Was ist neu

Fast wie Unkraut jäten

Mitglied
Beitritt
29.08.2010
Beiträge
15

Fast wie Unkraut jäten

Mein Vater heist Andreas und er ist Feuerwehrmann. Meine Mutter heist Monika und sie ist Rettungssanitäterin.

Timo muss einen Aufsatz schreiben. Herr Grube hat sie wählen lassen - zwischen “Wo arbeiten deine Eltern?” und “Was möchtest du einmal werden?” Timo entschied sich fürs erstere, denn mit Mamas und Papas Arbeit kennt er sich richtig gut aus. Wenn nur die Rechtschreibung nicht wäre… Aber da muss er durch.

Sie arbeiten jede Woche zu unterschidlichen zeiten. Wenn sie Nachtdinst haben zum beispil, kommen sie um halb siben uhr morgens nach Hause (die Mama eigentlich zehn Minuten speter weil auf irem Weg so vile Ampeln sind). Sie legen sich gleich schlafen, um für die nächste Schicht ausgerut zu sein. Das ist wichtig, um Menschen zu retten. Meistens steht die Mama -

Timo schaut auf das Doppelbett ihm gegenüber. Die Kissen sind schön aufgeschüttelt und die Decken zu ordentlichen Rechtecken zusammengefaltet. So mag es die Mama.

- eine Stunde früer auf als Papa um das Abendessen zu machen -

Niemand weiß, dass er hier seine Hausaufgaben macht. Seit er keinen Aufpasser mehr braucht.
Timo drückt seinen Rücken noch etwas stärker gegen die Wand. Sie ist hart. Am Anfang ist sie auch ziemlich kühl, aber er wärmt sie schnell mit seiner Haut. Der Teppich rutscht. Er ist dünn und orange, aber er hat ein hübsches Muster: zierliche, zart geschwungene Linien, die drei große Eichenblätter formen. Aber vielleicht irrt sich Timo - mit Bäumen kennt er sich nicht aus.

Bei seiner Arbeit tregt mein Papa eine besondere Kleidung. Meine Mama auch. Diese -

Timo blickt zu ihrem Kleiderschrank. Er ist hoch und breit und weiß. Und ziemlich leer. Papas Hälfte ist links, Mamas rechts. Zwei von Papas Hemden sind weiß, alle anderen hell- oder dunkelblau. Mama hat nur ihre Winterjacke aufgehängt, sie trägt am liebsten Jeans mit einem T-Shirt. Einmal, zu Papas 35. Geburtstag, hat sie einen Rock angezogen. Dazu - kleine Perlenohrringe. Sie liegen in der Schublade in der Kommode.

- Kleidung ist mit iren Namen versehen -

Die Kommode ist hellbraun. Sie hat zwei kleine und zwei große Fächer. In ihnen liegen stapelweise Mullbinden, verpackte Spritzen und Medikamente. Timo blickt zum Fenster über der Kommode. Nur der Himmel ist zu sehen. Und Licht.

- Sie haben sie -

Es ist ein sonniger Tag. Ein schwarzes Fleckchen flattert im warmen Blau herum.
Eine Elster?
Ein Spatz?
Timo weiß es nicht.
Sein Nacken fängt an wehzutun. Auch frieren seine Füße. Sich ein bisschen bewegen hilft. Timo steht auf und öffnet das Fenster. Heiße Luft drückt sich ihm ins Gesicht. Angenehm. Er sieht hinunter in den Garten. Dort stehen zwei Plastikstühle und… Frau Krämer. Jetzt sieht sie Timo auch und ruft zu ihm hinauf:
“Hallo Timo! Na sage mal, mein Junge, grad ebe hab ich bei euch geklingelt und keiner hat aufgemacht! Ich dacht schon, ’s wär was passiert - sonst bist doch immer zu Haus’!”
“Entschuldigung”, antwortet Timo unsicher. “Ich habe nichts gehört.”
“Vielleicht ist ja was mit der Klingel?” fragt Frau Krämer.
“Ich… weiß nicht”, antwortet Timo.
“Na, ist ja nich so schlimm!” sagt Frau Krämer. “Ich bring euch was von den Zwetschgen!”
Sie hebt das geflochtene Körbchen in ihrer Hand an.
“Danke”, sagt Timo leise.
Ihm fällt ein, Frau Krämer die Gartentür zu öffnen. Er eilt aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, durch die Küche. Er zieht an der Glastür und schon steht Frau Krämer vor ihm. Sie ist eine kräftige Frau und nur einen halben Kopf größer als er.
“Sage mal, Timo”, sagt sie, als er das volle Körbchen entgegennimmt. “Hast du nich Lust, mir ei bissche im Garten zu helfe? Das Unkraut muss raus und ein paar Blümlein geschnitte werde… Hast deine Hausaufgaben bestimmt schon fertig, du artiger Bub’!”
Nein, das hat Timo nicht. Trotzdem geht er mit Frau Krämer mit. Sogar barfuß.

Frau Krämer erklärt Timo, welche Pflanzen sie hat. Wie sie heißen. Wie sie wachsen. Wann sie wachsen. Welche von ihnen Früchte geben. Welche viel Wasser und Sonne brauchen und welche Schatten mögen. Timo schaut jede aufmerksam an. Sogar das Unkraut. Als Frau Krämer anfängt, es mit schnellen, ruckartigen Bewegungen auszuzupfen, tut es ihm leid. Vorsichtig fragt er, ob sie nicht ein Pflänzchen - nur eines - in der Erde lassen könnte.
Frau Krämer lacht.
“Mein lieber Junge!” ruft sie. “Es kommt doch wieder durch, egal, was man macht! Deshalb ist wirklich nich schad drum! Und außerdem stört‘s die andren beim Wachse.”
Dann zupfen sie gemeinsam und bald findet Timo es nicht mehr so schlimm. Sie schneiden mehrere rosa Rosen und stellen sie in eine bäuchige Vase und auf Frau Krämers Gartentisch. Dann setzen sie sich und trinken gekühlten Pfefferminztee.
Frau Krämer erzählt Timo von Tulpen, ihren Lieblingsblumen. Und von ihrem Haus, das ihr Mann gebaut hat. Der eine schlimme Krankheit hatte. Und von ihrem Sohn und ihren zwei Enkelinnen, die am Meer leben.
Timo erzählt Frau Krämer auch etwas: von seinem grimmigen Sportlehrer und seiner Zwei Plus im Erdkundetest.
Als er nach Hause kommt, stehen ihre Autos in der Garage.
Er hat vergessen, die Gartentür zu schließen.
Ob sie die Zwetschgen schon probiert haben? Er hat die letzten von Frau Krämer aufgegessen.
Der Aufsatz wartet. Was möchte er eigentlich einmal werden?

 

Hallo,
Am Anfang wirkt alles kalt, steril und ungemütlich.Niemand ist zu Hause und der Junge fühlt sich nicht sehr wohl. Er vermisst seine Eltern und macht deshalb im Schlafzimmer Hausaufgaben. Es herrscht keine herzliche Atmosphäre, bis Frau Krämer auftaucht.

Was will er werden (Gärtner)und was genau ist die Aussage des Textes? Dass er nicht so werden will, wie seine Eltern?

liebe Grüße Herrlollek

 

Hallo Juno!

Oh Schreck! Mein Name... da les ich immer sehr befangen... nein, Scherz- also irgendwie hätte ich was ganz schreckliches erwartet. Etwas in der Richtung: Der Junge hat gar keine Eltern und erfindet sie oder ihre Jobs.
Ich weiß auch nicht genau worauf der Text abzielt.
Zuerst dachte ich, dass sie vielleicht tot in der Wohnung lägen, und Timo das irgendwie verdrängt und mit ihren Leichen im Haus lebt, bis diese Frau kommt.
Wenn eine solche Idee im Leser keimen sollte, hast du schon etwas richtig gemacht. Nur der Schluss... ich weiß nicht. Klar, dann ist alles okay, und widerspricht der Erwartung des Lesers. Aber allein mit der Erwartung spielen und dann einfach ein Nichts nachschieben finde ich ein bisschen fad.
Eigentlich schade, weil ich die Geschichte bis zum Ende gar nicht schlecht finde, und mir deinen Timo... nicht nur aufgrund meiner Namensidentifikation... ganz gut vorstellen kann.

Grüße: Timo

 

Lieber Juno,

zuerst fing mich die Geschichte gut ein. Gerade der Gegensatz der Stimmen, also die Verdeutlichung der Bedeutung Schreiben zu können, um etwas zu transportieren, hat mir gefallen.

Ein Junge sitzt am Tisch und erledigt seine Hausaufgaben. Dann ruft ihn die Nachbarin, er hilft ihr bei der Gartenarbeit, sie quatscht ihn voll. Er geht nach hause und ihm fällt ein, dass er seinen Hausaufgabenaufsatz noch beenden muss.

„Fast wie Unkraut jähten“ –
das Zeug herausrupfen, damit die anderen wachsen können. Der einzige, der noch wachsen muss, ist Timo. Also die anderen herausrupfen. Seine Eltern? Oder Worte aus Texten? Fehler herausrupfen? Ich weiß es nicht.
Vielleicht aus dem Schluss noch ein paar Sätze herausjäten? Und Dein zentrales Beet verdeutlichen?

Liebe Grüße, thomas

 

Hallo an alle und vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt, meinen Text zu lesen und zu kommentieren!
Wie es aussieht, ist das zentrale Thema nicht einfach zu identifizieren. Hm. Offensichtlich verlange ich sehr viel vom Leser, aber ich richte mich mal an jeden von euch einzeln:

Herrlollek: Deine Interpretation ist sicher eine der möglichen. Dass Timo genau weiß, was seine Eltern sind, jedoch nicht, wer ER ist, weil er auf sie fokussiert ist. Kurz, ich habe versucht darzustellen, wie er einen kleinen Schritt in Richtung seiner eigenen Entwicklung, der Unabhängigkeit, des Erwachsenwerdens macht.

Timo: Überraschend, dass du dir bei der Lektüre so ein Horror-Szenario ausgemalt hast! Und klar, dass du bei einer solchen Erwartung vom Ende enttäuscht warst. Und in dieser Geschichte wollte ich nicht mit dem Leser spielen, sondern eine innere Veränderung darstellen. Eine stille Veränderung. Auf jeden Fall bin ich froh, dass mein Timo dir nicht ganz fremd blieb :-)

Thomas: Eigentlich sitzt Timo nicht am Tisch, sondern auf dem Boden und mit dem Rücken an der Wand. Es ist schön, dass du auf den Titel geachtet hast, ich meinte damit, dass Timo die Bindung an seine Eltern lockert, sich von seiner kindlichen Haltung verabschiedet. Natürlich nicht endgültig - das Unkraut kommt immer wieder - aber er muss es tun, um sich als eigenständige Person zu entfalten.

Ich werde mir überlegen, wie ich meine Aussage verdeutlichen kann!

Viele Grüße und noch einmal vielen Dank!
Juno

 

Also mir gefällt deine Geschichte, auch wenn ich zugeben muss dass ich etwas ähnliches von einem nahenden Unheil gedacht habe, beim Lesen des textes.
So etwas abstraktes wie die Leichen seiner Eltern mit denen er in der Wohnung lebt ist viel zu absrus und gehört wohl eher in die Rubrik Horror als Alltag.
Egal ich finde das Ende zwar iwie absehbar allerdings so offensichtlich dass es wieder überraschend kam und die Geschichte ist rund um echt Nett.
Vor allem der fliegende Wechsel zwischen aufsatz und "Bühnenebene" ist echt gut.
Also wirklich gut gemacht ;)

 

Hi DarkPhoenix (dein Name hat was)!
Lieben Dank für dein Kommentar und einen schönen Abend noch :-)
Juno

 

Hallo Juno!

Ich hab ja letztens angefangen, Fotos zu machen. :) Und ich portraitiere gerne Menschen, und hab rausgefunden, dass es wichtig ist, in jedem Foto die wichtigen Dinge zu betonen und die unwichtigen nebensächlich werden zu lassen. Das heißt, der Ausschnitt ist wichtig und meistens sollte das Gesicht heller sein als der Hintergrund. Wenn die Person eine Kette mit einem Kreuz um den Hals trägt, dann muss das drauf, wenn im Hintergrund ein Baum ist, dann sollte der dunkler sein - oder unscharf. Außer natürlich, es ist wichtig für das "Gefühl", das der Betrachter haben soll, dass der Baum im Hintergrund sichtbar ist.
Alles aus dem Grund, damit der Mensch, der das Bild betrachtet, weiß, wohin er schauen soll.

Und ich denk, bei Geschichten ist das genauso. Und in deiner Geschichte weiß ich nicht, wohin ich schauen soll, und somit tue ich mich schwer damit, eine Aussage zu erkennen.

Du hast so viele Farben! Die Rechtschreibschwäche des Jungen, zum Beispiel. Das ist süß, ja. Aber unterstützt es dein Thema? Sie charakterisiert das Kind, klar, aber ... ist es für deine Aussage, die du machen möchtest, wichtig? Dann die Spritzen im Schrank. Man assoziiert ja immer, und mir kam da ein Drogenszenario in den Sinn und ich habe mich gefragt: Was kommt jetzt? Ist sie abhängig?
Dann das Detail, dass der Junge das Tor offen gelassen hat. Damit zeigst du, dass der Junge Angst hat ... Angst wovor? Und die Sache mit dem Unkraut, das immer wieder nachwächst, das ist natürlich so, klar. Aber trägt es deine Geschichte mit?

Mit all diesen verwirrenden Details wirkt der Text wie ein Wimmelbild, man weiß nicht so recht, was du damit ausdrücken möchtest.

Und das finde ich schade, denn ich glaube, dass du das schon könntest. Probier doch mal für den Anfang das hier: Überlege dir bei jedem Satz, ob er deine Geschichte trägt. Tut er es nicht, streich ihn raus.

Bin gespannt auf deine nächsten Geschichten. :)

Und bis bald ...

yours

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom