- Beitritt
- 15.03.2008
- Beiträge
- 858
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 9
Fieber
Wahrscheinlich träumte ich während des Einsteigens, geschwächt von Grippe und Schlafmangel. Anders kann ich mir nicht erklären, dass jetzt alle sitzen außer mir.
Seit einigen Minuten gehe ich durch die eisernen Gänge des Zugs und suche nach einer Sitzmöglichkeit. Die Sitzenden blicken teilnahmslos weg oder durch mich hindurch, der ich mich fühle wie der möglicherweise letzte auf der Reise nach Jerusalem.
Ich brauche Erholung. Nicht wegen mir, ich scheiß auf mich.
Nein, ich brauche die Kraft für wichtigeres. Um eine Erkenntnis umzusetzen. Die Entscheidung, die jeder einmal im Leben treffen sollte. Nach der sich das gesamte Leben umwälzt und man ins irdische Paradies eingeht.
Der scheinbar letzte Platz ist vom dunkelblauen Jackett und dem schwarzen Koffer eines Anzugtypen belegt.
„Darf ich mich setzen?“ frage ich.
Er zieht seinen akkurat frisierten Kopf aus einer Zeitung und sieht mich an, sieht mich aus seltsam kleinen Augen an, die in seinem länglichen Quadratschädel wie Knöpfe stecken.
„Nein.“ sagt er. Sagt es, als wenn’s das normalste der Welt wäre und wendet sich wieder seiner Zeitung zu.
In meinen Schläfen wummert Herzschlag, Kopfschmerz perforiert die hintere Schädeldecke, meine Glieder sind ohnehin schwer, die ganze Woche schon. Ich werde krank.
„Hören Sie“, höre ich mich aus der Ferne wie von einem Berg herab sagen, „ich würde mich gerne setzen, wissen Sie, ich hatte eine harte Woche, hab nicht viel geschlafen...“ und so weiter. Dass ich ihm eine beklagenswerte Situation schildere und für Mitgefühl werbe, wird mir erst klar, als ich wieder in seine Knopfaugen blicke.
„Das ist ja sehr bedauerlich, aber ich möchte den Platz eigentlich nicht frei räumen.“ Wobei er den Vorbehalt im eigentlich durch kalten Tonfall und herausfordernden Blick mehr als wett macht.
„Aber es ist kein anderer Platz mehr frei.“ sage ich.
„Dann müssen Sie eben stehen.“ erwidert er. Es klingt als falle eine Tür zu.
„Jetzt lassen Sie ihn doch sitzen!“ sagt eine dicke Frau mit geflochtenen Zöpfen, die ihm gegenüber sitzt. Sie lächelt mich mütterlich an.
„Sie sehen doch, er ist krank, einen Schnupfen hat der ärmste.“
Der Knopfaugenmensch lächelt. „Das bisschen Kranksein. Deswegen mache ich ihm noch lange keinen Platz.“
„Nun seien sie doch nicht so. Spätestens wenn der Schaffner kommt, müssen sie ihr Zeug weg nehmen. Sie haben doch einen Platz, machen Sie den anderen frei.“ mischt sich ein älterer Herr ein, der neben der dicken Frau sitzt. Er trägt einen grauen Mantel, graue Schuhe und einen grauen Hut. Vor seiner Brust baumelt eine große goldene Uhr, die an einer Kette um seinen Hals hängt.
„Es steht Ihnen frei, sich zu beschweren.“ antwortet der Anzugtyp. Meine Beine werden schwer, ich halte mich an der Rückenlehne des Alten fest, als der Zug gleichzeitig beschleunigt und in eine Kurve geht.
Als ich wieder gerade und frei stehen kann, bemerke ich, dass der Abend sich zur Nacht verdunkelte, die Landschaft fliegt nur mehr schemenhaft vorbei. Kurz verschwimmt der Blick, als ich durch die Scheibe Vertrautes zu sehen versuche. Nichts bekanntes zu erkennen.
Nur verschiedene Abstufungen der Dunkelheit, in denen sich Lagerhäuser ebenso gut verbergen könnten wie Mayatempel oder Stützpunkte von Außerirdischen. Wir könnten über einen fremden Planeten fahren, denke ich seltsamerweise und spüre, wie der Schweiß den Rücken hinunterläuft.
Umständlich lege ich meinen Rucksack ab. Luft!, Kühle!, denke ich und entschuldige mich bei dem alten Grauhaar, dessen Hut vom Rucksack gestreift wird. Auch den grünen Militärparka ziehe ich aus. Die dicke Frau weitet die Nasenflügel, als sich fiebriger Schweißgeruch verbreitet.
Den Parka lege ich über die Rückenlehne des Platzes, den die Sachen des Anzugtypen besetzen. Der reagiert nicht darauf, auch nicht, als meine Zähne wie warnende Gebeinkastagnetten zu klappern beginnen. Nehmt euch in acht, scheinen sie bedeuten zu wollen, hier kommt ein Kranker.
Ich hämmere dem Anzugtypen die Faust gegen seinen Quadratschädel. Direkt gegen die rechte Schläfe, mit einem dumpfen Geräusch, das ich eher fühle als höre. Sein Kopf prallt gegen die Fensterscheibe, er hält immer noch die Zeitung in Händen. Die dicke Frau beginnt zu schreien. „Bitte, seien Sie ruhig.“ sage ich zu ihr, dann nehme ich seinen Kopf zwischen die Hände wie einen Football vorm Abschuss und ziehe ihn zärtlich gegen mein Knie. Nur wesentlich schneller, mit geradezu flirrender Geschwindigkeit. Ich spüre das Knirschen seines Nasenbeins, höre ihn wimmern. Wieder und wieder ramme ich Knie und Gesicht gegeneinander. Blut spritzt, Zuggäste schreien. „Schnauze!“ schreie ich zurück. „Der Anzugtyp wollte mich demütigen, wie er’s mit Euch getan hat. Seht Ihr seine Zeitung? Financial Times Deutschland. Das ist einer von denen.“ Der ältere Mann schlägt den Deckel seiner goldenen Uhr auf, blickt auf’s Zifferblatt und sagt: „Nun ist es aber genug, junger Mann, übertreiben Sie nicht.“
Als hätte seine Bemerkung die geheimnisvolle Kraft eines Zaubers, verlässt mich die Begeisterung und damit die Kraft, ich lasse den Kopf des Anzugtypen los.
Seine Sachen – Jackett und Koffer – nehme ich vom Sitzplatz und lege sie dem blutigen Bündel auf den Schoß. Dann setze ich mich auf den freigewordenen Platz.
Ich fühle mich ungesund, lehne mich an und schließe die Augen. Durch ein Fenster kommt Fahrtwind und kühlt meinen aufgeheizten Körper, morgen wirst du richtig krank sein, denke ich mir noch, dann falle ich in Schlaf.
Am Hauptbahnhof wecken mich Demonstrationsschreie. Ein aufgebrachter Mob fordert entweder eine hygienischere Sprache oder die Abschaffung derselben, die Meinungen auf Plakaten und Schildern gehen auseinander.
Dunkel erinnere ich mich an einen Artikel, den ich in diesem Zusammenhang las. Die Verrohung der Sprache führe immer häufiger zum Sprachekel und sogar zur Sprachangst bei denen, die berufsmäßig mit Sprache zu tun haben, war dort geschrieben worden, namentlich bei Schriftstellern, Übersetzern, Journalisten, usw. Um mittels öffentlichkeitswirksamer Aktionen dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bzw. sprachfreie Erholungsräume zu schaffen, veranstalteten PEN, Journalisten- und Übersetzerverband regelmäßige Demonstrationen der Sprachlosigkeit. Weiterhin berichtete der Artikel aber, dass auch in der Sprachlosigkeit ernste Probleme stattfänden. Nicht wenige empfänden das gemeinsame Schweigen als vielsagend und sahen sich jetzt den inneren Wortwelten anstelle der äußeren ausgesetzt, was dem Sprachdilemma noch das Gefühl der Unentrinnbarkeit hinzufügte.
Das grundlegendere Problem sei anscheinend die Verhirnung der Menschheit, wurde jetzt behauptet. Wie man dagegen angehen könnte, dafür wurden zum Zeitpunkt der Artikelentstehung gerade Komitees gebildet.
Ich reibe mir die Stirn, massiere Schläfen und Augäpfel. Verhirnung der Menscheit? Bullshit. Während ich nervös kichere, fällt mir ein, dass ich vor kurzem jemanden brutal verprügelt habe.
Entsetzt blicke ich auf den Nachbarplatz. Aber meine Erwartung wird enttäuscht, dort kauert kein von mir zusammengeschlagenes Menschenbündel.
Klar, eine Fieberfantasie, denke ich mir, so was gibt’s, auch, dass die sehr realistisch wirken. Fieber plus Schlafentzug, da kann’s schon mal zur Sache gehen. Erleichtert stehe ich auf, gehe durchs Abteil und aus dem Zug. Auf dem Bahnsteig drängele ich mich durch die Demonstration und tauche ein in den Menschenstrom, aus dem ich kurz vor meiner Haustür ausschere. Durch die Straße weht kühler Wind, ich ziehe meinen Parka zu und erinnere mich, dass ich etwas vorhabe. Was es ist, frage ich mich.
Lupe ist da, sie steht in der Küche und rührt in einem riesigen Topf. „Eintopf.“ beantwortet sie meinen fragenden Blick. Ich küsse sie, einen Wangenkuss lässt sie sich gefallen, aber als mein Mund weiterwandern will, schubst sie mich weg.
„Es reicht, wenn einer krank ist.“ sagt sie.
„Haben wir noch irgendwo was gegen Grippe?“ frage ich. „Mir geht’s beschissen.“
„Frag deinen Kumpel, Schotter sitzt im Wohnzimmer und baut sich Briefchen. Sag ihm gleich, dass er sich hier nicht mehr sehen zu lassen braucht, ich will mit dem Gedeale nichts zu tun haben.“ Der Topf blubbert, aus unserem kleinen Küchenradio dudeln Oldies.
Der Essensgeruch bereitet mir leichte Übelkeit.
„Warum lässt du ihn rein, wenn du ihn nicht hier haben willst?“ frage ich.
„Was erwartest du? Schotter ist dein Kumpel, ich kann dir doch den Umgang nicht verbieten.“
Ich schüttele den Kopf, gehe aus der viel zu engen Küche, in der man Aggressionen bekommt, wenn man zu lange zu zweit drin steht. „Rätselhaftes Weib“, murmele ich zu niemand bestimmtem, ohne an eine konkrete zu denken. Da fällt’s mir wieder ein.
„Ich hatte irgend was vor, erinnerst Du dich, was es sein könnte?“ rufe ich vom Flur.
Einen Moment Stille.
„Treppenhaus wischen, endlich den Badezimmerschrank montieren, mir mal wieder nen schönen Abend spendieren. Verdammt, seit nem viertel Jahr machen wir nichts als schuften. Drecksleben, wofür eigentlich?“
„Danke Süße.“ krächze ich „aber davon kann’s nichts sein.“ Da knallt’s. Sie muss etwas gegen die Tür geworfen haben, wahrscheinlich den Löffel.
Im Wohnzimmer sitzt Schotter vor einer Feinwaage, wiegt braunes Pulver und füllt kleine Häufchen in vorgefaltete Briefchen. Ich setze mich neben ihn auf die Couch und zappe durch die Programme bis ich bei einem Reality-Format hängenbleibe. Schotter wiegt unbeeindruckt weiter, meine Anwesenheit nicht beachtend.
„Sag wenigstens hallo, es ist meine Wohnung verdammt.“ knurre ich.
Er, ohne den Blick zu heben: „Hi.“
„Gib mal nen halbes.“ sage ich.
„Seit wann nimmst Du wieder Schorre?“ fragt Schotter, mich jetzt verwundert anblickend.
„Nur heute.“ sage ich „Das Zeug lindert Grippesymptome, Schnupfen, schwere Glieder und Kopfschmerzen. Wenn du dir was reinziehst ist alles weg.“
Schotter hebt die linke Augenbraue. „Wo haste denn die Weisheit her?“
„Weiß doch jeder. Sogar Fatima, die niedliche Nutte von der Ecke, hat’s vorhin erzählt.“ improvisiere ich. „War auch im Mittelalter ein bekanntes Heilmittel, Laudanum.“
Er zuckt die Schultern und schiebt mir nen Briefchen rüber. „Guten Appetit.“ sagt er.
Ich nehme Alufolie, baue Blech und Röhrchen, schütte eine kleine Menge Pulver aufs Blech, verflüssige das Pulver mittels eines Feuerzeugs und verfolge den Tropfen mit dem Röhrchen.
Die aufsteigenden Dämpfe inhaliere ich. Den Drachen jagen nennt man das. Als würde ich dem Namenspatron meines Stadtteils nacheifern, Georg, dem heiligen Drachentöter.
Nicht mal die hälfte des Briefchens schaffe ich, da beginnt die Wirkung. Das Blech fällt mir aus den Händen, mein Bewusstsein driftet in irgendwelche Halbwelten.
Wieder bin ich im Zug, der alte Mann sitzt vor mir, schaut auf seine Uhr.
„Es ist spät, Sie sollten sich beeilen.“ sagt er.
„Beeilen, womit?“ frage ich.
„Mit dem, was Sie vorhaben. Es lohnt nicht die Dinge aufzuschieben. Eines morgens werden Sie erwachen und sich fragen wofür.“ Der Zug rattert durch die Dunkelheit, Regen perlt die Scheibe hinab. Schwammige Leuchtpunkte ziehen vorbei, Laternen, denke ich.
„Lassen Sie ihn doch in Frieden, er ist krank und braucht Ruhe.“ sagt die dicke Frau mit den Zöpfen.
„Schwanger ist er zumindest nicht, keine Ahnung warum er unbedingt sitzen musste. Das bisschen Grippe.“ der Anzugtyp schnaubt verächtlich. Mit einem Seitenblick stelle ich fest, dass sein Gesicht eine Ruine ist, eine blutverschmierte Grimasse, die Knochen scheinen nicht zueinander zu passen. Der sollte eigentlich genug für heute haben, wundere ich mich.
„Ich erinnere mich nicht mehr daran was ich vorhabe.“ sage ich dem Alten.
Der klappt die Uhr zu und schüttelt den Kopf, als missbillige er meine Worte.
Da beginnt ein widerliches Geräusch durchs Abteil zu kriechen, es hört sich an wie ein Staubsauger oder eher wie ein riesiger saugender Mund.
Die Strecke führt jetzt nach unten, es ist steil wie die Abfahrt einer Achterbahn. Der Zug rattert und rattert in die Dunkelheit. Was für eine wilde Fahrt!, denke ich und halte mich an der Rückenlehne fest, so sehr schüttelt es mich durch. Das Geräusch wird lauter, lauter.
„Haben Sie eine Ahnung was es sein könnte?“ frage ich den Alten, schreie fast, um den Lärm zu übertönen.
„Wovon zum Teufel sprichst Du?“ antwortet der Alte mit Schotters Stimme.
Das Schütteln wird immer stärker, ich klammere mich an die Rückenlehne.
„Vom Leben!“ rufe ich. Aber es folgt keine Antwort, nur das Geräusch wird intensiver, lauter, durchdringender. Es zieht durch meine wehrlosen Gehörgänge wie eine Karawane von kleinen Saugrobotern. Man wird mein Gehirn wegsaugen!
Ich presse die Hände gegen die Ohren, da bockt der Zug wie ein Hengst und ich falle von meinem hart erkämpften Sitzplatz.
„Nein, nicht mein Platz!“ schreie ich und will mich wieder aufrappeln, hebe gerade den Kopf zur Orientierung, da sehe ich die Faust des Anzugtypen immer größer werden. Ich schließe die Augen und warte auf den Schlag.
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich Schotter, der an meiner Schulter rüttelt, sehe seine ausholende Hand. Klatsch. Augenblicklich bin ich klar.
„Danke.“ murmele ich und streife seine Hand von meiner Schulter.
„Na, kommste wieder klar?“ fragt Schotter.
„Ne, aber jetzt weiß ich, was zu tun ist.“ lache ich.
Ich sehe mich um. Schotter sitzt links, Lupe rechts von mir, sie schlürft ihren stinkenden Eintopf. Dieses Geräusch, dieses Schlürfen, es kann einen wahnsinnig machen.
„Ich muss weg!“ sage ich und eile in den Flur, ziehe den Parka an und stürze aus der Wohnung. Lupe ruft mir hinterher.
Regen, Regen. In wenigen Sekunden beschlägt die Brille mit Wassertropfen. Viele kleine Blickfilter, durch die der Steindamm wie ein impressionistisches Gemälde aussieht. Aus einem Fenster kommt melancholischer Sound, der achte Titel von Tricky’s Vulnerable.
Fatima steht an derselben Ecke wie immer und fragt, ob ich mit ihr Sex machen will.
„Jetzt nicht, ich habe etwas wichtiges vor.“ antworte ich. Sie lacht.
Rund um den Hauptbahnhof patrouillieren Polizisten mit Maschinenpistolen. Mitten auf der Kreuzung steht ein Polizeiauto vor einem schwarzglänzenden Mercedes, man kontrolliert die Ausweise der Mitfahrer. In der Wandelhalle herrscht hektisches Nebeneinander, wie immer. Niemand kennt mich, genau wie ich keinen kenne. Erholsame Anonymität. Auf der Anzeigentafel sehe ich, dass der Zug nach Kopenhagen in fünf Minuten abfährt!
Ich eile die Treppen zum Bahnsteig 6a hinunter und setze mich in den Zug neben einen Herrn mit Anzug und Krawatte. Wir reden über die Wirtschaftskrise und diskutieren einen Artikel aus der Financial Times Deutschland, die er liest.
Alles ist im Arsch, da sind wir uns einig, also ist alles in Ordnung.
Zwischendurch grabe ich in meinen Taschen nach Geld und finde ein paar Scheine und die Geldkarte in meinem Portemonnaie.
„Jetzt muss ich zuerst mal den Schaffner suchen, weil ich noch keinen Fahrschein habe!“ sage ich und bitte den Herrn im Anzug, mir den Platz freizuhalten.
Nach dreieinhalb Stunden kommt der Zug in Kopenhagen an. Ich suche mir eine gemütliche Kneipe und trinke Bier. Nicht sehr lange und ich lege den Kopf auf den Tisch und schlafe ein. Merja, die blonde Kellnerin, weckt mich. Ich verspreche ihr, dass ich ihr im Tausch gegen einen Schlafplatz ein Gedicht widme.
Am nächsten morgen frühstücken wir mit Blick auf den Hafen, die Sonne spiegelt sich in den Wellen wie eine Flotte goldener Minischiffe. Möwen fliegen über die abgetakelten Segelboote des Kopenhagener Traditionshafens. Wir unterhalten uns über Merjas kaputte Waschmaschine, wovon wir keine Ahnung haben und das Leben, von dem wir viele Ahnungen haben. Als uns auffällt, wie ähnlich sich beides ist, lachen wir.
Sie fragt mich, was ich in Kopenhagen tue. Ich erzähle von dem dringenden Gefühl, dass ich eine Erkenntnis und ein Vorhaben hatte, die große Bedeutung für mich haben und dass ich beides vergaß.
„Erst als ich heute morgen über den Hafen blickte, wurde mir alles klar.“
„Was wurde dir klar?“ fragt sie.
Ich zucke die Schultern. „Dass wir alle nur kleine goldene Schiffe im Lebensmeer sind.“ antworte ich und deute auf die Sonnenreflektionen.
Sie lacht. „Das hast du dir ausgedacht!“