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Freunde?
Sie war wieder da, zurück aus Spanien. Ich sah sie schon von Weitem, sie wippte im Takt, hörte Musik mit ihrem I-Pod. Meine Freundin Lisa. Als sie mich entdeckte, lächelte sie, ging auf mich zu und umarmte mich. „Hey! Ist lange her, was?“
„Ja, sagte ich. „Lange.“
„Ich bin nicht mal braun geworden“, klagte sie.
Natürlich war sie braun geworden. Sie wurde schon braun beim ersten Sonnenstrahl, der ihre Haut kitzelte. Ich sagte nichts. Sie würde es doch nur vehement abstreiten und dann zum Schluss eitel lächeln und sagen: „Na gut, wenn du meinst.“
„Gehen wir ins Starbucks?“, fragte sie und wir machten uns auf den Weg.
„Was hast du heute gemacht?“
„Na gearbeitet“, antwortete ich leicht genervt.
„Ach ja, du arbeitest ja“, sagte sie, als wäre das eine höchst seltene Tätigkeit.
„Machts Spass?“
„Ja schon. Manchmal ist es anstrengend. Aber die Kinder sind total süss. Heute hat mich einer mit Essen bekleckert, das war vielleicht was!“
„Hm.“ Sie lächelte gekünstelt.
Irgendwie fanden wir kein Gesprächsthema.
Lisa steckte sich ne Zigarette an.
„Seit wann rauchst du?“, fragte ich erstaunt.
„Ach, schon ne Weile“, sagte sie beiläufig.
„Seit Spanien?“, fragte ich.
„Schon vorher.“
Vorher? Hatte sie nicht einen Monat bevor sie nach Spanien gereist war ihren Bruder bei den Eltern verpetzt, dass er rauche? Hatte sie es nicht unmöglich gefunden und mir in einem Tonfall davon erzählt, als hätte er bereits Lungenkrebs in fortgeschrittenem Stadium und müsste am nächsten Tag sterben?
Ich überlegte, ob sie schon immer so gewesen war. Eigentlich schon. Sie fasste irgendwelche Grundsätze, nahm sie wahnsinnig ernst und liess sie dann bei der erstbesten Gelegenheit fallen.
„Wir könnten auch tanzen gehen“, sagte ich aus einer plötzlichen Laune heraus.
„Ja!“, rief sie begeistert.
Auf einmal war wieder ihre Unbeschwertheit da, die mich früher so fasziniert hatte. Das Leben ist einfach, wir können tun was wir wollen, lautete ein Motto von ihr. Heute fand ich das allerdings einfach nur unglaubwürdig. Die ganze Lisa erschien mir unglaubwürdig, alles an ihr wirkte aufgesetzt auf mich und unecht.
„Gehen wir ins Mad?“
„Ach, ich weiss nicht. Da muss man Eintritt zahlen, oder? Ich muss sparen.“
Sie musste immer sparen, weiss Gott warum.
Also doch ins Starbucks. Wieder fehlte ein Gesprächsthema, das beide interessierte.
„Erzähl mal von Spanien“, sagte ich ziemlich halbherzig.
Sie erzählte: Wie schön es gewesen war, wie viele Männer sie geküsst hatte, wer gut und wer schlecht geküsst hatte und so weiter.
„Lena, ich hasse die Schweiz. In Spanien ist alles so viel einfacher, viel lockerer, die sind dort nicht so verklemmt wie hier.“
Sie erzählte noch mehr und als sie fertig war, wusste ich mehr darüber, was ihr in der Schweiz alles nicht gefiel, als was sie in Spanien gemacht hatte.
Ich hatte es satt, wollte das Thema wechseln, doch sie liess mich nicht.
„Du weisst nicht, wie sehr ich Spanien vermisse“, fährt sie weiter. „Eigentlich wollte ich dort studieren, aber meine Eltern wollten das nicht. Und jetzt versauere ich hier in Bern.“
Sie klang wie ein rebellierender Teenager.
„Hast du noch Kontakt zu den Leuten vom Gymnasium?“, fragte ich schliesslich.
„Nein“, sagte sie. Einfach nur „Nein“, als wäre diese Vorstellung wer weiss wie weit hergeholt.
„Wie geht es Manni?“, fragte sie. Auch so eine Pflichtfrage. Lisa konnte meinen Freund Manni nicht ausstehen, auch wenn sie es nie zugeben würde.
„Gut“, sagte ich. „Er ist in den Ferien.“
„Schön“, sagte sie gedankenverloren. Sie hatte wohl nicht zugehört.
Früher waren wir einmal in denselben Jungen verliebt gewesen. Wir hatten Stunden damit verbracht, über ihn zu reden und keine von uns hatte sich allzu grosse Hoffnungen bei ihm gemacht. Diese Verliebtheit hatte uns komischerweise mehr verbunden als getrennt.
Zwei Kaffees und Stunden später verabschiedeten wir uns wieder.
„Bis bald“, sagte sie.
Wohl kaum, dachte ich traurig und lächelte und nickte.