Was ist neu

Es ist doch nur Spaß

Team-Bossy a.D.
Seniors
Beitritt
23.02.2005
Beiträge
5.271
Zuletzt bearbeitet:

Es ist doch nur Spaß

Der Dielenboden knarrt unter den flinken Schritten der Bedienung. In dem behaglichen kleinen Restaurant scheint, was das Interieur betrifft, die Zeit schon etliche Jahre stillzustehen.
„Das ist richtig gemütlich hier“, stellt Klaus fest, „sieh mal, die Ahorntische sehen aus, als würden sie jeden Tag geschrubbt werden.“
Er hatte mich mit seinem ausgeprägten Blick für Sauberkeit schon manchmal, und nicht nur angenehm, überrascht.

„Sollen wir zur Feier des Tages ein Glas Sekt trinken?“
„Zur Feier des Tages?“ Ich blicke ihn verwundert an.
„Liebe Karin“, stöhnt er leicht auf, „heute vor einem Jahr haben wir uns kennen gelernt."
„Oh...“, bringe ich gerade noch hervor. Muss man so etwas feiern?
„Und du weißt“, kommt es angestrengt aus ihm heraus, während er zu vorsichtig mit seiner rechten Hand meine linke streichelt, „ich warte. Noch.“
„Es tut mir leid, Klaus“, gebe ich ihm ehrlich zurück, „und ich danke dir für deine Geduld.“
Leo. So lebendig neben mir, so nah.

Du mochtest keinen Sekt, wenigstens habe ich jetzt jemanden, der ihn mit mir trinkt.

Klaus bestellt zwei Gläser Sekt, die rasch serviert werden.
„Auf uns.“ Fast bittend dringen seine leisen Worte zu mir.
„Ja, auf uns“, erwidere ich und versuche, einen zuversichtlichen Ton in meine Stimme zu legen. Lange halte ich seinem klaren Blick stand. Das Braun der Augen erinnert mich an Russisch Brot, so dunkel sind sie.

Die Speisekarte liegt vor uns. Szenen unseres letzten gemeinsamen Abends spalten meine Aufmerksamkeit, die Erinnerung an Klaus’ Küche verdrängt alle Gerichte, die um Order buhlen.
„Manche Hausfrau könnte neidisch auf deine Einrichtung und Ausrüstung sein“, stellte ich fest, als ich das Gemüse mit der komfortablen Brause abwusch, „und ich gehöre auch dazu.“
Es war eine Freude zu erleben, wie er fachmännisch mit seinen schlanken, schönen Händen den Fisch zerlegte und den Brokkoli aufmerksam garte, so dass er seinen Biss behielt.
Leo hatte sich nie in der Küche nützlich gemacht, jahraus, jahrein stand ich alleine am Herd.

Scheinbar hast du zu deinen früheren WG-Zeiten gut und gerne gekocht, wieso hast du mir das nie demonstriert?

„Suchst du einen Wein aus?“ bat mich Klaus. Ich entschied mich für einen leichten Gutedel. Obwohl Klaus eine Schürze vor seinem Schoß trug, war er mit seiner hochgewachsenen Gestalt und dem vollen, dunklen Haar für mich sehr anziehend und ich fragte mich, ob er wohl auch so eine haarige Brust wie Leo hatte.

Es hat gekitzelt, wenn ich mich an dich gekuschelt habe.

Nach dem letzten Bissen strahlte ich Klaus an:„Du kochst so wunderbar, bist so aufmerksam, wirkst durch dein Äußeres auf Frauen – wieso bist du denn noch Single?“
„Bin ich das denn noch?“ Er kam auf mich zu, nahm meine Hände in seine und küsste mich zart auf den Mund.
„Der Wein ist so süffig, lass uns noch eine Flasche öffnen“, versuchte ich ihn abzulenken und drehte meinen Kopf auf die Seite.
„Du bekommst noch ein Glas, aber nur, wenn ich dich dafür richtig fest in den Arm nehmen darf.“
„Das ist Erpressung“, gab ich lachend zurück.

Leo, es ist ja nur Spaß.

Das Tischabräumen überließ ich ihm, während ich einen Beat auf meine Oberschenkel klopfte und dabei vor seinem umfangreichen CD-Regal tänzelte.
„Was soll ich auflegen?“
Aus der Küche hörte ich den Korken aus der Flasche knallen.
„Ach herrje, hast du noch nichts gefunden?“
Mir fiel in dem Moment auf, dass es früher meist Leo war, der die CDs gekauft hatte. Immer war es spannend, wenn er welche nach Hause brachte, denn er beherzte gerne die Tipps weit ab vom üblichen Gedudel der Radiosender.

Erinnerst du dich noch an die erste von flide ma?

Die gefüllten Gläser stellte Klaus auf dem Wohnzimmertisch ab.
„In dieser Situation passt nur ein Lied.“ Im Handumdrehen lag eine CD im Player und jeder hatte sein Glas in der Hand. Wir tranken, während wir uns erwartungsvoll beobachteten, jeder einen langen Schluck. Mit den satten Gitarrenklängen von Pink Floyd nahm mich Klaus zum ersten Mal forsch an sich.

Seine Wäsche duftete penetrant nach überdosiertem Waschmittel. Er knabberte zuerst mein Grinsen mit seinen Lippen an meiner oberen an, bevor er mit weicher Zungenspitze ihre Kontur nachzog. Die erregende Feuchte ließ mich tief Luft holen. Auf nackter Haut, versteckt unter meinem T-Shirt, schoben sich seine Hände zitternd Richtung Nacken und stockten mitten in der Bewegung, denn ich machte mich steif. Plötzlich zerrten an allen Seiten irritierende Kräfte an mir.

Es ist doch nichts Ernstes.

Abrupt ging ich einen Schritt zurück und seine Arme wurden ruckartig aus der vibrierenden Höhle gezogen.
„Hey, was ist los? War ich zu frech?“
Mein Körper schien wie ein Stück Plastik im Feuer zusammenzuschnurzeln, ich japste nach Luft.
„Geht es dir nicht gut? Hol mal tief Atem!“, wies mich Klaus mit besorgtem Blick an.
Nach einigen Zügen löste sich die Verkrampfung und machte einem erlösenden Strom von Tränen Platz.
„Es ist ...“, setzte ich an, war aber durch das Weinen so gefangen genommen, nicht mehr sagen zu können als „ ... Leo."
„Karin, Leo ist jetzt fast drei Jahre tot. Du aber lebst! Was denkst du denn, was du ihm Schlechtes antust, wenn du endlich wieder einmal mit einem Mann vögeln willst?“ Er streckte mir ein Päckchen Papiertaschentücher entgegen und ich schnäuzte.
„Er ist neben mir. Verstehst du, ich fühle, dass er neben mir steht und mich auf Schritt und Tritt begleitet. Meist ist das für mich beruhigend, so habe ich ihn nicht ganz verloren.“
Klaus sah mich nachdenklich an.
„Ich spreche mit ihm, lasse ihn teilhaben an meinem Alltag.“
„Karin, du musst loslassen. Solange er so präsent ist, bist du auch halbtot.“
„Ach, was verstehst du denn von alledem? Wir waren so viele Jahre glücklich miteinander!“, schrie ich ihn an.
„Keiner, am wenigsten ich, möchte dir die Erinnerung nehmen. Aber lass es eine werden, Leo ist keine Gegenwart mehr“, gab Klaus mit eindringlichem Ton zurück.

„Sorry, ich hab dir den Abend versaut, ich geh jetzt lieber.“
„Nein, das hast du nicht. Karin, ich möchte, dass es für uns ein Wir gibt, ohne dass Leo vergessen wird. Aber du musst ihm den richtigen Platz zuweisen, ansonsten finde ich keinen in deinem Leben.“

„Haben Sie etwas ausgesucht?“, reißt mich die Bedienung aus meinen Gedanken. Ich blinzele irritiert erst Klaus, dann sie an und nenne ihr das erste Gericht, das mir beim Blick auf die Karte ins Auge fällt.
„Mir hing unser letztes Treffen noch ganz schön im Magen“, gesteht er und knetet mit einer Hand intensiv seinen Nacken.

Du hast mit den Händen auf den Oberschenkeln gerieben, wenn dir etwas unangenehm war.

„Mir kam ein Gedanke, den ich loswerden will.“
„Sag“, ermuntere ich ihn mit einer zwiespältigen Ahnung.
„Ich denke, du kommst alleine mit dieser Leo-Manie nicht klar. Wie willst du es denn schaffen, in der realen Welt wieder richtig Fuß zu fassen, wenn ich penetranter Hund das nicht einmal fertig bringe? Karin, du brauchst professionelle Hilfe.“
Ich schlucke.

Er will, dass du verschwindest.

„Klaus“, meine Stimme vibriert, „ich kann dir jetzt nicht sagen, was ich gerade fühle. Ich bin ...“
Meine Nase fängt an zu brennen und die Tränen drücken.
„So nicht, Klaus.“
„Wenn du schon an das Leben nach dem Tod glaubst: Wer sagt denn, dass dein Leo nicht auch eine Geliebte im Jenseits hat?“, schleudert er mir hilflos entgegen.
Ich stehe auf und gehe langsam aus dem Lokal.

Lass uns gemeinsam unsere Lieblings-CD anhören.

 

Hallo bernadette,

diese Geschichte hole ich gerne wieder aus der Versenkung. Ohne großen Kitsch oder Pathos fängst Du Trauer und Schmerz beider Protagonisten sehr gut ein - den Schmerz, die geliebte Frau im Herzen nicht zu erreichen, und den eines über die Jahre nicht weniger btter gewordenen Verlustes. Kompliment!

Wahrscheinlich ist Klaus gar nicht so schlecht, wie ihn die Protagonistin wahrnimmt (auch wenn seine psychologischen Gesprächsversuche aus der Verzweiflung geborene Rohrkrepierer sind), und, als Ich-Erzählerin, dem Leser gelungen präsentiert. Er ist einfach zu wenig wie Leo. Tragisch nur, dass, wäre er genau wie Leo, wohl auch nichts ginge - die schmerzhaften Erinnerungen würden mit jeder Begegnung aufs neue getriggert.

So bleibt die Tragik: falscher Mann trifft falsche Frau zum falschen Zeitpunkt; eigentlich der Stoff, aus dem Liebesgeschichten gestrickt sind ;).

LG, Pardus

 

So bleibt die Tragik: falscher Mann trifft falsche Frau zum falschen Zeitpunkt; eigentlich der Stoff, aus dem Liebesgeschichten gestrickt sind ;).

Ja, und nicht nur Stoff für Liebes- sondern auch Lebensgeschichten. Danke für deine Worte. Ich habe diese Geschichte nun auch selbst schon länger nicht mehr gelesen und es ist wirklich gut, wenn manches mal eine Weile still liegt - danach sieht man die Fehler viel deutlicher.

Danke fürs Hervorkramen, da werde ich nochmal leicht und beschwingt über die ganze KG gehen.


Liebe Grüße
isabel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bernadette,

Mich hat die Geschichte sehr berührt und nachdenklich gestimmt. Ich finde sie sehr einfühlsam geschrieben. Bei mir funktionniert der ständige Vergleich zwischen den beiden Männern sehr gut und die Art, wie Du den inneren Dialog einwebst. Auch wie sie sowohl von Leo als auch von Klaus viel Positives zur Schau stellt, aber auch hie und da was auszusetzen hat, finde ich gelungen und realistisch. Nur, dass bei ihrer ersten Bemerkung über Leo`s Charakter “und nicht nur angenehm” fällt, führte mich anfangs irre. Ich dachte, dies sei ein Hinweis auf Mängel an ihm, die sich im Laufe der Geschichte noch schlimmer erweisen würden.

Verwirrt hat mich teils der Sprung vom Restaurant in Klaus’ Wohnung und zurück,
z. B. im vierten Absatz
Oder:
„Suchst du einen Wein aus?“ Das klang zuerst so, als ob sie im Restaurant wären, befanden sich aber in der Wohnung, oder?

Auch wurde ich beim ersten Lesen etwas irregeführt durch den Abend in der Wohnung. Die Szene klang mir eher, als wäre sie zum ersten Mal bei ihm (war sie das?), ein Abend zwischen zwei, die sich gerade erst kennenlernen, dabei kannten sie sich schon ein Jahr lang.
z. B.: die Sache mit den Küchengeräten,
oder:
:„Du kochst so wunderbar, bist so aufmerksam, wirkst durch dein Äußeres auf Frauen – wieso bist du denn noch Single?“

Obwohl ich den schweren Verlust des Partners und ihre Art, damit fertigzuwerden, gut nachvollziehen kann, konnte ich mit Karin nicht so recht warm werden. Vor allem beim ersten Lesen, kam sie mir Klaus gegenüber unsensibel vor. Immerhin hat er starke Gefühle für sie und wartet schon seit einem Jahr geduldig auf sie. Ich vermisste Hinweise, dass sie sich sehrwohl auch Gedanken machte, wie es ihm dabei ging.
Erst beim zweiten Durchlesen fielen mir einige Details auf, die ja doch darauf schließen lassen, dass sie sich mit seinen Gefühlen befasst.

„Es tut mir leid, Klaus“, gebe ich ihm ehrlich zurück, „und ich danke dir für deine Geduld.“
„Ja, auf uns“, erwidere ich und versuche, einen zuversichtlichen Ton in meine Stimme zu legen.
schleudert er mir hilflos entgegen
.

Auch wenn, oder vielleicht gerade weil es “nur Spaß” für sie ist, ware es meines Erachtens angebracht, dass sie Klaus gegenüber ein bisschen schlechtes Gewissen zeigt, oder was auch immer sie fühlt, in dieser doch recht komplexen Beziehung.

Mit dem Titel kann ich mich auch nicht recht anfreunden, weil der Spaßfaktor außer diesem einen Satz für mich nicht so recht zum Vorschein kommt.

Den Schluss habe ich nicht als offen empfunden. Sie verlässt ihn, weil er sie drängt, Leo einen anderen Platz zuzuweisen, als dort, wo sie ihn haben will – an ihrer Seite. Trotzdem ist er mir etwas zu abrupt gekommen und da ist auch das Einzige drin, was ich sprachlich zu bekritteln hätte:

Klaus“, meine Stimme vibriert, „ich kann dir jetzt nicht sagen, was ich gerade fühle. Ich bin ...“
Meine Nase fängt an zu brennen und die Tränen drücken.

Bin nicht so scharf auf den unvollendeten Satz. Da wäre mir lieber etwas mehr von ihren Gedankengängen oder Gefühlen, ohne dass sie es ausspricht. Auch wie sie beschreibt, dass sie gleich weinen muss, finde ich hier nicht so schön.

Ansonsten, wie gesagt – eine ausgezeichnete Geschichte. Für meinen Geschmack ein Bisschen mehr über die Beziehung zwischen Klaus und Karin. Was ist in diesem Jahr passiert? Wie steht sie ihm gegenüber? Hat sie sich jemals eine Zukunft mit ihm ausgemalt? Wo war der Spaß? Dann wäre die Story für mich perfekt.

Freu mich schon auf die nächste. Liebe Grüsse

Elisabeth

PS: Für mich ist die "Sonstige" auch kein Abstellgleis. Ich finde lieber erst beim Lesen raus, womit ich es zu tun habe, daher stöbere ich hauptsächlich hier.

 

Hallo Elisabeth,

Bei mir funktionniert der ständige Vergleich zwischen den beiden Männern sehr gut und die Art, wie Du den inneren Dialog einwebst.
Das freut mich sehr zu lesen, denn genau da hatte ich noch etwas Skepsis.


Mit dem Titel kann ich mich auch nicht recht anfreunden, weil der Spaßfaktor außer diesem einen Satz für mich nicht so recht zum Vorschein kommt.

Vielleicht bin ich da auch zu sehr von der Intention dieser Redewendung in unserer Region geprägt. Da muss man nicht unbedingt richtigen Spaß haben, sondern gesagt werden will damit: Ich habe das nicht Ernst gemeint, / es war ein Ausrutscher / du nimmst das doch nicht für bare Münze / nimm es nicht so ernst.


Den Schluss habe ich nicht als offen empfunden. Sie verlässt ihn, weil er sie drängt, Leo einen anderen Platz zuzuweisen, als dort, wo sie ihn haben will – an ihrer Seite.
Exakt.

Trotzdem ist er mir etwas zu abrupt gekommen und da ist auch das Einzige drin, was ich sprachlich zu bekritteln hätte:

Klaus“, meine Stimme vibriert, „ich kann dir jetzt nicht sagen, was ich gerade fühle. Ich bin ...“
Meine Nase fängt an zu brennen und die Tränen drücken.

Bin nicht so scharf auf den unvollendeten Satz. Da wäre mir lieber etwas mehr von ihren Gedankengängen oder Gefühlen, ohne dass sie es ausspricht. Auch wie sie beschreibt, dass sie gleich weinen muss, finde ich hier nicht so schön.


Das schaue ich mir die nächsten Wochen nochmal genauer an. Ein guter Hinweis, danke.

Freu mich schon auf die nächste.
Ich hoffe, dass ich in den Ferien wieder mal dazu komme. Ich hadere in meiner Freizeit immer wieder zwischen Fotoapparat und Bleistift ;)

Dein Kommentar hat mich sehr gefreut, da du dich sehr intensiv mit dem Text auseinandergesetzt hast. Das ist umso schöner, wenn es einer ist, der schon länger hier steht.

Liebe Grüße
bernadette

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom