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02.06.2001
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Fragen

Der Feuervogel sank ein letztes Mal in sein Nest hernieder. Sein Atem rasselte wie jener so mancher Tiere, die er gejagt hatte. Instinktiv wusste er, dass es an der Zeit war, in den Kreislauf des Lebens einzutreten. Sein scharfer Blick wanderte über die endlosen Weiten der Bergwelt, dann hinauf zum Himmel, wo er so viele Jahre König von eigenen Gnaden gewesen war, schlussendlich hinab ins Tal.
Er fühlte seine Kräfte schwinden. Instinktiv wusste er, dass er sie bündeln musste, wollte er sein eigenes Schicksal erfüllen. Langsam begann er, seine Flügel zu schwingen. Dann immer schneller, bis die Reste seiner letzten Beute in einem Luftwirbel aufstoben. Sein Schrei rollte wie das Donnern eines Gewitters über die Gipfel, bis weit ins Tal hinein.
Und endlich lösten sich die ersten Federn aus seinem Federkleid. Der Feuervogel spürte die Hitze des Feuers, das er entfacht hatte, und darob geriet er in neue Raserei. Er schwang seine Flügel bis er entkräftet zusammen brach. Das Feuer loderte höher und höher und verschlang den einstigen Herrscher des Himmels binnen weniger Minuten. Einige Federn fielen zu ebener Erde, wo sie von eifrigen Kindern aufgelesen und stolz zu Hause präsentiert wurden.
Und die Alten würden zu ihren Enkeln sagen: „Er wird wieder auferstehen, mächtiger und anmutiger denn je. So macht er das seit Jahrhunderten, der Feuervogel.“
Ehrfürchtig würden die Kinder nicken und im Frühjahr den erhabenen Flug des neuen Feuervogels bestaunen. Und ihre Worte an ihre Kinder weitergeben.


Es gibt Antworten, deren Fragen niemals gestellt wurden. Und dann gibt es Fragen, deren Beantwortung sich der Vorstellungskraft entziehen. Der schöpferische Geist des Universums stellt uns manchmal vor die Wahl, zu verzweifeln, oder das Unmögliche als möglich zu akzeptieren.
Was mich betrifft, so bin ich weder dem einen, noch dem anderen zugetan. Welches selbst erwählte Schicksal meinen Freund Bill McGrath widerfuhr, kann ich weder überzeugend darlegen, noch beweisen. Es gibt Anhaltspunkte die dafür sprechen, dass er Opfer seines eigenen Intellekts wurde. Doch hierzu an späterer Stelle.
Ich bin gerne bereit einzugestehen, dass diese Freundschaft auf dem Fundament einer üblen Emotion errichtet war: Mitleid. Ja, ich brachte ihm tiefes Mitleid entgegen, und selbst so Ihnen nichts von Bills Kindheit bekannt ist, werden Sie Verständnis dafür haben müssen.
Bill war ein kleiner, schwächlicher Junge, dessen Schöpfer es wahrlich nicht gut mit ihm gemeint hatte. Ungezählte Male konnte er am Unterricht jener Gesamtschule, die wir besuchten, nicht oder lediglich unter der traumatischen Hypnose peinsamer Schmerzen teilnehmen. Und immer wieder erzählte er dieselben Lügen, denen fast jeder Glauben schenkte, da das Eingeständnis an die Manifestation des trivialen Bösen spärlich gesät war. Zu den Wenigen, die die Wahrheit kannten - oder sollte ich besser sagen, zu erkennen bereit waren - zählte auch ich. Die Jungs, die ihn regelmäßig verprügelten, die Treppe, die er hinunterfiel, das Ballspiel, bei dem er sich verletzt hatte, all dies waren Scheinwahrheiten.
Kann man es Bill denn wirklich verdenken, dass er zu verbittert war, von seinem dunklen, übermächtigen Schatten zu berichten? Irgendwann, als er älter wurde, nahm das Übel an Intensität ab, und irgendwann, als er stärker und selbstbewusster geworden war, fiel der Schatten von ihm ab, als Cane McGrath sein Leben in einem Bett der Notaufnahme ausspie.
Bill weigerte sich, dem Sterbenden beizustehen, was sein Ansehen im Kreise der Anverwandten irreparabel ramponierte. Der Tag seiner eigenen Beisetzung verlief einsamer als jener seines bösen Schattens. Bestimmt langweile ich Sie mit meinen Ausführungen, doch sind diese unabkömmlich, wenn sie Bill verstehen lernen wollen.
Bar jeglicher Zuneigung war die Kälte seines Herzens ihm zu vertraut, als dass er sie von sich zu reißen vermocht hätte. Am stärksten flößte ihm die Vorstellung Angst ein, es seinem Vater gleichzutun und seinen Dämonen dank Aggressionen Herr zu worden. Niemals sah ich Bill an einem alkoholischen Getränk auch nur nippen. Selbst der scharfe Odem von Whiskey war ihm verhasst.
Beruhigung verschaffte ihm das Halten einer Zigarette; das Einsaugen ihrer Dämpfe; die hauchzarte Hülle ihres entflammenden Sterbens. Der Tod, jener für gewöhnlich von Party-Konversation peinsam ausgesparte Bereich, war sein bevorzugtes Gesprächsthema, weshalb er rasch - den Kinderschuhen und dem naiven Glauben an die positive Wertigkeit der eigenen Existenz mit beängstigender Gründlichkeit entwachsen - dem Ruf des verschrobenen und meidenswerten Sonderlings nacheilte.
"Das Leben ist ein Witz ohne Pointe", pflegte er oft zu erklären. Und das Nicken, das Gemurmel, das errötende "Ja-ja" bestätigte ihn in seinem wenig schmeichelhaften Rufe des Außenseiters. Gemieden wurde er wie ein pestkranker Aussätziger.
Eine Welt des Glanzes und Glitzerns, der Fassade und der Täuschung, der Verschlagenheit und der Heuchelei, solch eine Welt umgibt sich nicht gerne mit Menschen, die nichts zu gewinnen, und noch viel weniger zu verlieren haben, als ihr Leben.
Mich in den Rang des besten Freundes eines Toten zu erheben, fiele mir nicht im Traum, und schon gar nicht im Alptraum der Tage und Wochen nach seinem Ableben ein. Kann es wahr sein, dass wir noch vor einem Monat leidenschaftslose Diskussionen über Leben, Tod, und dem Bereich dessen, was dazwischen sich dürftig entfaltet, führten?
Fern liegt es mir, einem Toten böse Worte nachzutragen, weshalb ich mir Ihr Verständnis erhoffe, wenn ich sage, dass Gespräche mit Bill merkwürdig rational und kalt waren. Da gab es kein Feuer, das in ihm loderte, und keine Möglichkeit, ihn aus dem Refugium eines selbst gewählten Daseins voll quälender Schuldbefangenheit zu locken.
"Die Maschine in mir ist stark, aber nicht stark genug, mich endlich zu befreien", sagte er des öfteren, und wenn er es sagte, schauderte ich, ob der absoluten und endgültigen Hoffnungslosigkeit, die den Geist eines 16jährigen erfüllt hatte. Nichts Schlechtes war in ihm, dessen er sich hätte schämen müssen.
Ich möchte nunmehr der Tatsache Ausdruck verleihen, dass Bill nicht verrückt war. Im Gegenteil: Er war der vernünftigste Mensch, dessen Bekanntschaft ich jemals zu machen die unzweifelhafte Ehre hatte. Weder vergoss ich am Tage seiner leiblichen Rückführung in den Schoß der Schöpfungsmaschine eine Träne, noch suchte ich seither seine Grabesstätte ein weiteres Mal auf.
Dennoch empfand ich höchsten Respekt vor seinem Intellekt und seiner Ratio. Ich denke, es ist an der Zeit, jenen schicksalhaften Tag zu erwähnen, welcher mich ein allerletztes Mal mit Bill und seinen Ansichten konfrontierte. Es war der Tag vor seinem rätselhaften Tod.
An Bill fiel mir damals eine unvermutete Gelassenheit auf, die sich in seinem stark eingeschränkten Tabakkonsum zeigte, und weiters, in einer gelösten Stimmung. die völlig uncharakteristisch für sein Wesen war. In verblüffend leichtem Plauderton unterhielt er sich mit mir, und das, obgleich meist eine finstere Wehmut in seinen Worten mitschwang.
Gewiss, ein fremder Besucher hätte diese Beobachtung nicht geteilt. Wahrscheinlich wäre dieser fiktive Anwesende nach wenigen Minuten zu dem Schluss gelangt, dass Bill eine psychisch unausgeglichene Person sei. Aber mir, der ich mit ihm seit Jahren bestens vertraut war, mir, der ich ihn trotz - oder wegen - seiner offensichtlichen Andersartigkeit akzeptierte, war mehr als nur vage bewusst, dass ich mit einem Bill sprach, welcher sich um Nuancen von jenem Bill unterschied, den zu verstehen ich mich stets mit wechselndem Erfolg bemühte.
"Das Hauptproblem mit uns Menschen ist, dass wir viel zu viele Gefühle in uns tragen. Einige dieser Gefühle sind uns gegeben, um uns selbst, und damit unsere Art am Leben zu halten. Doch die meisten Emotionen, die uns wie biologische Roboter steuern, sind unnütz geworden, ja, falsch und gefährlich."
"Was könnte verkehrt daran sein, Angst zu empfinden? Angst ist unsere stärkste und wichtigste Emotion, unser Lebenselixier, unsere Kraftquelle", warf ich ein und Bill nickte bestätigend.
"Womit du recht hast. Aber ich verwehre mich nicht der Angst, sondern der mir sonderbar erscheinenden Bezeugung emotionaler Zustände. Meist gründen diese doch auf Heuchelei. Hätte ich das Verblassen meines dunklen Schattens etwa beweinen sollen? In den verengten Blickwinkeln jener, die mir im Blute nahe stehen, ja. Aber es wäre mir unmöglich gewesen, ihm auch nur Mitleid seines Schicksals wegen entgegenzubringen. Würde es nicht ausreichend sein, lediglich Wärme und Kälte zu verspüren? Weshalb verwehren wir uns nicht dem Diktat unserer Evolution? Oft genug hat die Menschheit bewiesen, dass sie hinreichend stark ist, die ihr auferlegten Fesseln zu sprengen. Nunmehr ist die Zeit gekommen, erneut das Phantastische zu realisieren, welches da wäre, das Joch der unnötigen Gefühle abzuschütteln. Erst dann könnten wir uns aufmachen, den Kosmos und seine Endgültigkeit verstehen zu lernen."
Bills größtes Anliegen war die Unablässigkeit eines stetigen technischen und naturwissenschaftlichen Fortschritts. Versuchte er, seine Vergangenheit mit einer aus seinem Blickwinkel besseren Zukunft zu kompensieren, oder sogar zu verdrängen? Ich bin der Überzeugung, dies bejahen zu können, ohne die Wahrheit außer Acht zu lassen.
"Wir sind Gefangene eines unsinnigen Zeitkonstrukts", setzte Bill fort, wobei ich dieses wissende Glitzern in seinen Augen bemerkte, welches von ausgefeilten Gedankengängen Kunde ablegte. "Immerzu führen wir einen Kampf gegen die Minuten und Stunden, welche uns jeglicher Freiheit berauben. Wären wir geprägt von perfektem Denken, wurden wir stillschweigend unsere Arbeitsprozesse erledigen, ohne die entgangene Zeit zu betrauern."
Mit ‚perfektem Denken’ schnitt Bill seine lieb gewonnene Vision einer neuen Ära der Mensch-Maschine an.
"Wir würden eine uns gestellte Aufgabe sofort erledigen und erlägen niemals der Verlockung, diese auf ein unbestimmtes 'Später' zu verschieben. Verstehst du, John? Ich spreche von optimaler Lebenseinteilung."
Bedächtig nickte ich und wandte meinen Blick gen Himmel zu, welcher von einer Fensterscheibe auf ein kleines Rechteck begrenzt wurde.
"Im Reich der Sterne gibt es keine Zeit", meinte ich, hingerissen von der strahlenden Schönheit, die mit nichts mir Bekanntem zu vergleichen ist.
"So etwas Abstraktes wie Zeit gibt es nicht, denn was könnte dem Kosmos vorausgegangen sein? Kann etwas ohne Nichts existieren? Kann etwas aus nichts resultieren? Ich weiß, das ist eine lächerlich simple Frage, aber diese will mir seit den Tagen meiner Kindheit nicht aus dem Kopf: Was war, bevor es etwas, irgendetwas gab? Der Weltenschöpfer? Wie kann es ihn gegeben haben, ehe es etwas gab, das er erschaffen konnte? Ich sage dir, der unbestreitbare Beweis dafür, dass es keine Zeit, nur eine immerwährende Ewigkeit der Materie gibt, ist folgender Gedanke: Geburt und Tod sind Spiegelbilder des jeweils Entgegengesetzten. Die Geburt pflanzt den Keim des Todes in die Materie, und der Tod ist die einzige Hoffnung auf eine neue Geburt. Ende ist Neubeginn, und Neubeginn ist Ende. Dies gilt für jedwede Materienform. Der neugeborene Stern trägt den Plan der Selbstzerstörung in sich. Unbegreiflich ist mir, wie Menschen verzweifelt ihre jämmerlichen Leben zu erhalten suchen, ist unser aller Tod doch nur logisch und höchst sinnvoll."
"Unbestreitbar. Aber ist es nicht im selben Maße logisch, diesem Leben, das ohnedies kurz währt, eine Sinnhaftigkeit zu verleihen, welche die Tatsache des Todes erträglich gestaltet? Ich bin nicht gewillt, mein Leben dem Unausweichlichen als Opfer darzubieten."
Die Unterhaltung geriet an diesem Punkt in dunkles Kielwasser. Wie könnte ich meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass Bill das Gespräch in harmlosere Gefilde steuerte, obgleich die Wertigkeit des Lebens sein bevorzugtes Thema einer Diskussion darstellte? Aber Minuten bevor ich aufbrach, mich nach Hause zu begeben, ließ Bill eine Nebenbemerkung in unser jugendhaft dummes Geschwätz einfließen, deren Tragweite ich damals nicht erkannte.
"Hast du schon einmal ernsthaft darüber nachgedacht, was das menschliche Bewusstsein ausmacht? Woraus es sich ableitet? Die Frage ist doch: Ist dieses Bewusstsein in den menschlichen Genen programmiert, entsteht es als mentales Hologramm unseres Intellekts, oder ist es einfach vorhanden, unabhängig von materiellen, in unserem Falle also körperlichen Voraussetzungen?"
"Wobei nur letzteres die Annahme von der Existenz einer Seele plausibel rechtfertigen würde", gab ich zu bedenken.
"Ja. Jedenfalls wenn meine Überlegungen nicht grundsätzlich falsch sind. Der Gedanke nimmt also Gestalt an und das Bewusstsein trennt sich von seinem körperlichen Gefängnis. Vielleicht bedarf es hierzu nur der Willenskraft. Und der Tod ist der Schlüssel zur Freiheit."
Bills Tod ist Faktum. Ein Faktum, das denen, die ihn nicht als Freund, sondern als merkwürdigen Menschen kannten, egal ist.
Menschen sind gefallsüchtig, und ich bilde hierbei keine rühmliche Ausnahme. In den Tagen und Wochen danach musste ich der Versuchung Widerstand leisten, mir selbst zu suggerieren, Bill sei unrettbar verloren gewesen. Andererseits würde ich es nicht wagen, das Gegenteil dessen in den Stand einer absolut gültigen Wahrheit zu erheben.
Zurück blieb eine Amphore voller Fragen, die niemals beantwortet werden können.
Ist das der Sinn des Lebens? Einem Füllhorn an Fragen gegenüberstehen, ohne Möglichkeit der Beantwortung? Wüsste man um das Geheimnis des Todes, würde das Leben sinnentleert und schal sein, einerlei, ob der Tod ein Neubeginn, oder das endgültige Ende ist.
Und macht dies nicht den Reiz unserer Existenzen aus? Was gäbe es noch zu entdecken, zu lernen, zu erforschen, wenn wir die Weit nicht mehr als das sähen, was sie ist: Ein Ort des Staunens, eine unerschöpfliche Quelle des Durstes nach Wissen, eine wunderbare Spielwiese, auf welcher wir wie kleine Kinder umherstreifen, um in Erfahrung zu bringen, was dieser magische Ort uns bieten kann.
In gewisser Weise ist das Leben pure Magie.
Seien Sie bedankt für Ihre Geduld des Zuhörens. Ich fürchte, meine Schlussfolgerungen werden Sie unbefriedigt zurücklassen; aber irgendwo muss ein Anfang, ebenso wie ein Ende anstehen. Eine Geschichte beginnt an einem Punkt und endet an einem anderen. Tatsächlich jedoch ist eine Geschichte zwangsläufig ein begrenzter Abriss der Wirklichkeit: Es gibt keinen Anfang, der unumstößlich den Beginn kennzeichnet. Jeder Anfang ist lediglich ein Anhaltspunkt, welchen man zur Orientierung benötigt. Ergo ist der Finalsatz einer Geschichte der Beginn einer neuen Episode der Wirklichkeit.
'Keine Tränen, aber viele Fragen', wäre einer jener Sätze, die diese Geschichte beschließen könnten.
Und wahrhaftig lehrt uns die Vergangenheit: Keine Tränen, aber viele, unsagbar viele Fragen.

 

Hallo Rainer,

Bill McGrath hätte seine Freude an der nüchternen und emotionslosen Darstellung gehabt. Du gehst gekonnt mit Wörtern und Satzstellungen um und verlierst dich mE in einem theoretischen Konstrukt an Fragen, die ja letztlich auch das Thema der Geschichte sind.
Oft ist es so, dass man dem Unfassbaren mit Theorien begegnet, dass man es über sie für sich greifbar machen möchte. Da frage ich mich, ob es nicht besser ist, ihm entgegen Bills Theorie mit Emotionen zu begegnen, Schmerz zuzulassen und ihn in der einzig unbeantworteten Frage "Warum" herauszuschreien.
Du selbst bezeichnest die Gedanken an einer Stelle als "jugendhaft dummes Geschwätz" und um ehrlich zu sein, lange habe ich deine Geschichte als solches empfunden. Die Gedankengebäude erschweren das Lesen, rauben oft die Konzentration und viele Sätze musste ich mehrmals wiederholen, um ihrer Herr zu werden. Das liest sich interessant, aber auch ein wenig aufgebläht und stellenweise für mich als weniger philosophisch veranlagten Menschen leider auch langweilig.
Ich weiß nicht, ob du mit diesem Loblied auf den Intellekt eine klammheimliche Ode an die Emotionen verfassen wolltest. Ich jedenfalls habe deine Geschichte so verstanden, weshalb sie mir schlussendlich auch gefiel.

Einige zaghafte Detailanmerkungen:

Welches selbst erwählte Schicksal meinen Freund Bill McGrath widerfuhr, kann ich nicht überzeugend darlegen, noch beweisen.
irgendwie lese ich an dieser Stelle automatisch "weder überzeugend darlegen, noch beweisen"
Könntest du also auch schreiben. ;)
Am stärksten flößte ihm die Vorstellung Angst ein, es seinem Vater gleichzutun und seinen Dämonen dank Aggressionen Herr zu worden.
Bei einem Virtuosen, wie dir bin ic h an solchen Stellen ja immer unsicher, aber müsste es nicht "seiner Dämonen" heißen?
Fern liegt es mir, einem Toten böse Wort« nachzutragen
Ich nehme an, wenn du dir die Stelle noch mal anschaust, merkst du besser, was da nicht stimmt, als ich.
"So etwas Abstraktes wie Zeit gibt es nicht, denn was konnte dem Kosmos vorausgegangen sein?
Mich verunsichert das "konnte". Eventuell "könnte"
deren Tragweihe ich damals nicht erkannte.
Hier bin ich mir aber sicher, dass es "Tragweite" heißen muss. :)
Bills Tod ist Faktum. Ein Faktum, das denen, die ihn nicht als Freund, sondern als merkwürdigen Menschen kannten, egal war.
egal war? Ist es das jetzt nicht mehr? Das letzte Wort bezieht sich mE auf "ist Faktum" und müsste entsprechend in die Gegenwart.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
meiner Meinung nach gibt es zwei Herangehensweisen an die ewigen Fragen des Lebens: Entweder wählt man den Intellekt oder seine "Gefühle". Ich versuchte hier, auf die Diskrepanz beider Wege einzugehen. Dass daraus keine locker-flockige Unterhaltungsgeschichte wurde, versteht sich von selbst.
Einer Wertung, ob die kühle Ratio oder das Herz dem Menschen besser stehen, entziehe ich mich lieber.
Ich danke dir auf jeden Fall fürs Lesen und die Anmerkungen. :)

 

Lieber Rainer!

Hier noch einmal alles Gute zum Geburtstag! :)

Also, wenn ich den vorangestellten Feuervogel-Text mit der eigentlichen Geschichte in Zusammenhang zu bringen versuche, dann kommt mir der Gedanke, daß wohl Bills Geist bereits im Erzähler wieder auferstanden ist. Jetzt ist es der Erzähler, der so emotionslos spricht und den diese Fragen beschäftigen. »So macht er das seit Jahrhunderten, der Feuervogel…« ;)

Den Einstieg fand ich etwas schwerfällig, da könntest Du vielleicht noch ein wenig komprimieren, aber im Großen und Ganzen hat mir die Geschichte eigentlich recht gut gefallen. Ich mag ja Deinen Stil und drum stört es mich auch nicht, wenn die Handlung mal weniger mitreißend ist. Müssen ja nicht immer gleich Berufskiller oder Bankräuber vorkommen. :D Und die Fragen wird wohl wirklich keiner beantworten können. Aber das ist auch ganz gut so, schließlich sind wir dafür da, im Jetzt zu leben, und nicht dafür, zu ergründen, was vor uns da war. Nur was wir, wie wir den nächsten Generationen die Erde hinterlassen, sollte uns kümmern, aber leider kümmert gerade das die wenigsten.

Ein paar Anmerkungen noch:

»Sein Atem rasselte wie jener so mancher Tiere, die er gejagt hatte.«
– Da im selben Absatz noch so ein so vorkommt, würd ich das hier streichen.

»bis die Reste seiner letzten Beute in einem Luftwirbel aufstoben. Sein Schrei rollte wie das Donnern eines Gewitters über die Gipfel, bis weit ins Tal hinein.«
– zweimal »bis«, Vorschlag: über die Gipfel und weit ins Tal hinein

»Und endlich lösten sich die ersten Federn aus seinem Federkleid.«
– Hier würd ich das »Und« nicht nur wegen meinem Vorschlag eben streichen, sondern auch, weil Du kurz danach noch zwei Sätze mit »Und« beginnst.

»Einige Federn fielen zu ebener Erde,«
– »zu ebener Erde« gefällt mir hier nicht sonderlich, ich verbinde das irgendwie mehr mit Gebäuden, bin mir aber nicht so sicher.

»Zu den Wenigen, die die Wahrheit kannten«
– den wenigen, die

»Der Tod, jener für gewöhnlich von Party-Konversation peinsam ausgesparte Bereich,«
– »für gewöhnlich« erfordert meiner Meinung nach die Mehrzahl: Party-Konversationen

»leidenschaftslose Diskussionen über Leben, Tod, und dem Bereich dessen, was dazwischen«
– und den Bereich

»schauderte ich, ob der absoluten und endgültigen Hoffnungslosigkeit, die den Geist eines 16jährigen erfüllt hatte.«
– wäre für »des« statt »eines«, weil es direkter ist: den Geist des Sechzehnjährigen erfüllt

»An Bill fiel mir damals eine unvermutete Gelassenheit auf, die sich in seinem stark eingeschränkten Tabakkonsum zeigte,«
– »unvermutete« ist ungefähr so gut, als würdest Du »seltsame« schreiben, vielleicht einfach »fiel mir damals diese Gelassenheit auf«, da Du sie ja anschließend ohnehin beschreibst, wozu also extra ein Adjektiv, wenn gar keins gebraucht wird?

»in einer gelösten Stimmung. die völlig uncharakteristisch für sein Wesen«
– der Punkt sollte wohl ein Beistrich werden

»"Womit du recht hast.«
Recht – Würde es aber schöner finden, wenn er ihm nicht so direkt Recht gäbe, sondern zum Beispiel »So kann man es auch sehen« oder was ähnliches sagt, aber das ist natürlich Geschmacksache. ;)

»Bills größtes Anliegen war die Unablässigkeit eines stetigen technischen und naturwissenschaftlichen Fortschritts.«
– Laut Neududendeutsch ist »stetig« zwar nicht falsch, aber besser zu Deinem Ausdruck würde das ältere »eines steten« (ohne -ig-) passen.

»Kann etwas ohne Nichts existieren?«
– »ohne Nichts« gibt es nicht, es müßte heißen »im Nichts« oder »ohne etwas (anderes)«, und wenn Du die Formulierung trotzdem läßt, gehört das »nichts« klein.

»Einem Füllhorn an Fragen gegenüberstehen,«
– gegenüberzustehen

»Was gäbe es noch zu entdecken, zu lernen, zu erforschen, wenn wir die Weit nicht mehr als das sähen,«
– die Welt

So, fertig. :)

Alles Liebe,
Susi :)

 

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