Was ist neu

Für's Vaterland

Sid

Mitglied
Beitritt
30.03.2004
Beiträge
7

Für's Vaterland

Ein Schuss

Ein Schuss

Die Versetzung an die Front hatte mich mehr als tief getroffen. Dieser Ort kam mir gespenstisch, ja unwirklich vor. Herausgerissen aus meinem Leben. Der Schützengraben in dem ich seit Tagen saß wurde enger. Schloss sich um mich. Drohte mich zu ersticken. Dem Wahnsinn war ich gewiss noch nie zuvor so nahe gewesen. Für Deutschland hatten sie gesagt. Wir sehen uns in Paris. Ein Spiel. Artilleriefeuer. Ich nahm es nicht mehr wahr. Auf grässliche Art und Weise hatte ich mich daran gewöhnt, war abgestumpft. Wie aus weiter Ferne drang der Befehl zum Angriff an mein Ohr. Mechanisch, fast so als hätte nicht mehr ich, sondern jemand fremdes die Kontrolle, kletterte ich aus dem Erdloch, welches ich so sehr zu hassen gelernt hatte. Das Kampfesgebrüll meiner Kameraden brachte mich schier um den Verstand. Wie von Sinnen liefen wir über das Schlachtfeld. Der Geruch von Tod, Blut und Schießpulver brannte in meiner Nase. Nur noch wenige Meter bis zum feindlichen Graben. Links und Rechts von mir sah ich Soldaten fallen. Niedergestreckt vom Blei der Maschinengewehre. Panisch umklammerte ich mein Gewehr. Die Knie wollten mir ihren Dienst versagen, doch waren es nur noch ein paar Meter, die es zu überbrücken galt. Die Angst trieb mich weiter, immer weiter. Da sah ich es. Das Gesicht das ich bis zu meinem Tod nie vergessen sollte. Ich visierte es an. Es war das Gesicht eines einfachen französischen Soldaten. Wie von selbst legte sich mein Zeigefinger auf den Abzug. Nur ein bisschen mehr Druck. Nur ein bisschen mehr Druck und ich würde diesen Mann töten. Würde einen Mann töten den ich nicht kannte. Würde einen Mann töten dessen einziges Verbrechen es war der Feind zu sein. Der Feind. Wer war dieser Feind, den wir so hassen sollten? Ein Feind, dazu erklärt von einer Regierung , die ich nicht erwählt hatte. Dazu erklärt weil diese im Konflikt ist mit dem Führer der Franzosen , mit dem dieser Soldat zweifellos nie ein Wort gewechselt hatte. Und doch... standen wir uns nun gegenüber. Mein Herz verkrampfte sich. Die Unmenschlichkeit, die Sinnlosigkeit der Situation übermannte mich, riss mich zu Boden. Als könnte ich mich der Realität erwehren, ja ihr vielleicht sogar entfliehen, krallte ich mich in den nassen Matsch. Das war nicht das Leben, das ich weiter leben wollte, leben konnte. War unfähig meinen Blick abzuwenden von diesem Menschen. Ein Schuss fiel. Wer sollte mir befehlen das Blutvergießen zu beenden? Mit gewaltiger Kraft schob sich die Kugel aus dem Lauf. Nicht dieses mal. Meine war Seele erfüllt von Verzweiflung. Überrascht von dem unbeschreiblichen Schmerz wollte ich aufschreien, doch brachte ich keinen Ton heraus. Sie drang in mich ein. Ein tiefe und so intensive Trauer befiel mich, dass von ihr zu berichten unmöglich wäre. Dunkelheit. Die Kugel zerfetzte mein Herz, ließ mich zu einer Zahl in den Geschichtsbüchern werden. Tränen erfüllten meine Augen, die Furcht vor dem ungewissen durchströmte meinen Körper und ließ ihn erstarren. Meine Angst wurde an Vollendung nur übertroffen von der Stille der Ewigkeit, die folgte.
Und wenn ich nun doch, wenn ich nun zuerst geschossen hätte?

 

Warum schließen sich Ausbildung und Überdenken der eigenen Situation aus?

 

Zuallererst muss ich zugeben, dass ich kein Freund von solchen Kriegsgeschichten bin, das ist einfach nicht mein persönlicher Geschmack ist.

Du beschreibst allerdings bildhaft, wirfst einige altbekannte Fragen über die Sinnhaftigkeit und die Ironie des Krieges auf. Tiefsinnig ist deine Geschichte allerdings nicht, sie besitzt weder einen ordentlichen Spannungsbogen, noch ist der Protagonist ausführlich herausgearbeitet worden, der Text besteht mehr oder minder nur aus einem einzigen Handlungsstrang den du detailverliebt beschreibst.

Das Gesamtergebnis ist gerade noch akzeptabel: Ein spärlicher Text über einen Pazifisten der im Krieg dienen muss.

Wie gesagt, für Kriegsgeschichten kann ich mich kaum begeistern.

 

Hi, danke für die Kritik.
Die kann ich allerdings so nicht einfach stehen lassen :)
Deswegen von mir mal ein Erklärungsansatz:
Wie du ja anerkannt hast ist meine Geschichte (etwas sehr knapp zusammengefasst) : Ein spärlicher Text über einen Pazifisten der im Krieg dienen muss.
Das ist soweit also von mir verständlich beschrieben worden. Dann monierst du aber (zu recht) ich hätte den Protagonist nicht ausführlich herausgearbeitet
Aber die Frage ist doch: Was wollte ich damit verdeutlichen? Es ist nicht die Geschichte eines Einzelschicksals. Es ist die Geschichte eines Mannes wie sie sich abertausendfach abgespielt hat. Ich schreibe es am Ende selbst. Der Protagonist wird zu Einer Zahl in den Geschichtsbüchern. Es wäre doch Quatsch gewesen den Charakter detailiert auszuarbeiten, wo er doch für so viele verschiedene Menschen steht...

Ein weiterer Kritikpunkt: (übrigens wiederum völlig richtig erkannt) Du schreibst meine Geschichte besitzt keinen ordentlichen Spannungsbogen
Aber auch wieder meine Frage: Wie soll ich glaubhaft eine außerordentliche Situation mit einem ordentlichen Spannungsbogen beschreiben?
Weitere Intention meiner Beschreibung ohne, wie du sagst, ordentlichen Spannungsbogen, ist auch, die Situation für den Leser unwirklich erscheinen zu lassen. Der Leser liest quasi von einer unheimlich spannungsgeladenen Situation, Krieg, Tod, Kampfesgebrüll. Allerdings nicht spannungsgeladen erzählt.
Das soll, und wer sich auf die Geschichte einlässt wird es vielleicht erlesen, die Unwirklichkeit, das Unfassbare an diesem Fragment aus dem Leben eines Mannes widerspiegeln, der (wie der Leser) einfach nicht begreifen kann, wo er da rein geraten ist.
Übrigens ist auch die Perspektive mit voller Absicht gewählt. Nämlich aus der Sicht eines Toten.

Dabei sollte es eigentlich nicht üblich sein, dass die Autoren ihre Geschichte für andere interpretieren müssen. Viel spannender fände ich es doch, wenn die Leser das selbst erstmal tun würden. Wer die Geschichte allerdings nur nach Schema F auf Spannungsbögen, eine Einleitung und eine überraschende Wende am Schluss untersucht, kann natürlich nicht die volle Breite der Geschichte erfassen.
Übrigens ein verbreitetes Problem in diesem Forum. Statt jedes Wort des Autors vorerst als beabsichtigt hinzunehmen und zu interpretieren, streicht man unerwartete Formulierungen als Fehler an.

Trotzdem Danke, dass du dir als "nicht-fan" von Kriegsgeschichten Zeit genommen hast meine zu lesen!!!

 
Zuletzt bearbeitet:

Zu allererst bin ich von der Tatsache begeistert, dass ich dich in dieses Forum mit meinem Kommentar "zueücklocken" konnte. Eine Tatsache, die die Sinnhaftigkeit des "Null-Antworten-Threads" unterstreicht.

* * *

Aber auch wieder meine Frage: Wie soll ich glaubhaft eine außerordentliche Situation mit einem ordentlichen Spannungsbogen beschreiben?
Natürlich habe ich das Wort "ordentlich" nicht im ursprünglichsten Sinne verwendet, genauso gut hätte ich "akzeptabel" oder "befriedigend" schreiben können. Darüber zu diskutieren wäre i-Tüpfelchen-Reiterei! Ich wollte einfach darauf hinaus, dass für mich die lebendige Gestaltung des Protagonisten, der Begleitumstände, des gesamten Umfelds, wichtig ist, doch um diesen Ansprüchen zu genügen, war die Geschichte für meinen Geschmack einfach zu kurz. Sie wirkt etwas abgehackt und würde durch ein paar Finessen (geschickte Beschreibungen, Hintergrundinfos, etc.) an Tiefe und an Originalität gewinnen.

Andererseits erfährt der neutral geschriebene Text durch deine Begründung, ein Beispiel für hunderttausende nennen zu wollen, wiederum eine völlig neue Existenzberechtigung. Dennoch bin ich der Ansicht, dass man diese Intention besser herausarbeiten müsste, da man diese Tatsache eigentlich von vornherein als gegeben voraussetzt. So wie der Text jetzt zu lesen ist, wirkt er, als wolltest du hauptsächlich die Ironie in der Begegnung der "verfeindeten" Soldaten beschreiben.

Viel spannender fände ich es doch, wenn die Leser das selbst erstmal tun würden. Wer die Geschichte allerdings nur nach Schema F auf Spannungsbögen, eine Einleitung und eine überraschende Wende am Schluss untersucht, kann natürlich nicht die volle Breite der Geschichte erfassen.
Wie bereits erwähnt, aufgrund der Kürze und der Erzählweise war es nicht möglich mehr aus deinem Text herauszufiltern. Sicherlich regt die Geschichte zum Nachdenken an, allerdings sind diese fortsetzenden individuellen Gedanken des Lesers nicht mehr Teil der Geschichte selbst.

Meines Erachtens kann man aus dieser Geschichte nicht mehr herausfiltern als zwei große, grobe Punkte:

1) Die Kriegsmaschinerie, die Menschen zu Maschinen werden lässt, die Unmenschlichkeit derselben als auch die Perversion dahinter

und

2) die Ironie in der Begegnung des Deutschen mit dem Franzosen: Nachdem sich der Deutsche über die Sinnlosigkeit seines Angriffs bewusst wird, erschießt ihn der in der Defensive liegende Franzose.

Tut mir leid, mehr Inhalt ist meines Erachtens in diesem Text nicht zu erkennen, um mehr auszudrücken, müsstest du ihn überarbeiten.

Ciao,
jingles

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom