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Frühschicht

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25.04.2020
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Frühschicht

Er hätte es wissen müssen. Etwas war ganz anders als sonst. Und trotzdem machte er sich auf den Weg, wie an jedem anderen Tag. Wäre er doch besser zu Hause geblieben. Vielleicht lag es an seinem dicken Kopf. Sie hatten die Nacht durchgefeiert. Anfänglich sollten es nur ein paar Bier sein. Dann wurden es ein paar mehr, alle waren gut drauf. Und so kam, was kommen musste. Vielleicht war das schon der Moment, wo alles einen anderen Verlauf nahm. Jemand bestellte Tequila. Er hatte sich noch gewehrt, wollte es nicht übertreiben, wollte früh ins Bett. Doch die anderen überredeten ihn, er solle keine Spaßbremse sein. Irgendwann konnte er sich losreißen, die anderen schienen sauer, doch er musste nach Hause. Er hatte schon viel zu viel getrunken. Wäre er doch besser geblieben und in der Kneipe versackt.

Dem Wecker war das alles egal. Punkt fünf Uhr, wie jeden Morgen, klingelte er gnadenlos, kaum drei Stunden, nachdem er ins Bett gegangen war. Mit dickem Kopf stand er auf und torkelte ins Bad. Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen und normalerweise hätte er sich krankgemeldet. Doch er war noch in der Probezeit und bereits zweimal zu spät gekommen. Sein Meister hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass beim nächsten Mal eine Abmahnung fällig wäre und damit die Probezeit abrupt beendet sein würde. Also warf er zwei Kopfschmerztabletten ein und machte sich auf den Weg, immer noch benebelt von dem Alkohol der letzten Nacht.

Ihm dröhnte der Schädel so sehr, dass er kaum etwas von seiner Umwelt wahrnahm. Die Kopfschmerztabletten schienen nicht zu wirken, hätte er doch besser mehr eingeworfen. Aber dafür war es jetzt zu spät, er musste den Tag irgendwie durchstehen. Völlig umnebelt marschierte er zur U-Bahn-Station. Zu seiner Erleichterung war die U-Bahn vergleichsweise leer, er konnte problemlos einen Sitzplatz finden, sogar seinen Lieblingsplatz. Der war immer auf der langen Sitzbank parallel zum Mittelgang des U-Bahn-Waggons, direkt am Rand zu den Eingangstüren. Dort konnte man sich gegen die seitliche Glasscheibe lehnen, wenn man müde war. Und er war müde!

Zwanzig Minuten U-Bahn-Fahrt! Ihm wurde zunehmend schlecht von der vielen Schaukelei. Möglicherweise hatte er noch Alkohol im Magen. Er konnte die Augen nicht schließen, um etwas zu schlafen. Sofort fing alles an, sich zu drehen. Er musste die Augen offen halten und irgendetwas fixieren. Zuerst schaute er geradeaus. Doch der Typ gegenüber fand das gar nicht lustig und starrte ihn ziemlich böse an! Also ließ er seinen Blick zur Seite schweifen und musterte die übrigen Personen in der Bahn.

Dem Typen schräg gegenüber schien es noch schlechter zu gehen als ihm. Der lehnte sich ebenfalls gegen eine Glasscheibe und hatte ständig Aufstoßen. Unter ihm rollte mit jedem Schaukeln der Bahn eine leere Bierflasche hin und her. Womöglich kotzte er gleich auf den Boden. Der Typ am anderen Ende seiner Sitzbank schaute ihn streng an. Zuerst maß er dem keine Bedeutung zu. Auch er schaute die Leute manchmal desinteressiert, vielleicht auch mal kritisch an. Aber der Typ ließ nicht locker. Sein kritischer Blick klebte an ihm wie ein Stück Kaugummi. Er überlegte schon, ob er irgendetwas an sich hatte. Hose oder Jacke falsch angezogen? Flecken auf der Jacken? Farbe im Gesicht? Aber wahrscheinlich war der Typ einfach nur gestört.

Auf der anderen Seite der Eingangstüren war es keinen Deut besser. Der erste sah verwahrloster aus als die Alkoholleiche rechts und der nächste hatte einen Gesichtsausdruck, als wollte er jemanden umbringen. Weil er nicht als erster wegschaute, rief ihm der andere zu: „Hast du ein Problem?“ Augenblicklich richtete er seine Augen auf den Boden vor sich, um bloß keinen Grund für einen Streit zu geben. Trotzdem spürte er, wie ihn der andere weiterhin wütend anschaute, wie ihn alle drei beobachteten. Eiskalt lief es ihm den Rücken runter. Wenn er jetzt etwas Falsches tat, würden die Drei auf ihn losgehen. Und in der Bahn waren kaum Leute, keiner würde ihm helfen. Aber was hatte er denen denn getan? Warum waren die so aggressiv? Er fühlte sich in einen der Filme versetzt, in dem die Leute völlig ohne Grund gewalttätig wurden und hemmungslos Menschen umbrachten. Er musste so schnell wie möglich aus der Bahn. Nervös trippelte er mit dem rechten Fuß. Eine Station vor seinem Zielbahnhof hielt er es nicht mehr aus und sprang, wie von der Tarantel gestochen, aus dem Waggon. Hauptsache raus! Die Typen folgten ihm nicht.

Auf der Treppe nach draußen rempelte ihn niemand an, keiner schlich vor ihm im Schneckentempo die Treppe hoch, keiner kreuzte quer, um ein paar Sekunden schneller bei der Arbeit zu sein, keiner kam auf die Idee, während eine ganze U-Bahn-Ladung von Leuten die Treppe hoch ging, gleichzeitig die Treppe hinunter zu gehen, anstatt einen Moment zu warten. Es war komplett leer, er ging ganz alleine die Treppe hoch. Auf halber Höhe drehte er sich verwundert um und schaute zurück in die U-Bahn-Station. Die gesamte Station war gespenstig leer! Dies war eigentlich die frequentierteste Station, weswegen er lieber eine Station weiter fuhr, auch wenn es dann weiter zur Arbeit war. Irgendwas stimmte hier nicht!

Sein Kopf dröhnte immer noch, die Kopfschmerzen waren kaum besser geworden. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Auslastung der U-Bahn-Station nachzudenken. Und er musste sich beeilen, wenn er keine Abmahnung kassieren wollte. Er nahm die letzten Treppenstufen und rannte zum U-Bahn-Ausgang. Als er durch eine der Ausgangstüren lief, kam ihm jemand entgegen und sie stießen genau im Türrahmen mit den Schultern zusammen. Der andere drehte sich im Weitergehen halb um und rief: „Vollidiot!“ Auf Grund des stechenden Schmerzes in seiner Schulter – der andere war offensichtlich muskulöser als er – und seinem ohnehin stark lädierten Zustand, antwortete er aus einem Reflex heraus: „Arschloch!“ Da blieb der andere stehen, drehte sich um und griff mit der rechten Hand unter seine halboffene Jacke. Trotz seines benebelten Zustands war ihm sofort klar, wonach der andere griff. Und sein Instinkt signalisierte ihm: abhauen! Der Westhafen war keine gute Gegend, hier sollte man sich mit niemanden anlegen.

Er lief so schnell er konnte nach rechts, möglichst schnell aus dem Blickfeld des anderen. An der Ecke bog er ab, auch wenn das nicht der kürzeste Weg zur Arbeit war. Doch in seinem Kopf war das Bild von jemanden, der aus der U-Bahn auf die Straße trat, den Arm hob und auf ihn zielte. Allein dieses Bild versetzte ihn in Panik und er rannte weiter ohne zurückzuschauen, ständig irgendwelche Haken schlagend, um seinem Verfolger keinen freien Blick zu bieten. Erst drei Straßen weiter blieb er stehen und hustete sich die Lunge aus dem Leib. Er brauchte mehrere Minuten, um sich wieder zu beruhigen. Von dem anderen mit dem ausgestreckten Arm war nichts zu sehen.

Als er endlich das Werksgelände erreichte, war er dank seines Sprints ein paar Minuten zu früh. Es würde also keine Abmahnung geben. Allerdings stimmte auch hier irgendetwas nicht. Er hatte zwar den rückwärtigen Eingang zum Werksgelände genommen, aber selbst auf dieser Seite war zu Schichtbeginn mehr los als jetzt. Er öffnete die Tür zur Fabrikhalle und trat in einen dunklen Gang. Alle Lichter waren aus, nur die Notbeleuchtung sorgte für etwas Helligkeit. Vorsichtig ging er den Gang entlang. Normalerweise wäre er rechts in die Umkleide abgebogen, um sich an seinem Spind umzuziehen. Aber die Räume waren dunkel und leer. Hier war niemand. Wie konnte das sein? Es war Donnerstagmorgen und gleich Beginn der Frühschicht. Mit einem sehr mulmigen Gefühl trat er durch die nächste Tür in die Fabrikhalle, in der endlos Leute hin und her laufen und viele Maschinen laut Krach machen müssten. Aber es war niemand da, es gab keinerlei Hämmern, Bohren oder Schleifen. Es war totenstill.

Minutenlang stand er vollständig verwirrt auf dem Fahrweg, wo ihn schon längst ein Gabelstaplerfahrer hätte umfahren müssen, als er plötzlich von hinten angeblafft wurde. Erschrocken drehte er sich um und schaute direkt in das Licht einer Taschenlampe.

„Was machen Sie hier?“, sagte eine Stimme in einem sehr unfreundlichen Ton.

Er hielt sich die Hand vors Gesicht, um nicht geblendet zu werden.

„Los, sagen Sie schon. Was machen Sie hier? Oder ich rufe die Polizei!“

Völlig durcheinander brauchte er einen Moment, um zu antworten, immer noch von der Taschenlampe geblendet.

„Ich will zur Frühschicht.“

„Zur Frühschicht? Heute ist doch Feiertag! Da wird nicht gearbeitet. Entweder Sie verschwinden sofort oder ich rufe die Polizei.“

Verdammt, fuhr es ihm durch den Kopf. Ja, richtig, heute war Feiertag. Wie konnte er das nur vergessen? Deswegen wollten seine Freunde so ausgelassen feiern. Deswegen waren so komische Leute unterwegs – die wollten nicht zur Arbeit, die kamen aus der Kneipe. Oh Mann, wäre er doch besser im Bett geblieben, oder besser noch, in der Kneipe versackt!

 

Hallo @skbussmann,

deine Geschichte war sehr umständlich zu lesen und konnte mich nicht überzeugen. Einerseits fand ich deinen Satzbau nicht optimal und anderseits kam mir die Geschichte überhaupt nicht plausibel vor. Jemand feiert mit seinen Freunden und die sagen ihm nicht, dass morgen Feiertag ist? Ich weiß ja nicht, hat für mich nicht funktioniert.

Hier meine Anmerkungen:

Etwas war ganz anders, ganz anders als sonst.
Die Dopplung von ganz anders, macht es mir als Leser schwierig in einen guten Lesefluss zu kommen. Das zweite ganz anders würde ich streichen.

Und so kam, was kommen musste.
Hier gilt das gleiche wie oben.

Irgendwann konnte er sich losreißen, die anderen schienen sauer, doch er musste, er musste nach Hause.
Hier gilt wieder das gleiche bezogen auf die Dopplung von "er musste". Ich finde das nicht optimal gelöst.

Er hatte schon viel zu viel getrunken.
Jemand, der schon total voll ist, kann sich selbst noch kontrollieren und nach Hause gehen? Na gut, kaufe ich noch gerade so, aber bin schon etwas misstrauisch als Leser.

Wäre er doch besser geblieben und in der Kneipe versackt.
Das hat mich nicht überzeugt. Sollte er sich nicht lieber wünschen, gar nichts getrunken zu haben? Sollte er nicht sauer auf sich selbst sein, weil der Alkohol ihm Kopfschmerzen bereitet?

Sein Meister hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass beim nächsten Mal eine Abmahnung fällig wäre und damit die Probezeit abrupt beendet sein würde.
Das stellt die Dringlichkeit dar, ergibt Sinn für mich als Leser.

Zu seiner Erleichterung war die U-Bahn vergleichsweise leer, er konnte problemlos einen Sitzplatz finden, sogar seinen Lieblingsplatz, auf der langen Sitzbank parallel zum Mittelgang, direkt am Rand zu den Eingangstüren des U-Bahn-Waggons, wo man sich gegen eine Plexiglasscheibe lehnen konnte, wenn man müde war.
Das ist ein sehr langer Satz, den ich zweimal lesen musste. Daraus würde ich lieber kürzere Sätze machen, damit du mir als Leser einen besseren Lesefluss ermöglichst. Finde das so zu kompliziert und verschachtelt.

Er musste so schnell wie möglich aus der Bahn. Nervös trippelte er mit dem rechten Fuß.
Gute Stelle.

„Vollidiot!“ Auf Grund des stechenden Schmerzes in seiner Schulter – der andere war offensichtlich muskulöser als er – und seinem ohnehin stark lädierten Zustand, antwortete er aus einem Reflex heraus: „Arschloch!“ Da blieb der andere stehen, drehte sich um und griff mit der rechten Hand unter seine halboffene Jacke.
Jemand, der total ängstlich ist und panisch aus der U-Bahn flieht, beleidigt einen Wildfremden? Das finde ich absolut nicht plausible. Ich hatte den Protagonisten eher als einen furchtsamen Charakter im Kopf, der sich eher zurückzieht, wenn er in einem lädierten Zustand ist.

„Zur Frühschicht? Heute ist doch Feiertag!
Das hat mir nicht gefallen, kam mir nicht besonders kreativ vor.


Insgesamt sehr ich vor allem Verbesserungspotential in deinem Satzbau. Ich habe mich als Leser mit deinem Text schwer getan. Zudem war die Geschichte an sich, für mich nicht überzeugend. Bin auf eine Überarbeitung gespannt.


Viele Grüße
MRG

 

Hallo @MRG,

danke sehr für Dein Feedback! Das hilft mir sehr, an meinem Schreibstil zu arbeiten.

Ja, ich mag Dopplungen und lange Sätze, aber ich sehe ein, dass ich das nur sehr behutsam einsetzen darf.

Ich muss auch zugeben, dass der Ablauf möglich, aber an bestimmten Stellen nicht schlüssig ist.

Verbesserungspotential in deinem Satzbau
Kannst Du mir noch zwei Beispiele nennen, wo der Satzbau holprig ist?

Grüße
Stefan

 

Guten Morgen @skbussmann,

habe mich da vor allem auf die Dopplungen bezogen, die mich als Leser immer wieder rausgerissen haben. Ich denke, dass sich der Lesefluss erhöht, wenn du die rausnimmst.

Hier die zwei Beispiele zum Satzbau:

Irgendwann konnte er sich losreißen, die anderen schienen sauer, doch er musste, er musste nach Hause.
Ich habe nichts gegen lange Sätze, aber stilistisch hat mich das nicht abgeholt. Du hast dreimal "er" in deinem Satz, zweimal "Musste". Das meinte ich mit Satzbau.

Zu seiner Erleichterung war die U-Bahn vergleichsweise leer, er konnte problemlos einen Sitzplatz finden, sogar seinen Lieblingsplatz, auf der langen Sitzbank parallel zum Mittelgang, direkt am Rand zu den Eingangstüren des U-Bahn-Waggons, wo man sich gegen eine Plexiglasscheibe lehnen konnte, wenn man müde war.
Finde, dass hier zu viele Informationen aneinandergereiht sind. Ich würde den Satzbau hier einfacher halten und ggf. zwei Sätze daraus machen.


Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich deinen Satzbau nicht per se schlecht finde. Mir sind nur die besagten Stellen aufgefallen, die mich aus dem Lesefluss geholt haben. Ich finde durchaus, dass du schreiben kannst.


Viele Grüße
MRG

 

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