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Fritten mit Salz (Oral exam)
Wir, die Versager der 10. Klasse Realschule, gescheiterte Existenzen, potenzielle Seniorenstudienanwärter/innen, die, die es noch einmal wissen wollten und die, die nicht wussten, was sie wollten, wir alle und noch ein paar andere Gestalten hockten nach dem Unterricht des Abendgymnasium Köln-Nord noch oft in einer der näher gelegenen Kneipen. Natürlich Eiche rustikal. Es waren nur wenige Tage vor den Abschlussprüfungen und bei Bier und Fusel, die feineren Herrschaften gönnten sich auch einen Cocktail, schaute man in ratlose und verzweifelte Gesichter.
Monica, unsere Englischlehrerin gesellte sich auch an diesem Abend auf ein paar Tütchen zu uns.
Sie hatte schon im Gefängnis Ossendorf Erwachsenenbildung betrieben und das Abendgymnasium
war ihre Endstation Lehrerkarriere.
„Enttäuscht mich nischt, Leute. In zwei Tagen haben wir die Mündlische --
Unsere Gesichter wurden noch verzweifelter.
„Oral exam, you know oral?“, setzte Monica nach und als währen wir gehörlos, legte sie mit Mund und Händen die schönste Blow- Job -Gebärde hin, so dass auch Nicht-Engländer wussten, worum es gehen muss. Das war nicht das erste mal. Sie lächelte ungeniert, zog kräftig an ihrer Kräuterzigarette und zeigte ihre winzige Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen.
Wir nannten sie seit langen einfach nur „Lewinsky“.
Von Bierhefe, Wacholder und Gras bekamen wir Ziehen im Magen also steuerten wir den nächsten Imbiss an und bestellten Dies und Das.
Die Frittenbudenfrau war ein fülliges Frosch ähnliches Wesen, jenseits der Wechseljahren aber durchaus im Stadium der Scheidentrockenheit.
Dicke, gelbliche Tränensäcke brachten ihre wässrigen Augen zur Geltung. Ihre dünnen, straßenköterblond-grauen Haare hatte sie zu einem Dutt zusammen geknotet aber einige ungehorsame Strähnen hingen ihr wie fettige Spaghetti ins liebliche Gesicht.
Frittenfett und Friteusendampf sind also doch besser als jedes Glättungsshampoo.
Als wir auf unser Essen warteten und depressiv an einer Flasche Reissdorf nuckelten, kam neue Kundschaft herein getorkelt. Ein Traum von Mann, der so ungefähr nach allen Ausscheidungen stank, die alkoholbedingte Inkontinenz samt Übelkeit so mit sich bringt.
Er hatte eine sehr gesunde rote Gesichtsfarbe, seine letzten weiss-gelben Haarsträhnen klebten sehr fesch an seiner Kopfhaut und mit einem wunderbaren Bass bestellte er in lallendem Kölsch „ne grosse Fritten“. Dann stierte er vor sich hin und sprach mit dem Fussboden.
Die froschähnliche Thekenfrau setzte sich nur langsam in Bewegung. Ihr ehemals weißer Kittel spannte und schenkte uns einen Blick auf ihre starken, verbeulten Schweissarme. Auch um die Achseln rum, war sie gelbstichig.
„Kommt auf die Fritten watt drauf?“, fragte sie mehr zu sich selbst.
Der Traum von Mann stierte weiter und ohne auf zuschauen, röchelte er mit einer Stimme, die so dunkel, dumpf und schleppend war, als käme sie aus der Kölner Kanalisation empor:
„Mit Saallz, Du Funnz“
Dann erbrach er sich geräuschvoll in Richtung Bedienungstheke.
Schreiend vor Lachen befanden wir uns auf dem klebrigen Boden der Frittenbude.
Das „Gleisch-klaschtet-Freunde“ der Bedienung hörten wir kaum noch.
Ihre Wut schien aber bereits verflogen, denn sie rührte nun seelenruhig in der angebrannten Currysosse. Wir denken, sie hat schon Schlimmeres erlebt.
Einige Zeit später war der Imbiss geschlossen. Man sagt, die beiden hätten sich zusammen getan und tingelten nun durch Ehrenfeld. Alles ist möglich im Kölner Norden-
und milde lächeln die drei lesbischen Nonnen von Klosterfrau Melissengeist auf die Bewohner des Viertels herab.