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Ferientagebuch einer Philosophin

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22.08.2006
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Ferientagebuch einer Philosophin

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich keine Ahnung habe was ich fühle. Mein Herz kann sich nicht entscheiden: Endlich große Ferien! Ich vermisse die meisten aus meiner Klasse schon jetzt, vier Stunden nach Schulschluss, und doch freue ich mich auf eine unbeschwerte Zeit. Sechs Wochen ohne Lehrer und Schulstress, endlich Ausschlafen! Allerdings ist mir jetzt schon langweilig, das einzige was ich getan habe seit ich wieder daheim bin war fernsehen, im Internet surfen, alten Schulkram aussortieren und ich habe (was jetzt sicherlich jeden interessiert) meinen neuen Mascara ausprobiert. Es ist nicht so das ich zu faul bin etwas anständiges zu tun, nein, hier läuft einfach nichts. Das einzige was ich hätte tun können war schwimmen zu gehen, und zwar ganz alleine. Würde ich jetzt in einer Großstadt leben, ach quatsch, sie muss noch nicht mal groß sein, würde ich in diesem Moment entweder in einer Umkleidekabine stehen und ein schickes Sommerkleidchen anprobieren, bepackt mit einem Dutzend von Einkaufstüten, oder ich würde im Park meinen Freunden beim Skaten zuschauen (denn in einer Stadt kommen die Schulfreunde ja meist aus der selben Stadt wie man selber, und leben nicht zwanzig Kilometer weiter weg), oder ich würde mit meiner besten Freundin zusammen auf ihrem Bett sitzen, und mir den neuesten Klatsch und Tratsch anhören, und dann erfahren wo in den Ferien das meiste los ist. Doch all diese Dinge sind in unserem kleinen Dörfchen - das ich zwar sehr liebe, aber mit dem ich dennoch nicht zufrieden bin - leider nicht möglich. Ich kann nicht den ganzen Sommer damit verbringen alleine schwimmen zu gehen, das geht einfach nicht.

Montag, 1.Tag der Sommerferien
Natürlich beginnen die Sommerferien mit einem Thema, welches nicht nur mega-nervig, sondern auch lächerlich ist: einer Liste, auf der jede Hausarbeit vom Blumen gießen, übers Kartoffeln schälen und Gästetoilette saubermachen , bis hin zum im-Gästehaus-helfen, sauber und ordentlich in einer wunderschön ausgewählten Schrift aufgereiht ist. Neben jeder Aufgabe steht der Name desjenigen, der sie heute erledigen muss. Ich muss heute übrigens alle Treppen in diesem Haus kehren.
Nicht nur das die Liste so da hängt, das es so aussieht als sollten Nicht-Bewohner dieses Hauses sie nicht bemerken, aber wir (also ich und meine zwei Schwestern) sie direkt wahrnehmen. Ich stelle mir auch noch vor wie meine Mutter vor unserem Küchenschrank steht und stolz auf ihr Werk hinabblickt. Wahrscheinlich hat sie sich den Wecker gestellt, weil sie es schon abends kaum erwarten konnte unsere verdutzten Gesichter zu sehen wenn wir die Liste bemerken. Sie hat sich dann also um 6 Uhr früh an den Computer gesetzt, sich durch den Kopf gehen lassen wen sie wie quälen will, und alles ungeduldig abgetippt. Aber wenn die Liste erst mal ausgedruckt ist, verläuft alles wieder ganz normal, denn die Liste ist ja jetzt das Problem von mir und meinen Schwestern. Es ist nicht so, dass ich meine Mutter dafür hassen würde, nein, ich bin solche Aktionen ja schließlich gewohnt von ihr, es ist einfach so, dass ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Die ganze Sache erscheint mir so lächerlich, dass ich schon fast darüber lachen würde, was wiederum Glücksgefühle in mir auslöst. Wenn ich mir dann allerdings überlege weshalb ich eigentlich lache, werde ich irritiert und mache mir Gedanken, weshalb ich wütend auf mich selber werde, weil ich mir wegen jeder Kleinigkeit Gedanken mache. Dann denke ich, dass ich eigentlich wütend auf meine Mutter sein sollte, was ich dann auch bin. Das macht mich dann traurig, weil ich eigentlich immer versuche nicht wütend auf meine Mutter zu sein, schließlich ist sie meine Mutter.

Mittwoch, 3.Tag der Sommerferien

Dienstagabend verbrachte ich auf einer kleinen Geburtstagsfeier, die wir mit höchstens zehn Leuten an einem großen Tisch im Garten der mittlerweile 17-jährigen verbracht haben. Es war eine tolle Atmosphäre, im Teich sprangen die Fische hoch um Fliegen zu fangen, man sah eine Menge Sterne und das Essen roch verführerisch. Und doch fühlte ich mich wie in Gefangenschaft. Um mich herum waren nur Leute, bei denen ich mir einbilde, dass ich gar keine andere Wahl habe als mit ihnen Kontakt zu halten, da ich ihnen eh täglich über den Weg laufe. Ich fühlte mich gezwungen zu lachen, wenn sie einen Witz gemacht hatten. Über uns formten die Berge ein Rechteck aus dem eigentlich endlosen Himmel, und es erweckte in mir den Anschein als ob wir in einem riesigen Quader mit Glasdeckel leben, und ich nicht flüchten könnte wenn ich wollte. Sie würden immer wissen wo ich war, und müssten nur das riesige Quader von innen absuchen, ich könnte ja nicht weglaufen. Sie würden mich finden, und zu langweiligen Grillpartys, zu immergleichen Diskussionen und zu angeblichen Freunden schleppen, ohne das ich sagen könnte was ich eigentlich wollte. Gestern Abend verfolgte mich diese Vorstellung so lange, bis ich schon den Flugzeugen nachschaute, ob sie über die Berge hinaus fliegen konnten.
Ich lauschte den Gesprächen, die eigentlich alle das selbe beinhalteten, und zwar diverse Erinnerungen an diverse Touren mit diversen Gruppen. Ich konnte allerdings nicht mitreden, da ich nie dabei gewesen bin, und so konnte ich höchstens lachen, wenn jemand von einem ach so witzigen Ereignis berichtete. Ich habe in der Zeit die ich da war weniger geredet als in irgendwelchen anderen vier Stunden in meinem Leben. Ich sagte vielleicht zwei Sätze vollständig auf, und diese waren: “Alles Liebe zum Geburtstag, Carolin!” und “ Hier, dein Geschenk, mal wieder eine Flasche Sekt!”. Wobei der zweite angebliche Satz nicht mal ein vollständiger war. Eigentlich war es für mich ein ziemlich trostloser Abend, obwohl mich die Atmosphäre gestern Abend noch immer begeistert. Ich bemerke das zwar immer wieder wenn ich da bin, aber ich bin tatsächlich sehr gerne dort. Deshalb jetzt auch mein Vorsatz: Diese Sommerferien öfter zu Carolin gehen, und die Berge und den Himmel ignorieren.

Dienstag, 8.Tag der Sommerferien

Die Langeweile ist nicht mehr zu toppen. Ich verbringe in diesen Sommerferien Tage zu Hause, da ist die Langeweile so groß, dass sie schon wehtut. Mittlerweile hab ich mich entschlossen sie als meine beste Freundin für die Sommerferien zu nehmen, weil sie so treu und zuverlässig ist.
Gestern war sie übrigens den ganzen Tag bei mir, von morgens bis spät in die Nacht, und ich hatte das Gefühl als würde sie immer näher kommen und mir zeigen wollen wie intensiv ich sie spüren kann. Heute hat sie mich allerdings in Ruhe gelassen, und ich muss schon sagen, der Abstand tut mir gut. Sehr gut um genau zu sein. Ich war heute schwimmen, und zwar nicht alleine.

Freitag, 11.Tag der Sommerferien
Heute hat sich das Wetter schlagartig geändert. Gestern waren es noch 34°C im Schatten, die Sonne hat nicht aufgehört zu scheinen und der Himmel war mit einem knalligen türkis-blau zugepinselt. Heute regnet es wie aus Eimern, es sind gerade mal 20°C und der Himmel ist hellgrau. Ein Traum für Leute mit Sonnenbrand.
Aber ich finde das Wetter gar nicht mal so schlecht. Es ist gemütlich im Wohnzimmer auf der Couch zu liegen und ein spannendes Buch zu lesen, dem Praseln des Regens zuzuhören und gleichzeitig dem liebevollen Gezwitscher unserer Vögel zu lauschen. Ich habe noch nichts weltbewegendes diesen Sommer gemacht, was ich ohne Sonnenschein und Hitzewelle nie geschafft hätte, was ich schon schade finde, aber trotzdem bin ich im Moment der Meinung das die Sommerferien doch noch spaßig werden könnten. Ich muss nur meinen Vorsätzen nachgehen. Einer meiner Vorsätze ist es, einfach zu sagen was ich denke, und nicht immer einen auf schüchtern machen und den Mund halten. Ich muss kommunikativer werden, ansonsten kann ich den Spaß vergessen. Ich bewundere die Leute, die einfach drauf los reden und bei denen dann auch noch was anständiges raus kommt. Ich selber kenne vielleicht fünf Leute, mit denen ich ohne nachzudenken was ich am besten sagen würde reden kann, und denen ich makellos vertraue. Das sind meine kleine Schwester, meine Eltern, meine beste Freundin und unsere Putzfrau. Vor dem Rest der Menschheit habe ich Angst. Ich habe Angst zu reden, Angst etwas Falsches zu sagen. Auch wenn meine Angst unbegründet ist, ich komme einfach nicht von ihr los. In diesem Sommerferien werde ich es aber doch schaffen. Ich werde mir und der Menschheit beweisen, dass ich es kann.

Samstag, 12. Tag der Sommerferien
Gestern habe ich einen meiner Romane im Internet veröffentlicht. Heute habe ich mich darauf gefasst gemacht, dass alles mögliche an Kritiken kommen könnte. Eben hab ich mich getraut nachzugucken. Zuerst war ich ja noch optimistisch, als ich gelesen hatte, wie toll jemand meine Geschichte gefunden hatte. Aber dann kamen ständig neue Bewertungen, meine Geschichte wäre öde und schlecht geschrieben. Dem Mädchen das sie positiv bewertet hat habe ich ein dickes Danke ins Gästebuch geschrieben. Allerdings habe ich auch noch erwähnt das ich in dieser Welt nicht zurechtkomme und wegmöchte, dass ich meinen Platz niemals finden werde und irgendwo habe ich auch noch einen dicken Klecks Selbstmitleid hingesetzt. Ich tue mir tatsächlich unendlich Leid. Ich suche überall nach versteckten Qualitäten von mir, finde aber rein gar nichts! Ich dachte ich könnte gut schreiben, da ich es schon seit meiner Kindheit mache. Allerdings habe ich mich wohl geirrt. Meine erste Geschichte sollte ein weiterer Band von “Superman” sein. Meine zweite Erzählung handelte von einem unbeliebten Kind, das später doch allen bewiesen hat das es was kann. In meiner dritten Geschichte spielte ein Hund die Hauptrolle, der ständig alles falsch gemacht hatte. Dann habe ich angefangen ganze Romane zu schreiben, habe viele Bücher angefangen und bisher kaum eines zuende gebracht, aber egal was je ein Mensch zu meinen Erzählungen gesagt hat, ich hab mich nie unterkriegen lassen, weil ich selber gerne meine Geschichten lese. Und jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich zu mir selber sage, dass es nicht mehr weitergeht, ich werde es nicht mehr weit bringen, auch wenn ich noch sehr jung bin, und eine Menge Träume habe. Falls ich dieses Ferientagebuch im Internet veröffentlichen sollte, und jemand gerade diese Zeilen lesen sollte, ich hoffe doch stark das ich ein paar gute Kritiken abbekommen werde. Bei der Geschichte die ich gestern veröffentlicht hatte, habe ich selber beinahe angefangen zu heulen, weil eine ach so traurige Stelle in dem Roman war, und jetzt bin ich alles andere als motiviert weiter zu schreiben, weil sie anscheinend nicht originell genug war. Ich hatte schon viele Träume, die immer näher an die Realität rankamen und kurz vorm Ziel einfach wie ein Luftballon zerplatzt sind. Ich hatte eine Menge Berufswünsche: Modedesignerin, Malerin, Architektin, Journalistin, Autorin, Schauspielerin, Barkeeperin... Und wie sie nicht alle hießen. Ich wollte immer in einer Großstadt wie New York Barkeeperin machen, ich wollte Cocktail mixen und Schnaps ausschenken, ich hatte davon geträumt, dass ich falls ich keine Lust mehr auf das Big-City-Life haben sollte auf eine kleine Insel im indischen Ozean ziehen werde und meine eigene Strandbar aufmachen würde. Dieser Traum ist zerplatzt, und tausend kleine Luftballonfetzen lagen direkt vor meine Füßen, ganz dicht an mir dran.

Dienstag, 15. Tag der Sommerferien
Manchmal ist es besser, Träume so zu lassen wie sie sind, und nicht noch schwer nachzuforschen was wohl hinter ihnen steckt und was sie verbergen.
Hat man als 10-jährige mehrmals von ein und dem selben 14-jährigen eine Liebeserklärung bekommen, sollte man fünf Jahre später genau so die Finger davon lassen wie die Jahre zuvor. Es ist eine schöne Vorstellung, das ein hübscher, netter und liebenswerter junger Mann sich für dich interessiert, aber eine grausame Vorstellung, dass er dich nur auf den Arm genommen hat, besonders sobald du dich selber in ihn verliebt hast. Und solltest du fünf oder mehrere Jahre später doch nicht die Finger von der Wahrheit lassen wollen, ist es ja schön für dich wenn er zugibt, dass er dich wirklich liebt oder geliebt hat, aber falls er das Gegenteil behaupten sollte, wird für dich vielleicht ein Traum zerplatzen und alle Hoffnung in dir untergehen.
Letzte Nacht, ich konnte nicht schlafen, habe ich lange gegrübelt ob er mich wohl wirklich geliebt hat. Die Versuchung ist auch groß für mich, mich danach zu erkundigen, aber ich habe dennoch Angst vor der vielleicht grausamen Wahrheit.
Ich könnte sagen, dass es die schönste Zeit meines Lebens war. Ich war erst 10 Jahre alt, begriff sehr wenig von der Welt, auch wenn ich mir das Gegenteil einredete. Allerdings war ich mir auch nicht im Klaren was für ein wunderschönes Leben ich hatte, ich wusste nicht was noch auf mich zukommen würde. Niemand wusste es.

Montag, 21. Tag der Sommerferien

Am Wochenende hatten wir ein großes Fest in unserem kleinen Dörfchen veranstaltet. Eigentlich war es ganz normal, alles war wie immer, bis auf die Tatsache das Hunderte von fremden Leuten an unserem Haus vorbeiliefen, ohne sich Gedanken zu machen, was sich wohl dort drin im Moment so abspielt. Und das ist es auch was mich am Stadtleben so faszinieren würde: Die Ungewissheit, ob es einem anderen Menschen besser oder schlechter geht wie sich selber, ob sich hinter den Mauern eines Hauses Menschen verstecken, die die besten Freunde sein könnten, sich aber noch nie gesehen haben. Kurz gesagt: ich lebe dafür, von zisch tausend Gesichtern umgeben zu sein und trotzdem alleine ausspannen zu können. Auch wenn ich in einer ganz anderen Atmosphäre lebe. Hier ist es das genaue Gegenteil. Aber ich kann ja trotzdem dafür leben - für mein eigenes kleines Abenteuer. Oder etwa nicht?
Ich bin mir sicher, dass einige Leute die das hier lesen sollten nicht so denken wie ich, oder gar es nicht verstehen, aber das ist ja auch nicht unbedingt wichtig. Wichtig ist, seine Träume zu leben, und alles dafür zu tun sie auch wahrmachen zu können. Und genau das wollte ich auch damit sagen.
Ich durfte auf dem Fest Barkeeper sein, was ich schon lange wollte. Der Traum geht also weiter, und der Luftballon rafft sich wieder auf, zieht weiter und nähert sich mir langsam.

Montag, 28. Tag der Sommerferien
Die Ferien vergehen wie im Flug, und ich bin nicht sicher ob es an der Langeweile liegt oder daran das ich mich hin und wieder doch noch ganz gut amüsiere. Vielleicht mache ich mir auch so viele Gedanken, dass ich gar nicht mehr merke wie die Zeit vergeht. Allerdings sagt man ja auch, dass mit dem Alter die Zeit schneller vergeht. Ich bin zwar noch nicht sonderlich alt und habe wahrscheinlich noch nicht mal ein Viertel meines Lebens abgeschlossen, aber seitdem ich zehn geworden bin merke ich doch, dass die Tage schneller vorbei gehen als man denkt. Wahrscheinlich werde ich einfach nur zu schnell alt, und deshalb gehen die Ferien so schnell vorbei.
Jetzt sind es noch zwei Wochen bis zum Schulbeginn, und ich sitze wie fast täglich in Jogginghose und Schlabber-Pulli vorm Computer. Wenn ich ein Fünkchen mehr Motivation hätte würde ich bei meinen Freunden anrufen und nachfragen ob sie nicht Lust haben etwas zu unternehmen, aber die sind ja selber nicht sonderlich motiviert. Heute Abend habe ich so wie so keine Zeit, von daher brauch ich es gar nicht zu versuchen.
Eigentlich habe ich doch nicht so viel Lust wieder in die Schule zu gehen. Ich stehe zwar schon lange in der Startposition für ein neues Schuljahr und bin auch sonderbar motiviert neue Dinge kennen zu lernen, aber die nötige Kommunikations-Motivation ist irgendwie noch nicht bei mir angekommen. Sie ist am Anfang der Ferien verschwunden und seit dem hängen überall Plakate auf denen steht, dass ich sie suche und dass derjenige der sie sieht sich bei mir melden soll, aber seither ist sie nicht wieder aufgetaucht.

Sonntag, 34. Tag der Sommerferien
Diese Nacht habe ich viel nachgedacht. Ich war am Abend auf einer Feier in einem anderen Dorf. Ich habe ihn gesehen. Wieder stellte ich mir die Frage ob er mich wohl wirklich geliebt hat oder ob er nur mit dem Vertrauen spielen wollte, dass ich ihm gegeben habe. Er sah mich, sah mir in die Augen und ich hatte nicht den blassesten Schimmer was er gerade gedacht hat. Ob er dachte “Ha! Dich hab ich jawohl ganz doll reingelegt!” oder “Du warst meine Jugendliebe...”, vielleicht dachte er ja auch “Kenne ich das Mädchen nicht?” oder gar “Wer ist die denn?”... ich konnte aus seinen Blicken nicht schlau werden. Wahrscheinlich hat er mich auch gar nicht wahrgenommen, und durch mich hindurchgeschaut.
Jedenfalls lag ich dann nachts in meinem Bett, und stellte mir vor, was wohl gewesen wäre wenn ich auf seine Liebeserklärung reagiert hätte. Ich war jung und unerfahren, hatte keine Lust auf eine “waschechte” Beziehung und so wie so keine Ahnung vom lieben. Ich wollte noch eine Zeit lang mit meinen Grundschul-Freundinnen spielen, ohne das es mir bewusst war, und hatte demnach gar keine andere Wahl als so zu tun als hätte ich nicht bemerkt, dass er mir einen Zettel unter der Zimmertür durchgeschoben hat, auf dem in roter Farbe dick “Ich liebe dich” geschrieben stand.
Als das erste mal jemand eine Andeutung gemacht hatte, dass der Junge in mich verliebt ist, war ich vielleicht sieben Jahre alt, und sah alles mit Humor und hatte noch viel weniger Ahnung als mit zehn Jahren. Mein Onkel hatte zu mir gesagt, dass der Junge mich ganz doll mag. Das war für mich natürlich nicht mehr als eine Aufforderung zum spielen.
Ich würde zumindest gerne wissen ob der Junge noch ab und zu an mich denkt. Wie schon gesagt: Es interessiert mich nicht, ob er sich noch einmal in mich verlieben könnte, und ich halte mich auch mit der Frage zurück, ob er mich nur auf den Arm genommen hat oder ob er echte Gefühle für mich entwickelt hat, denn eigentlich könnte ich mir diese Dinge auch mit der Antwort auf die Frage, ob er manchmal noch einen Gedanken an mich verschwendet, beantworten.
Ich müsste mich trauen ihn noch ein einziges Mal anzusprechen. Nur um klarzumachen, dass er falls er mich in zehn Jahren noch einmal sehen sollte nicht einfach so an mir vorbeiläuft, ohne zu wissen wer ich überhaupt bin. Ich habe Angst davor, dass er so wie auch andere Leute, mit denen ich schon lange nicht mehr gesprochen habe, mich bald nicht mehr kennen, und vergessen haben, dass ich existiere.

Dienstag, 36. Tag der Sommerferien

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass in der letzten Ferienwoche nicht mehr viel passieren wird. Ich sitze seit letztem Sonntag täglich entweder vor dem Computer oder vor dem Fernseher, je nach dem, wie viel ich mich gerade bewegen möchte (beim fernsehen gar nicht, wenn ich am Computer sitze mache ich ausschließlich Fingertraining). Auch wenn das alles doch sehr ironisch klingt: eigentlich habe ich ganz und gar keine Lust auf ein solches Couch-Potato-Feeling. Ich werde schon genau so wie meine Schwester: Ich beginne Spaß am langweilen zu haben, werde faul und ruiniere somit meine Figur, wasche mir tagelang nicht die Haare und finde es gut was ich mache.
Wenn ich das so schreibe, ekele ich mich unendlich vor dieser widerlichen Tatsache. Umso besser wenn wieder Schule ist: Ich werde fleißig lernen, mich in der Klasse und im Bus mit Freunden verabreden, und (wie es sich gehört) duschen was das Zeug hält. Und meine Schwester hoffentlich auch. Gleich werde ich mir mal Gedanken machen, was wohl aus mir wird wenn ich so weiter mache, und dann bin ich zu Tode betrübt, weil ich feststellen werde, dass ich wenn ich so weiter esse in einem Monat zehn Kilo zugenommen haben werde. Danach mache ich ein paar Sit-Ups.
Ich glaube diese Langeweile-Zeit tut mir gut.

 
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Hallo naomijo,

was meinst du, wieviele Menschen Interesse an Tagebucheinträgen einer 15-jährigen haben, die sie nicht persönlich kennen? Ich fürchte leider wenige. Das ist auch keine Kurzgeschichte, formal gesehen.

Lies dich mal ein wenig in den Rubriken durch, dann wirst du Perlen und auch Pflastersteine der Kurzgeschichtenerzähler entdecken und vielleicht Anreize finden, selber eine Geschichte zu schreiben.

Philosophie übrigens kommt ohne y aus.

Liebe Grüße
bernadette

 

soorry das ich das so sagen muss, aber es ist KEIN tagebuch von mir selber. wollt ich nur mal gesagt haben, es ist mehr eine geschichte von einem mädchen, das irgendwie seltsamerweise genau das erlebt, das Verwandte, Bekannte, Freunde, usw. auch erlebt haben, nur nicht ganz so wie im text, weil ich mich von ihnen mehr inspirierren lassen habe... auf die tatsache das es dir nicht gefällt kann ich nur sagen das ich das akzeptiere.

 

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