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Fell am Morgen
Für den heutigen Tag hatte ich mich mit einem Bekannten zum Angeln verabredet. Eine der wichtigsten Vorgaben hierbei ist, sich bereits sehr sehr früh auf die Pirsch zu begeben. Und so befuhr ich im Morgengrauen, in Begleitung der ersten sanften Sonnenstrahlen, die Landstraße in Richtung See. Kurz nachdem ich das letzte noch zum erweiterten Stadtgebiet gehörende Haus hinter mir gelassen hatte, fuhr unmittelbar vor mir ein Geländewagen. So ein richtig "bulliger" Wagen, vermutlich japanischer Bauart, mit dem man ungestraft Wege befahren kann, die einem normalen Mittelklassefahrer wie mir, für immer versperrt sein werden.
In Ermangelung anderer geeigneter optische Anreize wollte ich überprüfen, wer sich wohl in diesem Fahrzeug befindet. Auf dem Fahrer- und Beifahrersitzen konnte ich zwei, vermutlich ältere Herren ausmachen. Nicht das es einem Menschen gezwungenermaßen am Hinterkopf anzusehen ist, mit welcher Lebenserfahrung er bereits gesegnet ist. Das sicher nicht. Aber in den Altersgruppen unterhalb der fortgeschrittenen 60'ern sind solche Hüte, wie sie die Opfer meiner Neugier trugen, ein garantierter Grund für den sofortigen Verlußt aller Freunde und Bekannter, wenn nicht sogar einer amtsärtzlichen Untersuchung der mentalen Zurechnungsfähigkeit.
Inmitten meiner Gedanken und Beobachtungen tauchte dann plötzlich aus der Versenkung des Gepäckraums etwas Weißes, etwas flauschiges, wuscheliges und lebendiges Weißes auf. Natürlich war mein erster Gedanke, dass es sich hierbei wohl um einen Hund, so aus der Kategorie "Hirtenhund" oder einer ähnlichen, ebenfalls schwer zu pflegenden und haarigen Rasse handeln müsse.
Von der Neugier gepackt näherte ich mich dem vorraus fahrenden Fahrzeug, um die intimen Details etwas besser erkennen zu können. Unter sträflicher Missachtung der einschlägigen Punkte der STVO fuhr ich möglichst dicht zu meinem Vordemann auf. Und mein Mut wurde belohnt. Meine Überraschung war jedoch nahezu grenzenlos, als ich bei näherem hinsehen erkennen konnte, dass es sich bei dem Fahrgast keineswegs um einen Hund, sondern vielmehr um ein Schaf handelte. Ein Schaf? Hier? Menschen wie ich, die wir unsere Zeit hauptsächlich in der Geborgenheit unserer Wohnungen und Büros verbringen, kennen Schafe ja eigentlich nur von Bildern längst verstorbener Landschaftsmaler. Gelegentlich mag der Eine oder Andere von uns diese Spezies, zur Behebung akuter Einschlafstörungen, eventuell bis zur Besinnungslosigkeit addieren. Aber hier und jetzt hatte ich genau diesen Anblick nicht erwartet.
Entsprechend verwundert muss ich wohl in diesen Augenblicken auch gewirkt haben, den das Schaf sah mich mit großen Augen und dem Ausdruck des totalen Unverständnisses an. Ich meine außerdem eine leicht arrogante und schnippische Kopfbewegung bei ihm bemerkt zu haben. Und ich bin mir auch sicher, wenngleich ich nicht in der Lage war es zu hören, von dem Schaf in einem leicht beleidigtem Tonfall "angeblökt" worden zu sein.
Dabei war ich doch wohl hier zur rechten Zeit am rechten Fleck, während das Schaf in dieser Szenerie ja wohl eindeutig fehl am Platze war. Ich persönlich gehe davon aus, ein Schaf gehört auf eine Wiese. Und sofern ein Transport zwingend notwendig sein sollte, so bin ich mir sicher, gibt es hierfür geeignete Fahrzeuge mit speziellen artgerechten Aufbauten. Allerdings hat ein abschließender Blick auf das Kennzeichen des Fahrzeuges die Situation dann wiederum etwas relativiert. Ach so, ein Österreicher.