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Freundschaft oder mehr?

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15.12.2004
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Freundschaft oder mehr?

Marcus begegnete ihr ganz überraschend, als sie aus dem Personalbüro kam. Die Freude war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, er strahlte sie geradezu an. „Hi! Seid wann bist du denn wieder in Marburg? Ich dachte, du wolltest dich mal auf der Wache melden, ob du bestanden hast!“
Die spontane herzliche Begrüßung heiterte sie auf. Außerdem freute sie sich ebenso, ihn zu sehen. Wo sie doch eben schon mit allem in Marburg abschließen wollte. „Ich bin erst seit gestern Abend wieder hier. Aber ich hab doch Henny Bescheid gesagt, hat sie das Nina nicht gesagt? Dann müsstest du es ja eigentlich auch wissen. Der Buschfunk hat doch bis jetzt auch immer funktioniert!“ Sie lachte.
„Stimmt. Dann müsste es Nina eigentlich wissen. Aber du hast bestanden, nehme ich an, oder?!“ „Ja, mit gut.“ „Hey, das ist doch super! Gratuliere Frau Rettungssanitäterin!“ Er umarmte sie und Lena, mit seiner Art vertraut, erwiderte die Umarmung. Außerdem tat es gut, dass sich endlich mal jemand so spontan und deutlich mit ihr freute. „Aber das war ja eigentlich auch zu erwarten gewesen, nach dem, was ich von dir gehört habe.“ Lena schüttelte den Kopf. „Das hat mir ja auch so ein bisschen Stress gemacht. Ich wollte nach den ganzen guten Meinungen über mich ja auch nicht so schlecht abschneiden.“
Marcus nickte, musterte sie dann genauer. „Aber irgendwas ist doch mit dir, oder? Du wirkst nicht so fröhlich, wie ich dich in Erinnerung hatte. Zudem jetzt, nach der Prüfung.“ Er stupste sie leicht in die Seite. „Los, erzähl, was ist los?“ Lena war etwas überrascht, sie hatte gedacht, dass sie im Moment wirklich glücklich und ausgeglichen wirkte. Besonders nach der Wiedersehen mit ihm. Sie winkte ab, sie hatte keine große Lust, das ganze Drama vor ihm auszubreiten. In Einzelheiten würde es ihn nicht interessieren und die großen Eckdaten kannte er sicherlich schon bereits. Doch Marcus ließ nicht locker. Seufzend gab sie nach.
„Ich hab grad bei Frau Hilberg gefragt, ob sie Arbeit für Rettungssanitäter hat oder einen Praktikantenplatz für das Anerkennungsjahr. Sie hat aber weder das eine noch das andere. Dass heißt, ich kann hier mein Zimmer weitervermieten und nach Hause zurückgehen. Jetzt rächt sich halt, dass ich vor vier Monaten meine Ausbildung einfach abgebrochen habe. Bis jetzt ist es gut gegangen.“ Lena blickte nach unten, sie musste sich vor ihm nicht die Blöße geben und auch noch heulen. Marcus hob, verblüfft über diesen Ausbruch, die Hände. Beruhigend meinte er: „Langsam.“ Er schwieg einen Moment. „Hast du jetzt noch was vor? Was hältst du davon, wenn wir zusammen etwas trinken gehen und du erzählst mir das Ganze noch mal in Ruhe? Wir finden bestimmt irgendeine Lösung.“ Abwehrend, nicht bereit sich trösten zu lassen, erwiderte sie: „Ich bin mit dem Rad hier.“ „Das können wir nachher noch holen. Also, komm jetzt.“ Er zog sie mit sich Richtung Auto.
„Was wolltest du denn überhaupt hier? Musst du nicht auch noch ins Büro?“ fragte sie, um das Schweigen zu brechen. „Ja, aber das kann ich auch noch morgen machen. Jetzt ist es erst mal wichtiger, das bei dir wieder die Sonne aufgeht. So wie morgens um viertel vor sieben, wenn du auf der Wache reinkommst.“ Lena verdrehte die Augen. Trocken meinte sie zu ihm: „Ich hab es dir schon mal gesagt: Schleimer!“ Er grinste. „Und ich hab dir schon mal gesagt: Das sagen viele, aber meine Mutter...“ „... hat dir beigebracht immer ehrlich zu sein.“ „Genau. Du weißt es ja noch.“ Sie mussten beide lachen.
Am Auto angekommen, hielt sie kurz inne, mit einer Hand auf dem Autodach, mit der anderen auf der schon geöffneten Tür. Dann stieg sie schnell ein. „Alles klar?“, fragte Marcus, während er auf der anderen Seite einstieg. „Ja ja, alles in Ordnung“, erwiderte sie betont forsch. Sie musste ihm ja nicht auch noch auf die Nase binden, dass ihr seid zwei Tagen immer mal wieder schwindlig war. Allerdings war es eben schlimmer als sonst gewesen. Innerlich seufzte sie. Das konnte ja noch heiter werden!

In der Stadt einigten sie sich auf das Café News. Das schöne Wetter konnten sie ausnutzen und sich auf den Balkon setzen. Und zum letzten Mal die Aussicht über Marburg genießen, dachte Lena bei sich.
Aber als sie im Parkhaus aussteigen wollten, fluchte sie innerlich. Dieser verdammte Kreislauf! Das Kreisfahren im Parkhaus hatte ihr den Rest gegeben. Es flimmerte ihr derart vor Augen, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Und das, obwohl sie saß. Unauffällig hielt sie sich am Sitz fest, damit sie überhaupt einen Halt in ihrer momentan arg schwankenden Welt hatte.
Marcus war in der Zwischenzeit ums Auto herum gekommen und öffnete die Beifahrertür. Als sie aber keine Anstalten machte auszusteigen, ging er neben ihr in die Hocke. Das Auto war wohl ein bisschen zu viel tiefer gelegt worden, dachte sich Lena spöttisch.
„Hey, wir können auch hier im Parkhaus bleiben, wenn du das gern möchtest“, alberte Marcus herum. Dann sah er ihr Gesicht. „Was ist denn mit dir los?“ entfuhr es ihm. „Du bist ja leichenblass.“ „Das geht gleich wieder, ich hab das seit zwei Tagen öfter mal. Kein Grund zur Aufregung.“ „Ja, das sehe ich“, meinte er trocken. „Komm, leg dich mal zurück und Füße hoch!“ „Nein, das geht auch so“, wehrte sie ab. „Mach schon, bin ich nun RA-Praktikant oder nicht? Wenn es mir mal passiert, darfst du auch ausprobieren, Frau Rettungssanitäter.“ „Aber nur unter der Bedingung“, murmelte sie, während er schon den Sitz nach hinten drehte. Dann setzte er sich wieder neben sie und musterte sie.
„Seid zwei Tagen hast du das schon? Warst du schon mal beim Arzt deswegen? Das ist ja nicht ganz alltäglich.“ Irritiert öffnete sie die Augen und sah ihn an. „Gehst du wegen so was zum Arzt? Außerdem ist es sonst ganz schnell weggegangen.“ Marcus nickte, wechselte dann das Thema. Sie unterhielten sich noch zehn Minuten, dann fragte Lena ihn: „Magst du mich vielleicht nach Hause bringen? Irgendwie wird es nicht besser.“
Marcus überlegte einen Moment, dann fragte er: „Was hältst du davon, wenn wir zu mir fahren? Wir können auch da einen Kaffee trinken und dann bringe ich dich wohin du auch immer willst.“ Lena runzelte die Stirn. „Ok. Aber warum?“ „Weil du mir nicht richtig gefällst. Ich würde das gern noch ein bisschen beobachten.“ Er hob abwehrend die Hände und lachte. „Sorry, ich bin nun mal zu sehr RA-Praktikant. Das ist meine natürliche Sorge um einen Menschen, nicht um dich persönlich. Wenn dich das beruhigt. Ich würde es auch mit jedem anderem machen, dem es so geht.“ Lena musste lächeln, als sie über den letzten Teil genauer nachdachte. „Das hoffe ich ja nun wieder doch nicht.“ Auch Marcus musste lachen. „Du weißt, wie ich das meine.“ Lena zögerte trotzdem noch. „Sind Nina oder Tobias zu Hause?“ „Nein, da kannst du beruhigt sein. Tobias kommt erst in zwei Stunden, frühestens. Und Nina erst um halb zehn. Ok?“ „Ok“ Lena fügte sich. Eigentlich fand sie es auch angenehmer, noch etwas mit Marcus zusammen zu sein. Lustig war es immer mit ihm.

In Wehrda angekommen, fühlte sich Lena ihres Kreislaufs wieder mächtig. Trotzdem guckte sie etwas zweifelnd an dem Haus hoch. „In welchem Stock wohnt ihr?“ „Oh, im dritten.“ Marcus grinste. „Auf geht’s. Bloß keine Schwäche zeigen, stimmt’s?“ Lena zeigte ihm eine Grimasse.
Bis in den zweiten Stock alberten sie herum, dann merkte Lena, dass nicht weiterging. Marcus reagierte bemerkenswert schnell und stützte sie an einer Seite. „Kein Problem. Wir sind gleich da. Und du weißt ja, ich bin RA-Praktikant.“ Lena schüttelte den Kopf und lächelte etwas gequält. „Das ist keine Absicht oder Masche oder so. Ich kann da nichts für.“ „Ja, ich weiß“, sagte er beruhigend. „So weit kenne ich dich bis jetzt und solche Sachen habe ich auch sonst nicht von dir gehört. Also mach dir keine Gedanken.“
In der Wohnung verfrachtete er sie gleich auf das Sofa und schob ihr zwei Kissen unter die Füße. „So, was möchtest du trinken? Kaffee, Cappuccino, Tee, Saft, oder doch eher was schnapshaltiges? Ach nein, das mochtest du ja nicht so besonders, oder?“ „Einen Cappuccino, bitte. Und pronto bitte sehr.“ Lena entließ ihn mit einer lässigen Handbewegung. Marcus lachte. „Unglaublich. So schlecht kann es dir ja nicht gehen, was? Wenn du ablegen möchtest, der Hutständer ist auf dem Flur. Ach nein, da kannst du ja nicht hingehen. Ich vergaß.“ Er flüchtete lachend vor ihrem bösen Blick.

Sie unterhielten sich zwei Stunden, mal ernsthaft, mal lachten sie über- und miteinander. Lena erzählte ihm von der Prüfung und von ihren Problemen in Marburg. Sie rechnete es Marcus hoch an, dass er sich wirklich ernsthaft damit auseinander setzte und ihr Ratschläge gab und mit ihr über das DRK schimpfte.
Nach drei Cappuccino schüttelte Lena ihr T-Shirt. „Ist aber schon ganz schön warm hier drin, oder? Ist dir nicht warm?“ Marcus schüttelte den Kopf. „Nein, ehrlich gesagt nicht. Aber du hast ja auch einen ganz roten Kopf. Darf ich mal?“ Er fasste mit der Hand an ihre Stirn. „Lena!“ sagte er entsetzt. „Du hast mit Sicherheit keine normale Körpertemperatur. Ich hole mal das Fieberthermometer. Ist dir noch schwindlig?“ Lena schüttelte den Kopf. „Im Liegen wohl weniger“, meinte sie ironisch. „Willst du mich jetzt nicht mal nach Hause fahren? Ich kann doch auch da Fieber messen.“
„Das wäre ja noch schöner“, meinte er kopfschüttelnd. „Ich bin gleich wieder da.“
Lena zog hinter ihm eine Grimasse und ärgerte sich. Das musste sie jetzt aber schnell abbiegen. Sie konnte sich doch nicht hier krank aufs Sofa legen! Zusammenreißen und schnell nach Hause, nahm sie sich vor.
In dem Moment hörte sie die Wohnungstür. Oh mein Gott, doch nicht etwa auch noch Tobias?! Vorsichtshalber zog sie sich die Decke, die auf der Ecke lag, über den Kopf. In der Hoffnung, dass er sie beim flüchtigen Blick ins Zimmer nicht sehen würde und weiter in sein Zimmer gehen würde. Aber weit gefehlt. Tobias kam ins Zimmer und zum Sofa.
„Nina? Warum versteckst du dich unter der Decke? Schlechter Versuch!“ Er zog die Decke weg. „Lena?“ Die Verblüffung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Dann wechselte sie aber schnell in aufrichtige Freude, wie auch bei Lena. „Hi! Was machst du denn hier? Das ist ja toll. Wie kommst du denn her? Ist Marcus auch hier?“
„Ja, ich bin auch hier.“ Marcus kam wieder ins Zimmer. „Bei Lena muss jetzt aber eben Fieber gemessen werden. Sie kränkelt nämlich ein bisschen.“ Jetzt wurde Lena böse. Das war kein Scherz mehr, auch wenn Marcus es so meinte. „Ich glaube, ich spinne“, brach es aus ihr heraus. „Gar nichts messe ich. Ich gehe jetzt nach Hause!“ Tobias sah den kommenden Streit und zog es vor, aus der Schusslinie zu gehen. „Macht das unter euch aus. Ich komme gleich wieder.“
Als er draußen war, entschuldigte sich Marcus. „Das war ein dummer Spruch. Entschuldige. So war er wirklich nicht gemeint.“ Lena funkelte ihn wütend an. „Das ist mir egal. Ich bin jedenfalls kein Hypochonder, der hier bemitleidet werden muss.“
Sie warf die Decke vom Sofa, setzte sich auf und zog sich die Schuhe an. „Ich gehe jetzt. Danke für den Cappuccino.“ Sie griff sich ihren Rucksack und stürmte Richtung Wohnungstür. Allerdings kam sie nicht bis dahin. Wenn Marcus nicht so schnell hinter ihr gewesen wäre, wäre sie vermutlich wie ein Stein auf den Boden gesackt, so wurde sie von ihm aufgefangen. Trotzdem wehrte sie sich gegen die Hilfe. Nie war sie sich so ohnmächtiger und hilfloser vorgekommen. „Lass mich los!“ zischte sie Marcus an, um eine geminderte Lautstärke bemüht, damit nicht auch noch Tobias etwas mitbekam. Marcus ließ sie nicht los, packte jedoch ihre Hände mit einer Kraft, gegen die sie nicht ankam.
„Was ist los mit dir? Kannst du es nicht ertragen, wenn man dir helfen will? Langsam wurde auch er wütend, das erkannte Lena. „Helfen ja, aber nicht bemuttern“, schnappte sie zurück.
„Ich bemuttere dich nicht.“ „Doch! Das tust du. Und ich komme mir total dumm vor, weil ich nichts dagegen machen kann. Ich kenne dich nicht so gut, als dass ich es hinnehmen könnte.“
Marcus seufzte. „Ok, das können wir aber jetzt nicht ändern. Ich sehe nur, dass es dir überhaupt nicht gut geht. Außerdem mag ich dich zu sehr, als dass ich dich jetzt so allein nach Hause lasse. Das ist alles.“
Lenas Widerstand ließ etwas nach. „Trotzdem ist es für mich ein blödes Gefühl. Verstehst du das nicht?“ Marcus nickte. „Ich versteh was du meinst.“ Er überlegte einen Moment. „Pass auf, wir machen einen Kompromiss. Du misst jetzt Fieber. Und wenn du dich danach so gut fühlst, dass du nach Hause willst, bringe ich dich auch dort hin. Und wenn du noch etwas bleiben willst, kannst du das auch machen. Da ist überhaupt nichts dabei. Ok? Dafür sind Freunde eigentlich da.“ Lena grinste etwas schief. „Sind wir schon Freunde?“ „Wir können es auf jeden Fall noch werden.“ Marcus grinste. „Einverstanden?“ Lena nickte. Ehrlich gesagt, sie sehnte sich danach, wieder zu liegen.
Das Fiebermessen ergab kein gutes Resultat. Außerdem bekam sie Kopfschmerzen, dass ihr der ganze Kopf dröhnte. Nach ein paar Minuten konnte sie sogar nicht mehr ins Licht gucken, ohne das ihre Augen brannten. Sobald sie den Kopf ein Stück zur Seite drehte, drehte sich das ganze Zimmer mit.
Auch Tobias, der dazu kam, war besorgt. Marcus und Tobias einigten sich darauf eine Arzt zu rufen, die schnelle Verschlechterung innerhalb einer halben Stunde war ihnen nicht geheuer. Lena widersprach nicht, sie dachte im Traum nicht mehr daran nach Hause zu wollen.

Der Arzt kam und untersuchte sie. Als er fertig war, machte er Marcus und Tobias ein Zeichen und bat sie mit auf den Flur.
„In letzter Zeit grassiert hier in Marburg eine Viruserkrankung, die den Gleichgewichtssinn befällt. Ihre Freundin zeigt die ganz typischen Anzeichen. Ihr ist seit zwei Tagen schwindlig und es hat sich rapide verschlechtert. Ich kann leider auch nicht viel machen. Das beste ist, wenn sie einfach nur ruhig liegt.“ Er räusperte sich und guckte Tobias und Marcus nacheinander an. „Darf ich fragen, was sie beruflich machen?“
Tobias antwortete als erster: „Ich mache Zivildienst beim DRK als Rettungssanitäter.“ „Und ich bin Rettungsassistent im Anerkennungsjahr.“ Der Arzt nickte. „Das ist mehr, als ich gehofft hatte. Die Sache ist die,... nein, anders. Es steht Ihnen natürlich frei, wie Sie das jetzt regeln. Aber ich für meinen Teil würde es gut finden, wenn Lena sich gar nicht mehr viel bewegt. Es ist das Beste für sie, wenn sie ganz ruhig liegt. Dann erholt sich das Gleichgewichtssinn am Besten und ohne Folgeschäden. Außerdem wird sie die nächsten drei, vier Tage wahrscheinlich ziemlich hohes Fieber haben. Dass heißt, sie muss eigentlich mehr oder weniger relativ viel betreut werden. Ich weiß nicht, wie und wo sie wohnt, aber allein bleiben kann sie auf keinen Fall. Ein Fall für das Krankenhaus ist sie aber eigentlich auch nicht. Da wäre die Pflege zu Hause sicherlich besser.“ Er hob die Schultern. „Ich will Sie zu nichts verpflichten. Um Gottes Willen. Nur, damit Sie Bescheid wissen.“ Tobias und Marcus nickten, äußerten sich jedoch nicht. Der Arzt gab ihnen die Hand. „Wenn sich ihr Zustand verschlechtert oder Sie Fragen haben, rufen Sie mich auf jeden Fall an. Auch nachts. Das macht überhaupt nichts, ok?“

Als der Arzt draußen war, sahen sich Tobias und Marcus etwas ratlos an. „Und was machen wir jetzt?“ brach Tobias das Schweigen. Marcus hob die Schultern. „Ich hätte ein schlechtes Gefühl, wenn wir sie in ihre Wohnung bringen. Sie hat mir erzählt, dass zwei ihrer Mitbewohner fürs Vordiplom lernen und die dritte auch nicht viel da ist.“ Mehr als ein „Hm“ kam von Tobias nicht. „Aber andererseits, kennen wir Lena so gut, dass wir sie vielleicht eineinhalb Wochen pflegen wollen?“ Tobias kratzte sich am Kopf. „Genau das überlege ich auch.“ Er seufzte. „Ist eigentlich von uns überhaupt jemand die nächsten Tage da? Oder sind wir immer alle zur gleichen Zeit weg?“
„Ich habe morgen frei und danach die Tage Spätdienst. Nina hat 12 Stunden die ganze Woche noch. Und am Wochenende sind wir alle da, oder? Oder wolltest du nach Hause fahren?“ Tobias schüttelte den Kopf. „Nein, erst in zwei Wochen. Ich hab die Woche Frühdienst, dass heißt, es wäre immer irgendwer zumindest zeitweise da.“ Er überlegte einen Moment und grinste Marcus dann etwas schief an. „Damit ist die Entscheidung ja eigentlich gefallen, oder?“ Marcus grinste genauso schief zurück. „Eigentlich ja. Sie bekommt auch mein Bett.“ „Na, wenn das so ist“, Tobias schlug Marcus betont herzhaft auf die Schulter. „Du gehst jetzt zu Lena und erzählst ihr was wir vorhaben und ich rufe Nina an und erzähle ihr das mal alles, einverstanden?“ Marcus zögerte einen Moment: „Wollen wir nicht erst mal abwarten, was Nina dazu meint?“ Tobias zuckte mit den Schultern. „Können wir auch. Aber ich glaube nicht, dass sie groß was dagegen hat. Außer unseren Bedenken, meine ich.“

Nina äußerte wirklich nur die erwarteten Überlegungen und so war es beschlossene Sache. Dann gingen sie gemeinsam zu Lena ins Wohnzimmer. Marcus setzte sich neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Lena?“ Langsam drehte sie den Kopf zu ihm. Fast automatisch ging seine Hand wieder auf Lenas Stirn. Erschrocken wandte er sich zu Tobias um. „Ich hab das Gefühl, das Fieber ist noch mal gestiegen.“ Tobias runzelte die Stirn. „Dann haben wir ja die richtige Entscheidung getroffen. Zeig mir mal, wo deine frische Bettwäsche ist, dann bezieh ich schon mal das Bett neu.“ Marcus nickte und stand auf. Lena wirkte in der Tat schon sehr fiebrig. Viel schien sie von ihrer Umgebung nicht mehr mitzubekommen.
Als sie damit fertig waren, kniete sich Marcus wieder neben sie. „Lena!“ „Ja?“ murmelte sie schläfrig. „Pass mal auf, leg deine Arme mal bei mir um den Hals. Ich will dich in ein anderes Zimmer bringen.“ „Nein, ich kann laufen“, wehrte sie automatisch ab. „Ja“, erwiderte Marcus sehr geduldig. „Ich weiß. Aber musst du jetzt nicht.“ Er legte ihr die Arme um seinen Hals und hob sie hoch. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. „Hm, du riechst gut“, murmelte sie. Tobias feixte und klopfte Marcus auf die Schulter. „Er hat ja auch wieder mein Duschgel genommen“, meinte er zu Lena. Lena grinste schwach. „Guter Geschmack, Tobias. Hätte ich Marcus auch nicht zugetraut.“ Tobias lachte laut heraus, während Marcus sich nur ein gequältes Lächeln abrang. „Wenn du nicht krank wärst, würde ich dich jetzt laufen lassen, Lena!“
Als Marcus Lena auf dem Bett abgesetzt hatte, setzte sie sich nach wenigen Sekunden verwirrt auf. „Was soll das jetzt eigentlich? Wessen Bett ist das und was soll ich in diesem Bett?“
Marcus erklärte ihr die Einzelheiten, die sie vom Arzt bekommen hatten. Tobias, der dazukam, bekräftige ihre, Marcuss und seine, Entscheidung. Sie ließen ihr auch keine lange Zeit für Entgegnungen und verfrachteten sie in die liegende Position. Den Kleiderwechsel, hatten sie beschlossen, würden sie Nina überlassen.

Die nächsten vier Tage liefen an Lena vorbei, ohne das sie wirklich etwas davon mitbekam. Sie wachte zwischendurch immer mal wieder auf, aber meist schlief sie schnell wieder ein und vergaß, wer da gewesen war und was sie erzählt bekommen hatte.
Für Marcus, Tobias und Nina war es jedoch eine anstrengende Zeit, da das Fieber beständig hoch blieb und sie sich Sorgen machten. Zweimal riefen sie den Arzt an, der Lena fiebersenkende Mittel verschrieb. Außerdem machten sie Wadenwickel, zum Teil auch nachts. Da sie aber zu dritt waren, konnten sie die Zeit gut unter sich aufteilen, sodass sie es wenn überhaupt nur kurze Zeit bereuten, was sie sich aufgeladen hatten. Besonders nicht Marcus. Er hatte Lena von Anfang an sehr nett gefunden. Jetzt verliebte er sich in sie, obwohl, das musste er ehrlicherweise zugeben, keineswegs besonders hübsch aussah mit ihrem roten, verquollenen Gesicht und den aufgesprungenen Lippen. Aber vielleicht war es auch der Beschützerinstinkt, der in ihm wach wurde. Aber nicht nur, schon als sie sich unterhalten hatten, war von seiner Seite viel Gefühl dabei.

Am fünften Abend, als Marcus spät nach Hause kam, war Lena wach. Nina und Tobias waren schon im Bett. In Hachborn hatten sie kurz vor Feierabend noch einen Einsatz bekommen und dann fast drei Überstunden gemacht. Als Marcus endlich nach Hause kam, war er todmüde und wollte nur noch ins Bett fallen.
Leise machte er seine Zimmertür auf, um Lena nicht zu wecken und ging im Licht der Flurlampe zu seinem Schrank, um einen Pyjama herauszuholen. Er schrak zusammen, als Lena leise sagte: „Ich bin noch wach, du kannst ruhig Licht anmachen.“ Marcus machte die Schreibtischlampe an, drehte den Lampenkopf aber zur Wand. Dann setzte er sich neben Lena.
„Schön, dich mal wieder richtig wach zu sehen. Wie geht es dir?“ „Gut, besser als die Tage davor. Ich fühle mich zwar als wenn ich einen 10 km Lauf gemacht hätte, aber zumindest wach.“ Marcus lächelte. „Das ist nach fünf Tagen hohem Fieber normal, würde ich sagen.“ Er legte eine Hand eine ihre Wange. „Das wird schon wieder.“ Lena lehnte sich gegen die Hand und sah ihn an. „Du siehst müde aus. Ist alles in Ordnung?“ „Ja. War ein anstrengender Tag. Und zum Schluss noch mal ein heftiger Einsatz mit Überstunden.“ „Was war denn los?“ Marcus schüttelte den Kopf. „Ich erzähl es dir heute besser nicht. Vielleicht morgen.“
Lena nickte. „Geh jetzt lieber schlafen, wenn du so müde bist. Wann musst du morgen aufstehen?“ Marcus lachte. „Morgen ist Samstag und ich habe frei.“
Lena war erschrocken. „Samstag? Echt? Ach du meine Güte, wie lang liege ich denn schon hier?“ Marcus lachte noch immer. „Fünf Tage. Und ich muss sagen, du hast bemerkenswert wenig mitbekommen. Frank war auch einmal hier. Er hat dich sogar gefragt, ob er dir ein EKG aufkleben soll. Weißt du das nicht mehr?“ Lena war erschüttert. „Nein, überhaupt nicht. Hab ich irgendwas peinliches gemacht? Und ihr habt euch die ganzen Tage um mich gekümmert? Oh Gott.“ Marcus schüttelte den Kopf. „Keine Bange, du hast nichts schlimmes gemacht. Und wir haben das gern gemacht, vergiss das nicht. Auf keine Fall, hörst du?“ Lena nickte, immer noch sichtlich geschockt. Marcus stand auf. „Ich muss jetzt dringend ins Bett. Schlaf gut, bis morgen, Kleine.“

Am nächsten Morgen war Marcus vor den anderen wach. Er beschloss für alle Brötchen zu holen. Er fühlte sich schuldig, dass er den anderen beiden soviel Arbeit mit Lena aufgeladen hatte. Eigentlich war es am meisten seine Idee gewesen, wie er sich eingestand. Er hätte Lena auch gleich im Parkhaus nach Hause bringen können, aber er hätte ein ungutes Gefühl dabei gehabt. Er hatte in der letzten Woche mehrfach von der mysteriösen Viruserkrankung gehört, die ziemlich überraschend in Hessen auftrat. Aus irgendeinem Grund hatte er bei Lena auch das Gefühl gehabt, dass sie es haben könnte. Was allerdings nicht erklärte, warum er sie partout nicht nach Hause bringen wollte, wie er sich selber eingestand. Im Nachhinein hatte es sich ja tatsächlich als besser herausgestellt. Ob er doch mehr für sie empfand, als er sich eingestehen wollte? Ob es dann als Ausnutzen gelten würde, wenn sie mehrere Tage mit Fieber im Bett lag, mehr oder weniger hilf- und willenlos? Er grübelte den ganzen zum Bäcker und zurück darüber nach und fand keine Antwort. Er wollte Lena nicht ausnutzen, dafür mochte er sie viel zu gern.

Beim Frühstück, Lena schlief noch, äußerten Nina und Tobias die gleiche Frage. Aber auch ihnen konnte Marcus keine Antwort geben. Jedenfalls keine konkrete. Bis Nina unverblümt in ihrem badischen Dialekt meinte: „Du bist verliebt. Bis über beide Ohren. Gib es doch zu.“ Tobias brauchte einen Moment, um sich das Gehörte zu übersetzen, dann stimmte er Nina zu. Marcus schwieg einen Moment, dann überwand er sich. „Aber das würde doch heißen, dass ich sie auf eine Art ausgenutzt habe.“ Tobias und Nina antworteten gleichzeitig. „Warum?“ „Ich verstehe was du meinst“, sagte Tobias im nächsten Atemzug, „aber einerseits hast du es nicht getan und andererseits spricht es dann ja dafür, dass du es wirklich ernst meinst. Ernster, als dir bewusst ist.“ „Interpretier bei Marcus nicht zu viel rein“, flachste Nina. „Du weißt, das er bis jetzt von jeder die Telefonnummer haben wollte.“
„Sehr witzig“, knurrte Marcus. „Aber ich habe ihre Telefonnummer gar nicht. Und außerdem meine ich es ernst.“ Nina und Tobias schwiegen einen Augenblick. Nina auch aus Verblüffung. Dann meinte sie: „Dann sag es ihr. Und sie hat es nicht verdient, dass du sie verarscht, ok?“ „Oho, hört die Drohung“, lachte Tobias. „Aber ich schließe mich der Drohung an.“ Marcus war ungewohnt ernst: „Ok, ich werde mich bemühen. Aber ich danke euch, dass ihr euch gar nicht die letzten Tage beschwert habt.“ „Na ja, so ein bisschen mögen wir sie ja auch“, meinte Tobias. „Aber die nächsten vier Wochen hast du Spüldienst.“ „Gut, dass wir eine Spülmaschine haben“, grinste Marcus nun doch. Und damit war das Thema abgeschlossen.
Im Verlauf der nächsten Tage ging es Lena immer besser. Allerdings konnte sie nur kurze Zeit aufstehen und aufrecht sitzen konnte sie auch nicht lange. Aber jeden Tag konnte sie etwas höher mit dem Kopf liegen und nach zwei Tagen hatte sie auch keine Probleme mehr mit schnellen Kopfbewegungen.
„Aber man muss sich ja über jeden kleinen Fortschritt freuen“, meinte Lena bitter zu Marcus, als er wieder einmal nach Überstunden nach Hause kam. Lena konnte nachts nicht mehr gut schlafen, da sie tagsüber sowieso die ganze Zeit im Bett lag. Nina und Tobias hatten jedoch die ganze Woche Frühdienst, sodass sie irgendwann ins Bett gingen. Sehr zu Lenas Leidwesen, was sie sich aber nicht anmerken ließ. Um so mehr freute sie sich dann, wenn Marcus nach Hause kam. Fast jede Nacht redeten sie noch lange miteinander. Lena hatte oft ein schlechtes Gewissen, glücklicher hatte Marcus aber Spätdienst und konnte morgens ausschlafen. Und er schien die Gespräche auch zu genießen. Jeden Abend ging er zuerst in die Küche und machte sich etwas zu essen, danach kam er gleich zu Lena und setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an das Bett.
Mehrmals saßen sie abends auch zu viert in Marcuss Zimmer und spielten Karten. Sie hatten so viel Spaß dabei, dass Nina irgendwann zu Lena meinte: „Es wird richtig langweilig werden, wenn du nicht mehr hier bist. Lass dir noch ein bisschen Zeit mit dem Gesundwerden.“ Lena war gerührt, eine solche Sympathiebekundung von Nina, die sonst eher zurückhaltend war, bedeutete ihr doppelt viel.
Am fünften Tag, nachdem Lena fieberfrei war, konnte sie das erste mal so lang aufstehen, dass sie duschen und Haare waschen konnte. Da sie den ganzen Tag allein in der Wohnung war, ließ sie sich viel Zeit. Abends wartete sie lange auf Marcus, Nina und Tobias waren schon lange im Bett. Sie hatte tolle Neuigkeiten und konnte es kaum erwarten, Marcus davon zu erzählen. So verrückt es ihr selber auch vorkam, Marcus war in den letzten Tagen ihre wichtigste Bezugsperson geworden. Sie konnte es sich gar nicht mehr vorstellen, ihn nicht jeden Tag zu sehen.
Kaum hörte sie den Schlüssel in der Wohnungstür, lief sie ihm entgegen.
„Stell dir mal vor, ich hab den Schulplatz in Marburg ab Februar. Ist das nicht toll?!“ rief sie ihm leise, um Nina und Tobias nicht zu wecken, zu. Marcus strahlte und umarmte sie stürmisch und drückte sie an sich. „Hey, das freut mich für dich. Das ist wirklich toll.“ Dann stutzte er einen Moment und schnupperte. „Täusche ich mich oder riechst du nach Tobias?“ fragte er irritiert. Lena wurde rot und rückte ein Stück von ihm ab. „Ich habe heute mal wieder geduscht. Weil ich keine eigenen Sachen hier habe, habe ich das genommen, das dort stand. Riecht es so maskulin? Ich habe extra vorher daran gerochen, weil ich nicht so riechen wollte.“ Marcus schüttelte den Kopf.
„Ich wollte schon immer mal Tobias umarmen. Kein Problem.“ Lena grinste und schüttelte den Kopf. „Unglaublich“, murmelte sie. Marcus tippte ihr auf die Schulter. „Ich weiß, das sich die Gerüchte über meine sexuelle Ausrichtung hartnäckig halten, aber ich bin nicht schwul.“
Lena drehte sich erschrocken zu ihm um. Seine Stimme hatte einen deutlich ärgerlichen Unterton. „Ja, ich weiß das. Aber was andere denken, ist doch nicht so wichtig. Deine Freunde wissen es. Das ist doch nur blödes Gerede“, sagte sie besänftigend. Marcus nickte: „Ja, aber auch die stellen mich spaßeshalber anderen Fremden auch als schwul vor. Das ist nicht toll.“ „Wann haben sie das gemacht?“ fragte Lena perplex zurück.
„Zum Beispiel bei dir. Weißt du das nicht mehr? Und du kanntest doch die Geschichte von meiner weißen Leinenhose auch schon im Detail, oder nicht?“
Hilflos legte ihm Lena die Hand auf die Schulter. „Ich bin sicher, dass sie es nicht böse meinen. Bestimmt nicht. Ich sehe doch, wie ihr hier zusammenwohnt. Außerdem“, sie schaute ihn entschuldigend, mit einem Lächeln in den Augen, an, „du musst zugeben, dass du manchmal wirklich so sprichst, wie es die Schwulen nur in den ganz schlechten Filmen tun. Ich weiß, dass ich am Anfang auch darüber gelacht habe, das hat aber nichts mit der Person Marcus zu tun. Ich kann mir im Moment gar nicht mehr vorstellen, dich nicht jeden Tag zu sehen. Ich werde dich vermissen.“
Marcuss Gesichtsausdruck wurde weich. Er schluckte und erwiderte etwas heiser: „Ich hatte gehofft, dass du das mal sagen würdest. Ich werde dich ebenso vermissen. Ich mochte dich eigentlich vom ersten Augenblick an sehr gern.“
Lena war hin- und hergerissen. Das sie das endlich mal erleben durfte, jemand mochte sie mehr als nur freundschaftlich! Andererseits fühlte sie sich mit der Situation überfordert. Was erwartete er jetzt von ihr? Das Liebesgeständnis zu erwidern fand sie schon in Gedanken kitschig. Außerdem war sie sich gar nicht sicher, ob sie einfach nur sehr nett fand oder mehr für ihn empfand. Marcus sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie nichts zu erwidern wusste und erlöste sie. Bestimmt schob er sie in Richtung seines Zimmers und Richtung Bett. „Geh jetzt erst mal wieder ins Bett. Nicht, dass du dich erkältest. Ich mache mir schnell was zu essen und komme gleich nach, ok?“
In der Küche stütze Marcus sich auf das Fensterbrett und sah hinaus. Er wusste mit Lenas Reaktion gar nichts anzufangen. Weder Ablehnung noch deutlich Zusage. Was sollte er davon halten? Oder hatte er sie einfach überrumpelt? Er schüttelte zweifelnd den Kopf. Dann zog er sich die Schuhe aus und schlich in Strümpfen über den Flur und in Ninas Zimmer. Sie hatte für solche Situationen manchmal ein ganz gutes Gespür, das er jetzt brauchte.
„Nina“, er rüttelte sie leicht an der Schulter. „Schläfst du schon?“ Nina knurrte. „Natürlich nicht. Warum auch zu so einer Zeit, wenn ich im Bett liege.“ Sie drehte sich um setzte sich etwas auf. „Ist was mit Lena?“ fragte sie, jetzt schon etwas wacher.
Marcus schüttelte den Kopf, nickte dann aber. Nina wurde ungeduldig. „Was denn nun?“
„Ich hab es ihr gesagt. Und sie hat nicht ja und nicht nein gesagt. Was soll ich denn jetzt machen?“ Nina brauchte einen Moment um das Gesagte zu verstehen und zu enträtseln. Sie holte tief Luft und sah Marcus an. „Ich weiß nicht genau, was Lena für dich empfindet. Auf jeden Fall mag sie dich. Frag sie. Aber nicht so direkt. Ich glaub, dann macht sie dicht.“
„Hm“, Marcus nickte nachdenklich. „Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen? Oder darf ich jetzt weiterschlafen?“ „Nein, danke. Du hast mir schon geholfen. Und du meinst, sie mag mich?“ „Nein, sie hasst dich. Warum sollte sie sonst jede Nacht wach sein, wenn du kommst?“ „Naja, sie kann halt schlecht schlafen, weil sie die ganze Zeit im Bett liegt“, meinte Marcus ahnungslos. Nina lachte. „Ja, das wahrscheinlich auch.“ Sie schupste ihn vom Bett. „Nun geh schon. Versuch dein Glück.“ Marcus war schon auf dem Weg zur Tür, als er sich noch mal umwandte. „Danke. Schlaf gut.“ „Danke. Geh doch mal bei Tobias vorbei. Der freut sich bestimmt auch.“

Lena lag im Bett, mit dem Gesicht zur Wand und die Beine an den Bauch gezogen. Als sie Marcus ins Zimmer kommen hörte drehte sie sich um. Marcus setzte sich vor sie. Zeitgleich öffneten sie den Mund um etwas zu sagen.
„Es tut mir Leid.“ Sie sahen sich und lachten. Damit war die Spannung zunächst einmal genommen. Marcus fing als erster wieder an zu sprechen. „Ich wollte dich nicht überrumpeln. Aber ich meinte es trotzdem ernst, auch wenn es für dich überraschend kam. Ist das für dich ok?“
Lena lächelte. „Ja ja, das ist schon in Ordnung.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Es ist nur so... Ich kann es dir nicht mal genau erklären. Ich weiß nicht, wie es ausdrücken soll, ohne auch mich dabei zu blamieren.“ Marcus setzte sich bequemer und legte den Kopf schief. Erwartungsvoll sah er sie an. „Versuch es. Ich hab Zeit.“ Lena schnitt ihm eine Grimasse. „Können wir vielleicht das Licht ausmachen, du gehst schon mal in dein Bett, ich erzähl es dir und dann schlafen wir und reden nicht mehr darüber?“ Marcus guckte sie verblüfft an und lachte dann. „So ein bisschen verrückt bist du schon, oder? Okay, wir machen das Licht aus, wenn es dir dann besser geht. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich nicht hinterher mit dir rede.“ Lena seufzte. „Na gut, da kann ich Kompromisse schließen.“ „Da bin ich aber froh“, meinte Marcus ironisch, aber nicht gemein. Er stand auf und machte das Licht aus. Dann setzte er sich wieder neben Lena und wartete.
„Es ist so“, begann Lena zögernd, „nein. Weißt du, wie alt ich bin?“ „21, 22?“ „Ja, 21 Jahre. Und wie du vielleicht weißt, trinke ich eigentlich sehr selten Alkohol. Ich war eigentlich auch noch nie betrunken, nicht mal angeheitert.“ „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“ fragte Marcus verwundert. „Warte, gleich verstehst du es. Denn wenn man betrunken ist, macht man ja auch mal Sachen, die man nüchtern nicht machen würde, oder?“ „Ja, schon.“ Marcus verstand den Zusammenhang immer noch nicht. „Na ja, und deshalb hab ich auch noch nie jemanden geküsst, so im Suff, meine ich.“ Lenas Stimme wurde immer leiser, zum Schluss hatte er sie kaum noch verstanden. „Deinen Freund auch nicht?“ fragte Marcus mit sanft. Lena holte tief Luft. „Ich hatte noch keinen Freund. Es fand mich noch keiner so toll, dass er es versucht hätte.“ Sie flüsterte nur noch. „Deshalb weiß ich einerseits nicht so genau, was ich eigentlich für dich empfinde. Doch, das eigentlich schon“, sagte sie im gleichen Atemzug, „und ich fühle mich so schlecht, weil ich mir so dumm vorkomme.“
Marcus erhob sich und nahm Lena in den Arm. Lena lehnte ihren Kopf an seine Schulter, am liebsten hätte sie sich unsichtbar gemacht. Das hatte sie noch keinem erzählt. Hoffentlich erzählte er es nicht Nina oder Tobias! Und wenn die das dann weitererzählten,... sie durfte gar nicht daran denken.
„Lena?“ holte sie Marcus aus ihren Gedanken. „Ich finde das überhaupt nicht schlimm. Ich finde es sogar irgendwie süß. Und ich erzähle es auch keinem, wenn du dir grad darüber Gedanken machst. Ich finde dich immer noch so toll wie vor einer halben Stunde.“ „Hm“, machte Lena. „Ich bin grad eine Maus mit Tarnkappe in einem Mauseloch.“ Nach einem Moment setzte sie noch hinzu: „Wenn du das auch nur einer Menschenseele erzählst, bist du ein toter Mann.“
Marcus schüttelte den Kopf. „Das mache ich nicht. Großes Ehrenwort.“
Eine ganze Zeit saßen sie so im Dunklen. Lena genoss die Nähe von Marcus und atmete seinen Geruch ein, der ihr in den letzten Tagen so vertraut geworden war. Sie hätte noch lange so sitzen können, wenn sich nicht das Kribbeln in ihrem Magen stetig ein bisschen gesteigert hätte. Trotzdem rührte sie sich, wie auch Marcus, nicht ein bisschen, um den Moment nicht zu zerstören.
Nach einiger Zeit löste sich Marcus jedoch etwas von ihr und küsste sie leicht auf den Mund. Das ging so schnell, dass Lena gar keine Zeit hatte zu reagieren.
„Wir haben viel Zeit“, sagte Marcus zu ihr. „Wir warten einfach einmal ab, was passiert, einverstanden?“
„Danke“, sagte sie leise. „Wofür?“ fragte er amüsiert. „Für alles. Einfach so. Die letzten Tage und besonders heute.“ „Ist schon okay. Ich hab es gern getan.“

 

Hej Katya,

herzlich willkommen auf kg.de!

Ich habe Deine Geschichte zunächst mit Interesse gelesen, dann aber vorzeitig abgebrochen, da Du leider so einiges sehr an den Haaren herbeiziehst.

1. Wenn jemand ernsthaft krank ist, gehört er zum Arzt oder ins Krankenhaus.
2. Gerade eine Sani weiß Punkt 1 und würde sich nicht darauf einlassen, jemanden nach hause zu fahren, der offensichtlich krank ist (was Marcus zumindest überlegt).
3. Ein Arzt unterliegt der Schweigepflicht. Er würde immer erst der Patientin sagen, was los ist, bevor er es den Angehörigen (oder in diesem Fall, den flüchtigen Freunden) sagt
4. Bei einer seltenen Erkrankung kommt der Patient immer ins Krankenhaus, vor allem, wenn es sich um einen Virus handelt.
5. Viruserkrankungen sind ansteckend. Daher ist es unglaubwürdig, dass drei Leute Lena pflegen, ohne auch zu erkranken.
6. Auch sehr hohes Fieber ist ein Grund, ins Krankenhaus zu kommen.
7. Dass ein RA-Praktikant darüber nachdenkt, dass es besser gewesen wäre, jemanden mit einer derartigen Erkrankung zu ihm nach Hause zu bringen (wo sich anscheinend kaum jemand hätte kümmern können), kann ich mir auch schwer vorstellen.

Ich habe das Gefühl, dass Du die Erkrankung hauptsächlich deshalb in die Geshcichte eingebracht hast, um Lena und Marcus zusammenzubringen. Das ist auch völlig okay, aber eine gut recherchierte existente Krankheit wäre da angemessener gewesen.

Insgesamt reißt mich Deine Geschichte nicht sehr vom Hocker - schau sie Dir noch mal in ruhe an und prüfe, ob Du nicht hier und da zugunsten der Glaubwürdigkeit etwas ändern kannst.

Liebe Grüße
chaosqueen

 

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