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Frédéric Martel - Sodom (Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan)

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19.05.2006
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Frédéric Martel - Sodom (Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan)

In diesem Werk werden neben der welt- und gesellschaftspolitischen Bedeutung der kath. Kirche primär die letzten vier Pontifikate ausgeleuchtet, denen jeweils ein Abschnitt des Buches gewidmet ist. Im letzten Teil geht es um die Karierre und Amtszeit des deutschen Papstes Benedikt. Auch mögliche Gründe, die diesen erzkonservativen, homophoben heiligen Vater zum Rücktritt zwangen, werden darin artikuliert. Und natürlich fällt auch etwas Licht auf seinen Lebensmenschen, den Kurienerzbischof Georg Gänswein, der den nunmehr emeritierten Papst auch weiterhin offiziell privat begleitet.
Martel führte für dieses Buch in einem Zeitraum von 4 Jahren in über 30 Ländern rund 1500 Interviews. Darunter 41 Kardinäle, 52 Bischöfe und Monsignori, 45 Apostolische Nuntien, 11 Schweizergardisten und über 200 katholische Priester.
Das umfangreiche Werk ist nur etwas für Menschen, die wirklich an dieser expliziten Thematik interessiert sind. Hochinteressante, aber dennoch anstrengende 670 Seiten, minutiös recherchiert, etliche Querverweise, dutzende Klarnamen, aber niemals anklagend gegen schwule Priester und Prälaten, jedoch äußerst ablehnend gegenüber dem naturwidrigen Zölibat und der verlogenen, zunehmend unhaltbaren Position der Kurie in Sachen Homosexualität und leider auch der Pädophilie.
Nach seriöser Schätzung leben rund 70 Prozent des Vatikans offen schwul oder sind sogenannte closet-cases. Also Schrankbrüder, die ihre Veranlagung geheim halten oder verleugnen. Gerade unter ihnen finden sich aber die heftigsten Feinde der Homosexualität. Manche beklagen sie derart lautstark und wortreich, dass sich ein Zitat aus Shakespeares Hamlet aufdrängt: "The Lady doth protest too much, me thinks."
Dazu kommt die unverständliche Haltung des Vatikans bezüglich des Umgangs mit pädophilen Priestern, die besonders unter den päpstlichen Vorgängern von Franziskus weitgehend gedeckt oder, wenn nicht anders möglich, still und leise in andere Diözesen versetzt wurden, wo nicht wenige ihr schändliches Tun fortsetzten.
Seit Franziskus werden pädophile Täter der weltlichen Justiz überantwortet, jedenfalls aber laisiert. Auch der unglaubliche Prunk und Luxus in dem manche katholische Würdenträger leben, kommt zur Sprache. Penthouses oder Lofts mit teils mehreren hundert Quadratmetern und Terassenblick über Rom sind keine Seltenheit, rund zwei Drittel aller Immobilien Roms gehören dem Vatikan. Dazu kommen teure Dienstwagen mit, oder bei diskretem Cruising, auch ohne Chauffeur, mehrere Ordensschwestern, die den Haushalt erledigen und zu allem ergeben schweigen, was die Prälaten privat so umtreibt, ist der Piuskragen erst einmal abgelegt.
Sollte auch nur die Hälfte von dem stimmen, was Frédéric Martel in Sodom beschreibt, dann lebt ein nennenswerter Teil des vatikanischen Klerus in (religiöser) Schuld und Schande, in völligem Gegensatz zur Lehre ihrer Kirche, der sie einst - unterwürfig auf dem Bauch liegend, mit dem Gesicht zu Boden - lebenslange Treue und Gehorsam geschworen haben.
Wenn diese hoffnungslos verkrustete Kirche überleben will, muss sie wohl oder übel dringend nötige Reformen zulassen. Insbesondere was Zölibat, Verhütung, unterschiedliches Sexualverhalten und Umgang mit Wiederverheirateten anlangt. Ansonsten wird sie zur Sekte schrumpfen oder zerfallen wie das antike Römische Reich, dem sie einst ihren Aufstieg zu verdanken hatte.

 
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Liebe Manuela,

das ist ja wohl ein sehr kontrovers diskutiertes Buch - einer der Punkte dabei ist, ob nicht homosexuelle Pädophilie mit Homosexualität gleichgesetzt wird. Sind die restlichen Interviews dann mit Opfern geführt worden?

Seit Franziskus werden pädophile Täter der weltlichen Justiz überantwortet
Joar, in homöopathischen Dosen vielleicht ... :D
Auch der unglaubliche Prunk und Luxus in dem manche katholische Würdenträger leben, kommt zur Sprache. Penthouses oder Lofts mit teils mehreren hundert Quadratmetern und Terassenblick über Rom sind keine Seltenheit, rund zwei Drittel aller Immobilien Roms gehören dem Vatikan. Dazu kommen teure Dienstwagen mit, oder bei diskretem Cruising, auch ohne Chauffeur, mehrere Ordensschwestern, die den Haushalt erledigen und zu allem ergeben schweigen, was die Prälaten privat so umtreibt, ist der Piuskragen erst einmal abgelegt.
Vow of poverty - you're doing it wrong, heißt es ja auch so schön.

Diese Immobiliengeschäfte sind ein absolut ungeheurer Krake, und dazu muss man gar nicht in Richtung Süden schauen. Funktioniert auch in Deutschland super. :mad: Sehr gute Doku, übrigens.

Letztlich muss man aber eines festhalten: Es ist ein Glaube, der sich auf längst überkommene, zudem regional beschränkte Vorstellungen stützt. In seiner schriftlichen Grundlage wird Homosexualität verurteilt, der Frau der Mund verboten, Sklaverei befürwortet uswundsofort. Es ist scheinheilig (:D) , da auf der einen Seite Reformen zu fordern, auf der anderen aber die Institution selbst zu unterstützen (also, damit meine ich jetzt natürlich nicht dich als kritische Rezensentin, sondern Kirchensteuerzahler). Man muss mal der Tatsache ins Auge sehen, dass die abrahamistischen Religionen ein moralisches Armutszeugnis darstellen. Bestenfalls.

Und der Unterschied Religion vs Kult / Sekte liegt ja eh nur in der Größe und der Unterstützung durch den Staat, das Prinzip ist ja identisch.

 
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Hi Katla,
merci fürs Vorbeischauen!

Es wird in diesem Buch deutlich unterschieden zwischen Homosexualität und schwuler Pädophilie. (Es gibt auch die heterosexuelle Form.)
Im Mittelpunkt steht die Doppelmoral der katholischen Kirche im Umgang mit Macht und Homosexualität, der Autor ist selbst bekennender Schwuler.
Gespräche mit Opfern gibt es in dem Buch nicht, es wird aber durchaus über die enormen Schäden gesprochen, die den betroffenen Kindern und Jugendlichen angetan werden.
Dieses Werk ist natürlich für jeden praktizierenden Katholiken ein Schlag in die Magengrube, so er es aus Selbstschutz nicht in Zweifel zieht.
Positiv formuliert: Eine schmerzhafte Ent-täuschung im wahrsten Wortsinn.
Ich selbst bin überzeugte Atheistin, habe mich dennoch tausende Seiten lang mit allen großen Religionen und ihren Riten befasst. Leider war für mich nichts dabei.
Am ehesten kann ich mit dem Ausspruch der Hl. Teresa von Avila leben: Solo Dios basta! (Gott allein genügt!)

LG, Manuela :)

Edit: Danke für den Link zu dieser hochinteressanten Doku. Hab sie mir grade angesehen.
Anbei, aus anderen Quellen: Das Vermögen der katholischen Weltkirche wird auf 2 bis 3 Billionen Euro geschätzt.

 

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