Es war nur ein Traum
Die Rückleuchten der Limousine erschienen wie rot glühende Augen in der verschneiten Winternacht. Traurig blickte ich zu dem Chauffeur, der grade IHM die Tür aufhält. Er sieht mich nicht.
Der Wind trieb mir Schneeflocken ins Gesicht. Ich zog die Kapuze tiefer. Laut knallt die Autotür zu. Ein Stich dringt in mein Herz.
Es ist vorbei.
Hoffungslos setzte ich meinen Weg fort. Die Limousine fährt voraus.
Er dreht sich um und schaute in meine Richtung. Der Wind blies mir, wie aus Hohn, die Kapuze vom Kopf. Ich hielt mir die Hand vor Augen und stapfte benommen weiter.
Das quietschen von bremsenden Reifen ließ mich aufsehen. Die Limousine hielt am Straßenrand. Eine Hand winkte in meine Richtung.
Sollte er mich gesehen haben?
Eilig lief ich zur Limousine. Warme Luft schlug mir entgegen.
„Steig ein.“
Ich folgte der Aufforderung. Die Tür fiel zu. Ich blickte starr zu Boden. Meine Hände lagen zu Fäusten geballt auf meinen Beinen.
Was sollte ich jetzt sagen? Konnte ich wissen, dass sowas passiert? Wer ahnt denn schon, dass man sich in einen Schwermilionär, der zudem noch Freistilkämpfer war, verliebt, mit ihm eine Nacht verbringt und feststellt, dass es nur ein Spaß war?„Glückwunsch zu deinen Sieg…“, murmelte ich leise. Keine Reaktion.
„Was hast du jetzt vor?“, fragte er freundlich.
Was sollte ich jetzt vorhaben? Was kann ich schon machen? Sollte ich ihm ins Gesicht schreien, dass ich schwanger von ihm bin? Wie würde er reagieren?Ich schwieg und zuckte mit den schultern.
„Ich hätte einen Vorschlag. Komm mit mir zu den Bahamas, heirate mich und dann setzten wir viele kleine Kinder in die Welt!“
Meint er das ernst?
Schüchtern blickte ich zu ihm hoch. Sein Gesicht spiegelte zurückgehaltene Vorfreude und Hoffnung wieder.
Er meint es ernst!
Mein Blick senkte sich wieder.
„Ich kann nicht! Lee…wir leben in zwei verschiedene Welten. Du bist Kämpfer und Multimillionär. Deine Firma entwickelt Kampfroboter! Das ist nicht das, was ich will. Ich fürchte mich vor diesen Dingern. Was ist, wenn ein Fehler auftritt und eines anfängt verrück zu spielen. Was ist, wenn sich irgendwann einer fragt, warum er einem schwachen Menschen gehorchen soll? …“ Mir stockte der Atem. Die erste Träne suchte ihren Weg über meine Wange.
„Du sorgst dich um mich?“ Warm und anschmiegsam klang seine Stimme in meinen Ohren. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme geworfen und wäre mit ihm gegangen.
Lee ergriff meine Hand und zog mich zu sich. Die schneenasse Jacke hatte einen dunklen Fleck auf den Sitz hinterlassen.
In Lees Armen spürte ich, wie mein Widerstand zu bröckeln begann. Immer mehr zerfiel mein Anker in die Wirklichkeit, während Lee mich mit sanften Küssen bedeckte.
Wie sollte ein Mädchen noch bei Verstand bleiben, wenn sie bemerkt, dass sie Jacke und Hose verlor?
Mein Herz schlug wild gegen meine Brust und die Erinnerung an die eine Nacht übermahnten mich. Mit letzter Kraft schob ich ihn von mir. Er sagte nichts. Ich blickte ihn nicht an. Langsam ordnete ich meine Kleider.
„Warum fürchtest du mich?“
Ich schüttelte den Kopf. „Das tu ich nicht. Es ist nur….wenn es doch nur ein Spaß ist….“
Lee zog die Luft scharf ein. Ich schaute zögernd zu ihm.
„Du denkst, dass die Nacht nur ein Spaß für mich war? Warum? Was habe ich getan, dass du so von mir denkst?“
Seine Enttäuschung und Niedergeschlagenheit trafen mich wie ein Faustschlag.
„Ich war allein am morgen…“
Welch spärliche Ausrede!
Zusammengesunken saß ich im Autositz.
„Ich musste früh zu einem Kampf. Du weißt doch, dass ich eine Battle an dem Tag hatte. Ich hätte einen Zettel hinlegen sollen oder dir bescheid sagen, aber ich wollte dich doch nicht wecken. Du sahst so glücklich aus. Ich brachte es nicht übers Herz dich aus deinen Träumen zu reißen. May, ich liebe dich! Warum sonst sollte ich dich zu Frau wollen?“
Der Ausdruck seiner Augen war ein Spiegel seiner Gefühle.
Er liebt mich wirklich!
Der Widerstand zerfiel in tausend kleine Teile. Diesmal gab ich mich meinen Gefühlen hin und drückte mich an Lees Brust.
„Ach May, solche eine Frau, wie du es bist, ist mir noch nie begegnet. Vielleicht ist es das, was ich so an dir schätze.“
Ich schwieg. Mein Blick verlor sich im Raum und ich genoss die Nähe zu Lee.
„Du sagtest, du wolltest mich heiraten und dann Kinder haben? In der Reihenfolge oder kann es auch anders sein?“, fragte ich in den Raum hinein.
Lee räusperte sich. Ich lächelte. Es war seine Angewohnheit, wenn er verlegen ist.
„Nun ich dachte schon, dass es so ablaufen würde.“
Unbewusst strich ich mir über den Bauch.
„Dann haben wir nur noch 8 Monate Zeit um zu heiraten.“
Lee richtete sich auf. „Heißt das…?!“
Ich blickte ihn an. Kindliche Freude stand in seinem Gesicht. Überschwänglich küsste er mich.
Das war’s also. Ich würde meinen Millionären heiraten.