Eselsohr
ESELSOHR
Wohin auch immer ein Eselsohr steht, keiner weiß wohin das Auge geht! Er sah, wie es, das Auge, grünlich ringelnd sich aus der Kopfhöhle wand , überquoll und im Meer der Tränen zerfloß. Warum diese Umständlichkeiten, wer sieht den Sinn des Unsinns, und der Schlamm und Schleim der aus der leeren Augenhöhle hervorquoll bedeckte seine Schamlippen mit Seife. Er badete förmlich und vergnügt im Eiter, das seinem Auge folgte, quetschte es mit seinen Händen, sodaß es lustige Schmatzgeräusche von sich gab, ja, es war ein echtes Vergnügen, ihm dabei zuzusehen, wie er die gelbe, eitrige, mit einzelnen Blutstreifen durchzogene Masse knetete und jauchzend durch die Luft schleuderte.
Schnecken, Maden und Würmer tummelten sich alsbald in der schleimigen Soße, die zunehmend von Leben erfüllt war. Die Tierchen begannen sich rinnend miteinander zu vereinigen, sie tummelten aufeinander, die Schnecken, Maden und Würmer schienen sich regelrecht ihres Beisammenseins in der Eitermasse zu erfreuen und wer sie genau beobachtete, konnte feststellen, daß sie allesamt miteinander kopulierten - die Schnecken mit den Würmern, die Maden mit den Schnecken, die Würmer mit den Maden, ja, schließlich alle mitsammen, sodaß ein Knäuel aus Schnecken, Maden und Würmern entstand, wodurch es bald nicht mehr möglich war, die einzelnen Tierchen auseinanderzuhalten. Die Tierchen verschmolzen immer mehr zu einer eigenen Kompaktheit, wobei sie sich zunehmend vermehrten. Die Jungen schlüpften schon wenige Augenblicke nach ihrer Zeugung und so wurde das Gewürm-, Geschneck- und Gemade-Knäuel rasant größer, es wuchs zu einer richtigen Kugel an.
Mit der Zeit konnte jedoch beobachtet werden, daß sich unter der Schleimschicht an der Oberfläche dieser Lebekugel ein schwarzer Tupfen heranbildete, der sich langsam aber merkbar vergrößerte. Er nahm zunehmend eine runde Form an, die sich linsenförmig ausweitete. Um diese Linse bildete sich ein grünlicher Saum und das sich im Eiter bewegende Knäuel wurde immer runder. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Tierchen schienen immer mehr zu verschwimmen, ja es war kaum mehr zu erkennen, daß es Tierchen waren, die sich hier wie nach einem festgelegten Plan, wie es schien, bewegten. Sie bildeten einen schleimigen, milchig glänzenden Körper, der sich trotz der farblichen Ähnlichkeit zunehmend aus dem Eiter abhob. Bei genauerer Betrachtung sah einem dieser Klumpen richtiggehend an, ja, es zeigte sich immer deutlicher, daß diese lebende Kugel die Form eines Auges anzunehmen schien. Sie wurde auch immer starrer, die Bewegung nahm ab, bis sie praktisch zum Stillstand kam.
Die Linse wurde mittlerweile deutlich von einer grünlich-grauen Iris umgeben, welche nun im vom Schleim, der sich zu verflüssigen schien, bedeckten Augapfel steckte. Es war ein Augapfel wie in einem Meer von Tränen, das diesen, wie nun deutlich zu erkennen war, in Richtung der entleerten Augenhöhle schwappte. Der Augapfel, und nun war es ganz eindeutig, daß es sich um einen solchen handelte, näherte sich auf diese Weise immer mehr der entäugten Kopfhöhle, mit der er alsbald verschmolz und langsam in ihr zu verschwinden trachtete. Allerdings stak ein Teil des Augenkörpers aus der Höhle, die von einem Lid bedeckt war, heraus, und zwar genau jener Teil, auf dem sich die Linse mit der sie umgebenden Iris befand.