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Fahrt im Untergrund

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10.12.2006
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Fahrt im Untergrund

Gemeinsam stiegen beide in die U-Bahn. Er und sie, sie und er. Zuvor waren die Beiden ein letztes Mal neben einander jene Strasse entlang gelaufen, die zum Bahnhof des Untergrundes führte. Es war eine Strasse des Schweigens. Keiner sagte ein Wort. Sie war Kleinhändlerin und er ihr damaliger Großhändler gewesen aber nun sollten sich ihre Geschäftswege wohl für immer trennen. Er selbst schien ein Mann des Erfolges zu sein. Etwa 30 Jahre alt, gut aussehend mit ordentlich kurz frisiertem, schwarzem Haar, entschlossen daher blickenden, blauen Augen, männlich markantem Gesicht und breiter Gestalt. Dazu elegant gekleidet mit schwarzem Sakko, weißem Hemd und schwarzer Hose aus feinem Stoff. Nichts schien ihn zu erschüttern. Fast nichts. Sie dagegen war ungleich jünger und an ihrer Kleidung gemessen ungezwungener. Ihre Jugend war in ihrem Gesicht durchaus erkennbar. Sie besaß kindlich funkelnde, braune Augen, ein kleines, zierliches Näschen und süße, dicke Backen, die Falten um ihren Naschkatzenmund zeichneten. Die brünetten Haare trug sie offen mit vereinzelt blonden Strähnen. Ein schlichter brauner Rock mit Knitterfalten wand sich um ihre Hüften und ihre frauliche Figur wurde betont mit einem engem, beigen Oberteil, das fast ins Weiße ging. Die gelbe Tür der U-Bahn schloss sich unter dem Heulen der Türsirene und beide nahmen auf der rechten Seite gegenüber von einander Platz. Direkt am Fenster. Jeder mit seinem Schweigen beschäftigt.
Die Fahrt begann und der Zug rollte in den Tunnel voller Gedankenfetzen, welcher beide und insbesondere ihm, in eine krasse Enttäuschung ihrer offensichtlichen Distanz verschlang.
Wie ein Geschlagener saß er da. Den Rücken merkwürdig gekrümmt in nachdenklicher Haltung, blickte er mit Ekel zu seinem Bild, das sich im Fenster spiegelte. „Nun sitzt du da mir deiner neuen Dauerwelle, die dir so gut steht, liest in deinem Buch und würdigst mich mit keinem einzigen Wort, obwohl du mich ganz heimlich betrachtest, sobald sich mein Blick nicht direkt an dich wendet. Ich sehe es doch! Auch Augen haben Winkel.“ dachte er schmerzvoll im sinnierenden Selbstgespräch. „So lang war es noch gar nicht her, als wir uns liebevoll unterhalten konnten und nun ist alles vorbei wegen einer Nacht. Verdammt! Diese eine Nacht meiner männlichen Schwäche, die nur aus Sehnsucht geschah aber konntest du mit deinen jungen Jahren voller Freiheitsdrang verstehen wie sehr ich mich nur nach Geborgenheit und Nähe sehnte, die du vielleicht als einengend empfandest und weshalb du mich so selten sehen wolltest? Ja, auch Männer fühlen manchmal so und neigen zu solchen Bedürfnissen.“ versuchte er sich vor seinen zwiespältigen Gedanken zu verteidigen, um sich daraufhin erneut zu verurteilen.
„Ich könnt mich treten für diese Nacht und gleichzeitig muss ich mich mit dem Gedanken herum plagen, die Weichen nicht richtig gestellt zu haben. Deine Liebe plötzlich zerstückelt in Scherben, die tiefe Wunden in deinem so verletzbaren Vertrauen hinterließen, so dass es für dich keinen Sinn mehr hatte an dieser Stelle weiter zu machen. Besonders wenn ich an die ganzen Streitereien denke, die daraufhin folgten und in denen wir uns mit Vorwürfen bekriegten, nur um festzustellen, dass wir uns doch nur im Kreise drehten. Wir hatten nicht viel gemeinsam aber was wir gemeinsam hatten war Trotz und aus Trotz erwacht falscher Stolz, der sich wie ein Fels auf bereinigenden Wegen legt. So stritten wir weiter und weiter mit den Drohungen, uns gegenseitig fertig zu machen. Was für ein blöder Schwachsinn!“ stellte er fest und es trat eine Pause ein, bevor er wieder zu seinen Gedanken kam. „Was ist das eigentlich, was ich da fühle? Bereuen? Ja, so was empfindet man fast immer wenn es zu spät ist. Was nützt es dann noch?“ Sie saß weiterhin ganz versteckt in ihrem Buch und schaute ihn dann und wann mit schmerzvollen Augen voller Wehmut an, bevor die Ankunft am Zielbahnhof Rettung aus der beklemmenden Situation versprach. Mit stummer Mimik wies er sie an auszusteigen aber angekommen waren sie nicht, denn bedauerlicherweise war es noch nötig S-Bahn zu fahren. Beide liefen nun gemeinsam hoch zum Bahnsteig und standen dicht beieinander. Starren und schweigen, schweigen und starren. Er offensichtlich, sie im Versteckten. Minuten wurden zu Stunden der seelischen Bedrängung. Plötzlich blickte sie mit Tränen zu ihm und schrie ihn an: „Gott verdammt! Warum sagst du nichts, du Feigling? Ich halt das nicht mehr aus!“ sprach sie mit zitternder Stimme und ließ ihn stehen. Er hingegen stand still und tat nichts. „Stolz ist die Felswand auf den Wegen der Bereinigung“ dachte er sich und beide gingen aus ihrem Leben mit der herben Enttäuschung auf allen Gleisen ihrer Beziehung versagt zu haben.

 

Hi Shiningmind,

zuerst Mal herzlich willkommen hier bei kg.de!

Gleich Mal vorneweg: fuer den Anfang nicht schlecht, aber noch ausbaufaehig. Ich gehe die Geschichte eben schnell von vorne bis hinten durch und schreibe so auf, was mir gerade in die Augen sticht.
Was mir beim erste Lesen aufgefallen ist: Da fehlen mindestens 10 Kommas im Text - vermutlich weil die Saetze teilweise sehr lang und kompliziert sind. Ich such' sie Dir nicht heraus, biete mich aber an, einem lauten Lesen Deines Textes beizuwohnen um dann bei jedem "Schnaufer" oder jeder kurzen Pause ein Komma einzusetzen. Vielleicht schaffst Du das mit der Methode sogar ohne mich ... ;)
Auch ist die momentane Absatzgliederung etwas unuebersichtlich; zudem verwirrt es etwas, wenn woertliche Rede und Gedanken die gleichen Anfuehrungszeichen verwenden. 'Einfache Gedankenstriche', dachte ich mir, solltest Du vielleicht nehmen, damit Du merkst, wenn ich Dir sage: "Es ist besser so. Uebersichtlicher und leichter verstaendlich."

"Bahnhof des Untergrundes" ... klingt witzig, war aber vermutlich nicht so gewollt: U-Bahnhof.
Die Wiederholung: 'Er und sie, sie und er' klingt ebenfalls seltsam (das kommt in dieser Art noch ein paar Mal, daher melde ich das gleich hier an ...).
Eine Frage an die Grammatikfritzen hier, die das vielleicht lesen: schreibt man nebeneinander neben einander? :hmm:
"Es war eine Strasse des Schweigens." "Ein Mann des Erfolges" zusammen mit dem "Bahnhof des Untergrundes" klingt das nach einer Renaissance des Genitives in einer Form, dass es negativ auffaellt. Zudem sind die Beschreibungen an dieser Stelle etwas plakativ und sehr voraussehbar.
Daher als Anregung: Etwa ein drittel Deiner Geschichte verwendest Du um in die Szene einzufuehren und das Aeusserliche Deiner Protagonisten vorzustellen. Das einzige was in der Zeit passiert ist, dass diese zur U-Bahn gehen und einsteigen. Alle weiteren Beschreibungen der Personen tun nichts zur Sache (woran man das sieht? Du verwendest sie nicht wieder ...). Beschreibungen dieser Art findet man eher in einer breitangelegten Erzaehlung oder einem Roman. In einer Kurzgeschichte ist es meist besser, sich auf das wesentliche des Geschehens festzulegen: Ein Mann und eine Frau gehen nebeneinander aber schweigen. Sie scheinen sich zu kennen aber vermeiden ein Gespraech obwohl aus den Augen beider unausgesprochene Fragen verstohlen zur seite blinzeln und auf ein Zeichen des Anderen hoffen.
Das ist keine schlechte Ausgangssituation ... aber nun weiter im Text:

Waehrend der Zugfahrt erfaehrt man ueber die Gedanken des Mannes, die als Gedanken zu ausschweifend und komplex, fast schon schwuelstig (sorry) formuliert sind. Auf mich wirken diese Gedanken daher nicht natuerlich (vielleicht bin ich auch bloss zu doof so kompliziert zu denken, wer weiss :Pfeif: ...).
Letztendlich ist es aber die Frau, die mit ihren Gedanken herausplatzt.
(Beim ersten Male lesen dachte ich, zunaechst, es waeren die Gedanken des Mannes ... ). Diese Explosion ist kaum motiviert und nur bei genaume Lesen nachzuvollziehen (weil man nur von den Gedanken des Mannes erfaehrt). Die Haltung des Mannes bei dessen Antwort kann ich nicht nachvollziehen, da er ja eigentlich auf eine Reaktion der Frau gehofft hatte (den Feigling verstehe ich ebenfalls nicht - der Mann hat doch etwas falsch gemacht, was meistens heist, er hat etwas zu viel gemacht. Ist er dann ein Feigling? Weil er das nicht zugeben will? Irgendwie bleibt mir hier zu viel offen ...). Der Geschichte wuerde es vielleicht helfen, wenn Du aus beider Postionen schreibst, die Perspektive wechselst und so Stueck fuer Stueck, Scheibchen fuer Scheibchen, Karte fuer Karte vom Pik-Koenig bis zur Herz-Dame das Kartenhaus ihrer Beziehung aufbaust, bevor Du dieses mit einem letzten Atemzug ausblaest.

Zurueck zu den Gedanken des Mannes: Er spricht von nur einer Nacht maennlicher Schwaeche und im gleichen Atemzug davon, dass sie ihn nicht so oft sehen wollte. Hmmm ... also gar nicht? Ich glaub' da ist Dir irgendwas im Sinn verrutscht.

"Ja, auch Männer fühlen manchmal so und neigen zu solchen Bedürfnissen." Ich hab's: er wollte nur kuscheln? Sie aber nicht ... oder nicht? :confused:
Was mach ich da bloss mit der maennlichen Schwaeche ... bin noch etwas ratlos. Vielleicht waere es besser, etwas weniger undurchsichtig zu nebulieren, sondern den Inhalt in deutlichere Worte zu fassen (was nicht heissen soll, dass Du den lyrischen Grundton Deiner Geschichte ablegen solltest; allerdings verleitet dieser Grundton zu Beginn einer Schreiberlingskarriere meist zu schwuelstigem Gedummsalbere ... nur Mal vorgewarnt).

Mal ganz nebenbei: Was sind "bereinigende Wege"? Meinst Du bereinigte Wege? (was auch nicht sehr gluecklich ist ...)
Ich sehe mich gerade hingerissen, die Saetze, vor allem die Gedanken des Mannes etwas zu bereinigen, denn wegen der Schwierigkeiten, die sich mir beim Verstaendnis ergeben, bleibe ich da immer stecken ... :Pfeif:
Wenn ich das jetzt machen sollte, dann muesste ich mir denken, was Du sagen wolltest. Ich bin mir aber sicher, dass Du das auch ohne mich hinbekommst. Schliesslich bist Du derjenige, der weiss, was er sagen wollte.


Gruss,

sarpenta

 
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Liebe Sarpenta,

zunächst einmal vielen lieben Dank für deine umfangreiche Rezension. Vieles, was du erwähnt hast, hat durchaus seine Berechtigung. Klar ist natürlich, dass so einige Komata immer fehlen oder falsch gesetzt ist. Wir sind ja auch nur alle Menschen nicht wahr? :)

Zu deiner Kritik mit den Genitiv: Der "Bahnhof des Untergrundes" ist tatsächlich so gewollt. Dieser Ausdruck sollte nicht nur als lokale Angabe dienen, sondern auch als eine Art psychologischer Ort und Ausgangspunkt der "Seelenreise" zwischen den beiden Protagonisten. Generell hast du Recht, dass hier sehr wenig äußere Handlung geschildert wird. Tatsächlich wollte ich mit der Geschichte eher die innere Handlung beschreiben, wobei deine Kritik der umfangreichen Schilderung des Aussehens beider Charaktere berechtigt ist. In Kurzgeschichten ist das wohl ungünstig.

Was du ebenso richtig bemerkt hast, ist die Tatsache, dass die Gedanken des Mannes durchaus verworren sind. Ich wollte, dass der Leser nicht alles haargenau serviert bekommt, sondern sich seinen Teil denkt. "Nacht der männlichen Schwäche" sollte bedeuten, dass er fremd gegangen ist, weil sie nicht richtig auf ihn eingegangen ist, sie sich in ihrer Beziehung so selten sahen. ("...konntest du mit deinen jungen Jahren voller Freiheitsdrang verstehen wie sehr ich mich nur nach Geborgenheit und Nähe sehnte, die du vielleicht als einengend empfandest und weshalb du mich so selten sehen wolltest?") Allerdings habe ich wohl zu viel gewollt und hätte durchaus ein wenig mehr Klarheit schaffen können.

Der Schluß sollte eher als Überraschung für den Leser dienen, dass die Frau ebenso empfindet wie er. In der U-Bahn ist sie recht schweigsam, vertieft sich in ihren Buch, scheint sich kaum für ihn zu interessieren, doch kurz bevor alles vorbei zu sein scheint, bricht alles innerlich aus ihr raus.


Liebe Grüße
Shiningmind

 
Zuletzt bearbeitet:

Irgendwann muss ich mir noch einen anderen Nick zulegen oder zu den Schotten wechseln, nachdem hier jeder versucht, mir einen Rock anzuziehen :D ...

 

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