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30.12.2020
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Ein Gewirr aus Stimmen durchbricht die Stille, als die Tür aufschwingt und Licht meine Dunkelheit spaltet. Langsam gewöhnen sich meine Augen an den Kontrast, fixieren durch die Haare linsend den schmalen Grat, den ich überschreiten werde. Du trittst auf die Straße, ein kurzer Schockmoment versteift meine Muskeln, bevor ich das Kleid glätte und mich von der Wand abstoße. Die Tür fällt zu, verschluckt das Licht, du wirst zu Dunkel. Der Rauch meiner Kippe streift meine Lippen und bildet Wirbel in der Nachtluft. Seltsam, wie man etwas so Flüchtiges festhält. Und doch ziehen lässt. Vielleicht hätte ich das auch tun sollen mit dir vor langer Zeit, doch ich habe den Absprung verpasst und jetzt sind wir hier. Du läufst los, immer die beleuchtete Straße entlang. Ich schnippe die Kippe weg und zertrete ihr Glimmern mit dem Absatz, dann setzen sich meine Füße in Bewegung.
Das Adrenalin der Nacht fließt noch in deinen Adern, das verrät mir dein Gang, während du auf dem Heimweg einen Lippenstift mit einem Klicken schließt und in der Tasche verstaust. Sie ist winzig. Das Nötigste konntest du mitnehmen. Den Lippenstift und ... meine Fantasie. Das Haar schwingt noch im Takt der Musik, Hitze lässt deine Haut glühen und die Luft flimmern. Du trägst das Kleid, das du vor einiger Zeit gekauft hast, doch das bisher ganz hinten im Schrank hing, weil es nie die passende Gelegenheit gab. Ich erinnere mich, wie du dich vor dem Spiegel betrachtetest und deine Augen blitzten. Du fandest dich schön und ich auch. Ich muss dein Gesicht nicht sehen, um die leicht geröteten Wangen, dasselbe Funkeln zu erkennen. Dass du allein läufst, wundert mich nicht, im Gegenteil, denn du lebst für die Vergänglichkeit, den kurzen Wirbelsturm – ich muss wieder an den Rauch denken und der schmale Metallring schnürt meinem Finger das Blut ab, er scheint mit einem Mal zu eng, und ich werde mit dir zu Rauch.
Manchmal frage ich mich, wie du so verdammt egoistisch sein kannst, ob es einen Platz in der Hölle gibt, an dem der Teufel mit einem Reserviert-Schild wartet. Wie du so unschuldig herumlaufen kannst mit deiner Dreckstasche und dem Fickkleid. Dann steigt mir die Wut in den Kopf, bis ich schreien will und beinahe kein Platz mehr ist für Gedanken. Dann denke ich doch wieder und zwar wie schön du bist, hier im Schein der Laternen mit deinem Lächeln auf den frischroten Lippen. Da werde ich melancholisch, erinnere mich daran, wie es ist, in dich verliebt zu sein. Vielleicht können wir zu dem Punkt zurück, an dem die Welt in Ordnung war. Ja, lass uns vergessen und sein. Es hat doch funktioniert. Lass mich dich nach Hause bringen heute Nacht, ich verspreche, kein Wort zu sagen.
Ich sehe, wie dir die kühle Nachtluft einen Schauer über den Rücken jagt. Wenn du mich nur lassen würdest, könntest du meine Wärme um deine Schultern spüren. Du beschleunigst deine Schritte, meine Schuhe machen schnelle, leise Geräusche auf dem Asphalt. Die Handtasche schlägt dir mit jedem Schritt gegen das Bein, gibt meinem Herzschlag den Rhythmus vor. Ein eisiger Wind erfasst uns, trägt dich weiter fort, während ich mich zurückfallen lasse und du deine Jacke fester um den Körper schlingst. Ich beobachte, wie du an einer roten Ampel stehenbleibst und dich nach links und rechts umsiehst, die Straße ist menschenleer. Suchst du nach mir? Ich fasse Mut, die Schlucht zu überwinden und gehe einen Schritt, doch komme einen Herzschlag zu spät und ziehe mich wieder in die Schatten zurück.
Sprüche gefolgt von Pfiffen ertönen aus einer Seitenstraße, du gehst weiter, als hättest du es nicht gehört, doch ich weiß, dass deine Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen sind. Du genießt deine Wirkung, diesen einen Moment des Nervenkitzels, bevor das Spiel wieder eröffnet ist. Ich halte dich nicht davon ab, beobachte still und lasse dich machen. Du wirst eigene Entscheidungen treffen, auch wenn ich es hasse, dich zu teilen. Ich spüre das Adrenalin in deinen Adern, du lebst für die Spielchen, läufst noch ein paar Schritte, bevor du dich einholen lässt und überrascht umdrehst. Ein kurzer Rundumblick. Fühlst du dich schuldig wie du so scheinheilig auf überrumpelt tust? Aber zu dem was kommt, gehören zwei, nicht wahr? Wenn man wollte, könnte man den hellen Streifen an einem deiner Finger sehen.
Ich lehne mich an die Backsteinwand, krame in der Tasche und zünde mir eine neue Kippe an. Beobachte dich seltsam fasziniert im Lichtkegel der Laterne, während der Rauch in den Himmel steigt und mich auf der Erde zurücklässt.
Plötzlich siehst du auf, das hatte ich nicht erwartet, der Spiegel deiner Augen wird mein Selbst. Du erschrickst und wendest den Blick ab, aber ich sah es, ein kurzes Aufblitzen von Erkennen, bevor du dir glättend über die Haare fährst und deinen Weg fortsetzt. Wie immer sage ich nichts, sehe nur meiner Gestalt zu, wie ich langsam im Dunkel verschwinde und mir nicht mal in die Augen sehen kann.

 

Hi @Bas,
danke, dass du dir nochmal die Mühe gegeben hast, auf meinen Komm zu anworten.
Da steig ich mal eben drauf ein:

Ich denke, damit stellst du dir im blödesten Fall selbst ein Bein, gerade hier im Wortkriegerkontext.[...]da lese ich dann lieber drei unterschiedliche, statt eine einzige drei mal zu lesen, um sie zu verstehen
Jaaa, du hast ja recht :lol: andererseits, WENN die Story gut gewesen WÄRE, dann gäbe es sicherlich Leser:innen, die sich auf das Spiel eingelassen hätten. War nicht so, daraus kann ich meine Schlüsse ziehen, lernen und mich verbessern :)
an dem der Teufel mit einem Reserviert-Schild auf dich wartet
machen wir so
etwas aus der Zeit gefallene Sprache, deshalb auch der "Barde"
Genau, es haben schon einige vor dir auf den Tisch gehauen. Da kommt mein persönlicher Hang zur Dramatik raus, der immer ein bisschen drüber ist. Fällt mich echt schwer, daraus auszubrechen, aber ich will's beim nächsten Mal versuchen.
Nein, ehrlich gesagt habe ich das so nicht interpretiert. Jetzt habe ich den Text mit diesem doppelten Boden noch mal gelesen, und ja, dieses Wissen gibt der Geschichte noch mal einen zusätzlichen Wert.
Jetzt stelle ich mir bloß die Frage: War ich zu unaufmerksam? Oder war die Sache nicht eindeutig genug? Hm. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.
Okay, aber das ist nicht schlimm. Wenn ich will, dass es so interpretiert wird, dann muss ich die Leserschaft dahin führen (sollte leichter sein, wenn der Text so kurz ist). Wenn jemand dabei durchrutscht und woanders rauskommt, ist das mein Fehler, denn ich muss die Leser:innen gerade so fest an der Hand halten, dass niemand verloren geht, aber auch nicht klammern. Macht das Sinn ... ich weiß es nicht ... in meinem Kopfkino bin ich in einem Labyrinth. Hoffentlich finde ich selbst wieder raus :lol:

Liebe Grüße, hat Spaß gemacht,
Waldläufer

 
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Mal werde ich allerdings darauf achten und versuchen, die Sätze nur mit dem Notwendigsten zu unterfüttern.
Waldläufer am 10.06.2021 # 9
Hauch | Wortkrieger
zitiert ca. hei nun am 03.09.2021

Ein Gewirr aus Stimmen durchbricht die Stille, als die Tür aufschwingt und Licht meine Dunkelheit spaltet.
Ich noch einmal in Sachen Stille, Tür und Dunkelheit –

klar, Stille kann „gebrochen“ werden, eine Tür „aufschwingen“ („Schwingtüren“ sogar paarig, wenn auch nicht wie ein fliegender Teppich) und dass wir die Welt farbig sehen, verdanken wir vereinfacht gesagt dem Zusammenhang von Gesichtssinn und Lichtbrechung,

lieber Waldläufer,

und ich will Dir wahrlich nicht auf den Geist gehen, aber Hefe lässt sich spalten und selbst das vermeintlich Unteilbare, das Atom - aber zum Verb „spalten“ passen nicht hell und dunkel.

Nun, Axt und Beil haben eine Klinge mit scharfem Schneidewinkel, der Einfallswinkel des Lichtes durch eine Tür ist von den äußeren Bedingungen jenseits der Tür und den dortigen Lichtverhältnissen abhängig - es sei denn, man knipste im Raume das „elektrische“ Licht an und das Licht durch die geöffnete Tür würde „geschluckt“ wie die Außen- durch die Innenwelt, wobei die reale Außenwelt "draußen" bleibt.

Nun belegt das Possessivpronomen, dass es eine sehr spezielle Dunkelheit ist, nämlich „meine Dunkelheit“ und von sonst niemand anderem.

Es sind also nicht die Lichtverhältnisse per se im Raum, sondern die Wahrnehmung - ein „für wahr nehmen“ des (lyrischen) Ichs und wie (Büchners) Lenz am liebsten auf dem Kopf ginge, so unser Held, dass es hell werde in seinem Kopf, und da hilft kein göttlicher Befehl „Licht werde!“, denn es ist ja schon da, sonst könnten wir gar nicht hell und dunkel außerhalb unseres Kopfes unterscheiden, aber was da im Kopf passiert lässt sich nur mit dem technischen „Dimmer“ (entlehnt aus engl. to dim, „Licht dämpfen“) vergleichen, aber nicht zu dämpfen, sondern stärken.

Dein Ich ist folglich auf sonderbare Weise ein „Lenz“, wenn es heißt

Ich hatte ein konkretes Bild im Kopf und füge mal die Erklärung hinzu, die ich MRG gab: wenn ich im Dunkeln stehe und auf den Boden sehe und dann öffnet sich eine Tür zu einem erleuchteten Raum, dann sieht es so aus, als würde die Dunkelheit gespalten werden.

Fazit:

Die Axt im Haus erspart den Zimmermann und kann doch bei unsachgemäßem Gebrauch nicht nur kein Haar spalten, was sicherlich nicht nur für uns beide gilt … denn entscheidend ist immer noch ein

gern gelesen

Friedel

 

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