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Feuer, Asche, Ruß.
Ich renne um mein Leben.
Interessanterweise ist es das zweite Mal heute.
Als ich um die Hausecke biege, lecken die Flammen bereits an der morschen Tür, und das Feuer schlägt auf die schmale Straße. Die angstverzerrten Schreie hallen noch in meinen Ohren, als ich die nächste Straße hinunter hetze, und fast gegen einen gaffenden Passanten krache.
Was für ein Idiot…
Ich spüre deutlich, wie mir der Schweiß Hals und Rücken entlangläuft, unternehme aber nichts dagegen. Sollen sie es doch sehen! Sollen doch alle sehen, was dort hinten geschehen ist.
Die Bilder sehe ich immer noch genau so, als stünde ich mitten im Waisenhaus:
Breite Flammen, die sich knisternd und knackend ihren Weg durch den Speisesaal bahnen, die hysterischen Schreie und der Geruch nach Feuer, Asche und Ruß.
Dass ich meine Hände zu Fäusten geballt habe, merke ich erst, als ich den stechenden Schmerz spüre, der von meinen Fingernägeln verursacht wird, die sich in meine Haut bohren. Beiläufig wische ich sie mir an der dreckigen Hose, ab, was lediglich bewirkt, dass ich mir Ruß in die Wunden schmiere.
Zischend ziehe ich die Luft ein, laufe durch Seitengassen und Nebenstraßen, entferne mich immer weiter von dem Lärm hinter mir. Meine Schritte hallen laut in meinen Ohren wieder, und ich habe das Bedürfnis, mir einfach die Hände auf die Ohren zu pressen und zu heulen. Und trotzdem laufe ich weiter.
Immer weiter und weiter.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich gelaufen bin, als meine Beine nachgeben und ich einfach liegen bleibe. Der Schotter drückt in meine Haut, die vor lauter Dreck noch dunkler als sonst erscheint. Mein Kopf dröhnt und mir kommt es so vor, als würde er gleich platzen.
Stöhnend drehe ich mich auf den Rücken und starre hinauf in den Himmel. Ein schmutziges Grau, bedeckt von Wolken. Ich fröstle und eine feine Gänsehaut überzieht meine Arme.
Plötzlich höre ich ein Geräusch, das mich erstarren lässt:
Schwere Schritte mehrerer Personen. Die Geräusche sind ungleichmäßig, als ob die Menschen taumeln würden. Meine Sinne sind angespannt, und als einer der Männer anfängt zu reden, muss ich mich zurückhalten, um nicht aufzuspringen.
„Diesen schwarzen Ratten haben wir es gezeigt, nicht Jungs! Hat alles lichterloh gebrannt!“ Ich höre zustimmendes Johlen, und mit einem Satz bin ich auf den Beinen.
Was für ein wunderbares Gefühl zu wissen, wer das eigene Zuhause angezündet hat...
Ich presse mich an die Wand, und diesmal ist es nicht nur Kälte, die mich zittern lässt. „Wenn ich noch eines dieser Biester erwische, drehe ich ihm den Hals um!“
Auch wenn ich es gewollt hätte, könnte ich in diesem Moment nicht weglaufen. Heiß und kalt läuft es mir abwechselnd den Rücken hinunter, und meine Beine zittern nun ebenso wie meine Hände es vor kurzem getan haben.
Ich höre, wie die Männer auf mich zukommen und mir steigt ein beißender Geruch nach Schnaps und Feuer in die Nase. Angewidert schüttle ich mich.
„Hey, Jungs! Seht mal, was wir hier haben!“ Sie kommen mit langen Schritten auf mich zu, doch in diesem Moment drehe ich mich um, und meine Füße wissen, was sie tun müssen. Und wieder renne ich, und eines ist mir klar:
Wenn ich mich diesmal nicht beeile, bin ich tot.
So wie die anderen Kinder aus dem niedergebrannten Waisenhaus.
Mausetot.