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Fremde Empfängnis

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19.03.2003
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Fremde Empfängnis

Fremde Empfängnis (1. Version)
zur zweiten Version geht es hier
Es fing wunderschön an. Alles war perfekt. Das Kleid war ein weißer Traum aus Tüll und Seide. Der Bräutigam, ein rechter Traumprinz in seiner Marineuniform.
Seine Kameraden standen Spalier vor der Kirche. Ein dicker Tampen versperrte dem Brautpaar den Weg in den Ehehafen. Mühsam versuchten sie, den Strang mit einem Taschenmesser zu durchtrennen. Glückliche Gesichter, überall, festgehalten auf Hochglanzfotos, die ein Album füllen.

Meine Finger durchblättern Erinnerungen, mein Versuch herauszufinden, ob das, was ich tat, ein Vorzeichen hatte.

Ich betrachte uns auf den nachfolgenden Seiten, meist einzeln abgelichtet, selten zusammen, nur dann, wenn ein freundlicher Tourist sich bereit erklärte:
Der kleine Japaner, der uns in der Schweiz für Einheimische hielt, weil wir im Mai den Titlis nicht wie die anderen mit Sandalen bestiegen hatten, schnitt unsere Köpfe ab. Doch ich vergegenwärtige mir: Unsere Haare lang und ungepflegt, die Kleidung zünftig, die Bergschuhe neu.
Wir waren ein Abgleich des Anderen.
Unsere Hochzeitsreise war eine Fahrt mit dem Glacier Express.
Der blaue Himmel, die strahlende Sonne, die Gipfel im gleißenden Sonnenlicht.
Alles Vorboten einer strahlenden Zukunft.
Zuhause unser Nest, liebevoll von uns eingerichtet, dort schmiedeten wir unsere Zukunft.

Ein kleiner Schatten trübte unsere Aussichten. Peter würde oft auf See sein.
Aber das kümmerte mich nicht, weil Liebe bekanntlich Brücken schlägt, auch über weite Entfernungen.
Wie naiv ich war, wie wenig ich mich doch kannte.
Das Leben pulsierte und drängte mich hinaus. Peter war fern und ich wollte nicht gebändigt sein.
Was dachte ich mir dabei, als ich tanzen ging? Peter war fort, vertraute mir.
Es war alles so harmlos. Oder?
Es war ein Spiel mit dem Feuer.


Diese eine Nacht, in der ich spät nach Hause fand, war sie wirklich geschehen?


Es hatte nicht lange gedauert, bis ich an die Reihe kam, obwohl das Wartezimmer brechend voll gewesen war. Ich versuchte, mein Herzklopfen zu ignorieren.
Eine höfliche Helferin hatte mich in das Sprechzimmer geleitet. Ich saß vor einem breiten Eichenschreibtisch, auf dessen Platte sich Karteikarten, Merkzettel, Broschüren und Post türmte. Ein silbergerahmtes Foto zeigte zwei blonde Mädchen mit Zahnspangenlächeln.
Ich musste weiterhin warten. Währenddessen hörte ich eine tiefe Stimme aus dem Raum nebenan.
Vereinzelte Wortfetzen drangen zu mir herüber. Ich erschrak und dachte:
„Wenn ich alles hören konnte, dann konnte mein Geheimnis die Tür ebenso durchdringen.“
Diese Aussicht verstärkte mein Unbehagen, aber ich traute mich nicht, fort zu gehen. Ich hatte keine Wahl. Ein Stuhl rückte und einen Augenblick später kam der Arzt durch die gepolsterte Doppeltür.
„Guten Tag, junge Frau, was kann ich für Sie tun?“ Seine Stimme war sehr tief und durchdringend. Diese Stimme konnte nicht gedämpft werden, schoss es mir durch den Kopf.
Er war sehr schlank, fast hager. Er war groß. Sein Rücken war gebeugt, als ob er sich wegen seiner Größe bücken müsste. Oder erdrückten ihn die Lebensbeichten, die ihm die Frauen anvertrauten? Sein Haar war schütter. Seine schwarzen Augen funkelten mich an.
„Ich bin schwanger.“ Endlich war es raus.
„Das ist zunächst ein Grund zur Freude, oder?“ Forschend betrachtete er mein Gesicht. Ich nickte heftig, um keine Zweifel daran aufkommen zu lassen.
„Haben Sie einen Test gemacht?“
„Ja, gestern. Ich bin seit sechs Wochen überfällig. Zuerst hielt ich es für eine Unpässlichkeit, aber morgens wird mir übel und meine Brüste schmerzen.“
Sollte ich ihm sagen, dass es nicht sein durfte? Eine weitere Lebensbeichte, damit ich es leichter ertragen konnte, auf sein ehrliches Haupt werfen?
„Gut, zunächst werde ich Sie untersuchen. Sie können sich dort entkleiden.“
Ich zog mich in der engen Kabine aus. Es war seltsam, von der Taille abwärts nackt zu sein. Ich fühlte mich bloßgestellt, als sähe man mir an, wie verwerflich ich bin.
Nach einem kurzen Klopfen öffnete sich die andere Tür der Doppelkabine. Die Arzthelferin bat mich, auf dem Frauenstuhl Platz zu nehmen. Unbeholfen erklomm ich dieses Ungetüm. Der Arzt streifte sich Einweghandschuhe über.
Ich war verspannt und es tat mir weh. Ich wünschte, alles wäre nur ein Albtraum, aus dem ich gleich erwachte. Hatte ich noch Hoffnung, dass alles ein Irrtum war?
„Sehen Sie?“ Die tiefe Stimme des Frauenarztes holte mich ein. Er hatte das Licht abgedunkelt, damit ich auf dem schwarzen Bildschirm etwas erkennen sollte.
Angestrengt schaute ich auf den Monitor und versuchte mir ein Bild von dem zu machen, was er mir erzählte. Es gelang mir nicht, seine Worte über Fruchtblase...Dottersack...heller Punkt... Herz... zusammenhängend zu erfassen.
Er bemerkte meine Beklommenheit, hielt inne. Ahnte er etwas? Nein, sicher nicht, denn er strahlte, als wäre er der Vater. Dann fuhr er fort.
„Herzlichen Glückwunsch. Es ist alles so, wie es sich gehört. Sie können sich anziehen. Wir machen noch ein paar Tests im Labor, aber das ist nur die übliche Vorsorge. Kein Grund zur Beunruhigung.“

Die Arzthelferin drückte mich auf einen Stuhl, rammte mir eine Nadel in die Armvene und zog mehrere Spritzen mit meinem Blut auf. Warum tat sie mir weh? Kannte sie die Wahrheit? Ich sah, wie sie die dunkelrot schimmernden Kolben etikettierte und in einen Sammelbehälter legte. Ebenso emsig maß sie meinen Blutdruck. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
Sie trug den Wert in eine Karte ein. Stellte er sie zufrieden, oder warum lächelte sie so?
„Können Sie?“ Sie reichte mir einen weißen Plastikbecher und wies mit ihrem Kinn verschwörerisch nach rechts.
Auf der Toilette bemühte ich mich, nicht auf meine Hände, sondern in den Becher zu pinkeln.
Verlegen hielt ich den warmen Becher in meinen kalten Händen, weil ich nicht wusste wohin damit. Ich traute mich nicht hinaus zu der ehrlichen weißen Arbeitsbiene, die mir schließlich meinen Urin mit den Worten abnahm. „War es der Mittelstrahl?“
Ich krächzte ein Ja, nur um davonzukommen.
Ich empfing meinen Mutterpass und einen kleinen Zettel, auf dem der nächste Termin stand. Ich verstaute alles in den Untiefen meines Rucksackes.
Planlos lief ich durch die Straßen. Die kühle Morgenluft fächelte meine erhitzten Wangen. Als ich an einer Ladenzeile vorbeikam, sog ich den Duft von frischen Brötchen ein. Schlagartig wurde mir übel. Vergeblich wünschte ich, mich erbrechen zu können, damit es mir besser ginge. Zitternd stand ich an der Hauswand und wartete ab, dass die Welle des Unwohlseins abebbte. Mach es ungeschehen, noch ist es möglich, hetzten meine Gedanken. Und was ist, wenn es doch seins ist? Konnte ich unser Kind töten?
Irgendwann blieb ich vor einem Schaufenster stehen und betrachtete die Auslagen.
Es war die Kollektion für den Sommer. Figurbetonte leichte Kleider schmeichelten den Anziehpuppen. Plötzlich fiel es mir ein, was ich hatte fragen wollen.
„Wann kommt es?“

Sollte ich weiter schweigen, es vertuschen, schönfärben?
Das Kind, zu wem wird es Vater sagen?
Werden seine Bilder in unserem Album kleben?
Was werde ich fühlen, wenn die Ähnlichkeit mit dem Vater festgestellt wird?
Schuld? Erleichterung?
Hat irgendwer die fremde Empfängnis bemerkt?

Peter und ich sitzen in unserem Wohnzimmer. Ich habe Kerzen angezündet.
In der Küche schmurgelt es verheißungsvoll. Im Hintergrund spielt Musik.
Peters Gesicht, fragend als er mich und das Album sieht. Ich zeige ihm, was ich eingeklebt habe. Zuerst versteht er es nicht. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht.
Ich schließe das Album. Ich habe mich entschieden.
Auf dem letzten Blatt klebt ein schwarzes Bild mit einem hellen Punkt.
Peter nimmt mich in die Arme, flüstert ergriffen in mein Ohr: „Unser Pünktchen, Susanne ich liebe dich.“

 

Hallo Goldene Dame,

ich hoffe, dass ich deine Geschichte richtig verstanden habe. Dadurch, dass die Tochter einen Mann der bei der Marine war, geheiratet hat, entnehme ich der Geschichte, dass sie das Kind eines Anderen ausgetragen hat. Der Mann hat es also als sein eigenes gehalten.
Eine wunderschön beschriebene Geschichte. Ich konnte mit der schwangeren Frau mitfühlen, diese Ängste wie wohl ihr Mann darauf reagieren würde, oder ob man diese Situation nicht geheimhalten könnte.
Du hast die Gedanken dieser bemitleidenswerten Frau sehr gut geschildert.

Einen schönen Abend wünscht dir

Morpheus

 

Etwas rätsele ich noch am Schluss: letztes Blatt im bereits geschlossenen Fotoalbum, schwarzes Bild mit hellem Punkt?
Ultraschallbild?

 
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Hallo zusammen,

Hallo Morpheus,
ich wünsche dir einen ebenso schönen Tag,
du hast die Geschichte mit einer Ausnahme richtig verstanden ,denn die schwangere Frau, nicht ihre Mutter, ist die Erzählerin

Ich konnte mit der schwangeren Frau mitfühlen, diese Ängste wie wohl ihr Mann darauf reagieren würde, oder ob man diese Situation nicht geheim halten könnte.
Danke, das ist erfreuliches Lob, dass es mir gelungen ist, ihren Zwiespalt nachfühlen zu lassen
Du hast die Gedanken dieser bemitleidenswerten Frau sehr gut geschildert.
Es ist großzügig von dir, dass du diese Frau bemitleidest, aber dieser Verrat, den sie an ihren Mann begangen hat, ist er verzeihbar?

In gespannter Erwartung deiner Antwort
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame!

Ein gelungener Text. Sprachlich sicher geschrieben, inhaltlich mitnehmend und anchdenklich machend.
Ich denke, dass sie sich wohl nach viele Jahre mit negativen Gefühlen rumplagen wird, vor allem, wenn er auf das Kind so positiv reagirt. Ihre Gefühlswelt bringst Du dem Leser sehr gut rüber.
Ein absolut gelungener Text, da holpert nichts!

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Goldene Dame

also ich denke, in anbetracht dessen, dass wohl einige Eier in fremden Nestern großgezogen werden. Von denen nur die Mutter weiß, dass es Fremdküken sind.
In jedem Fall ist es wohl die Entscheidung der Mutter, ob die Liebe zu dem nicht gezeugten Vater, so groß ist, das Risiko des Verrates einzugehen.
Wenn ich in diesem Fall entscheiden müsste, und meinen Ehepartner nicht verlieren wollte, würde ich dasselbe tun.
Es können auch durch solche Entscheidungen, solange sie geheim bleiben, schöne Familien-und Lebensgeschichten gelebt werden.

Einen wunderschönen Schneetag wünscht dir

Morpheus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maus,
Vielen Dank für die anerkennenden Worte zu meiner Geschichte.

Ich denke, dass sie sich wohl nach viele Jahre mit negativen Gefühlen rumplagen wird
Ja, ich denke auch. Sie wird ständig Angst vor Entdeckung haben müssen.

Vielleicht war ihre Entscheidung, zu schweigen daher nicht richtig, oder?

Liebe Grüße
Petra

Es können auch durch solche Entscheidungen, solange sie geheim bleiben, schöne Familien-und Lebensgeschichten gelebt werden.
Morpheus, in de Tat wird das sicherlich oft genug vorkommen, die Bürde der Schuld wird meiner Meinung nach nicht kleiner, wenn die Zeit verstreicht.
Was ist, wenn nach 10 Jahren alles herauskommt. Das Band zwischen Vater und Tochter tief und innig ist....
Liebe Grüße und danke nochmals für deine Stellungnahme
Goldene Dame
PS Leider hat es geregnet

 

Hallo Goldene Dame,
ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen. Deine Prot befindet sich in einer ganz schönen Zwickmühle. Da sie das Ultraschallfoto in das Familienalbum eingeklebt hat, kann man wohl davon ausgehen, dass sie das Kind nicht abtreiben wird. Aber ich denke auch, dass es sie sehr viel Kraft kosten wird, mit dieser Lüge zu leben. Auch stellt sich die Frage, ob nicht das Kind das Recht hat, irgendwann einmal zu erfahren, wer sein richtiger Vater war.
LG
Blanca :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Blanca,
Ich freue mich, dass meine Geschichte deinen Beifall gefunden hat.

Natürlich hat das Kind ein Recht die Wahrheit zu erfahren.
Jedermann sollte ehrlich mit seinen Mitmenschen umgehen, insbesondere mit denen, die man liebt.


Danke fürs Lesen und noch ein schönen Abend
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

gut gefallen hat mir die kontrastierende parallele Darstellung der ärztlichen Routine und der nicht den üblichen Vorstellungen entsprechenden Entwicklung der Gefühlswelt der Schwangeren.
Während alles auf den Weg gebracht wird, um das Kind zu versorgen (Mutterpaß, Folsäure), begibt sich die Frau auf den Weg schädlicher Vorwürfe und Zweifel. Der Mann in seiner Ahnungslosigkeit wird zum Problem- wäre es nicht leichter etwas zu offenbaren, wenn er nicht so erfreut wäre?


Zitat:
Was werde ich fühlen, wenn die Ähnlichkeit mit dem Vater festgestellt wird?

Dieser Satz bringt den Konflikt der Frau sehr gut auf den Punkt: Egal, was sie fühlt- es wird immer das Falsche, das Verlogene sein.

Eine gelungene, sehr subtile Darstellung von Untreue.

LG,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,
Danke fürs lesen und kommentieren.

gut gefallen hat mir die kontrastierende parallele Darstellung der ärztlichen Routine und der nicht den üblichen Vorstellungen entsprechenden Entwicklung der Gefühlswelt der Schwangeren.

Gerade dieser Abschnitt war auch der Schwerste, da ich mich erst mal in die mit Schuld beladene Prot. einfühlen musste.
Offentsichtlich ist es mir gelungen. :)
Eine gelungene, sehr subtile Darstellung von Untreue.

Wenn du subtil,:D im Sinne von fein, zart, sorgsam meinst, freue ich mich über das Lob sehr.

Goldene Dame :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Geschichte wurde von mir überarbeitet. Konstruktive Kritik ist willkommen :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Fremde Empfängnis

Es fing wunderschön an. Alles war perfekt. Das Kleid war ein weißer Traum aus Tüll und Seide. Der Bräutigam, ein rechter Traumprinz in seiner Marineuniform.
Seine Kameraden standen Spalier vor der Kirche. Ein dicker Tampen versperrte dem Brautpaar den Weg in den Ehehafen. Mühsam versuchten sie, den Strang mit einem Taschenmesser zu durchtrennen. Glückliche Gesichter, überall, festgehalten auf Hochglanzfotos, die ein Album füllen.

Meine Finger durchblättern Erinnerungen, mein Versuch herauszufinden, ob das, was ich tat, ein Vorzeichen hatte.

Ich betrachte uns auf den nachfolgenden Seiten, meist einzeln abgelichtet, selten zusammen, nur dann, wenn ein freundlicher Tourist sich bereit erklärte:
Der kleine Japaner, der uns in der Schweiz für Einheimische hielt, weil wir im Mai den Titlis nicht wie die anderen mit Sandalen bestiegen hatten, schnitt unsere Köpfe ab. Doch ich vergegenwärtige mir: Unsere Haare lang und ungepflegt, die Kleidung zünftig, die Bergschuhe neu.
Wir waren ein Abgleich des Anderen.
Unsere Hochzeitsreise war eine Fahrt mit dem Glacier Express.
Der blaue Himmel, die strahlende Sonne, die Gipfel im gleißenden Sonnenlicht.
Alles Vorboten einer strahlenden Zukunft.
Zuhause unser Nest, liebevoll von uns eingerichtet, dort schmiedeten wir unsere Zukunft.

Ein kleiner Schatten trübte unsere Aussichten. Peter würde oft auf See sein.
Aber das kümmerte mich nicht, weil Liebe bekanntlich Brücken schlägt, auch über weite Entfernungen.
Wie naiv ich war, wie wenig ich mich doch kannte.
Das Leben pulsierte und drängte mich hinaus. Du warst fern und ich wollte nicht gebändigt sein.
Was dachte ich mir dabei, als ich tanzen ging? Du warst fort, vertrautest mir.
Es war alles so harmlos. Oder?

Es war ein Spiel mit dem Feuer.


Diese eine Nacht, in der ich spät nach Hause fand, war sie wirklich geschehen?


Der Tag, der mein Leben veränderte, begann als sanfter Frühlingsmorgen. Bevor ich mit meiner Arbeit im Büro begann, hatte ich es mir angewöhnt, durch den Park zu joggen. Die Kastanien hatten über Nacht ihre Blätter entfaltet und boten ein wenig Schutz vor dem feinen Nieselregen. Der Regen war nicht unangenehm. Er erfrischte mich behutsam mit seiner gleichmäßigen Feuchtigkeit und ich spürte seine belebende Kraft. Der Himmel lichtete sich alsbald, denn ein gleichmäßiger Wind begann, die Wolkendecke zu zerfetzen. Blauer Himmel lugte inzwischen hervor und die ersten goldenen Sonnenstrahlen wärmten meine kühle Haut. Ich freute mich über die Vielfalt der Krokusse, die vorwitzig ihre Köpfe der Sonne entgegenstreckten. Die Vögel kamen aus ihren Verstecken und waren emsig dabei, Nistmaterial zu sammeln.
Hinter mir knirschte der Kies unter schnellen Schritten. Ich wartete darauf, überholt zu werden, um ein freundliches Hallo dem namenlosen, aber bekannten Gesicht zuzurufen. Die Schritte hinter mir kamen näher und aus einem Impuls heraus wandte ich mich um. Ich hatte ihn noch nie zuvor in diesem Park gesehen. Er war einen halben Kopf größer als ich, war dunkelhaarig. Ich konnte sehen, wie seine Muskeln unter seiner bronzen schimmernden Haut arbeiteten und wie die Sehnen sich bei jeder Bewegung spannten. Aus einem unerklärlichen Grund war ich von seinem Anblick gebannt. Ich hätte schwören können, die Zeit steht still. Er lächelte mir zu und überholte mich. Dabei berührte sein Arm wie zufällig den meinen. Überrascht zog ich meinen Arm zurück. Etwas, tief in mir, hatte diese Berührung genossen. Es war ein unverschämtes Prickeln. Tief in Gedanken lief ich den Rest meiner Runde nach Hause. Ich konnte mir nicht erklären, warum. Es war nur so, dass mein Herz ungeduldig zappelte.

„Guten Morgen Susanne“, begrüßte mich meine Teamkollegin Manuela wie immer mit Zigarette im Mundwinkel in der Kaffeeecke.
„Ja, guten Morgen“, gab ich kurz zur Antwort. Ich ging entgegen meiner Gewohnheit nicht zu ihr, um den obligatorischen Morgenkaffee einzunehmen. Irgendwie hatte ich heute keine Lust, mir eins ihrer heißen Wochenenderlebnisse, die sie montags stets zu erzählen hatte, anzuhören.
„Nanu? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?“ Manuela konnte manchmal sehr aufdringlich sein.
„Los erzähl, was ist denn los?“ Mit einer Tasse Kaffee in der Hand kam sie zu mir herübergeschlendert.
„Du weißt doch, hier darf nicht geraucht werden“, versuchte ich auszuweichen, aber Manuela ließ nicht locker. Sie drückte ihre Zigarette auf der Untertasse aus und pflanzte sich mir gegenüber auf meinem Besucherstuhl hin.
„Du weißt doch, du kannst mir alles erzählen.“ Ihre Augen blitzten vor Neugierde.
„ Manuela, es ist nichts. Ich habe nur schlecht geschlafen. Das ist alles.“
„Das Strohwitwendasein macht dir zu schaffen, nicht wahr?“

Ich fühlte, wie ich rot vor Verlegenheit wurde. Was war mit mir los? Ich suchte nach einer Ausrede. „Nein, mein neuer Nachbar hat wohl eine Einweihungsparty gegeben und etwas laut gefeiert. Es ist nicht so wie du denkst.“
„Schade, ich hätte dir passend zum Frühlingsanfang eine Romanze gewünscht. Seitdem du verheiratet bist, geht das Leben doch an dir vorbei.“
Lachend ging sie an ihren Arbeitsplatz zurück.
Ich erledigte meine Arbeit an diesem Tag nur widerwillig, denn meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Ich registrierte sehr wohl, meinen Unmut über Peter, der jetzt schon zwei Wochen auf See war.
Und ständig schob sich ein anderes Gesicht dazwischen.

Das Gesicht des Unbekannten.

Als endlich der Feierabend nahte, stürmte ich aus dem Büro. Ich hatte vor, mich zu Hause sofort, in meine Wohlfühlklamotten zu werfen und eine Tasse Kakao zu trinken.
Mein alter ausgeleierter Jogginganzug hatte schon bessere Tage gesehen, aber zum Faulenzen war er noch gut genug.
Meinen Kakao schlürfte ich im Stehen am Fenster. Wir wohnten im 6. Stock und hatten einen herrlichen Blick auf den im Westen angrenzenden Park. Die Sonne stand schon tief, so dass die Welt unter mir von Schatten verhängt war. Einzig die obersten Etagen glühten im Abendrot. Melancholie nennt man das wohl, wenn der Anblick eines gehenden Tages die Seele streift.

In diesem Moment wünschte ich mir, nicht alleine zu sein.

Mein Wunsch wurde erhört, denn das drängende elektrische Summen meiner Haustür unterbrach diese Stimmung. Irgendwie erleichtert öffnete ich die Tür.

Vor der Tür stand: der Unbekannte aus dem Park. In den Händen ein Blumenstrauß.

„Guten Abend“.
„Eh, ja guten Abend, ich glaube Sie haben sich in der Tür geirrt.“
Verlegen wischte ich mir mit dem Ärmel meines Pullis den Milchbart ab. Mein Gegenüber lachte ungeniert. „Nein, das habe ich nicht. Aber ich wollte Sie nicht stören. Wenn ich ungelegen komme...?“
Ich schüttelte heftig meinen Kopf.
„Ich wollte mich vorstellen. Ich wohne gleich neben an. Ich heiße Volkmar Lüders“.
„Angenehm, Susanne Hartmann“, sagte ich,„kommen Sie doch rein.“

Es war gewiss nicht meine Art, fremde Männer einzuladen, aber: die Anziehung von heute morgen war wieder gegenwärtig.

„Wir haben uns heute Morgen beim Joggen gesehen, nicht?“
Verdammt, er war mir zwar aufgefallen, aber musste ich das so offen zur Schau stellen?
„Stimmt. Laufen Sie jeden Tag?“
Seine Augen, so klar wie ein Sommermorgen taxierten mich. Ich fühlte, wie ich rot wurde.
„Ja, ich jogge jeden Morgen. Vielleicht können wir ja zusammen laufen?“

Ich nahm die Tulpen und stellte sie in eine Vase auf den Esstisch. Ich fühlte seine Blicke, wie Nadelstiche in meinem Rücken.

„Warum nicht?" antwortete er.
„Wie wäre es um halb acht? Einverstanden?“
„Gerne.“
Ich war verwirrt. Er verließ meine Wohnung,
Verließ sie, ohne mich zu küssen, doch, gestand ich mir ein: ich wäre gerne geküsst worden.
Ich war verwirrt über das hohe Maß an Empfindung, welches ich in diesen Sekunden diesem Mann entgegen gebracht hatte. Welchem Zauber war ich erlegen? Was hatte er an sich? Sollte ich mich in ihn verliebt haben?

Ein letzter Funken von Verstand widersprach mir: „Tu es nicht! Du gehörst zu Peter.“

Ich habe es immer gehasst, vor Aufregung nicht schlafen zu können: es waren nicht nur Schmetterlinge, die in meinem Bauch flatterten.

Eine unerfüllte Sehnsucht durchzog meinen Schoß.
Und sie traf mein einsames Herz.

Was erwartete ich denn?

Wir waren zum Joggen verabredet, mehr nicht, versuchte ich, meine Stimmung zu dämpfen. Ich wälzte mich in meinem Bett hin und her. Irgendwann bin ich trotz Herzklopfen eingeschlafen.

Mein Vorsatz: Morgen erzähle ich ihm, dass ich verheiratet bin, half mir dabei.

Es war noch dunkel, als ich erwachte.
Das Kribbeln im Magen verriet meinen schläfrigen Gedanken, dass heute etwas Besonders anstand.
Im Badezimmer sah mir mein Spiegelbild mit leuchtenden Augen entgegen, so dass die Bedenken der Nacht plötzlich harmloser wirkten.
Ja, ich war jung und hatte das Recht mein Leben zu führen, wie ich es wollte. Wo war denn Peter?
Er hatte doch nur seine Fregatte im Kopf.
Und, ich war zum Joggen verabredet, mehr nicht.

Endlich war es halb acht. Als seine Schritte auf dem Flur zu hören waren, öffnete ich die Tür, ohne auf sein Klingeln zu warten.

„Guten Morgen“.
„Ja, wünsche ich Ihnen auch. Sind Sie soweit?“
„Ja, es kann losgehen.“
Etwas befangen ging ich an seiner Seite zum Fahrstuhl. Dort roch ich seinen angenehmen Duft. Wir sprachen nicht miteinander. Ich versuchte ihn heimlich zu mustern.
Mein Blick hing an seinen tiefroten Lippen.
Er musste bemerkt haben, dass ich ihn so neugierig anstarrte. Aber er verriet sich nicht durch eine Äußerung. Nur seine Augen bekamen einen tiefen Glanz. Er zwinkerte mir zu.
Am liebsten hätte ich seine verführerischen Lippen geküsst, nur um zu wissen, ob sie nach Himbeere schmeckten.

Wir schlugen bis zum Park ein langsames Tempo ein. Im Park angekommen, steigerte er seine Schrittzahl.
„Ist es zu schnell?“ fragte er mich. „Ich laufe immer eine Stunde.“
„Ich will versuchen, mitzuhalten“, antwortete ich. Ich wollte es nicht riskieren, mit Seitenstichen stehen bleiben zu müssen, also sprach ich nicht viel. Er hatte eine wunderbare Art, mich anzuspornen, wenn ich langsamer wurde. „Kommen Sie, nicht locker lassen.“ Er berührte sanft meine Schulter. Nach ungefähr zwanzig Minuten, glaubte ich, ewig so weiter laufen zu können. Pure Lebensenergie floss in meinen Adern. Es roch nach feuchter Erde, nach Hyazinthen und Maiglöckchen. Die Kastanien steckten ihre Lichter auf und die Vögel jubilierten mit ihrem Gesang. Wir tauschten Blicke aus und ich wusste, wie sehr er unseren Lauf genoss. Schnaufend kamen wir an einer Parkbank zum Stehen. Wir setzten uns nieder und es war so natürlich, eben aus der Unbefangenheit heraus.
Ich kuschelte mich behaglich an seine Seite. Er legte seinen Arm um mich. Die Morgensonne kitzelte frech unsere Nasenspitzen.
„Es wird Zeit.“, sagte er unvermittelt.
„Wofür?“
„Frühstück, ich habe einen Bärenhunger.“
„Das trifft sich gut, ich auch. Wo wollen wir frühstücken? Bei mir?“
Er rückte ein wenig von mir ab.
„Gut, ich nehme die Einladung gerne an. Frühstücken wir bei Ihnen. Ich komme nachdem ich geduscht habe.“
Dann sah er auf die Uhr.
„Entschuldigung“, murmelte er. „Es ist schon fast neun. Wir müssen unser Frühstück ausfallen lassen.“

Er küsste mich wieder nicht. Auch nicht zum Abschied, obschon ich mir sicher gewesen war: eben auf der Bank, mit lachendem Herzen.

Als ich am Abend aus dem Büro zurückkehrte, fand ich einen roten Rosenstrauß vor meiner Haustür. Hastig riss ich die beiliegende Karte aus dem Umschlag. Zuerst las ich den Absender, Volkmar. Ich öffnete meine Haustür und ging in die Wohnung.

Nachdem ich die Rosen in der Vase geordnet hatte, las ich die Karte. Volkmar lud mich heute Abend zum Tango ins Kaffeehaus ein. Er hätte noch zwei Karten ergattert. Ob ich ihm die Freude machen würde?
Ich rief Volkmar sofort an. Er meldete sich schon nach zweimaligem Klingeln.
„Volkmar Lüders, guten Abend.“
Seine Stimme klang wohltuend warm und weich. Als ich sie hörte, überzogen kleine Schauer meinen Rücken.
„Hallo, hier ist Susanne Hartmann.“
„Vielen Dank für die Einladung. Ich komme gerne mit.“
„Wunderbar, ich freue mich. Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie in einer Stunde abhole?“
„Das geht in Ordnung. Bis gleich.“


„Darf ich bitten?“

Mir stockte der Atem, als ich Volkmar sah.
Er führte mich zur Tanzfläche. Ich spürte die Augen der Anwesenden auf uns. Der erste Tango wurde gespielt und Volkmar führte mich sicher über das Parkett. Ich war zuerst noch ein wenig steif, aber nachdem Volkmar mir ins Ohr geflüstert hatte, ich solle ihm vertrauen, konnte ich mich den rhythmischen Klängen hingeben.
Es war herrlich.
Ich genoss den festen Halt seiner Arme. Seine sichere Führung, als er mich los ließ und durch den Saal wirbelte. Mit einem Augenaufschlag befahl er mir, zu ihm zurückzutanzen.

Seine Blicke.

Ich fühlte, wie die Korsage über meinen Busen spannte.

Der Tanz endete abrupt.

„Sie tanzen fabelhaft, Susanne.“
„Aber nur Dank Ihrer Hilfe, Sie sind unübertrefflich, beim Tango.“

Mein Atem ging schnell.

Er goss uns ein Glas Champagner ein. Begierig stürzte ich es hinunter.

„Wir sind ein zauberhaftes Paar, liebste Susanne.“
Er drückte mir einen Handkuss auf die Innenseite meines Handgelenkes.
Diese Berührung.
So sinnlich, ich hätte aufschreien können.

Wir durchtanzten diesen Abend. Ich wurde nicht müde.
Meine Erregung wuchs mit jedem Schritt, mit jeder Berührung. Jede Faser meines Körpers schmerzte.
Das Orchester spielte den letzten Tanz auf und wir gingen nach Hause.

Im Hausflur standen wir dicht an dicht gegenüber. Es war Zeit, sich zu verabschieden.
Er küsste mich.
Seine Zunge, gierig, in meinem Mund.
Seine Finger, allwissend, entblößten meine Brüste.
Eine Hand umfasste mein Gesäß, die andere spreizte meine Beine.
Der Rock zerriss an seiner schwächsten Stelle, dem Schlitz.
Ich schauderte.
Biss mir auf die Lippen, um nicht zu schreien.
Bot mich ihm dar, suchte, Erlösung aus meiner süßen Qual:

Das Gesicht so fremd.
Sein Körper versteht den meinen.
Sie reiben sich aneinander.
Die Briefkästen, die Fliesen, das Flurlicht.
Sind zu sehen und doch nicht wirklich.
Ich spüre seinen Gipfel. Zerberste auf meinem.
Er ergießt sich in mir. Ich sehe in seine Augen. Suche Verbundenheit.

Volkmar schob mich beiseite.
Er zog sich an, tätschelte mich und grunzte:„ Geiler Fick, Susanne. Bis Morgen."
Was hatte ich getan?
Ich schob einen Vorhang des Vergessens zu. Ich hatte Peter nichts davon erzählt. Als er eine Woche später vom Manöver wiederkam, fielen wir uns in die Arme, als sei nichts gewesen. Ausgehungert nach Liebe warf Peter mich auf unser Bett und wir liebten uns leidenschaftlich.

Warum sollte ich ihm wehtun?
Das mit Volkmar war ein Irrtum. Ich liebe Peter.

Dann wurde der Vorhang beiseite gezogen.

Es hatte nicht lange gedauert, bis ich an die Reihe kam, obwohl das Wartezimmer brechend voll gewesen war.
Ich versuchte, mein Herzklopfen zu ignorieren.
Eine höfliche Helferin hatte mich in das Sprechzimmer geleitet. Vereinzelte Wortfetzen drangen zu mir herüber. Ich erschrak und dachte:
„Wenn ich alles hören konnte, dann konnte mein Geheimnis die Tür ebenso durchdringen.“
Diese Aussicht verstärkte mein Unbehagen, aber ich traute mich nicht, fort zu gehen.
Ich hatte keine Wahl.
Ein Stuhl rückte und einen Augenblick später kam der Arzt durch die gepolsterte Doppeltür.
„Guten Tag, junge Frau, was kann ich für Sie tun?“

Sein Rücken war gebeugt, als ob er sich wegen seiner Größe bücken müsste. Oder erdrückten ihn die Lebensbeichten, die ihm die Frauen anvertrauten?

„Ich bin schwanger.“

Endlich war es raus.
„Das ist zunächst ein Grund zur Freude, oder?“
Forschend betrachtete er mein Gesicht. Ich nickte heftig, um keine Zweifel daran aufkommen zu lassen.
Sollte ich ihm sagen, dass es nicht sein durfte? Eine weitere Lebensbeichte, damit ich es leichter ertragen konnte, auf sein ehrliches Haupt werfen?

„Gut, zunächst werde ich Sie untersuchen. Sie können sich dort entkleiden.“

Ich zog mich in der engen Kabine aus. Es war seltsam, von der Taille abwärts nackt zu sein.
Ich fühlte mich bloßgestellt, als sähe man mir an, wie verwerflich ich bin.

Hatte ich noch Hoffnung, dass alles ein Irrtum war?

„Sehen Sie?“

Die tiefe Stimme des Frauenarztes holte mich ein. Er hatte das Licht abgedunkelt, damit ich auf dem schwarzen Bildschirm etwas erkennen sollte.
Angestrengt schaute ich auf den Monitor und versuchte mir ein Bild von dem zu machen, was er mir erzählte.

„Herzlichen Glückwunsch. Es ist alles so, wie es sich gehört. Sie können sich anziehen. Wir machen noch ein paar Tests im Labor, aber das ist nur die übliche Vorsorge. Kein Grund zur Beunruhigung.“

Ich musste es Peter sagen.

Planlos lief ich durch die Straßen. Die kühle Morgenluft fächelte meine erhitzten Wangen. Als ich an einer Ladenzeile vorbeikam, sog ich den Duft von frischen Brötchen ein. Schlagartig wurde mir übel. Vergeblich wünschte ich, mich erbrechen zu können, damit es mir besser ginge. Zitternd stand ich an der Hauswand und wartete ab, dass die Welle des Unwohlseins abebbte.

Mach es ungeschehen, noch ist es möglich, hetzten meine Gedanken.

Und was ist, wenn es doch seins ist? Konnte ich unser Kind töten?

Sollte ich weiter schweigen, es vertuschen, schönfärben?
Das Kind, zu wem wird es Vater sagen?
Werden seine Bilder in unserem Album kleben?
Was werde ich fühlen, wenn die Ähnlichkeit mit dem Vater festgestellt wird?
Schuld? Erleichterung?
Hat irgendwer die fremde Empfängnis bemerkt?

Peter und ich sitzen in unserem Wohnzimmer. Ich habe Kerzen angezündet.
In der Küche schmurgelt es verheißungsvoll. Im Hintergrund spielt Musik.
Peters Gesicht, fragend als er mich und das Album sieht. Ich zeige ihm, was ich eingeklebt habe. Zuerst versteht er es nicht. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht.
Auf dem letzten Blatt klebt ein schwarzes Bild mit einem hellen Punkt.
Peter nimmt mich in die Arme, flüstert ergriffen in mein Ohr: „Unser Pünktchen, Susanne ich liebe dich.“
Ich schließe das Album. Habe mich entschieden.
Nichts zu sagen. Für Peter, für das Kind.
Für mich.

 

Hi Goldene Dame,

eine wunderbare Geschichte. Ich bin begeistert. :thumbsup:

Habe auch die erste Version gelesen. Die Zweite, finde ich, ist wesentlich besser, ausführlicher.
Jetzt kann ich nicht mehr an Verrat denken. Denn bitte, zeige mir die Frau, die einer solchen Situation und einem Mann, wie du ihn beschrieben hast, widerstehen kann. :shy:
Oje, ich hätte es nicht gekonnt. :sealed: ;)
Allerdings hätte ich verhütet. Denn, deine Prot hat gewußt, worauf sie sich einlässt, hat der Nacht sogar entgegen gefiebert.

Das ist der einzige Vorwurf, den ich ihr machen kann.
Natürlich ist es eine Gewissensache, ob sie ihrem Mann von dem Seitensprung erzählt. Wenn sie ihn wirklich liebt, würde ich es nicht machen.
Ausserdem weiß sie ja noch garnicht, von wem das Kind ist.
Warum etwas zerstören, was nicht zerstört werden muß?

Selbst wenn das Kind geboren ist, wird sie nicht gleich wissen/erkennen können, wer der Vater ist.
Sicher muß es eine schlimme Zeit der Ungewissheit für sie sein. Und wenn sie nicht die nötige Stärke hat, kann sie auch daran zerbrechen.
Oh Gott, es ist sehr sehr schwierig zu sagen, was ist richtig oder falsch.
Ich denke, es kommt darauf an, wie stark die Liebe der Eheleute ist.

Und wer weiß was im laufe der Jahre geschehen wird?
Entweder es kommt irgendwie ans Tageslicht, durch eine Krankheit des Kindes,
Blutspende o.ä., oder die Mutter nimmt ihr Geheimnis mit ins Grab.
Man könnte jetzt sagen: Ich würde ... Doch wer weiß schon was man würde, wenn man nie in einer solchen Situation war?
Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, bringt glaube ich nichts.
Denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Aufjedenfall hast du eine Klasse, sogar spannende(auch wenn ich das Ende schon kannte) Geschichte erzählt. :)

ganz lieben Gruß,
coleratio

 

Liebe Coleratio,
Jetzt bin ich schon über ein Jahr bei KG.de und ich habe viel gelernt aus den Kritiken. Schön ist es dann, wenn die Kritiken konstruktiv sind, um daran zu wachsen.

Wenn ich nach einer Überarbeitung, soviel Ansprache wie deine erhalte, bin ich ganz gerührt.

Und ich muss das Lob weitergeben, an all diejenigen, die mir geantwortet haben. :shy:

Lieben Gruß und noch einen schönen Sonnentag
Goldene Dame

 

Mit dieser schönen und sympathischen Geschichte hast du mich überrascht, Goldene Dame, denn bisher haben mich deine Geschichten ja nicht gerade vom Hocker gerissen. Und ich muss zugeben, dass ich auch hier schon nahe dran war mit dem Lesen aufzuhören, wie bei der San Franzisko Geschichte hast du der eigentlichen Handlung eine unnötige Einleitung vorangestellt, aber egal, für mich beginnt die Geschichte mit dem Satz beginnt „Der Tag, der mein Leben veränderte …“.

Anders als deine anderen Geschichten – ich habe 3 oder 4 gelesen -, glänzt diese durch Abwesenheit des Selbstmitleids oder der Schuldzuweisungen. Sie ist vor allem ehrlich. Die Protagonistin versteckt sich nicht, ist jung und voller Leben. Und hungrig, einen Mann will sie haben. Weil sie schwanger werden will. Wie alle Frauen halt. Auf der Hochzeitreise, die ja nur zu diesem Zwecke da ist, hat’s nicht funktioniert, und nun ist ihr Ehemann nicht da, muss Kriegspielen, tut, was Männer so tun, wenn keine Frau in der Nähe ist.

Sehr schön und eindringlich hast du die spätere Nöte der Protagonistin dargestellt, anders als bei der Beurteilung von Geschichten, ist in solchen Fällen die Ehrlichkeit meistens nur die zweite Wahl.

Ein Kind nicht anzunehmen, nur weil es möglicherweise nicht das eigene ist, entspricht zwar dem Naturell des Mannes - oder vielmehr dem Tier in ihm -, aber eine Frau sieht das anders, zu Recht, wie ich finde, deine Protagonistin hat jedenfalls das ihr durch unsere Kultur aufgezwungene Dilemma gut gelöst, das ist auch die Normalität hierzulande, 10% der in einer Ehe Geborenen sind ja Kuckuckskinder, also Alltag.

Glückwunsch.

Dion

 

Hallo Dion,
Ich rufe mir in Erinnerung, dass dir Haut sehr gefallen hat. ;)
OK. Du bist kein Freund von romantischen Einleitungen. Ich habe da nun mal ein Faibel dafür. Du sagst hier ist kein Selbstmitleid oder eine Schuldzuweisung zu finden. Ich möchte eigentlich nicht Selbstmitleid provozieren oder gar die Schuld zuweisen. Sag mir doch bitte per PN, bei welchen Geschichten es dir aufgefallen ist. Vielleicht kann ich noch etwas daran ändern. :)
Wenn dir diese Geschichte gefallen hat, freue ich mich, denn es auch eine von den alten, die ich überarbeitet habe.
Liebe Grüße
Goldene Dame
Danke für deine Gedanken

 

Mea culpa, Goldene Dame, nicht alle deine Geschichten sind Mitleid heischend oder Schuld zuweisend – wie gestern an dieser Stelle von mir behauptet -, es war ein Zufall, dass ich gerade die etwas weniger guten Geschichten von dir las und mich zu dem nicht mehr erinnerte, dass du die Geschichte „Haut“ geschrieben hast, eben eine der besseren – ich hoffe, du verzeihst mir mein etwas forsches Vorgehen.

Dion

 

Hallo Goldene Dame,

ich habe nur die zweite Version deiner Geschichte gelesen. Diese hat mir ausgesprochen gut gefallen.

Ich denke, dass viele Frauen sich ab und zu nach einem Flirt sehnen und einmal von einem anderen Mann wahrgenommen werden wollen... wenn es dann natürlich noch so ist, dass der eigene Ehemann außer Haus ist, dann ist die Gefahr sehr groß!

Es gab einen Satz, der mich ein wenig gestört hat:
"Du weißt doch, das Rauchen hier nicht gestattet ist!"
Das hört sich für mich etwas steif an.
"Du weißt doch, das du hier nicht Rauchen sollst!" Oder Ähnliches würde mir hier besser gefallen.

Was mich auch etwas fraglos zurück gelassen hat, war die Beziehung zu Volkmar. Nachdem er der neue Nachbar der Prot. ist wird es sich nicht vermeiden lassen, das sich die beiden dann und wann über den Weg laufen. Was ist zwischen Volkmar und der Prot. passiert?

Bis auf die Beiden Anmerkungen hat mir deine Geschichte sehr gut gefallen...

Bella

 

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