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Für immer und immer
Für immer und immer
"Ab drei Monaten ist es was Ernstes", hatte Mara mal zu Jan gesagt. Ungefähr drei Monate sind Jan und Mara jetzt zusammen. An Maras Geburtstag hat Jan ihr ein Geschenk gekauft und eine Karte geschrieben. Unten auf der Geburtstagskarte, hat er mit "Ich liebe dich, und zwar für immer und immer" unterzeichnet. Zwischen Mara und Jan ist es eben etwas Ernstes. Sie planen schon zusammen zu ziehen, - irgendwann einmal. Mara blättert gerne durch den IKEA-Katalog und sucht nach Möbeln für ihre zukünftige gemeinsame Wohnung.
Die Beiden sitzen auf dem Sofa, im Wohnzimmer von Maras Eltern. Sie schauen ihre gemeinsame Lieblingssendung, als Mara in einer Werbepause plötzlich zu Jan sagt:
"Weißt du was? Ich glaub, ich lass mir ein Tattoo machen."
Jan schreckt aus seinem dösigen Halbschlaf auf und fragt sie etwas verblüfft:
"Eine Tätowierung?"
"Ja, warum nicht? Meine Freundin hat auch eine. Ich find's schön."
"Aber das tut doch sicherlich ziemlich weh, oder?"
"Ach, das geht. Das halt ich schon aus. Ich bin ja nicht aus Zucker."
Jan fängt an zu grinsen. Er zwickt Mara in den Arm und fragt dabei neckend:
"Du bist also nicht aus Zucker?"
"Aua, bist du doof.", Mara gibt Jan einen Schubs. Aber sie ist nicht wirklich böse. Es kommt zu einem verspielten Handgemenge, das damit endet, dass es Mara gelingt, sich auf Jans Brustkorb zu setzen. Mara beugt sich zu Jan herunter und küsst ihn.
"Ich bin ja nicht aus Zucker", wiederholt Jan noch einmal zwischen zwei Küssen. Aber Mara geht nicht weiter darauf ein und unterbricht den Austausch von Zärtlichkeiten erst wieder, als die Werbepause um ist.
Zwei Wochen später lässt Mara sich tätowieren. In einem Laden, "der seriös ist und sehr auf Hygiene achtet" - wie sie ihren Eltern versichert. Es klappt auch alles ausgezeichnet und es wird ein sehr schönes Tattoo: Eine Katze, die vom Nacken aus ihren Rücken runter schleicht. Sie sieht hübsch aus, aber gleichzeitig auch kämpferisch. So dass man nicht sagen kann, ob sie einem im nächsten Moment um die Beine streicht und gekrault werden möchte oder dir mit ihren Krallen dein Gesicht zerkratzt. Die Katze passt zu Mara. Das Motiv hat Jan ausgesucht. Mara ist stolz auf ihr Tattoo. Es hat doch mehr weh getan als sie sich vorgestellt hatte. Besonders an den Stellen wo direkt unter der Haut Knochen liegt, hat die Tätowiernadel so schlimm geschmerzt, dass Mara am liebsten geschrieen hätte.
Wie es kam, was dann kam, können beide nicht genau erklären. Würde man Maras Freunde fragen, dann bekäme man sicherlich die Antwort, dass Jan daran Schuld gewesen wäre. Aber Jans Freunde hätten wahrscheinlich dasselbe über Mara behauptet. Anscheinend passierte es einfach, dass die Beiden sich nach ein wenig mehr als drei Monaten trennten. Woran das nun genau lag, ist schwer zu sagen. Vielleicht daran, dass sie aufhörten sich während der Werbepause ihrer Lieblingssendung zu küssen?
Mara gab Jan in den nächsten Wochen alles zurück was sie von ihm hatte. Sogar alle seine Geschenke, auch das Geburtstagsgeschenk mit der "für immer und immer"-Karte. Die kleinen Dinge, die sie an ihn erinnerten, warf sie in den Müll. Die großen packte sie ihn Dosen und Kartons und dann in den Keller. Jans Telefonnummer löschte sie aus ihren Handy und strich seine Adresse aus ihren Kalender. Mara hängte die gemeinsamen Fotos ab, aber auch alle Poster in ihrem Zimmer und ersetzte sie durch neue, die nicht mit schmerzhaften Erinnerungen behaftet waren. Sie stellte sogar ihre Möbel um, ging zum Friseur, kaufte sich neue Anziehsachen und lackierte ihre Nägel in einer anderen Farbe. Die Zeit, die sie früher mit Jan verbracht hatte, begann sie nun gezielt mit Hobbys aufzufühlen. Mara überlegte sich sogar, ob sie in einem Fitnesscenter Mitglied werden sollte. Natürlich hatte sie auch aufgehört ihre ehemalige Lieblingsfernsehsendung zu schauen. Kaum noch etwas erinnerte sie an die drei Monate mit Jan.
Bis auf diese eine kleine Sache. Diesen ständigen Begleiter. Nicht zu sehen, aber trotzdem da. Nur wenn Mara sich mit einem kleinen Handspiegel vor den großen Spiegel in ihrem Zimmer stellte konnte sie das letzte Stück Jan, das sie nicht wegwerfen konnte, betrachten. Und es sollte sie noch lange an ihn erinnern, um genau zu sein: für immer und immer.