreibweise kam eher unbeabsichtigt zustande, hat jedoch seinen eigenen Reiz.
Ich werds mir später mit etwas mehr Distanz durchlesen und dann vielleicht etwas Treffenderes finden.

Den Gegenpol den du ansprichst, wollt ich in Antje verdeutlichen. Es sollten keine komplett gegensätzlichen Charaktere werden, weil man sich sonst fragt, wie die Symphatie zustande kommt.
Die Frage zum Schluss mit der die Freundschaft endet, sollte dies endgültig verdeutlichen, da klar wird wie sehr Antje in diese Lebensweise verstrickt und davon abhängig ist.

Viele Grüße und großes Dankeschön
euer Maniac

 

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