Ferienende
Max sitzt am Strand und blickt aufs Meer hinaus, während einer der Soldaten ihn durch sein Zielfernrohr beobachtet.
Auch ich kann das Fadenkreuz im Rücken spüren, während ich auf ihn zugehe, mich neben ihm in den weichen Sand sinken lasse.
„Im Radio haben sie gesagt, dass die Marco Polo morgen nach Ancona übersetzen wird. Und dass man uns mitnimmt“, sage ich. „Weil wir deutsche Pässe haben.“
Er nickt wissend. Mit der rechten Hand malt er Linien in den Sand. Wellen und Kreise.
„Wir haben noch einen Platz im Auto frei, wir könnten dich mitnehmen.“
Der Wind streicht durch mein Haar. Er riecht nach Algen, nach Salz, nach Schwarzpulver.
Es ist so still, so unglaublich still.
Wir haben den ganzen Strand für uns alleine. Den ganzen Campingplatz.
Sie sind abgereist. Alle. Schon vor Wochen, als die ersten Nachrichten im Radio kamen und Soldaten in der Stadt auftauchten. Als man begriff, dass die Lage ernst war. Dass es Krieg geben würde.
Keiner weiß wirklich, warum. Es geht uns nichts an. Wir sind Deutsche. Wir wollen Urlaub machen.
„Eine Schweinerei ist das“, hatte eine Frau aus Köln zu mir gesagt, deren Wohnwagen gleich neben unserem Zelt stand. „Ein Jahr lang haben wir auf die Ferien gespart, und jetzt müssen wir wieder nach Hause, mitten in der Hauptsaison.“
Sie hinterließ ihre verrosteten Campingstühle und ein quadratisches Stück vertrocknetes Gras, als sie ging.
Das war vor drei Wochen.
„Du kommst nicht mit, oder?“, frage ich plötzlich.
Max schüttelt den Kopf und starrt wieder aufs Wasser hinaus. „Ich bleibe noch ein bisschen.“
Ich frage nicht, warum.
Statt dessen reiche ich ihm einen Zettel. Handtellergroß. Blaue, verschnörkelte Buchstaben.
Meine Adresse.
„Du meldest dich doch mal, wenn du wieder in Deutschland bist?“
Er nickt. „Versprochen.“
Schon während ich aufstehe und mir den Sand von den sonnenverbrannten Beinen klopfe, weiß ich, dass ich nichts mehr von ihm hören werde.
Er ist einfach nicht der Typ für sowas.
Ich blicke zu den Soldaten hinüber.
Wie ertappt lassen zwei ihre Gewehre mit den Zielfernrohren sinken. Einer winkt, ein anderer pfeift.
Vollidioten, denke ich.
Dann wende ich mich um und gehe zum Zelt zurück.