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Forschers Glück
FORSCHERS GLÜCK,
FROSCHES LEID
Ein Märchen
mit leisen Anmerkungen im Anhang
"Die Wiesenkirche ist eine gotische Hallenkirche von überwältigender innerer Logik der Maße: weit, hell und klar; die Dienste steigen an den schlanken Säulen ohne Kapitell zu den Rippen, alte und gute Glasmalerei gibt die farbige Tönung zu dem weichen Grün des Steins". Theodor Heuss bei der Wiedereinweihung der Wiesenkirche am 15.10.1950
Unter der fettgedruckten Überschrift
„Sensationeller Nachweis des Hörsystems bei Spinnen“
findet sich in der Ausgabe der Blödzeitung vom 22. Mai 2007 der folgende, hier ungekürzt wiedergegebene Bericht:
“Freiburg. Dem Schüler M. (Name ist der Redaktion bekannt) aus dem westfälischen Soest ist im Rahmen des diesjährigen Wettbewerbs „Jugend forscht“ gelungen, woran ganze Generationen von Forschern sich die Zähne ausgebissen haben. Für den Nachweis, dass Spinnen mit ihren Beinen hören, erhielt er den ersten Preis in der Kategorie Biologie durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Schavan."
Eher zufällig als gezielt und methodologisch korrekt hat ein junger Mensch, der in Soest nahe St. Maria zur Wiese - der Wiesenkirche - wohnt, das Hörsystem der Spinnen entdeckt. Der praktizierende Christ M., dessen Verhaltensweisen und äußeres Erscheinungsbild keine Rückschlüsse auf perverse Neigungen zulässt, - leichtfertig und wie zur Rechtfertigung bemerkt der Volksmund in ähnlichen Fällen, wie von dem hier dargestellten, man könne einem Menschen nur vor’n Kopf gucken , und mancher Nachbar hätte sich den ordentlichen und unbescholtenen jungen Bürger durchaus für sein Kind als künftigen Ehegatten gewünscht, - dieser wohlgelittene Jungbürger hatte also einfach einem sadistischen Gefühl nachgebend einer gemeinen Hausspinne ein Bein ausgerissen. Seiner Aufforderung „Renn!“ folgte das arme Tier und versuchte, so schnell als es nur konnte auszureißen –
um genau in die Hand seines Peinigers zu rennen. Dessen Neugier war geweckt und unser junger Bekannter zupfte der armen Kreatur ein nächstes Bein aus, um festzustellen, dass sie seiner neuerlichen Aufforderung zu laufen folgte. Wieder und wieder wurde sie eingefangen und weiter verstümmelt. Wurd’ ihr befohlen zu laufen, so lief sie, wenn auch immer mühseliger und langsamer. Als das letzte Bein ausgerissen war, reagierte das Geschöpf auf den Ruf „Lauf!“ und die umfangreichere und ungeduldige Wiederholung „Nu lauf endlich!“ nicht mehr. Der junge Forscher stieß mit seinen Fingern den Torso an und meinte wohlwollend „Nun ma' ma', dann kannste gehn“, und mit großzügiger Geste „Un’ frei biste! “ -Was die Spinne wohl nicht richtig verstand. Nichts ging mehr. Die Hausspinne hörte einfach nicht mehr auf die Worte unseres Bekannten, dass der Jungforscher sie von sich schnippte mit der Bemerkung „Na, denn nich .“
Folgeerscheinung war nun, dass der zufällige Entdecker zu Höherem sich berufen fühlte und sich vornahm, bei seinen Forschungen systematisch vorzugehen - (kann aber auch sein, dass er Spaß daran gefunden hat, seinen sadistischen Gefühlen nachzugeben). Das Experiment mit der Spinne wurd’ einige Male mit gleichen, zumindest aber ähnlichen Ergebnissen wiederholt. Gewissenhaft zeichnete der Schüler seine Beobachtungen auf mit dem Schluss, dass Spinnen offensichtlich mit ihren Beinen hören, und sendete seine Aufzeichnungen an die Redaktion und Jury von „Jugend forscht“.
Heute, nur wenige Tage nach der Prämiierung, fängt er auf einer Spielwiese - auf der gerade mal kein Ballspiel betrieben wird - eine Kirchenmaus ein. Kurz entschlossen widmet er eine Mausefalle zu einem Fallbeil um und entfernt mit einem präzisen Beilhieb nicht den Kopf, sondern ein Vorderbein und stellt verwundert fest, dass die Maus seinem Ruf „Lauf!“ - wenn auch humpelnd - folgt. Das Spiel führt er wie zuvor mit gekonnter Hiebfolge fort. Mit einem letzten Bein läuft das arme Tier nur mehr im Kreis herum, was er auch schon bei Spinnen beobachtet hatte. Nach dem das letzte Beinchen abgehackt ist, zuckt die Maus nur noch nervös, bewegt sich aber nicht mehr auf des Jungforschers Aufforderung hin fort, bis sie schließlich verblutet und verreckt ist. Der junge Mensch stutzt, hat er doch bisher geglaubt, was in Schulbüchern steht: Mäuse hörten mit den Ohren. Was, wenn nun auch Säugetiere mit den Beinen hörten? Spricht das Ergebnis seines Experimentes nicht dafür?
Darüber wird unser junges Menschenkind reif für die Klapsmühle und bekommt soeben eine Zwangsjacke übergestreift. –
EPILOG
Über dieses Ergebnis murrt das Publikum und der geneigte Leser/Hörer sieht die Aufgabe unvollständig und damit wenig überzeugend gelöst. Das Publikum fragt sich, wo denn der Begriff Fußball bleibe und erst recht der in der Überschrift genannte Frosch.
Zum einen ist Fußball unser Leben und damit aus unsern Köpfen nicht mehr wegzudenken und in der Moral des Märchens verborgen, die abschließend in einen Rat an die freigesetzten Henker und deren Knechte gekleidet sei: abgehauene Köpfe mögen sich zum Kegeln eignen, nicht aber zum Fußball. Der Frosch hingegen ist kein König, wie’s das Märchen uns weismachen will, sondern hätte vielmehr nicht nur der Forschung gedient, sondern auch in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie als Delikatesse verwertet werden können.