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Filmriss
Die Sonne verabschiedet sich langsam und der harte Arbeitstag neigt sich dem Ende. Meine Gedanken kreisen noch um das letzte Gespräch, das sich unendlich hinzog und es war anstrengend, mit einem, na ja, nicht ganz so guten Ergebnis. Gut, mich betrifft es letztendlich nicht, habe ne höhere Position inne, dafür mach ich aber auch die Drecksarbeit für meinen Chef. Ständig darf ich meinen Kopf hinhalten, darf seinen Chaos beseitigen und krieg doch nur eine auf die Fresse.
„Wir werden Mitarbeiter entlassen müssen, da kommen wir nicht drum herum!“ Unser Chef hat gesprochen, keine Diskussionen, keine Vorschläge, es interessiert ihn nicht, was aus den Menschen wird. Menschen, die sich den Arsch aufgerissen haben für seine Firma. Die ihn zu dem gemacht haben was er ist. Nein, es interessiert ihn nicht. Zahlen, ja Zahlen, die sind ihm wichtig! Ich muss auf andere Gedanken kommen und zwar schnell. Also fahre ich schnurstracks nach Hause, freu mich auf die Dusche und dann los, diese Nacht schreit geradezu nach abfeiern. Scheiß auf die tiefen Augenringe. Ab in meine Szene, wo ich mich wohl fühle, wo mich viele kennen und auch schätzen. Anders als mein Chef.
„Hey, Seppy. Wie geht´s?“ Talli steht vor mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie ist jetzt schon gut drauf und der Abend hat noch nicht einmal angefangen. Mein Blick fällt auf meine Uhr, 18.13, ist verdammt früh und das Fräulein ist schon breit. Ich laufe weiter und Talli klebt mir förmlich an den Fersen.
„Willst auch was? Ist echt geil das Zeugs!“ Ich dreh mich um und schau sie an. Diese Tellerminen. Man was ist sie breit. Keine Augenfarbe mehr, ich sehe nur noch Pupillen. So schwarz wie die nahende Nacht. Eigentlich will ich ja schon, aber ist doch echt zu früh, oder? Ach, scheiß egal, war ein mieser Tag heute. Musste echt gute Leute entlassen. Ich komm da echt nicht mit klar.
„Gib schon her, Kleine. Ich weiß, dass Du nur erstklassiges auf der Tasche hast!“ Na ja, im Laufe des Abends sollte ich noch merken wie gut. Oh, was habe ich die Schnauze voll von meinem Chef, ist echt kein Mensch. Muss ne Maschine sein, so ganz ohne Gefühle und wenn ich so drüber nachdenke, für den arbeite ich? Ach egal, ich will feiern, ich will vergessen und wenn es nur für diese eine Nacht ist. Feiern, feiern und nochmals feiern. Ach Talli, meine Süße. Ich mag dich und deine Pillen oder was du sonst noch so hast.
Hab ihr mein Leid geklagt und was macht sie? Lacht! Ey, was ist mit der nur los. Ich erzähle ihr meinen Scheiß und sie lacht einfach nur. Die ist doch nur bekloppt.
„Komm, noch ne Runde!“ Es sind schon einige Stunden vergangen, doch irgendwie scheint die Zeit still zu stehen. Gib noch EINEN und noch EINEN und noch EI…! Bis tief in die Nacht nur am feiern und saufen, kein Ende in Sicht. Meine Gedanken drehen sich im Kreis und es hört verdammt noch mal nicht auf.
„Boah, bleib locker Seppy! Leg ihn doch einfach um!“ Talli geht lachend auf die Tanzfläche und sie schiebt ihren kurzen Rock noch höher. Sie kann schon tanzen die Kleine, aufreizend, heiß und doch bleibt sie auf Distanz. Zumindest bei mir. Warum auch immer. Was hat sie da gerade noch mal gesagt? ‚Leg ihn doch einfach um?’ Quatsch, mach ich nicht, bin ich viel zu feige. Also, lieber feiern, ja, feiern. Ich geh auf die Tanzfläche zu Talli und sie heizt mal so richtig ein. Wir schieben nach, also wenn ihr versteht was ich meine. Pillen und so. Und dann der ganze Alkohol, ich denke nicht an morgen, nein, ich denke nicht an morgen. An den Rest der Nacht kann ich mich nicht mehr erinnern. Filmriss, absoluter FILMRISS.
Ich weiß nicht mehr wie ich nach Hause kam. Durch einen schmalen Spalt, am Vorhang vorbei, fallen die ersten Sonnenstrahlen in meine Wohnung.
Mein Kopf dröhnt und ich habe nen Geschmack im Mund, da wird selbst mir schlecht. Talli liegt neben mir, nackt und schön wie immer. Ich liebe dieses Mädchen, egal wie sie ist, egal was sie macht. Sie ist verrückt, aber ehrlich. Aber verdammt noch mal, was klebt hier eigentlich so? Ach du heilige Scheiße, Blut, woher kommt dieses verdammte Blut? Talli schlägt ihre Augen auf und grinst mich an. Dieses verrückte Grinsen, bringt mich noch um den Verstand.
„War ne geile Nacht, oder?“
„Ja, schon, aber wieso ist hier überall Blut!“
„Ey, Seppy, weißt Du das nicht mehr? Wir sind zu Deinem Chef gefahren, dieser Mistkerl! War dabei ein kleines Mädchen zu …! Ach, verflucht. Dem haben wir mal so richtig einen mitgegeben! Und wie der gejammert hat!“ Sie lacht, sie lacht wie ne kleine Irre.
Lautes Trommeln an unserer Wohnungstür unterbricht abrupt unser Gespräch. Die Stimmen sind uns nicht freundlich gesinnt.
„Öffnen Sie die Tür, hier ist die Polizei! Öffnen Sie die Tür, sofort oder wir brechen sie auf!“
Meine Gedanken sie kreisen, aber irgendwie fühl ich mich zufrieden. Wieder ein Monster weniger in dieser Welt, aber warum fühle ich mich dennoch so schuldig?
Talli schaut genervt zur Tür, macht nur eine einzige Handbewegung und dann ist es still, wir kuscheln uns aneinander und schlafen weiter. Ja, meine kleine Talli, schon verrückt mein kleiner Dämon, aber ich liebe sie oder sollte ich sagen ihn?