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Freiheitsrauschen

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15.05.2002
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Freiheitsrauschen

Der Strand floss unendlich an der Küste des großen Ozeans entlang. Er war eine schmale Sichel goldweißen Sandes, der nun in den Strahlen der rot glühenden Abendsonne glitzerte.
Ich ging hier, am Rande dieser großen, ewig wogenden Weite entlang. Unter meinen bloßen Sohlen prickelten die feinen Sandkörnchen, verirrten sich gelegentlich unter die Zehennägel, wo sie dann leicht, aber nicht unangenehm drückten.
Meine Schritte etwas weiter zum leise rauschenden Wasser lenkend, begradigte ich meine Richtung erst wieder, als flache Wellen meine Füße umstrudelten. Die Kälte tat gut und ließ mich im ersten Moment sacht erschaudern. Mein Blick hob sich in die Sphären jenseits dieser Welt und folgte einen stillen Moment der Form einiger dünner, lang gezogener Wolkenfetzen. Der Mond stand blass und groß daneben.
Ich genoss das Gefühl der unendlich scheinenden Ferne, welche sich um mich herum ausbreitete. Übermütig ließ ich meine Arme nach oben schnellen und dann während meines gemächlichen Dahinschreitens wieder frei an meinen Hüften weiterbaumeln.
Das war Freiheit. Seinen Weg in die Richtung zu lenken die einem die Nase und seine Wünsche wiesen. Tief sog ich die salzig-herbe Seeluft in meine Lungen. Meine Brust spannte sich unter dem dünnen Sommerhemd, das ich trug – die Muskeln waren ein Überbleibsel einer Zeit, welche einem anderen Leben, einem anderen, unvorsichtigerem Menschen als jetzt, angehörte.
Ich spürte, wie meine Mundwinkel sich beim Gedanken an die Gesichter der Eltern des Mädchens, an dessem Mord ich angeklagt und wieder freigesprochen worden war, nach oben zogen. Seine Mutter hatte bleich und mit zitterndem Kopf dagesessen und kein Wort über die Lippen gebracht, als der Richter die honigsüßen, freiheitsbringenden Worte aussprach. - Ha, ha ha! Wie ihr Mann gebrüllt und seine fetten Wangen aufgeplustert hatte. Sinnlose Drohungen auszustoßen und wie ein fettes Schwein zu schwitzen waren die einzige Form gewesen, seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Wenn ich so darüber nachdachte, hätte mir seine Frau auch ganz gut gefallen. Vielleicht zwanzig Jahre weniger, so im Alter ihrer niedlichen Tochter und sie hätte mir wohl genauso viel Freude bereitet, wie das zierliche blonde Mädchen, das nun bedauerlicherweise auf irgendeinem Friedhof verscharrt lag. Ich durfte dabei auch nicht immer gar so aggressiv sein. Sie alle waren so empfindlich, so zart, dass sie meine ‚Behandlung’ immer nur kurze Zeit miterlebten. Ich schaute auf meine schmalen Hände hinab. Sie waren besudelt gewesen an jenem Abend, als es wieder einmal ... passiert war. Der winzige blasse Körper hatte vor dem Bett gelegen, in welchem er kurz zuvor noch so äußerst lebendig gestrampelt hatte. Ich glaube, das Menschlein war noch am Leben, aber es interessierte mich nicht. Es war alles so abgelaufen, wie bei den ungezählten Malen zuvor. Die Reste wurden danach an einem sicheren Platz entsorgt und ich lebte mein kleines beschauliches Leben weiter fort.
Das Schicksal musste sich jedoch aus irgendeiner Laune heraus gesagt haben: “Bring doch mal etwas Pep in sein Dasein!“, und ließ irgend so einen alten Trottel geraume Zeit später eben über jene spezielle ‚Deponie’ stolpern. Sofort war ein riesiger Aufstand wegen dieser paar Knochen vom Zaun gebrochen und eine besonders raffinierte Spürnase von Ermittler kam dann durch irgendwelche Indizienbeweise und Zeugenaussagen letztlich auf meine Spur. - Mein Grinsen, welches schon während des gesamten Gedankengangs mein Gesicht verziert hatte, wurde noch etwas breiter. - Aber es hatte nicht gereicht. Sie mussten mich nach einer unangenehm langen Untersuchungshaft und einer sinnlosen Verhandlung wieder in die köstliche Freiheit hinaus stoßen.
Ich horchte auf. Irgendwo auf den Dünen hatte eine Möwe geschrieen. - Das einzige Geräusch neben dem sonoren Rauschen der Brandung, wie mir auffiel.
Die Vergangenheit musste ruhen. Ewig ruhen. - Ich feixte. - Innerlich bereitete ich mich schon wieder auf den morgigen Tag und insbesondere auf die laaange anschließende Nacht vor, die folgen sollte. Ich befeuchtete meine spröden Lippen. ‚Blonder kleiner Spatz, kommst in meine kosenden Arme geflogen.’, pfiff ich eine selbst erdachtes Liedchen vor mich hin. Mein Weg würde noch weit sein und viele Freuden harrten an dessem Rand unbewusst meiner Präsens.
Knallend und mit dem Geschmack nach Eisen schloss sich der schwarze Vorhang.

 

Hallo Marcus,

den Anfang deiner Geschichte finde ich toll! Du vermittelst damit einen wunderschönen Eindruck von Lebenslust und - ja, Freiheit. Das ist dir wirklich gut gelungen.
Die schönen bildlichen Beschreibungen behältst du auch bei. Allerdings finde ich, dass du bei der Tatbeschreibung sehr schnell und viele Informationen berichtest, die in ihrer Masse eher wirken, wie eine Reportage. Hier hätte ich es schön gefunden, wenn du die Gefühle oder die Wahrnehmung des Mörders noch ein wenig genauer beschrieben hättest. Was genau hat ihn zum Morden getrieben? Was denkt er genau von dem Ermittler, dem Staatsanwalt?...
Dein Stil gefällt mir aber sehr gut.

Liebe Grüße, Sonja!

 

Ich kann mich dem Kommentar von Sonja nur anschließen. Sprachlich gibt es bei dir wahrhaftig nichts zu bemängeln. Schön locker, flockig geschrieben. Mit deinem Talent Sachen zu beschreiben, hast du die Atmosphäre super eingefangen, vor allem die Anfangssequenz mit dem STrand und dem Sand, hat mich das Freiheitsgefühl vom Erzähler fühlen und spüren lassen.

Aber einen Kritikpunkt gibt es. Sowie Sonja schon geschrieben hat, läßt dein Text mehr Fragen offen, als beantwortet werden. Wieso hat er diesen Killerinstinkt? Warum wurde er freigesprochen?

mfg stille Feder

 

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