Frühjahrsputz
Heute ist Samstag. Ich wälze mich vor 12 Uhr aus dem Bett, also 11.59, schlurfe in die Küche, um mir Kaffee zu kochen und weiche zwischendurch im Tanzstil à la Bollywood diversen Tretminen in unserer Wohnung aus. Man läuft völlig unvorbereitet durch dieses Tretminenfeld, am besten barfuss und ppppffffpfpt – OH NEIN, EINE TRETMINE – und dann hat man die Sauerei nicht nur am Boden kleben. Dabei gibt es drei Arten von Tretminen: einmal rund, fest und ausgetrocknet, wie ein Schokoladenei, dann oval, weich und frisch, wie eine klumpige Schnecke und einmal nass mit Brocken – mehr oder weniger -, wie Gulasch auf dem Küchenboden.
Sieht man im letzten Moment eine Tretmine, dann macht man hektisch einen Ausfallschritt irgendwohin – nur um nicht reinzutreten und verrenkt sich dabei das Bein oder holt sich einen Hexenschuss. Meist schlägt man sich aber irgendwo die Birne an, oder irgendein anderes Körperteil, im schlimmsten Fall fällt man geradezu mittenrein!
Der Minenleger ist unser alter Kater. Ich kann es ihm nicht verübeln. Er macht es ja nicht extra, - glaube ich zumindest. Er verliert es wohl beim Spaziergang durch die Wohnung und merkt es nicht - oder tut nur so. Und wenn es ihn überkommt, oder besser gesagt HOCHkommt, dann hilft nichts mehr. Wenn er zuviel Gras gefressen hat, ist alles zu spät. Ich weiß noch – schniieeeffff – letztes Jahr hat er MITTEN in meine schönen, kuscheligen, grauen HASENHAUSSCHUHE gekotzt! Das hat er EXTRA gemacht! Wahrscheinlich war er EIFERSÜCHTIG!?
Eigentlich ist er kein Kater. Nein! Er ist ein Dinosaurier im Katzenpelz. Ein Büsisaurus. Oder vielleicht ein außerirdischer Spion? Ich nenne ihn deswegen aber nicht Elvis. Er ist ein Kastrater, ein kastrierter Kater und hat einundzwanzig Lenze auf seinem grauen Buckel.
Früher konnte ich Katzen nicht ausstehen. Ich war Hundefan. Vor 17 Jahren schockierten mich meine Eltern, ich war 13, indem sie mich fragten, was ich lieber hätte – Katze, Hund oder ein Geschwisterchen. Ich jaulte vor Freude und ohne zu zögern - HUUUUNNNDDDTTT!!!! Meine Eltern zogen eine Grimasse und quetschten gleichzeitig ein - „zu spät“ - heraus. Meine Schwester ist jetzt 17.
Als ich meinen Mann kennen lernte und er erwähnte, er habe ein Haustier, jaulte ich vor Freude HUUUUNNNNDDDDTTT!!!! – Was? Wo isn Hund? Achso, nee, ich hab ne Katze zuhause…
Nun, als Dinosaurier geht unser Kater nicht mehr die ganze Nacht raus. Früher kam er nur zum Fressen rein. Inzwischen geht er zwar oft raus, aber nicht für lange. Wenn er raus will, dann kratzt er solange an irgendeiner Tür, bis ihn irgendeiner raus lässt, bzw. wieder rein. Irgendeiner bin meistens ich. Mein Mann sagt: Ach, eine Katzenklappe lohnt sich doch nicht, bei deeem alten Kater. – Das sagt er seit acht Jahren. Wenn es gut läuft, muss ich mich nachts nur fünf Mal aus den Bettlaken wälzen, wenns schlecht läuft, zwanzig Mal: Kater muss aufs Klo, Kater hat Hunger, Kater will was anderes zu fressen, nicht diesen alten, eingetrockneten Fraß, Kater will kein abgestandenes Wasser, Kater will auch kein Wasser aus der Küche, Kater will Wasser aus dem Bad – schmeckt besser, Kater langweilt sich, Kater muss pinkeln - oder neee, doch nicht, Kater will raus, da ist was los, ach neee, falscher Alarm, Kater will eine Sekunde später wieder rein, Kater will spielen, Kater will nicht, dass Dosenöffnerfrauchen schläft, wenn er wach ist, Kater SCHLÄFT, WENN Dosenöffnerfrauchen WACH IST!!!!!
Ich setze mich mit meiner vollen Tasse Kaffee an den Esszimmertisch, finde dort eine Lücke, wo ich die Tasse abstellen kann, falte die Zeitung von gestern auf, da ich es noch nicht bis zum Briefkasten geschafft habe, will mir ein Taschentuch holen, weil morgens meine verkrustete Nase voll Katzenhaar und Hausstaubpartikeln ist und STOßE MIT DEM ELLENBOGEN MEINE HEIßE VOLLE KAFFEETASSE UM; SO DASS SIE SICH MIT DER ÖFFNUNG NACH UNTEN ZWISCHEN TISCHKANTE UND LEHNE DES STUHLS NEBEN MIR VERKANTET!!! Also genauso, wie Männer ihre halbvollen Kaffeetassen in die Spülmaschine stellen. Da sich vor Nachmittag meine Reaktionszeit auf die Schnelligkeit eines Schweizer Eilzugs beschränkt, erfasse ich erst nach endlosen Sekunden, was da gerade passiert. Als ich aus der Starre eines Jagdhundes, der seine Beute entdeckt hat, erwache, kann ich nur noch fassungslos auf den schönen roten Teppich blicken. Oh – nein! Das Polster des Stuhls auch?!
Die braune Brühe, die durch meine Speiseröhre hätte laufen sollen, fließt in die offene Röhre des Stuhlbeins und verteilt sich tropfenweise von der Stuhllehne aus auf dem Teppich. Ich verziehe mein Gesicht und schlurfe mit schweizerischem Zeitgefühl in die Küche um ein Tuch zu holen. Tuch nützt nix – ich werde wütend und zerre die zwei aneinander gestellten Tische und Stühle dahin, wo kein Teppich mehr ist. Ich breite Tücher auf dem Fleck aus und ich meine FLECK – à la ANTARKTIS. Auch unter dem Teppich ist alles nass. Ich bin am Ende und will wieder ins Bett. Ich und Putzen? Und dann noch frühmorgens?! Das kann nicht gut gehen.
Ich frage mich, wie man Kaffeeflecken wieder heraus bekommt? In meinem schlauen Buch steht – Weichen sie den Fleck in lauwarmer Seifenlauge ein und waschen sie ihn dann – HAHA – Klar, ich kann unseren KLITZEKLEINEN Teppich ja locker in Seifenlauge einlegen, indem ich ganz einfach sieben EIMER VOLL mit Seifenlauge darüber kippe und dabei nur das Esszimmer unter Wasser stelle. Übrigens hab ich ja auch eine 100kg Waschtrommel im Keller stehen. Während ich grüble, was ich jetzt machen könnte, höre ich Geräusche, die sich überhaupt nicht gut anhören. OH NEIN – NICHT JETZT! Ich stürme in den Hausgang, suche auf dem Weg Zeitungspapier – aber zu spät – WO ICH JA SCHON AM PUTZEN BIN – NÄ? Wie soll es auch anders sein! Wo kotzt unser Kater IMMER hin? NAAA? Jawollll, immer AUF einen der drei Teppiche, die im Gang liegen, anstatt auf blanken Boden, den man so wunderbar sauber wischen könnte. Unser Mooouuudi denkt sich heute – mooooouh, - diiiiie muss ja heut eh nen Teppich putzen, da kommt es auf einen Weiteren auch nicht an. Der passt sogar in meine Waschmaschine, wenn man ihn denn da waschen könnte…
Vor ZZZZOORRRRRRN schleudere ich mein SCHLAUES BUCH mit voller Wucht auf den Boden, so dass es jetzt aus zwei Teilen besteht. Eine gespaltene Persönlichkeit, nach einem einschneidenden Erlebnis, sozusagen. Der Kater verschluckt vor Schreck seinen Rest Kotze und glotzt mich mit großen Augen an. Mit einem Funken Mitleid graule ich ihm den Kopf und er verkriecht sich beleidigt in seine Katzenhöhle, einen alten Umzugskarton, ausgelegt mit Kissen. Ich laufe unentschlossen hin und her, wie ein Panther im Käfig. Erst als mein Weinkrampf nachgelassen hat, entscheide ich mich für die Kotze.
KATER! Was hast Du da wieder gefressen? Das sieht aber nicht nach Katzenfutter aus der Dose aus. Das hat ja - STREIFEN? Ich halte die Luft an, kneife die Augen zu und verbanne das ganze Zeugs mit einer kompletten Rolle Haushaltspapier und der Mittwochszeitung in eine Cooptüte.
Während der mit Wasser ausgewaschene Teppich vor sich hin trocknet, gehe ich Fleckenspray und Teppichreiniger einkaufen. Und eine Cooptüte. Man weiß ja nie. Was für ein ZUFALL, extra wegen mir sind die Reinigungsmittel im Angebot. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ja sowieso mal wieder Frühjahrsputz angesagt ist. Äh, verdammt! Dann halt Herbstputz.
Später versuche ich zwei Stunden lang die sich festgesetzten Katzenhaare auf und immmm Teppich wegzusaugen und den übrigen Dreck mit dazu. Ich gebe zu, so gründlich hab ich den Teppich - ich weiß nicht mehr - gesaugt. Ich kämpfte auf den Knien mit dem Ding namens Staubsauger, der nicht so saugt, wie ich es gern hätte, wie ein Sumoringer auf der Matte – nur ohne Bauch.
Ok.ok.- ein bisschen meinerseits.
Klammergriff rechts, links Stütze, Kraftanstrengung mit dem Oberkörper
links – rechts – links –rechts-
wie ne elliptische Pendeluhr. Wechsel – Klammergriff links
links – rechts – links – rechts. Und so weiter und wo weiter und irgendwann nix weiter.
Geschafft– Ächzzzzz! Jetzt Fleckenspray!
Schschschssse, was ist den das? Der Teppich wird heller? Überall hellrote Punkte – Punkte – Punkte – unkte – nkte – kte – te - ähhhhh.
MIRJETZTSCHEIßEGAL!! Wird’s halt ein hellroter Teppich. Ich sprüh den ganzen Teppich mit dem Teppichreiniger ein, und unfreiwillig auch noch Teile des Parkettbodens und meine Hausschuhe, lass es einwirken und sauge alles ab. Und siehe da - der Teppich sieht sauber aus. Hellrot, aber sauber! Der Samstag ist allerdings gelaufen. Büsisaurus schaut aus der Höhle heraus und inspiziert die Teppiche.
Wenigstens riecht es noch überall nach Kaffee.