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Füreinander

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24.10.2020
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Füreinander

Die Art, wie die schweren Eichenmöbel das Licht des Raumes schlucken ist beruhigend vertraut. Es bildet einen scharfen Kontrast zu den hellen und professionell freundlichen Räumen des Krankenhauses. Der Raum ist nicht hübsch. Alles ist einheitlich, gediegen und aus einer anderen Zeit. Das rollbare Bett ist seit Jahren die erste Veränderung. Jeden Abend stellt sie die Seitenbegrenzung auf der rechten Seite herunter und schiebt ihr eigenes Bett dicht an seines. So kann sie seine Hand halten. Wie früher.

Er sagt immer er habe keine Schmerzen. Er möchte niemandem zur Last fallen. Wenn es ihm überhaupt je in seinem Leben um sich ging, dann ist diese Zeit lange vorbei. Für ihn geht es um sie. Eine Woche lang gibt es keine Minute in der sie nicht irgendetwas tut. Sie kocht die Dinge, die er trotz Appetitlosigkeit noch essen wollen könnte. Sie spricht mit den Ärzten, den Menschen vom Pflegedienst, sie ist da, wenn er auf den Toilettenstuhl muss, sie kontrolliert seinen Katheter, sie spricht mit seiner Schwester, sie reibt seine Brust mit Ölen ein, sie reißt sich zusammen.
Am siebten Tag verlässt sie nach Zureden ihrer Verwandten zum ersten Mal wieder das Haus. Sie geht zum nahen Supermarkt und kauft Marmelade.

Als sie wiederkommt erschrickt sie. Der minimale Abstand lässt sie die Veränderungen der Zeit in seinem Gesicht zum ersten Mal sehen.
In dieser Nacht dringen seine Schmerzen zu ihm durch. Die Hilfe kommt schnell. Er schläft bald ruhig – und lässt am Folgetag endgültig los.

Sie - geht ein Jahr lang jeden Tag zum Friedhof. Immer eine Harke in der Hand und wenn man sie trifft sagt sie, sie gehe ihrem Josef die Haare kämmen.

 

Willkommen bei den Wortkriegern, lieber @jonnings.

Ich weiss nicht, ob du mich einfach in einem sentimentalen Moment erwischt hast, aber ich fands schön. Dein Einstand wäre ist von der Kürze und des Plotumfangs her sicher gut in FlashFiction aufgehoben.

Einzig der folgende Satz ist für mich ein Hänger.

Sie - geht ein Jahr lang jeden Tag zum Friedhof.
Was drückt der Bindestrich aus nach Sie. Und wieso diese Zeitbegrenzung. Was ist so anders nach diesem Jahr, dass es betont werden muss? Da wünschte ich mir den letzten Abschnitt etwas runder, weicher.
'Jahr für Jahr ging sie nun zum Friedhof'

Die humorvolle Anekdote zum Schluss zeigt die tiefe Verbundenheit über den Tod hinaus.

Hat mir gefallen. Würde gerne auch etwas längeres von dir lesen.

Liebe Grüsse,
dot

 

So kann sie seine Hand halten. Wie früher.

Die Hilfe kommt schnell. Er schläft bald ruhig – und lässt am Folgetag endgültig los.

Schöner, behutsamer Einstand, feiner Titel, der die Verbundenheit zweier Menschen über den Tod hinaus beschreibt, mag man das Füreinander nun als (Nächsten-)Liebe, Freundschaft oder Solidarität bezeichnen, da kann ich getrost dot folgen. Gleichwohl sind buchstäblich noch ein paar Zeichen zu setzen, bereits hier, wo Du zwar den Anfang („wie die ...“, nicht aber das Ende des Nebensatzes, der im Hauptsatz „eingebettet“ ist, markierst
Die Art, wie die schweren Eichenmöbel das Licht des Raumes schlucken[,] ist beruhigend vertraut.
Hier übrigens
Das rollbare Bett …
kann durch die zusammenfassenden Bezeichnungen „Kranken-“ oder „Pflegebett“ ersetzt werden – sie sind in aller Regel „rollbar“

Er sagt immer[,] er habe keine Schmerzen.
Eine Woche lang gibt es keine Minute[,] in der sie nicht irgendetwas tut.

Immer eine Harke in der Hand und wenn man sie trifft[,] sagt sie, sie gehe ihrem Josef die Haare kämmen.

Und damit herzlich willkommen hierorts,

lieber jonnings!,

Friedel

 

Sie - geht ein Jahr lang jeden Tag zum Friedhof. Immer eine Harke in der Hand und wenn man sie trifft sagt sie, sie gehe ihrem Josef die Haare kämmen.
Damit hast Du ein Bild geschaffen, dass ich so schnell nicht mehr loswerde. Fürsorge aus Liebe, ein Thema, das ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Die moderne Lösung scheint oft genug die Trennung zu sein, sobald es schwierig wird. Überhaupt gelingt es Dir, eine fast bedrückende Eindringlichkeit zu erreichen und das nur mit wenigen Sätzen wie diesem:
Sie kocht die Dinge, die er trotz Appetitlosigkeit noch essen wollen könnte.
Schön auf den Punkt. Peace, linktofink

 

Lieber dot, lieber Friedel, lieber linktofink,

vielen Dank für eure ermutigenden und hilfreichen Rückmeldungen. Ich habe sie eben erst gelesen. Es hat mich besonders gefreut, dass der Text berühren konnte und dass ihr euch die Mühe gemacht habt euch mit ihm Text auseinanderzusetzen.

Gleichwohl sind buchstäblich noch ein paar Zeichen zu setzen,
Da hast du vollkommen Recht. Die Zeichen stehen schlecht. Oder suboptimal.

Ich werde eure Anmerkungen gerne in den nächsten Tagen aufnehmen. Ich freue mich darauf.

Vielen Dank für das herzliche Willkommen!
Liebe Grüße

jonnings

 

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