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Serie Frühstück in Woodstock

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19.05.2015
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Anmerkungen zum Text

Der dritte Teil der Serie.

Frühstück in Woodstock

Woodstock, Vermont; Vereinigte Staaten
13. April 2020: 13:22 Uhr GMT (Ortszeit 10:22 Uhr)

Matt betrachtet die Baumstämme, auf denen die Tischplatte befestigt ist, streicht über die glattpolierten Wurzelreste. Die Sonne strahlt durch die Äste der Weide hindurch und wirft Schattenmuster auf Pancakes, Rühreier, Speck und auf das selbstgebackene Brot, das Gwendoline heute früh vorbeigebracht hat. Er liebt den Frühstücksduft hier auf dem Land, weil er sich sich mit dem der Wildnis vermischt, der von den Wäldern herüberweht. New York riecht nach Abfall und Staub.

Er hasst es, mit seiner Frau auf dem Land festzusitzen. Grace fällt ihm ein, ihre Haut aus Milch und Honig, der samtschwarze Hintern, die Zärtlichkeit eines Schmetterlings. Er lässt eine Extraportion Ahornsirup auf das Pancake tropfen, schneidet sich ein großes Stück ab, beißt zu. Matt hört, wie seine Frau etwas sagt und reicht ihr den Brotkorb. Sie nimmt sich das letzte Stück.

„Ich schneide gleich noch mehr ab", sagt er.
„Sehr lecker, das Brot.“
„Hätte gar nicht gedacht, dass Gwendoline backen kann.“
„Du hast Vorurteile. Sie versorgt jetzt die Nachbarschaft. “
„Eine Heldin der guten Taten, was? Ich mag sie nicht. Sie sieht wie ein Monster aus.“
„Irgendwann werde ich`s auch mit Botox probieren.“
„Scheiße, nein!“
„Übrigens schneide ich ihr morgen die Haare, hat ja kein Friseur mehr geöffnet.“
„Spinnst du?“
„Ich nehme Handschuhe.“
„Viel Spaß.“
„Den werde ich haben.
„Champagner?“
„Caiprinha!“
„Ich fahre morgen mit Bill zum Gun-Shop.“
„Spinnst du?“
„Man kann nie wissen.“

Evas Blick schweift umher. Sie sitzt dem Haus zugewandt. Säulen stützen die Veranda, das Weiß der Fassaden glänzt. Sie hat immer von einer Vom-Winde-verweht-Villa geträumt. Und von Kindern. Aber man muss Opfer bringen, wenn man zu Wohlstand kommen will. Was wäre, wenn sie wegen einer Schwangerschaft den nächsten Karriereschritt verpasst hätte? Bench-Marketing erfordert volle Hingabe. So ist das! Außerdem hat Matt die Lust verloren und denkt nicht daran Viagra zu nehmen. Wahrscheinlich hält er sich irgendwo ein Flittchen. Scheiß drauf! Er gehört ihr!

„Weißt du, wo meine Sonnenbrille ist?“
„Keine Ahnung, auf der Anrichte liegen welche, such dir eine aus.“
„Die mit den blauen Gläsern fehlt.“
„Wir hätten Lucy mitnehmen sollen.“
„Sie wird zurechtkommen.“
„In Manhattan sterben Menschen.“
„Oh nein, eher in Queens und Brooklyn. Upper East Side nicht. Irgendwer muss die Wohnung und das Büro in Schuss halten.“
„Wir hätten sie krankenversichern sollen.“
„Ach, quatsch. Wirst schon sehen. Geht alles in Ordnung.“
„Trotzdem.“
„Wo sie herkommt, ist man einiges gewöhnt.“
„Weil sie schwarz ist?“
„Nicht deswegen.“
„Was anderes. Hast du?“
„Ja, klar. Puts auf den Dow und NASDAQ. Und zwar rechtzeitig!“
„Wir könnten was spenden.“
„Für welche Organisation?“
„Irgendwas Soziales.“
„Mm, mal sehen. Ich habe schon paar Spendenquittungen.“

Der Cayenne parkt unter dem Carport. Er ist lackiert wie der Himmel in einer klaren Nacht. Matt denkt daran, wie sie ihn wahllos mit ihren Alukoffern beladen haben, bis er randvoll war. Vielleicht kann Lucy die Sonnenbrille herschicken. Er erinnert sich an die Fahrt. Auf dem Highway reihten sich die SUVs aneinander wie an einer Schnur. Der Regen klatschte an die Scheibe. Eva schlief und roch nach Chanel. Nach vier Stunden Fahrt kamen sie in Vermont an. Immerhin wärmten die Ledersitze. Der Hybrid beschleunigt aus dem Stand heraus in kaum 4 Sekunden auf 80 Meilen. Im Kofferraum lässt sich der Inhalt von drei Einkaufswagen mit Vorräten problemlos verstauen, rechnet er sich aus. Er muss dringend einen Termin mit Doktor Rosenbaum vereinbaren, um seinem Therapeuten Antworten zu entlocken. Aber der beantwortet die Mails nicht. Online sollte funktionieren. Nachdem sie die Koffer im Flur abgestellt hatten, fuhren sie zum Supermarkt. Im Safeway trafen sie Sarah und Mike und wären beinahe an ihnen vorbeigelaufen, weil der Laden brechend voll von New Yorkern war. Weil keiner zu spät kommen, die Regale leer vorfinden wollte.

„Wenn wir Lucy herholen, müssten wir nicht selbst kochen und aufräumen.“
„Wir finden hier eine Haushälterin, wart’s ab.“
„Ich bin ja kein Rassistin, aber ich mache mir Sorgen wegen ihrer Hautfarbe.“
„Eine farbige Frau aus Brooklyn. Na und?“
„Hier gibt’s keine wie sie. Bestimmt wird sie sich hier nicht wohlfühlen.“
„Kann sein. Hat sie eigentlich Kinder?“
„Drei!“
„Jesses.“

Eva steht auf, um die Online-Yogastunde nicht zu verpassen und berührt Matts Unterarm im Vorbeigehen für einen Moment.

 

Hi @Ronnie

jetzt hast du leider deinen Kommentar wegeditiert. Schade. Okay, schade auch, dass du nicht mehr geschrieben hast. Aber da ich mir deine Frage gemerkt habe, hier die Antwort.

Was passiert danach?

Eva steht auf, um die Online-Yogastunde nicht zu verpassen
„Ich fahr morgen mit Bill zum Gun-Shop.“
:D

Noch was zum Konzept der Serie: die einzelnen Texte zeigen Momentaufnahmen, spielen zum selben Zeitpunkt in unterschiedlichem Umfeld uns sind mMn in sich abgeschlossen, wenngleich sicher erweiterbar.

Beste Grüße
Isegrims

 

Guten Morgen @Isegrims :-)

ein bemerkenswert kühles, rationales Pärchen. Mir gefällt dein Text; allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass der Text in sich abgeschlossen ist. Du erwähnst ja eine Vielzahl an Personen: Eva und Matt, den "samtschwarzen Hintern" Paulas, Sarah und Mike aus dem Supermarkt, Bill, der mit Matt zum Gun-Shop fährt, Haushälterin Lucy, der Therapeut, der keine E-Mails beantwortet. Ein buntes Potpourri an Persönlichkeiten, denen der Text wenig Zeit lässt. Mich hat die Anzahl der Figuren etwas verwirrt.

Zweitens sind so viele Themen in deinem Text, beginnend mit: Der Bekämpfung einer Pandemie und den Verhaltensweisen. Das schwierige, nicht ganz so zufriedene Verhältnis eines Obermittelstands-Ehepaares an der amerikanischen Ostküste. Nordamerikanische Frühstücksrituale. Rassendiskriminierung, finanzielle Macht, die auf abhängig Angestellte ausgeübt wird. Waffen. Krankenversicherung. Der eigene Wohlstand und das kleine soziale Gewissen, erleichtert durch eine Spendenquittung. Geld für mich oder Geld für andere. Alte Träume von einem "So-will-ich-leben"-Leben, die an der materiellen Wirklichkeit eines potenzschwachen Ehemanns und der kapitalistischen Karriere zerschellen. So verdammt viel - das verdient einen längeren Text, finde ich, andererseits bleibt der Text in einer Serie eingebettet, das relativiert diesen Punkt.

Interessant, wie wenig die Corona-Situation einschließlich den ganzen Instrumenten einer Pandemiebekämpfung das Verhalten von Eva und Matt beeinflussen. Folgendes Bild: Eva und Matt mampfen ihre Pancakes und vor ihnen eröffnet sich eine riesige Panoramafensterscheibe und sie sehen, wie schlimm das alles ist, mit den überlasteten Intensivstationen, den 30 Millionen Arbeitslosen in wenigen Wochen, einem Hin-und-her der staatlichen Organe ... aber ja, sie sind davon nicht wirklich betroffen, außer, dass sie endlich mal kapieren, wie viel Stauraum ihr SUV besitzt. Vielleicht drückt dieses Bild das aus, was du mit deinem Text sagen möchtest: Ein abgekühltes Ehepaar lebt in seiner Blase.

„Ich schneide gleich noch mehr ab", sagt er.
„Sehr lecker, das Brot.“
„Hätte gar nicht gedacht, dass Gwendoline backen kann.“
„Du hast Vorurteile. Sie versorgt jetzt die Nachbarschaft. “
„Eine Heldin der guten Taten, was? Ich mag sie nicht. Sie sieht wie ein Monster aus.“
„Irgendwann werde ich`s auch mit Botox probieren.“
„Scheiße, nein!“
„Übrigens schneide ich ihr morgen die Haare, hat ja kein Friseur mehr geöffnet.“
„Spinnst du?“
„Ich nehme Handschuhe.“
„Viel Spaß.“
„Den werde ich haben.
„Champagner?“
„Caiprinha!“
„Ich fahre morgen mit Bill zum Gun-Shop.“
„Spinnst du?“
„Man kann nie wissen.“

Oher, harmonisches nordamerikanischen Frühstück (sehr stimmungsvoll, die Eingangsszene) sieht aber anders aus. Stellvertreterstreit über Gwendoline, ist das nicht der Klassiker sozialer Konflikte - du bist langweilig, du wirst alt und hässlich, aber das wäre unhöflich, dir das ins Gesicht zu sagen, also sucht sich der Konflikt irgendein Detail des Alltags, hier Gwendoline.


Evas Blick schweift umher. Sie sitzt dem Haus zugewandt. Säulen stützen die Veranda, das Weiß der Fassaden glänzt. Sie hat immer von einer Vom-Wind-verweht-Villa geträumt. Und von Kindern. Man muss Opfer bringen, wenn man zu Wohlstand kommen will. Was wäre, wenn sie wegen einer Schwangerschaft den nächsten Karriereschritt verpassen würde? Bench-Marketing erfordert volle Hingabe. So ist das! Außerdem hat Matt die Lust verloren und denkt nicht daran Viagra zu nehmen. Wahrscheinlich hält er sich irgendwo ein Flittchen. Scheiß drauf! Er gehört ihr!

Der Abschnitt steigt in Evas Gedanken ein. Meiner Meinung nach kann das ruhig länger, ruhig persönlicher beschrieben werden. Bench-Marketing, das ist volle Hingabe! Über-Leistung! Termindruck! Disziplin, vier tiefe Atemzüge, drei kurze, vier tiefe, drei kurze, Briefing bis 14 Uhr 35. Sensibles Entscheiden, wer "bcc" und wer "cc" und wer gar nicht in die Empfängerzeile gesetzt wird. Karrieren, die hängen genau daran, am bcc und am cc, am gar nicht, wer wo wie in der inoffiziellen Hierarchie steckt, der Hierarchie des Stühlerückens in der Cafeteria, der Hierarchie hinter den Plasteschildern des Büroflures, siebter Stock, Gang Ost ... okay, jetzt spinne ich ein bisschen. In dem Abschnitt sah ich eine Linie zu Lucy, die ja drei Kinder besitzt, aber in der Gesellschaftspyramide eher am Fundament kriecht.

„Wo sie herkommt, ist man einiges gewöhnt.“
„Weil sie schwarz ist?“
„Nicht deswegen.“
„Was anderes. Hast du?“

Nein, natürlich nicht. "Was anderes", aber ich frage nicht nach, denn ich bin kein Rassist, nein, es muss etwas anderes sein, vielleicht ein Kindheitstrauma. Ein solcher Dialog lebt ja von den Zwischenräumen, von dem Ablenken, das ist hier schön gemacht.

Im Kofferraum läßt sich der Inhalt von drei Einkaufswagen mit Vorräten problemlos verstauen, rechnet er sich aus. Er muss dringend einen Termin mit Rosenbaum vereinbaren, um seinem Therapeuten Antworten zu entlocken. Aber der beantwortet die Mails nicht. Online sollte funktionieren. Nachdem sie die Koffer im Flur abgestellt hatten, fuhren sie zum Supermarkt. Im Safeway trafen sie Sarah und Mike und wären beinahe an ihnen vorbeigelaufen, weil der Laden brechend voll von New Yorkern war. Weil keiner zu spät kommen, die Regale leer vorfinden wollte.

Eva und Matt wirken auf mich, als sei der "Hamsterkauf" etwas sehr normales, alltäglich. Sie können ja weiter ihre Pancakes futtern, dann rechnen sie Stauraum aus, naja, dann fährt man eben etwas weiter über das blanke Neuengland. So in die Richtung. Hamsterkauf und Ahornsirup, selbe emotionale Ebene für die beiden.

„Hier gibt’s keine wie sie. Bestimmt würde sie sich hier nicht wohlfühlen.“
„Kann sein“
„Hat sie eigentlich Kinder.“
„Drei!“
„Jesses.“

Seltsam oder? Sie wissen nichts über Lucy: Sie haben nie gefragt, ob sie Kinder hat, glauben aber ihr Gefühl von Zufriedenheit einschätzen zu können, aber auch das ist nur ein Vorwand, eine Ausrede: Ich will sie hier nicht haben - also münze ich das um ins Soziale, ins Empathische, sie will das bestimmt nicht, die Landluft tut ihr bestimmt nicht gut. An solchen Stellen @Isegrims finde ich deine Schreibe und dein Text am stärksten ... über Matt und Eva hätte ich gerne mehr erfahren. Aber das ist subjektiv.

Eva steht auf, um die Online-Yogastunde nicht zu verpassen und berührt Matts Unterarm im Vorbeigehen für einen Moment.

Naja, wenn er kein Viagra nimmt, verdient er ja auch keine Berührungen - zynisch gedacht.

***

Lieber @Isegrims, mir hat dein Text gut gefallen, aber rein subjektiv interessierte mich die Beziehung zwischen Eva und Matt am meisten, die große Unzufriedenheit über das festgesteckte Leben und das Selbstbelügen, die Weltbilder und Ansichten.

So, das war's

lg
kiroly

 

Lieber @kiroly

ich könnte jetzt ungefähr alle deine Anmerkungen zitieren. Werde ich auch, weil du den Text so präzise beschreibst und interpretierst. Und dadurch ein erweitertes Verständnis des eigenen Textes erst ermöglichst.
Vielen Dank! Das finde ich sehr hilfreich!

ein bemerkenswert kühles, rationales Pärchen. Mir gefällt dein Text; allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass der Text in sich abgeschlossen ist.
mit diesen Figuren bin ich natürlich am Rande des Sozialklischees. Andererseits: Pärchen wie das Beschriebene gibt es eben zuhauf. Zumal innerhalb der New Yorker Upper Class.

Ein buntes Potpourri an Persönlichkeiten, denen der Text wenig Zeit lässt. Mich hat die Anzahl der Figuren etwas verwirrt.
ich weiß schon, dass die Figuren dicht gedrängt stehen und der kurze Text auch der Beginn eines viel längeren sein könnte, den Raum eröffnet, von dem aus sich auch ein Roman schreiben ließe.

So verdammt viel - das verdient einen längeren Text, finde ich, andererseits bleibt der Text in einer Serie eingebettet, das relativiert diesen Punkt.
siehe letzte Anmerkung. Mir war's aber innerhalb der Serie wichtig Momentaufnahmen zu liefern. Deshalb spielen die Geschichten der Serie zwar zum selben Zeitpunkt, aber an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Milieus

Eva und Matt mampfen ihre Pancakes und vor ihnen eröffnet sich eine riesige Panoramafensterscheibe und sie sehen, wie schlimm das alles ist, mit den überlasteten Intensivstationen, den 30 Millionen Arbeitslosen in wenigen Wochen, einem Hin-und-her der staatlichen Organe ... aber ja, sie sind davon nicht wirklich betroffen, außer, dass sie endlich mal kapieren, wie viel Stauraum ihr SUV besitzt.
Problem erkannt, Problem gelöst. Dafür hat man das Refugium auf dem Land. Alles andere stört nur die Bequemlichkeiten.

Vielleicht drückt dieses Bild das aus, was du mit deinem Text sagen möchtest: Ein abgekühltes Ehepaar lebt in seiner Blase.
die zeigen sich von alleine, sind ja kaum betroffen

Stellvertreterstreit über Gwendoline, ist das nicht der Klassiker sozialer Konflikte -
:D

Sensibles Entscheiden, wer "bcc" und wer "cc" und wer gar nicht in die Empfängerzeile gesetzt wird. Karrieren, die hängen genau daran, am bcc und am cc, am gar nicht, wer wo wie in der inoffiziellen Hierarchie steckt, der Hierarchie des Stühlerückens in der Cafeteria, der Hierarchie hinter den Plasteschildern des Büroflures, siebter Stock, Gang Ost ...
zumal Eva eben auch eine Frau ist, unabhängig von Matt Karriere machen will

So in die Richtung. Hamsterkauf und Ahornsirup, selbe emotionale Ebene für die beiden.
wehe, wenn die Ahornsirupflaschen nicht mehr im Regal verfügbar sind...

Ich will sie hier nicht haben - also münze ich das um ins Soziale, ins Empathische, sie will das bestimmt nicht, die Landluft tut ihr bestimmt nicht gut. An solchen Stellen @Isegrims finde ich deine Schreibe und dein Text am stärksten ... über Matt und Eva hätte ich gerne mehr erfahren.
genau so funktioniert doch der alltägliche unterschwellige Rassismus

aber rein subjektiv interessierte mich die Beziehung zwischen Eva und Matt am meisten, die große Unzufriedenheit über das festgesteckte Leben und das Selbstbelügen, die Weltbilder und Ansichten.
stimmt schon, ausgehend von ihnen könnte man eine Menge erzählen und wer weiß...

viele Grüße aus dem der Taunusklause, dem Woodstock des Rhein-Main-Gebiets
Isegrims

 

„Ich fahre morgen mit Bill zum Gun-Shop.“
„Spinnst du?“
„Man kann nie wissen.“

Kann es sein, dass Dein Konzept,

bester Isegrims,

Anregung in Thornton Wilders “Grover‘s Corners“ gefunden hat, zumindest gehabt haben kann und das Konzept unserer kleinen Stadt zu einer „Welt Coronas“ auswachsen kann. Quasi ein „zigfach Brot für die Welt“, was natürlich für einen, der um die Ungleichzeitigkeiten hi hochtechnisiert und eine Gesellschaft der Singularitäten (nicht unbedingt der Individualisten)
und dort, mitten in den Lungen fürs Weltklima, indigene Kollektive noch am Rande der Steinzeit, von denen allein die San („Buschmänner“) in der modernen Gesellschaft angekommen sind und doch ihre alte Kultur des Jägers und Sammlers pflegen und sogar zum Geschäftsmodell entwickelt haben.

Puh, @kiroly s Kom ist umwerfend!, was für ein Gewinn hierorts!, aber sind noch ein paar Flüschen:

Matt betrachtet die Baumstämme, auf denen die Tischplatte befestigt wurde, …
Gelegentlich stolpert die Zeitenfolge, wobei ein schlichtes „ist“ für die Tischplatte ja einige Zeit gültig sein wird ...

Sie hat immer von einer Vom-Wind-verweht-Villa geträumt.
gone with the wind, keineswegs eine fehlerhafte Übersetzung, aber die dt. Original-Übersetzung zum Film ist „vom Winde verweht“

Im Kofferraum läßt sich der Inhalt von drei Einkaufswagen mit Vorräten problemlos verstauen,…
ist mir vorhin schon in Paris aufgefallen – wie kommt das?

„Ich bin ja kein Rassist, aber ich mache mir Sorgen wegen ihrer Hau[t]farbe.“

„Hier gibt’s keine wie sie. Bestimmt würde sie sich hier nicht wohlfühlen.“
Warum „bestimmt“ und doch Konj. II „würde“?, wenn das schlichte Futur schon unbestimmt sein kann wie das Verb können?

„Kann sein[.]“

So, genug für heute geplaudert vom

Friedel,
der noch einen schönen Sonntag wünscht!

 
Zuletzt bearbeitet:

Starker Text, lieber @Isegrims,

Er liebt den Frühstücksduft, der sich mit dem Geruch der Wildnis vermischt, die von den Wäldern herüber weht. New York riecht nach Abfall und Staub.
Er hasst es, mit seiner Frau auf dem Land festzusitzen.
herüberweht. Gute Einführung der Figur, er liebt den Geruch der Wildnis, wie einen Schluck Champagner, mehr nicht, denn alles außerhalb der Blase wird konsumiert, ohne nach innen zu dringen.

Paula fällt ihm ein, ihre Gazellenfigur
Eine Gazelle an sich ist nicht erotisch, sondern nur das, was an Konnotation dranhängt. Dennoch rutscht das an mir ab. Was soll das sagen? Schlank wie eine Gazelle? Ich weiß nicht.

Matt hört, wie seine Frau etwas sagt und reicht ihr den Brotkorb.
Bezeichnend. Langjährige Ehe, er hört ihr nicht mehr zu, muss er auch nicht, denn er weiß aus Erfahrung, was sie will.

„Ich nehme Handschuhe.“
Auch schön, der Ekel vor allem, was nicht zu einem selbst gehört, was anders ist.

„Ich fahre morgen mit Bill zum Gun-Shop.“
Auch das, mal nebenbei ne Knarre kaufen für den Fall der Fälle, Im Sinne von Selbstverteidigung des eigenen Status Quo, falls jemand lästig wird.

Außerdem hat Matt die Lust verloren und denkt nicht daran Viagra zu nehmen. Wahrscheinlich hält er sich irgendwo ein Flittchen. Scheiß drauf! Er gehört ihr!
Genau, es geht nicht um Gefühle, es geht um Status, um Besitz, darum, es geschafft zu haben, oben auf der Welle zu bleiben.

„Wir hätten sie krankenversichern sollen.“
„Ach, quatsch. Wirst schon sehen. Geht alles in Ordnung.“
Und wenn nicht, auch egal, kommt die nächste, Hauptsache Wohnung und Büro sind immer schön sauber.

„Wo sie herkommt, ist man einiges gewöhnt.“
„Weil sie schwarz ist?“
„Nicht deswegen.“
Natürlich nicht, Rassismus passt nicht zu uns, ist nicht en vogue. Ich muss ja nicht wissen, was unten ist, wenn ich drauftrete, um nach oben zu kommen.

„Wir könnten was spenden.“
„Für welche Organisation?“
„Irgendwas Soziales.“
„Mm, mal sehen. Ich habe schon paar Spendenquittungen.“
Genau, nur spenden, wenn es absetzbar ist, wieder ein nüchternes Geldding, eine gekaufte Gewissenserleichterung, die refinanziert wird.

weil der Laden brechend voll von New Yorkern war. Weil keiner zu spät kommen, die Regale leer vorfinden wollte.
Die Börsenelite reagiert auch nur mit Schwarminstinkten und überfällt das Land wie eine Heuschreckenplage, weil sich gerne gleich zu gleich gesellt, the place to be.

„Wenn wir Lucy herholen, müssten wir nicht selbst kochen und aufräumen.“
„Wir finden hier eine Haushälterin, wart’s ab.“
„Ich bin ja kein Rassist, aber ich mache mir Sorgen wegen ihrer Haufarbe.“
„Eine farbige Frau aus Brooklyn. Na und?“
„Hier gibt’s keine wie sie. Bestimmt würde sie sich hier nicht wohlfühlen.“
„Kann sein“
„Hat sie eigentlich Kinder.“
„Drei!“
„Jesses.“
Das greifst du sehr gut, diesen unterschwelligen Cocktail aus Rassismus, Chauvinismus und Ignoranz.

Eva steht auf, um die Online-Yogastunde nicht zu verpassen und berührt Matts Unterarm im Vorbeigehen für einen Moment.
Kommt bei mir nicht als Anteilnahme an, sondern wie eine Rückversicherung des Besitzes, als würde sie über die Haube vom auf Hochglanz polierten Cayenne streichen.

Peace, ltf.

 

Schlaflos in Zeiten des Stillstands :hmm:

Lieber @Friedrichard

vielen Dank für die Feinarbeit, die Anregungen und deine Zeit.

Anregung in Thornton Wilders “Grover‘s Corners“ gefunden hat, zumindest gehabt haben kann und das Konzept unserer kleinen Stadt zu einer „Welt Coronas“ auswachsen kann. Quasi ein „zigfach Brot für die Welt“, was natürlich für einen, der um die Ungleichzeitigkeiten hi hochtechnisiert und eine Gesellschaft der Singularitäten (nicht unbedingt der Individualisten)
Ich kenne das Stück, lange her, dass ich es im Theater (Stuttgart?) gesehen habe. Woraus man eine Idee schöpft, kann ich nicht sagen. Was ich aber weiß: es bilden sich in diesen Zeiten Exklaven, die den Schein von Sicherheit versprechen. Viele Menschen haben Fluchtreflexe ins Idyll.

und dort, mitten in den Lungen fürs Weltklima, indigene Kollektive noch am Rande der Steinzeit, von denen allein die San („Buschmänner“) in der modernen Gesellschaft angekommen sind und doch ihre alte Kultur des Jägers und Sammlers pflegen und sogar zum Geschäftsmodell entwickelt haben.
mm, den Zusammenhang verstehe ich nur teilweise. Spannend wär's schon, mitten im Idyll eine weitere abgeschlossene Gesellschaft zu finden. Das Matroschka-Prinzip eben.

so, und jetzt mal bisschen schlafen und was träumen
Isegrims

 

Lieber @linktofink

dein Kommentar finde ich ermutigend: die Idee schein aufzugehen, trotz der Dichte des Textes und dem wenigen Raum, den ich zur Entfaltung der Figuren habe. Manches ist natürlich nah am Klischee, muss aber auch, weil sich Menschen eben verhalten, wie sie sich verhalten.

Starker Text, lieber @Isegrims,
:Pfeif: dankeschön

Eine Gazelle an sich ist nicht erotisch, sondern nur das, was an Konnotation dranhängt. Dennoch rutscht das an mir ab. Was soll das sagen? Schlank wie eine Gazelle? Ich weiß nicht.
ja, die Stelle ist ein wenig nichtssagend, deshalb habe ich sie folgendermaßen geändert:

Paula fällt ihm ein, ihre Haut aus Milch und Honig, der samtschwarze Hintern, die Zärtlichkeit eines Schmetterlings.

Auch das, mal nebenbei ne Knarre kaufen für den Fall der Fälle, Im Sinne von Selbstverteidigung des eigenen Status Quo, falls jemand lästig wird.
habe ich übrigens recherchiert: leere Regale in den Waffenläden.

Und wenn nicht, auch egal, kommt die nächste, Hauptsache Wohnung und Büro sind immer schön sauber.
klassische Haltung der Upper Class

Natürlich nicht, Rassismus passt nicht zu uns, ist nicht en vogue.
Rassismus gehört zumindest zum verbotenen Bereich, liegt außerhalb der frames, die im öffentlichen Diskurs geäußert werden dürfen, also muss man verschleiert ausdrücken.

Die Börsenelite reagiert auch nur mit Schwarminstinkten und überfällt das Land wie eine Heuschreckenplage, weil sich gerne gleich zu gleich gesellt, the place to be.
ist so, war in New York so.

viele Grüße aus der Vorsommerabendstimmung
Isegrims

 

Gewitter, statt praller Sonne, also habe ich den zweiten Teil der Serie eingelesen: Video-Version im Comic-Style :D

 

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