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Fremde Haut

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12.01.2007
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Fremde Haut

Fabian war immer ein aufgewecktes Kind gewesen. Gewöhnlich wurde er schon vor seinen Eltern wach, spielte in seinem Zimmer, tollte im Haus herum und kam in deren Schlafzimmer, um mit ihnen zu kuscheln, bevor es Zeit für das Frühstück wurde.

Nicht so an diesem Morgen: Der Wecker auf dem kleinen Sideboard klingelte, und die Tatsache, dass Fabian nicht wie sonst zu ihnen gekommen war, ließ bei der Mutter ein ungutes Gefühl aufkommen. Sie stand auf und lief zu seinem Zimmer, öffnete die Tür. Da saß er in seinem Bett, wach, aber mit einem völlig verschreckten Blick. Als er sie sah, wurde er sogar noch ängstlicher, fast panisch. Sie fragte ihn, was denn passiert sei, ob er schlecht geträumt habe, aber er starrte sie nur mit aufgerissenen Augen an und gab keinen Laut von sich.

Die Eltern reagierten hilflos. Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, was mit ihm geschehen war. Keine ungewöhnlichen Kontakte am Vortag, nichts, was auf eine Krankheit hingewiesen hätte. Er fixierte die Eltern ängstlich, als würde er sie nicht wieder erkennen. Oft hatten sie den Eindruck, er begriff nicht einmal, was sie zu ihm sagten. Dann wieder gab es Momente, in denen aus einer mimischen Reaktion geschlossen werden konnte, dass er sie sehr wohl verstanden hatte. Nicht einen einzigen Laut hörten sie ihn an diesem Vormittag äußern. Und obgleich seine Augen eine Verzweiflung verrieten, die sie nicht nachvollziehen konnten, weinte er kein einziges Mal. Er wirkte wie versteinert vor Schreck, wirkte desorientiert. Als wäre er aus bizarren Traumwelten wieder ins Bewusstsein aufgestiegen und hätte jegliche Orientierung eingebüßt.

Der Vater rief seine Arbeitsstelle an und ließ sich für den Tag entschuldigen. Kurz darauf saß die Familie im Wartezimmer des Kinderarztes, der Fabian seit dessen Geburt betreut hatte. Auch diesen schien das Kind nicht zu erkennen, und auch hier sagte es keinen Ton. Der Arzt versuchte die Eltern zu beruhigen, aber es war offensichtlich, dass auch er ratlos war. Er rief einen befreundeten Experten in der Kinderpsychiatrie an und bat mit Nachdruck um einen Termin noch am selben Nachmittag.

Die Eltern machten sich mit ihrem Sohn direkt auf den Weg. Mittlerweile hatten sie es aufgegeben, Fabian zum Sprechen zu animieren. Sie verbrachten die halbstündige Fahrt in angespanntem Schweigen. Die Gedanken der Mutter rotierten, es war, als erfasste sie ein Schwindel, als suchten ihre Gedanken nach einem Halt und fanden keinen. Sie versuchte sich gegen dieses aufkeimende Gefühl zu wehren, aber tief drinnen spürte sie, dass sie ihr Kind für immer verloren hatte.

*******

"Ich würde gern für einen Moment mit Fabian einige spielerische Tests durchführen - wären Sie damit einverstanden, einen Moment draußen zu warten?"

Die Eltern verließen das Zimmer. Farbenfrohe Kinderzeichnungen säumten die Wände, aber sie konnten nicht verdrängen, dass sie hier mit ihrem Sohn in einer psychiatrischen Klinik waren. Bedrückt nahmen sie in dem als Wartezimmer dienenden Flur Platz.

Im Behandlungszimmer bat der Arzt den Jungen, sich auf einen der roten Kinderstühle zu setzen. Dann setzte er sich schräg neben ihn und sortierte seine Unterlagen auf dem kleinen Tisch. Fabian schluckte und schaute auf den Boden. Dann blickte er den Arzt an. Sein Blick war nicht beiläufig, sondern fest und fixierend, als wolle er sichergehen, dass er dessen uneingeschränkte Aufmerksamkeit genoss.

Er öffnete den Mund, und der Arzt hörte zum ersten Mal Fabians Stimme. Sie war kindlich weich, dem vierjährigen Jungen angemessen. Seine Sprechweise jedoch wirkte viel weniger impulsiv, als er erwartet hatte. Jedes Wort schien wohl überlegt zu sein. Völlig aus der Fassung brachte ihn, dass der Junge ihn auf Englisch ansprach.

"The heart of the matter is", begann er, nur um sich sofort wieder zu unterbrechen. Für einen Moment verlor sein Gesicht jede Farbe. "May I assume you do speak english?" versicherte er sich ängstlich.

Der Arzt starrte das Kind mit aufgerissenen Augen an und nickte automatisch. Sein Mund stand offen.

"Die Sache ist, dass ich mich an nichts erinnern kann, was vor dem heutigen Morgen passiert ist. An gar nichts. Ich bin aufgewacht, in einem mir fremden Zimmer, umgeben von diesen besorgten Menschen, die ich nicht kenne und die auf Französisch auf mich einreden. Ich habe keine Ahnung, was davor war, da sind keine Erinnerungen. An rein gar nichts!"

Er ließ den Blick wieder nach unten sinken, wendete sich dann erneut dem Arzt zu. "Wer bin ich? Was soll jetzt werden?"

Der Arzt stand auf und starrte auf das Kind vor ihm. Es war totenstill im Raum. Dann stellte er einige Fragen, flüchtete sich in seine erlernten Gesprächstechniken. Die Nacht war jedoch wie eine Mauer, hinter die der Junge nicht zu schauen im Stande war. Unruhig wanderte der Arzt in der Praxis herum, schaute immer wieder auf den Jungen auf dem roten Stuhl, fuhr sich geistesabwesend mit der Hand über die Schläfe. Er schüttelte den Kopf, als sei er mit sich selbst im Gespräch, als ginge er alle möglichen Erklärungen durch, nur um sie wieder verwerfen zu müssen.

Schließlich trat er wieder zu dem Jungen und beugte sich zu ihm. "Ich glaube, es ist in aller Interesse, wenn wir so diskret wie nur irgend möglich verfahren."

*******

Gegenüber den Eltern erklärte der Psychiater, Fabian habe eine spontane sprachliche Amnesie erlitten. Ein extrem seltenes Störungsbild; mit Spätfolgen sei aber wohl nicht zu rechnen. Es sei jedoch sehr wichtig, den Jungen für eine Übergangszeit im geschützten und betreuten Rahmen der Einrichtung zu behalten.

Widerstrebend stimmten die Eltern zu. Sie konnten Fabian am Wochenende besuchen, und obgleich er immer noch nicht sprechen konnte, sahen sie doch, dass es ihm besser ging. Er wirkte entspannter und war den Eltern gegenüber weniger ängstlich.

Als er nach sechs Wochen wieder nach Hause kam, konnte er bereits wieder einige Wörter und einfache Sätze sprechen. Eines jedoch erschien ihnen merkwürdig und fremd: Seine Sprechweise hatte sich verändert. In der Klinik war ihnen erklärt worden, dass er den Sprechrhythmus wieder ganz von vorn lernen musste.

Die Eltern taten alles, um den Genesungsprozess zu unterstützen. Aber die natürliche Vertrautheit zu Fabian war zumindest der Mutter verloren gegangen. Sie hatte darauf keinen bewussten Einfluss, ein unsichtbares Band war entzweigegangen. Sie tat alles Notwendige, aber sie tat es bewusst; es war nicht mehr ihren natürlichen Mutterimpulsen geschuldet, sondern basierte auf vernünftigen Überlegungen und bewusstem Handeln.

Sie fand keine Erklärung dafür, dachte am Anfang, dass es wirklich an der anderen Sprechweise lag, dass sich das im Laufe der Monate wieder geben würde. Tatsächlich wurde der Kontakt nach einigen Monaten wieder herzlicher. Aber es blieb das Gefühl eines Bruchs, der Eindruck, man habe sich lediglich an eine neue Situation gewöhnt. Sie sprach dieses Thema nie gegenüber ihrem Mann an. Ein Unbehagen begleitete sie wie eine kalte Unterströmung im Meer.

An der Oberfläche jedoch zeigte sie sich beruhigt und glücklich, dass Fabian seine Sprechblockade überwunden hatte. Und verblüffend schnell holte er die verlorenen Jahre wieder nach: Schon nach wenigen Monaten hatte er sein früheres Sprachniveau wieder erreicht, und bei der Einschulung war er seinen Klassenkameraden bereits weit voraus.

Bald offenbarte sich, dass er hochbegabt war: In der Schule übersprang er einige Klassen, und auf der Universität schien er sein Potenzial gänzlich zu entfalten. Mit Mitte zwanzig war er auf dem besten Wege, Professor der Atomphysik zu werden - gerade in diesem Fach schien ihm alles zuzufallen. Als die Eltern auf einem Umtrunk in der Universität seinen Doktorvater kennen lernten, erzählte der schmunzelnd und beinahe ehrfürchtig, dass Fabian sich mehr an Inhalte zu erinnern schien, als dass er sie neu lernen müsse.

*******

Die Stimmung im Verteidigungsministerium war schlecht an jenem Morgen. Ein Krisenstab löste den nächsten ab.

Es war inmitten des Kalten Krieges. Die Blockmächte leiteten groteske Summen in die Rüstungsforschung. Auf amerikanischer Seite wurden große Hoffnungen in eines der unterirdischen Laboratorien in der Wüste Arizonas gesetzt. Hier wurde erforscht, was die Welt zusammenhielt - und wie man diesen Kitt zum Kollabieren bringen konnte.

Man hatte geglaubt, kurz vor einem Durchbruch zu stehen, einem gewaltigen Sprung nach vorn, der das Gleichgewicht der Kräfte auf lange Zeit hin zu Gunsten der Vereinigten Staaten verschieben sollte. Doch dann, aus heiterem Himmel, wurde gerade jener Forscher, in den diese Hoffnungen verankert waren, zum plötzlichen Pflegefall.

Er wachte an jenem Tag morgens auf und schien einer spontanen und vollständigen Amnesie zum Opfer gefallen zu sein. Er wirkte verängstigt und konnte sich nicht verbal verständigen. Bei den Sprachfetzen, die er verwendete, handelte es sich offensichtlich um Französisch - ein Französisch, dass dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes entsprach.

Fachärzte wurden herangezogen und Untersuchungen vorgenommen, doch es konnte nicht erklärt werden, was zu diesem Zusammenbruch geführt hatte.

Sehr langsam nur lernte er sich wieder zu verständigen. Seine Erinnerungen jedoch blieben ausgelöscht.

Er fühlte sich, als sei er in das Leben eines anderen hinein geworfen worden. Und er fühlte sich sehr fremd darin.

 
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Hi michabln,

dann werde ich mich mal als Erster in das Kritikvakuum trauen.

Generell finde ich es kritisch in einer Kurzgeschichte so oft die Erzählperspektive zu wechseln. Zumindest die ersten drei Abschnitte hätte ich komplett aus der Sicht des Jungen (Forschers) erzählt, nur ein Vorschlag. Jedenfalls hätte man so einen knackigeren Spannungsbogen aufbauen können.

Der dritte Abschnitt besteht fast nur aus Selbstreflektion. Generell ok, aber hier zu lang.
Ferner hätte ich gerne gewusst, warum es zu diesem Persönlichhkeitswechsel gekommen ist. Außerdem finde ich Geschichten spannender, wo man mit einem Prot mitfiebern kann, so etwas fehlt hier.

Achtung, Rubrik :klug:

Sein Kinn stand offen.

-> Also das würde ziemlich bluten ;)
Eher: 'Sein Mund stand offen' oder 'Sein Kinn sank herab'

Die Grundidee finde ich nicht schlecht, ich würde mir die Mühe machen, da noch einmal den Hobel anzusetzen.

Viele Grüße

Wood

 

Hi Wood,

danke für's Entjungfern des Postings. Und das mit dem Kinn ist kein Klugscheiß. Ist doch immer wieder verblüffend, wie einem so etwas unterläuft und man es dann auch nach dem fünften Redigieren immer noch nicht selbst bemerkt. Vielen Dank :-)

Die Selbstreflexion im dritten Teil umspannt ja eigentlich nur zwei Absätze - der Rest betrifft ja die Entwicklung des Jungen. Falls das aber generell trotzdem als zu ausweitend erlebt wird, muß ich da nochmal mit dem Rotstift ran.

Was den Wechsel der Erzählperspektiven angeht: Ich wähnte, daß Spannung gerade über die Perspektive der Mutter entstehen könnte - wie sie auf dieses Geschehen reagiert und damit klar kommt. Wäre großartig, wenn eventuelle andere Leser hier benennen können, wie ihnen das mit dem Wechsel der Perspektive ergangen ist (Mutter - neutraler Erzähler - Mutter - neutraler Erzähler).

Die Idee, die ersten drei Teile aus der Sicht des Jungen zu bringen, ist mir zugegebenermaßen gar nicht gekommen - ich war da schon ganz im Mutter-Film. Das Interessante daran wäre, daß ich dadurch stärker andeuten könnte, wie es zu diesem "Tausch" kommt. Muß ich mal sacken lassen.

Danke jedenfalls für die Anregungen :-)

LG Michael

 

Das Hauptproblem der Story ist der Aufbau. Die Perspektivwechsel verhindern es, dass man in die Geschichte gezogen wird. Dass der kursive Teil von der Mutter erzählt wird, bringt nichts für die Geschichte. Abschnitt 3 ist beinahe völlig überflüssig. Obwohl der Anfang noch neugierig macht, hältst Du den Spannungsbogen nicht durch - der Schlussabschnitt ist gar wegen Handlungsmangel ("show, don't tell") überaus lahm.

Allerdings ist auch die Ausarbeitung der Grundidee des Persönlichkeitstauschs im Ansatz stecken geblieben. Ich meine: Man muss ja nicht unbedingt eine Lösung anbieten. Aber wenn ich nichts übersehen habe, passiert der Effekt "einfach so". Das ist Magie und hat genaugenommen mit SF nichts zu tun.

Was also tun?

Ich würde die Geschichte komplett umschreiben. Ich würde sie als auktorialer Erzähler schildern (mit dem betroffenen Kind als zentraler Gestalt), und irgendwie Ansätze einer Erklärung bringen. Den letzten Abschnitt würde ich, um einen Perspektivwechsel zu vermeiden, so angehen, dass der "andere" die betroffene Familie besucht. Eine "Vereinigung" wäre ein angemessener Höhepunkt.

Sprachlich ist nicht viel einzuwenden, da ist die Story recht sauber, ohne freilich zu glänzen.

Fazit: sprachlich ok, inhaltlich ohne Komplettumbau zu mager.

Uwe
:cool:

 
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Nach Absprache verschoben von SF nach Seltsam

 

Vielen Dank für das ausführliche Feedback - ich habe den Text überarbeitet und die Perspektivwechsel wieder "ausgebaut".

Wieder was gelernt :-)

Darüber hinaus hoffe ich, daß die neue Rubrik passender ist und weniger falsche Erwartungshaltungen weckt...

LG Michael

 
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Hallo Michael,
ich glaube, du hast die von Wood angesprochenen Perspektivwechsel nicht wirklich ausgebaut.

Fabian war immer ein aufgewecktes Kind gewesen. Gewöhnlich wurde er schon vor seinen Eltern wach, spielte in seinem Zimmer, tollte im Haus herum und kam dann in deren Schlafzimmer, um mit ihnen zu kuscheln, bevor es dann Zeit für das Frühstück wurde. Nicht so an diesem Morgen:
Bis hier hin sieht es aus, als ob ein allwissender Erzähler aus der Sicht deines Prots berichtet. Aber schon im nächsten Satz wechselst du zur Sicht der Mutter und später wieder zurück zu Fabian. Das verwirrt.

Zudem ist dieser ganze Abschnitt langweiliger Schnarch:

Fabian war immer ein aufgewecktes Kind gewesen. Gewöhnlich wurde er schon vor seinen Eltern wach, spielte in seinem Zimmer, tollte im Haus herum und kam dann in deren Schlafzimmer, um mit ihnen zu kuscheln, bevor es dann Zeit für das Frühstück wurde.

Nicht so an diesem Morgen: Der Wecker auf dem kleinen Sideboard klingelte, und die Tatsache, dass Fabian nicht wie sonst zu ihnen gekommen war, ließ bei der Mutter ein ungutes Gefühl aufkommen. Sie stand auf und lief zu seinem Zimmer, öffnete die Tür. Und da saß er in seinem Bett, wach, aber mit einem völlig verschreckten Blick. Als er sie sah, wurde er sogar noch ängstlicher, fast panisch. Sie fragte ihn, was denn passiert sei, ob er schlecht geträumt habe, aber er starrte sie nur mit aufgerissenen Augen an und gab keinen Laut von sich.

Die Eltern reagierten hilflos. Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, was mit ihm geschehen war. Keine ungewöhnlichen Kontakte am Vortag, nichts, was auf eine Krankheit hingewiesen hätte. Seine Augen fixierten die Eltern ängstlich, als würde er sie nicht wieder erkennen. Oft hatten sie den Eindruck, er begreife nicht einmal, was sie zu ihm sagten. Dann wieder gab es Momente, in denen aus einer mimischen Reaktion geschlossen werden konnte, dass er sie sehr wohl verstanden hatte. Nicht einen einzigen Laut hörten sie ihn an diesem Vormittag äußern. Und obgleich seine Augen eine Verzweiflung verrieten, die sie nicht nachvollziehen konnten, weinte er kein einziges Mal. Er wirkte wie versteinert vor Schreck, wirkte desorientiert. Als wäre er aus bizarren Traumwelten wieder ins Bewusstsein aufgestiegen und hätte jegliche Orientierung eingebüßt.

Der Vater rief an seiner Arbeitsstelle an und sich für den Tag entschuldigen. Bereits mittags saß die Familie im Wartezimmer des Kinderarztes, der Fabian seit seiner Geburt betreut hatte. Auch diesen schien das Kind nicht zu erkennen, und auch hier sagte er keinen Ton. Der Arzt versuchte die Eltern zu beruhigen, aber es war offensichtlich, dass auch er ratlos war. Er rief einen befreundeten Experten in der Kinderpsychiatrie des benachbarten Marseille an und bat mit Nachdruck um einen Termin noch am selben Nachmittag.

Die Eltern machten sich dann mit ihrem Sohn direkt auf den Weg. Mittlerweile hatten sie es aufgegeben, Fabian zum Sprechen zu animieren. Die halbstündige Fahrt verlief in angespanntem Schweigen. Die Gedanken der Mutter rotierten, es war, als erfasse sie ein Schwindel, als suchten ihre Gedanken nach einem Halt und fanden keinen. Sie versuchte sich gegen dieses aufkeimende Gefühl zu wehren, aber tief drinnen spürte sie, dass sie ihr Kind für immer verloren hatte.

Die Zauberformel heißt: Show, don't tell. Im zweiten Abschnitt kommt es Ansatzweise zu einer interessanten Handlung. Du lässt den Arzt und Fabian selbst sprechen und handeln. Aber die Zwischenräume füllst du wieder mit Schnarch auf.

Die Idee einen Typen an einem fremden Ort in der Haut eines anderen aufwachen zu lassen, ist, glaube ich, in diesem Forum nicht ganz neu. Aber ich finde diese Rubrik für diese Geschichte schon passender, als SF.
Mach jetzt nicht den Versuch, die Geschichte nach der Meinung eines jeden Kritikers neu zu schreiben. Nimm die Vorschläge und Anregungen hin und mach es bei der nächsten Geschichte besser. Die meisten haben so angefangen wie du.
Vllt noch ein Tipp. Schreib in der Gegenwart. Das rückt den Leser näher an das Geschehen.

Ciao MiK

 

Hallo michabln,

diese Geschichte von dir finde ich in der Ausführung leider unbefriedigend. Ohne nun mit Schlagworten wie "Show don´t tell" um mich werfen zu wollen scheint mir einiges, das die Geschichte interessant gemacht hätte zu fehlen.
Der Arzt beschließt, den Jungen im Krankenhaus zu lassen. Dem Gespräch nach könnte man meinen, er hätte das mit dem Jungen abgesprochen, aber irgendwie wäre genau diese Interaktion für mich interessanter gewesen als das Ergebnis. Ähnlich ging es mir mit der Interaktion zwischen der Mutter und ihrem veränderten Kind. Spielt das Kind einfach nur mit oder gewöhnt es sich an seine neue Umgebung? Warum sagen sie nicht einfach die Wahrheit, warum begeben sie sich nicht auf die Suche nach diesem merkwürdigen Phänomen? Weil man sich gern mit einem hochbegabten Kind brüstet? Die meisten Eltern haben damit eher Schwierigkeiten, während normal begabte Kinder für deren Eltern fast immer hochbegabt sind.
Die Szene im Verteidigungsministerium finde ich noch unbefriedigender, wenn ich die Milliarden an Forschungsgeldern bedenke, die dort investiert worden sein müssen. Und selbst im kalten Krieg wäre bei solchen Aufträgen alles kleinlichst dokumentiert worden, nie nur im Kopf eines Wisssenschaftlers, sei er auch noch so begabt.
Die Plot idee fnde ich gut, da könntest du eine wesentlich längere Geschichte draus machen, fast wie einen Spionagekrimi. Stell dir nur vor, das sich erinnernde Kind gibt in Frankreich die Geheimnisse preis.
Wäre also cool, wenn du die Möglichkeiten der Grundidee ein bisschen auswalzt.
Details:

tollte im Haus herum und kam dann in deren Schlafzimmer, um mit ihnen zu kuscheln, bevor es dann Zeit für das Frühstück wurde.
beide "dann" sind überflüssig
Und da saß er in seinem Bett
"Und" auch
Seine Augen fixierten die Eltern ängstlich, als würde er sie nicht wieder erkennen.
Nein, nicht seine Augen, er mit seine Augen oder enfach "er".
Oft hatten sie den Eindruck, er begreife nicht einmal, was sie zu ihm sagten.
wenn Konjunktiv, der nicht sein muss, dann Konjunktiv 2.Würde aber eher gar keine Konjunktiv wählen, sondern einfach begriff
Und obgleich seine Augen eine Verzweiflung verrieten, die sie nicht nachvollziehen konnten
eine Verzweiflung
Der Vater rief an seiner Arbeitsstelle an und sich für den Tag entschuldigen.
falscher Artikel. Er rief seine Arbeitsstelle an (oder bei seiner Arbeitsstelle)
Bereits mittags saß die Familie im Wartezimmer des Kinderarztes
Bereits?
der Fabian seit seiner Geburt betreut hatte.
seit dessen Geburt, sonst ist es die Geburt des Kinderarztes
und auch hier sagte er keinen Ton.
es keinen Ton, Bezug liegt noch auf Kind
Er rief einen befreundeten Experten in der Kinderpsychiatrie des benachbarten Marseille an
der Ort überrascht mich jetzt. Würde ich weglassen.
Die Eltern machten sich dann mit ihrem Sohn direkt auf den Weg.
dann (es nimmt die Dringlichkeit)
als erfasse sie ein Schwindel, als suchten ihre Gedanken nach einem Halt und fanden keinen
im zweiten Teil hast du den richtigen Konjunktiv gewählt, also auch erfasste
Die halbstündige Fahrt verlief in angespanntem Schweigen.
eher ne ungelenke Formulierung, auch wegen des Perspektivwechsels auf die Fahrt. "die halbstündige Fahrt schwiegen sie angespannt" oder "während der halbstündigen Fahrt schwiegen sie angespannt" erhält die Perspektive.
wären sie damit einverstanden
Anrede Sie groß

Lieben Gruß, sim

 

Vielen Dank für's Lesen und Feedback-Geben :-)

Danke am sim für das detaillierte sprachliche Feedback; das hilft mir hoffentlich, diesbezüglich meine Sensibilität zu schärfen. Ich schätze es sehr, daß Du Dir hierfür die Zeit genommen hast.

Ich habe nebenbei mal begonnen, einige der nicht beschriebenen Szenen auszuformulieren. Ich mag's ja eigentlich eher kurz, aber diese Grundidee scheint nach einer längeren Form zu verlangen... mal schauen, wohin mich das führt. Da die Überarbeitung vom Umfang her nicht mehr wirklich KG-gerecht ist, lasse ich die Fassung hier erstmal bestehen, wie sie ist.

LG Michael

 

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