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Es klopft...

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10.08.2003
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Es klopft...

Stefanie dreht sich ein weiteres Mal um. Ein weiteres Mal wird sie diese Woche zu spät in die Schule kommen. Egal.
Sie kommt einfach nicht aus dem Bett, nicht mehr seit niemand mehr neben ihr liegt und die Arbeit des Weckers liebevoll zu Ende bringt. Aber das hat sie sich selbst zuzuschreiben.
Sie hat Schluss gemacht, musste dem ganzen ein Ende machen. Und jetzt? Kommt sie selbst damit kaum zurecht. Sie weiß, dass es das Richtige war, sie weiß, dass alles weitere eine Lüge gewesen wäre, aber was nützt´s? Sie hat einen beschissenen Scheiß davon, dass sie das Richtige gemacht hat.
Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und lässt die Jalousien hoch. Wie sie aus dem Bett gekommen ist? Weiß sie selber nicht.
Es liegt so eine Art Schleier über den letzten Tagen, viel von dem was sie tut, nimmt sie selbst gar nicht so recht wahr, so als ob man in dem Moment, in dem man auf die Uhr schaut, die Zeit schon wieder vergessen hat.
Viel weinen muss sie nicht, es ist mehr so eine Mischung aus Frustration und Resignation.
Es war ein ohnmächtiges Gefühl, den anerkennenden Neid ihrer Freundinnen zu spüren, auf ihren Freund Andi, auf ihre Leichtigkeit in der Schule und ihr entspanntes Elternhaus. Das war lediglich Neid auf die Oberfläche, was sich darunter verbarg, wussten sie nicht, interessierte nicht.
Eigentlich hatte sie auch allen Grund glücklich zu sein. Andi war ein aufgeweckter charmanter Freund gewesen, die Schule fiel ihr tatsächlich leicht, das Tennis machte ihr Freude, ihr Eltern zwangen sie nicht zu irgendwelchen Unzeiten zu Hause zu sein.
Eigentlich...
Aber was wenn einem doch etwas fehlt? Wenn es die ganze Zeit an die Tür im Kopf pocht und ein kleiner Mann auf der anderen Seite schmeichelt: "Es gibt noch mehr, es geht noch besser, das ist noch nicht alles, das ist viel zu wenig, du kannst noch viel mehr..."
Anfangs hatte Stefanie diesem Männlein keine Beachtung geschenkt, hatte es kaum wahrgenommen, es kam ja nicht in Frage, dass da irgendetwas dran sein könnte, an dem, was es ständig flüsterte. Doch jede dumme Aussage, jeder schlechte Scherz, jede Unachtsamkeit Andi´s ließ sie genauer hinhören, ließ sie der Stimme aufmerksamer lauschen. Plötzlich wurden diese Missverständnisse und Unbedachtheiten häufiger von ihr wahrgenommen, begannen sie zu stören, zu nerven, bis das Klopfen ihr schließlich den Schlaf raubte.
Warum sie in letzter Zeit immer so gereizt sei. Mit dieser Frage hatte die ganze Tragödie ihren Lauf genommen.
Inzwischen kann sie zwar schlafen, kommt dafür aber kaum aus dem Bett. Irgendwie ging ihr alles zu schnell, irgendwie weiß sie gar nicht was das alles soll.
Sie frühstückt an ihrem Schreibtisch, da die Eltern noch schlafen. Durch ihr Fenster sieht sie zu ihrer Nachbarin Tanja hinüber. Beobachtet, wie diese um sage und schreibe Sieben Uhr Fünfzehn mit einem Telefon in der Hand aufgeregt durch ihr Zimmer läuft, unterbrochen von irgendwelchen Witzen über die sie so lacht, dass sie dies zum Innehalten zwingt.
Nach und nach wird deutlich, dass das Telefonat lediglich dazu dient, sich genauestens wegen der heute anzuziehenden Klamotten abzusprechen. Es scheint ein überwiegend rosaner Tag zu sein, unterbrochen von einem lilanen paar Schuhe und Gürtel, sowie solide schwarze Schühchen.
Während Stefanie dieses Prozedere mitverfolgt, fällt ihr auf, dass sie selbst noch im Schlafanzug da sitzt. Das wird wieder spät heute, dabei hat sie gestern schon ziemlich Ärger bekommen.
Nicht dass ihre Furcht so groß war, aber die Drohung, dass ihre Eltern benachrichtigt werden sollten, träfe sie auf eine viel unangenehmere Art und Weise, wie Nachsitzen oder ähnliches. Haben die doch genug anderes um die Ohren, als sich jetzt unnötige Sorgen um Stefanie zu machen.
Eine Möglichkeit gäbe es da noch pünktlich zu kommen...

Zehn Minuten später sitzt sie in eben dem Auto, welches sie die letzten Wochen erfolgreich gemieden hatte, wollte ihre Nachbarin sie doch schon des öfteren in ihrem Twingo mit zur Schule mitnehmen.
"Wer von euch beiden hat eigentlich Schluss gemacht?", fragt diese besorgt, nach dem die ersten paar Meter gefahren sind.
In gewisser Routine versetzt Stefanie ihr: "Wir wollten, dass des unter uns bleibt, ist ja schließlich was persönliches."
"Also er?" Ein Lachen unterstreicht Tanjas Freude über ihre Schlagfertigkeit, welches ihr aber ob des säuerlichen Gesichts von Stefanie im Hals stecken bleibt.
Stille.
Noch zehn Minuten, sie weiß warum sie diese Fahrt so gemieden hatte.
Ob Tanja so ein Männchen in Kopf hat? Stefanie ist sich nicht sicher. Wohl eher nicht. Höchstens eines, das ständig ruft: Nimm den, nimm den. Bei dem Gedanken huscht ein Lächeln über Stefanies Gesicht. Traurig. Irgendwie hat sie plötzlich Mitleid mit ihr, wie sie da arglos am Steuer ihres Twingo sitzt, zu den Pussycat Dolls summt und vom Leben auch irgendwie nicht viel mehr zu erwarten scheint.
An einer roten Ampel dreht Tanja den Kopf und versichert ihr: "Ich hatte mir ja schon am Anfang, als ihr zusammengekommen seid, gedacht, dass er nix für dich ist." Ein nervöses Lächeln betont die langen Überlegungen, die hinter dieser Aussage stecken.
"Danke, das höre ich zur Zeit nicht so oft," antwortet Stefanie etwas überrascht und fragt darauf im Scherz: "Hattest´s irgendwie im Urin, oder?"
Es folgt eine gewisse Irritation, die Stefanie zeigt, dass Tanja nicht sehr zugänglich für Ironie ist. Das alles nur um pünktlich zur Schule zu kommen? Um den Schein zu wahren? Sollen sie doch bei ihr Daheim anrufen.
Leider kam ihr diese Erkenntnis etwas zu spät.
Sich damit abfindend, versucht sie sich die Autofahrt etwas zu verkürzen. "Wie läuft´s bei dir grade so?" Im selben Moment bereut sie die Frage und eine Lawine von Informationen bricht über sie herein.
Endlich aus dem Auto ausgestiegen bedankt sie sich ehrlich, schwört sich aber zugleich nie wieder einen Fuß dort hinein zu setzen.
Es ist nicht böse gemeint, aber es ist so furchtbar anstrengend in diese Welt hineingezogen zu werden, wo Marken und Bodies zählen, wo alles so furchtbar einfach, so furchtbar gleichförmig ist. Was schert es sie, wie lange die zwei schon zusammen sind, was schert es sie, was dieser Friseur mit jener schreckliches angestellt hat, um dann noch den vollen Preis zu verlangen?

Englisch, Scheiße, langweilig, wieder so viel Zeit zum Nachdenken. Neunzig Minuten lang, aber was solls? Wenigstens heute ohne dumme Bemerkung vom ahnungsvollen Lehrer.
Aber ihre Gedanken gehen weniger in Richtung Andi, als vielmehr zu Tanja. Die Autofahrt hat ihr ein gewisses Bild vermittelt, aber so eintönig, so eindimensional Tanjas Welt ihr auch scheint. Sie ist wenigstens auf ihre Art glücklich. Sie hat ihren Freund seit zwei Jahren, sie muss sich wohl keine unnötigen Gedanken machen.
Sie schien so sorglos, wie sie da hinter dem Steuer saß und ihre volle Aufmerksamkeit der Straße und dem Radio widmete. Auch die ehrliche Freude, als Stefanie sie fragte, ob sie sie mitnehmen könnte, obwohl sie doch gemerkt haben musste, wie sie diese Fahrt die letzten Wochen gemieden hatte, war bemerkenswert. So viele unnötige Gedanken, die Tanja sich nicht machte. Ob sie wohl glücklich war?
"Stefanie? Stefanie? Wärst du so freundlich weiterzulesen!" Ihr Englischlehrer ist nicht sonderlich begeistert von ihrem kleinen Nickerchen und schaut dementsprechend genervt.
"Es tut mir leid! Ich, heute morgen, da..."
Ein leises Getuschel macht sich in der letzten Reihe breit, Halbsätze wie: Seit mit ihm Schluss ist... , dringen an ihr Ohr und eine heftiger Drang, die ganze Welt zur Besinnung zu schütteln ergreift Stefanie, doch stattdessen entscheidet sie sich für den Text.
"Aber Stefanie", diesmal ist der Lehrer nicht nur genervt, sondern richtig verärgert, "da waren wir doch längst. Was machst du hier eigentlich? Seit fast zwei Woche bist du zu kaum etwas mehr zu gebrauchen."
Stefanie wird jetzt ihrerseits sauer, und statt sich zu rechtfertigen, packt sie ihre Sachen und verlässt unter vielfachem Kommentar den Raum.
Die Tränen zurückhaltend läuft raus auf den Vorhof. Wohin? Das weiß sie selber nicht so genau. Weg, nur weg von hier. Als sie das Schulgebäude verlässt, folgt sie einfach der Straße, da erblickt sie Tanjas Twingo.
Sie nimmt ihren Hausschlüssel und hinterlässt drei etwa 30 Zentimeter lange Kratzer an der Beifahrertür. Sie entschließt sich nach Hause zu gehen.

In ihr Bett gefallen, das Gesicht in das Kissen pressend, versucht sie zu verstehen. Sie steht auf, nimmt ihren Tennisschläger in die Hand und lässt in zwischen ihren beiden Händen hin- und hergleiten. So vertraut er sich einst dort anfühlte, so angewidert lässt sie ihn nun fallen. Eine Art Selbsthass, ein Zweifel an all dem was sie war, hatte Besitz von ihr ergriffen. Unerwartet bricht ein weiteres Schluchzen über sie herein und während sie ihren Kopf ein weiteres Mal im Kopfkissen vergräbt, fällt sie in einen flachen unruhigen Schlaf.
"Hallo, ja hier ist Stefanie." Das Handy hat sie unsanft aus dem Schlaf gerissen.
"Ja Hi." Sie kannte diese Stimme. "Hier ist Tanja, ich muss dir unbedingt was erzählen. Will ich doch vorhin in meinen Twingo einsteigen," eine urplötzlich aufflackernde Erinnerung lässt es Stefanie kalte Schauer über den Rücken laufen, "da seh ich doch tatsächlich, dass die Marie aus dem Deutschkurs schon wieder einen Neuen hat. Kannst du dir das vorstellen? Also ich musste zweimal hinschauen."
Vor lauter Erzählen, denkt Stefanie erleichtert, hat sie hoffentlich meinen Seufzer nicht gehört. Und nachdem sie nickend und bejahend einem zweiminütigen Monolog beigewohnt hat, unterbricht sie das Gespräch. Seit wann sind wir denn befreundet, fragt sie sich abwesend.
"Du Tanja, ich muss noch Hausaufgaben machen, tut mir echt leid." Durch das Fenster sieht sie ein etwas enttäuschtes O, welches Tanja tapfer lächelnd mit Daumen und Zeigefinger formt.
Auf einmal weiß Stefanie, wie sie ihr Gefühl loswerden würde, wie sie sich des klopfenden Männchens endgültig entledigen würde, wie sie der Verlockung des Einfachen endgültig widerstehen würde. Genauso weiß sie aber, während sie die Haustür hinter sich schließt, dass es hart wird.
Entschlossen drückt sie die Türklingel. Drückt sie ein weiteres mal, bis...
"Hallo Stefanie. Was für eine Überraschung."
Mit zitternden Fingern umklammert Stefanie den Türknopf und schließt einem Sträfling vor dem letzten Gang gleich, die Tür hinter sich.
Klack. Zu.
Stimmen werden leiser und Schicksal wird geboren.

 

Hallo Maniac!

Hm, so berauschend fand ich die Geschichte jetzt nicht, aber ich kann auch gar nicht sagen, was mir nicht daran gefallen hat. :hmm: Mal überlegen... :p
Also ... ich glaube, dieser sachliche Erzählstil war ein bisschen trocken. Zu berichterstattend. Und teilweise fand ich die Dialoge auch unglaubwürdig, wie z.B. die Stelle mit dem Lehrer. Das ging mir zu schnell irgendwie. So richtig Einblick in das Seelenleben der Protagonistin habe ich auch nicht bekommen, obwohl das ständig einbezogen wurde. Ich finde da die Perspektive ungünstig, vielleicht wäre die Ich-Form besser. Ungünstig fand ich auch die Zeitform. Präsens klingt hier zu gestanzt, Präteritum wäre mEn besser. Das ist zwar so der Klassiker, aber hier passt es überhaupt nicht, wie ich finde.

Sie kommt einfach nicht aus dem Bett, nicht mehr seit niemand mehr neben ihr liegt und die Arbeit des Weckers liebevoll zu Ende bringt.
Du meine Güte, das fand ich schon ein bisschen heftig. Hat ihr Ex-Freund richtig bei ihr gewohnt?

Naja. Sorry, dass ich nicht so richtig konstruktiv sein kann. Es waren noch einige Rechtschreibfehler drin, aber das müssen jetzt mal die anderen übernehmen. ;)

Ich fand die Geschichte okay, aber es war nichts Besonderes irgendwie.
Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hallo Apfelstrudel

Naja der Anfang klingt schmalziger, als er eigentlich gemeint ist. Ich hoffte der Kontext würde das dann ausreichend erklären. Ich wollte ja keine liebesbekümmerte 18jährige beschreiben, so wie es in dem Moment vielleicht suggeriert.
Es ist mein Problem, dass bei meinen Geschichten der Pfiff fehlt, der Aha Moment, manchmal plätschern sie einfach so dahin, dass ärgert mich dann aber andererseits will ich keine unrealistische Situation herbeizwingen, die dann von eigentlich Inhalt ablenkt, wobei wenn dieser langweilig ist, das bestimmt auch ablenkt...
Ich hatte die Vogelperspektive um quasi das beobachtende Organ des Lesers zu sein live dabei (Präsens) mitzubeobachten, wie Stefanie mit sich kämpft zweifelt und schließlich ihre Entscheidung trifft. Es war mein Gedanke, dass der Leser sich selbst ein wenig erkennen sollte, oder fragen wie er sich verhalten würde.

Großes spätes Dankeschön für dein Feedback

Viele Grüße Maniac

 

Hallo Maniac,

es gibt Passagen, bei denen ich das Gefühl hatte, du bist ein aufmerksamer Beobachter geworden.

Es liegt so eine Art Schleier über den letzten Tagen, viel von dem was sie tut, nimmt sie selbst gar nicht so recht wahr, so als ob man in dem Moment, in dem man auf die Uhr schaut, die Zeit schon wieder vergessen hat
Diese zum Beispiel, auch wenn darim Kommata fehlen und es "Vieles" heißen müsste.
Dann wiederum fehlt mir genau das, etwa, wenn das leere Bett beklagt wird, obwohl Stephanie noch Schülerin ist.
Alter und Gedanken scheinen mir nicht übereinstimmen zu lassen, Stephanie erscheint eher wie eine Fünfzehnjährige. Dadurch wirkt das leere Bett natürlich noch merkwürdiger.
Und dann habe ich die ganze Zeit ein Mädchen vor Augen, dass letztlich auf ihre Art genau so zickig ist, wie sie Tanja sieht. Die Pubertät feiert fröhliche Urständ in ihr, spendiert ihr den Hang zum Drama im Alltag, das Schweigen im falschen Moment, das Talent, die falschen Worte zur falschen Zeit zu bringen.
Das kleine klopfende Männchen finde ich schön, das ist eine gute Idee.
Keine Details (dazu fehlt mir gerade die Zeit), nur zwei Anmerkungen:
von einem lilanen paar Schuhe und Gürtel, sowie solide schwarze Schühchen.
ich verzichte mal auf die üblichen notwendigen Korrekturen (Tempi; Als/Wie-Verwechslungen; das/dass, fehlende Satzzeichen, ...), aber lilafarbenes Paar Schuhe und solide schwarze Schühchen gleichzeitig?
Eine Art Selbsthass
fällt mir häufiger bei dir auf, dieses im Ungefähren lassen. Ist es nun Selbsthass oder nur etwas ähnliches, dass du nicht bezeichnen kannst?

Lieben Gruß
sim

 

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