Was ist neu

Frost

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08.07.2012
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Frost

Die Taiga erbebte unter dem Donnern tausender Hufe. Arve Norstrøm fuhr herum, ließ das Gewehr fallen und rannte los. Der Mantel behinderte ihn, und die Stiefel versanken tief im Schnee. Den Fluss erreichen ... Die Ohrenklappen der Trappermütze schlugen gegen seine Wangen, eiskalte Luft schnitt ihm in die Kehle.
Hoch oben im eisengrauen Himmel krächzten Aaskrähen. Ein Rauschen und Flügelschlagen, und der Schwarm jagte über ihn hinweg.
Schon konnte Norstrøm das schwarze Wasser des Torne sehen, doch schwerer und schwerer wurde jeder Schritt. Er kämpfte, wie er so viele Male gekämpft hatte. Er biss die Zähne aufeinander, fühlte den Feueratem in seiner Brust.
Das Brüllen und Stampfen der heranstürmenden Herde näherte sich wie ein Orkan. Norstrøm hörte das Krachen von splitterndem Holz und er sah, wie die Leiber der tonnenschweren Waldbüffel Birken und Fichten niederwalzten. Er sah, wie unter ihren Hufen Schnee emporwirbelte, wie Erde und Morast in den Himmel spritzten.
Als er den sengenden Atem der Tiere im Rücken spürte, stieß Norstrøm einen Seufzer aus und ließ sich fallen. Hunderte Tritte zermalmten seinen Körper, aus den zerplatzenden Organen schoss das Blut dick, schwarz und dampfend. Norstrøm stöhnte. Mit dem Knacken berstender Knochen in den Ohren umfing ihn Finsternis und das Gefühl, lebendig begraben zu sein.


Sveija beugte sich zu Norstrøm hinab und küsste seinen Hals. Sie fuhr mit der Hand in seine Hose und rieb in langsamen kreisenden Bewegungen, doch Norstrøm saß nur da, starrte auf den leeren Teller, der vor ihm auf dem Tisch stand, und sagte nichts.
»Wieder dieser Traum?«
Draußen kreischte die Sirene - das Signal für das Training des Patrouillenkommandos.
Sveija zog ihre Hand zurück und richtete sich auf. Ihr Blick ruhte einige Augenblicke lang auf Norstrøm, dann schnalzte sie mit der Zunge und begann, den Tisch abzuräumen.


Die Männer zitterten vor Kälte, doch Bussarth scherte sich nicht darum. »Es ist mir scheißegal, wie lange wir hier draußen stehen«, brüllte er. »Auch wenn es den ganzen Tag dauert. Jeder von euch wird mir vier Treffer auf fünf Schuss zeigen. Also noch einmal. Bereitmachen!«
Norstrøm zog das Gewehr von der Schulter, hockte sich in den Schnee und schlug an. Aus den Augenwinkeln sah er, dass auch die anderen Männer des Kommandos ihre Feuerpositionen einnahmen. Matt Larkim zu seiner Rechten hatte Schwierigkeiten, wie immer. Sein lahmes Bein machte ihm zu schaffen. Norstrøm beobachtete, wie er sich umständlich niederkniete und vergeblich versuchte, das Gewehr in Anschlag zu bringen.
»Larkim!« Bussarths Stimme gellte über den Hof und wurde von den Wänden der umstehenden Baracken zurückgeworfen. »Benutze gefälligst den Riemen.«
Larkim hantierte eine Weile mit dem Gewehrriemen und fand schließlich eine Schussposition.
»Ich hoffe nur, dass du ein paar Kugeln abfängst, bevor du krepierst«, sagte Bussarth. »Dann wärst du wenigstens für den Mann hinter dir zu etwas nutze.«
Norstrøm entsicherte sein Gewehr, zielte auf die Latte mit den Fallscheiben und wartete auf das Feuerkommando.


Sveija ließ die Hände über Norstrøms Schultern gleiten, abwärts, die Brust hinab, über Rippen, Bauch und Hüfte. Dann umfasste sie seinen Hintern und zog ihn dicht an sich heran.
»Fick mich, Krieger!«, flüsterte sie in sein Ohr.
Norstrøm drückte sie in die Kissen und betrachtete das unter ihm im unruhigen Licht der Öllampe schwimmende Gesicht. Er sah in Sveijas grünlich leuchtende Augen, spürte die Hitze ihres Körpers.
»Ich bring dich ein bisschen in Fahrt«, sagte Sveija und griff zwischen seine Beine.
Ein wenig später lagen sie auf dem Bett und starrten auf die Schatten, die im Flackerschein über die kahlen Wände krochen.
»Morgen geht es dir bestimmt besser«, sagte Sveija.
»Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte Norstrøm.
»Wirklich?« Sveija drehte sich zu ihm herum. »Okay, und was hat dein Schwanz für ein Problem?«
Norstrøm steckte sich eine Zigarette an. Er blies den Rauch unter die niedrige Decke der Baracke und schwieg.


Norstrøm schloss die Tür hinter sich, schulterte sein Gewehr und machte sich auf den Weg zum Tor der Basis. Unterwegs traf er auf Larkim und zwei Männer der Wachschicht. Larkim lag im schmutzigen Schnee und hielt die Hände schützend über sich. Aus einem Mundwinkel tropfte Blut.
»Verdammter Krüppel«, sagte einer der Männer. »Wenn wegen dir jemand da draußen draufgeht, komm nicht wieder zurück.« Er rieb sich die Knöchel der Faust und versetze Larkim einen Stiefeltritt in die Seite.
Norstrøm verfolgte, wie die beiden Männer auf den am Boden Liegenden spuckten, sich umwandten und davongingen. Larkim rollte sich hustend zur Seite. Er brauchte einen Moment, um zu Atem zu kommen. Dann packte er das im Schmutz liegende Gewehr, stützte den Kolben auf und stemmte sich hoch.
Norstrøm trat an Larkim heran. »Du hast da draußen nichts zu suchen«, sagte er.
Larkim wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels das Blut aus dem Gesicht. »Der Kommandant hat es entschieden. Alle Freiwilligen können mit auf Patrouille gehen.«
»Weil die Männer da draußen sterben wie die Fliegen«, erwiderte Norstrøm. »Aber der Kommandant hat keine Krüppel gemeint.«
Larkim zuckte die Schultern. »Mir egal, was du denkst.«
Norstrøm stieß ihn hart vor die Brust. Larkim schwankte zurück.
»Halt dich fern von mir, du Freak«, sagte Norstrøm.


Es begann mit einem Zischen. Etwas schoss durch die klare Luft, dann explodierte der erste Geländewagen.
»Raus! Raus!«, brüllte Bussarth. »Raus aus den Jeeps!«
Norstrøm stieß die Beifahrertür auf und machte einen Satz ins Freie. Gewehre krachten und das Prasseln einschlagender Geschosse raste wie ein Schauer über die Patrouille hinweg. Norstrøm warf sich in den Morast, kroch ein paar Meter über den aufgeweichten Waldboden und brachte sich im Unterholz in Sicherheit.
»Neugruppieren! Neugruppieren!« Bussarths Stimme klang schrill und brüchig. Sie wurde vom Donnern zweier Detonationen verschluckt, dann folgte das böse Zwitschern umherfliegender Wrackteile, und Rauch zog über die chaotische Szene. Schmerzensschreie waren zu hören. Es roch nach Diesel, Feuer und Blut.
Norstrøm arbeitete sich durch das Dickicht und erreichte den Rand einer Lichtung. Ein paar Männer hatten hier hinter Buchen und Fichten Stellung bezogen und schossen liegend auf einen unsichtbaren Feind. Seitlich seiner Position entdeckte Norstrøm Matt Larkim. Er stützte sich auf sein Gewehr und humpelte zwischen verkrüppelten Birken auf den Rest der Truppe zu.
»Idiot«, fluchte Norstrøm. Er löste eine Nebelgranate von seinem Gürtel, zog den Sicherheitsstift und schleuderte die Granate Larkim entgegen. Weißer Rauch wallte auf.
Unterdessen waren einige andere Männer bei der Lichtung angelangt, schwer atmend, wild mit den Augen rollend, die Gesichter geschwärzt vom Ruß der Flammen.
»Bajonette aufpflanzen«, brüllte Bussarth und Norstrøm sah, wie sich unter den Bäumen am gegenüberliegenden Rand der Lichtung der Schatten des Feindes zusammenballte. Der eiskalte Stahl des Bajonetts biss durch den Handschuh, doch Norstrøm spürte es kaum.
»Angriff!«
Norstrøm stemmte sich hoch, seine Stiefel versanken tief im matschigen Schnee. Er stürzte vorwärts, inmitten explodierender Rauchgranaten, gemeinsam mit den anderen Männern, vielleicht waren es zwei Dutzend, vielleicht waren es ein paar verlorene Seelen mehr. Irgendwo links neben ihm schleppte sich Larkim über die Lichtung. Mit seiner Fünfundvierziger in der Hand feuerte er ins Ungewisse und wankte, das schwache Bein nachziehend, dem Kampf auf Leben und Tod entgegen.
Norstrøm holte tief Luft und hob seine Waffe. Aus dem Dickicht vor ihm starrten ihn die Augen der Feinde an, und dann versank alles im Knattern der Sturmgewehre, im schmatzenden Stoßen der Bajonette und im Schreien der tödlich Verwundeten. Unter dem Anprall des Schreckens duckte sich Norstrøms Seele, krümmte sich zusammen, zog sich in einen unzugänglichen Winkel des Seins zurück, und nicht mehr als eine kalte, ganz und gar empfindungslose Aufmerksamkeit verfolgte aus seinem Innern heraus das Stechen, Würgen und Trampeln, das Schießen, Schneiden und Reißen.
Bis zu dem Augenblick, als Norstrøm begriff, dass er am Boden lag und eine schwarze Gestalt über ihm mit der Waffe zum Schlag ausholte. Norstrøm betrachtete die unter der vernarbten Haut zuckenden Muskeln, die zum Zerreißen fest gespannten Sehnen und schließlich den auf ihn gerichteten Blick des Feindes, ein Blick, in dem es kein Verzeihen gab, kein Verständnis, kein menschliches Fühlen oder Wollen. Unsere Zeit ist vorbei, dachte Norstrøm. Es war nicht mehr, als ein kurz aufzuckender Gedanke. Aber er fasste all die Jahre des Kampfes zusammen, die Jahre des Krieges gegen diesen unbekannten und unerkennbaren Feind: Die Zeit der Menschen war vorüber.
Mit einem Knall zerplatzte der Schädel über ihm und hinter der zusammensinkenden schwarzen Gestalt erschien Larkim. Aus dem Lauf seines Gewehrs quoll Rauch.


Sveija strich zärtlich über Norstrøms Haar. »Gut, dass du wieder da bist«, sagte sie und hob das Glas. »Ich wusste, dass du es schaffen würdest.« Sie tranken. Der Wodka, der ölig in ihren Gläsern funkelte, brannte Norstrøm in der Kehle.
»Ist nicht mein Verdienst«, sagte er. »Wäre Matt nicht gewesen …«
»Wer?«
»Matt Larkim«, sagte Norstrøm. »Der Krüppel. Er hat mir das Leben gerettet.«
Sveija erhob sich, trat an den Tisch und ergriff die halbgeleerte Flasche. Sie setzte sich wieder zu Norstrøm aufs Bett und schenkte nach.
»Und wie viele Männer hast du gerettet?«
Norstrøm schwieg. Im Feuerloch des eisernen Ofens loderten die Flammen. Das Knistern und Knacken brennender Buchenscheite erfüllte den Raum.
Sveija stellte Glas und Flasche auf den Boden, dann streifte sie ihr Leinenkleid herunter und wandte sich Norstrøm zu. Im Halbdunkel der Baracke lag ein olivfarbener Schimmer auf ihrer Haut. Sie strich über die Innenseiten ihrer Schenkel und sagte: »Lass uns das alles vergessen, Arve.«
Norstrøm betrachtete sie eine Weile.
Dann sagte er: »Glaubst du, dass du das tun musst, damit ich dich liebe?«
»Was? Ich …«
»Oder willst du mich nur bei Laune halten?«
Sveija presste die Lippen zusammen. Ihre Brüste hoben und senkten sich schnell und eine Ader an ihrem Hals pochte wild. Sie starrte Norstrøm einen Moment lang an.
»Du verdammtes Arschloch«, sagte sie schließlich und sprang auf.
Norstrøm verfolgte, wie sie zum Ofen ging, die Klappe öffnete und Feuerholz nachlegte. Sie starrte in die Flammen und lange Zeit sagte niemand ein Wort.
Irgendwann fuhr sich Norstrøm mit den Händen über das Gesicht.
»Würdest du mit mir weggehen von hier?« Seine Stimme klang kraftlos.
Sveija sah Norstrøm an. »Was ist nur los mit dir?«, fragte sie traurig. »Wohin sollen wir denn gehen? Da draußen gibt es nur den Tod. Niemand weiß das besser als du.«


Er war hochgewachsen, groß. Sicher größer als irgendein Mann in der Basis. Und er trug das Fell eines weißen Wisents über seinem Armeemantel. Doch obwohl sich diese Dinge seltsam genug ausnahmen, starrten ihn die Wachen und die Frauen im Hof aus einem anderen Grund mit Blicken an, in denen sich Furcht und Faszination mischten. Als die Sirene losgegangen war, um das Zeichen zum Öffnen des Tors zu geben, konnte es kaum jemand glauben, denn seit Monaten hatte kein Fremder die Basis betreten. Der nächste Posten befand sich vierhundert Kilometer südwestlich, und jenseits der Grenze zu Finnland lebten ohnehin keine Menschen mehr.
Sveija, die mit ihrer Freundin Freyr ganz in der Nähe stand, als das Tor geöffnet wurde, strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und presste den Griff ihres Weidenkorbes.
»Oh, der ist aber groß«, sagte Freyr.
»Wie ist der hierhergekommen?«, sagte Sveija.
»Er sieht stark aus«, erwiderte Freyr.
Sveija schüttelte den Kopf. »Niemand ist stärker als der Tod.«


Norstrøm setzte das Glas an die Lippen und trank.
»Den hättest du sehen sollen, Arve!«, sagte Freyr. »Der Typ ist so riesig wie ein Büffel.«
»Hm«, brummte Norstrøm.
Sveija räumte den Tisch ab. Sie hantierte eine Weile am Spülbecken, dann sagte sie über die Schulter: »Sogar Bussarth war schwer beeindruckt.«
Freyr nickte. »Ja. Kein gewöhnlicher Mann wandert hier einfach durch die Wildnis. Ich meine, er war zu Fuß unterwegs. Kann man das glauben?«
»Kaum«, sagte Norstrøm. »Von wo ist er denn gekommen?«
»Es heißt, er kam aus dem Osten«, sagte Sveija. Sie trocknete ihre Hände, trat wieder an den Tisch und setzte sich.
Norstrøm schüttelte den Kopf. »Aus Finnland? Unmöglich.«
Die beiden Frauen nickten.
»Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen«, sagte Freyr. Sie stieß Sveija an. »Hast du gesehen, sein Haar ist beinahe weiß.«
»Wie seine Haut«, erwiderte Sveija.
»Seit wann ist ein verdammter Albino ein gutes Zeichen?«, sagte Norstrøm. Er nahm einen Schluck und ließ den Blick von Sveija zu Freyr wandern. »Was ist los mit euch?«
»Es hat etwas auf sich mit diesem Mann«, sagte Sveija.
Freyr nagte an ihrer Unterlippe und nickte geistesabwesend.
Norstrøm rieb sich die Stirn. »Wie ist sein Name?«, fragte er schließlich. »Ihr habt doch sicher gehört, wie er heißt.«
Sveija senkte den Blick und starrte auf ihr halbgeleertes Glas, doch Norstrøm bemerkte das Flackern in ihren Augen.
»Frost«, sagte sie leise. »Ich hörte, sein Name sei Frost.«


Wollte man nicht in der eigenen Hütte trinken, ging man ins Gunnarson, wo neben Sima und Met auch Brännvin und Wodka ausgeschenkt wurde. Der Kommandant des Camps hatte dem Metzger Till Gunnarson zwei Jahre zuvor gestattet, im Nordwestviertel der Basis eine Baracke anzumieten, um dort eine Schenke einzurichten. Bald sorgten monatliche Lieferungen aus Sundsvall für Nachschub, und seit dieser Zeit verbrachten nicht nur die Männer der Wache ihre freien Abende hier.
Auf dem Weg zum Gunnarson dachte Norstrøm daran, wie fremd ihm dieses Leben noch immer war. Ein Leben, das sich zwischen Patrouillen, Schießplatz und Baracke abspielte. Ein Leben, das außer Tabak, Wodka und Sveijas Brüsten keine Freuden mehr bot.
In der Schenke herrschte noch wenig Betrieb, doch es roch bereits streng nach Met, Schweiß und Zigarettenqualm. Larkim saß weit hinten an einem Tisch, vor sich zwei leere Gläser und eine Flasche Schwarzer Tod.
»Ich bleibe nicht lange«, sagte Norstrøm und setzte sich. Larkim nickte, füllte die Gläser, und sie tranken.
Norstrøm sah sich um.
»Er ist nicht hier«, sagte Larkim.
»Hm?«
»Es heißt, er trinkt mit dem Kommandanten.«
Norstrøm zuckte die Schultern. »Und wenn schon.«
Larkim räusperte sich. »Also eine Patrouille pro Woche«, sagte er. »Das ist nicht viel.« Einen Moment lang schien es, als wollte er dem etwas hinzufügen, doch dann schwieg er.
Norstrøm griff in seine Jacke und holte ein Päckchen Tabak hervor. Er begann, eine Zigarette zu rollen. Ein eisiger Luftzug fuhr durch die Schenke, als sich die Tür öffnete und ein paar Männer der Wachmannschaft eintraten. Sie setzten sich an einen Tisch in der Nähe des Kamins.
»Das da draußen«, sagte Norstrøm, »ist nicht die Wildnis, in der ich aufgewachsen bin.« Er entzündete seine Zigarette und rauchte.
»Was meinst du damit?«, fragte Larkim.
»Ich bin früher in diesen Wäldern gewandert, bin in diesen Flüssen geschwommen. Ich war jagen, fischen, wie die meisten hier. Und ich sage dir, es ist jetzt alles anders.«
»Natürlich«, sagte Larkim. »Es ist jetzt das Gebiet des Feindes.«
»Nein, nein.« Norstrøm schüttelte den Kopf.
»Es ist die Wildnis selbst, die …« Er verstummte, zog an seiner Zigarette, und dann sagte er: »Was wissen wir eigentlich über den Feind?«
Larkim hob die Schultern. »Nicht viel. Aber ich verstehe nicht …«
»Er kopiert uns«, sagte Norstrøm.
»Er kopiert uns?«
Norstrøm ergriff die Flasche und während er ihre Gläser nachfüllte, sagte er: »Ich glaube jedenfalls nicht an Wiedergänger, Geister und Dämonen.«
»Naja«, sagte Larkim und trank. »Wer oder was auch immer sie sind. Sie wollen unseren Tod.«


Norstrøm hatte Bussarth niemals zuvor lächeln gesehen. An das Kommandieren und Herumschreien konnte man sich gewöhnen, doch dieses Lächeln machte Norstrøm fertig.
»Nehmt euch ein Beispiel an dem Mann«, sagte Bussarth. »Er ist wochenlang durch die Wälder marschiert. Allein. Nur auf sich gestellt.«
Frost blickte in die Runde. Sein glattes Gesicht zeigte kaum eine Regung. In seinen Augen lag ein kaltes, blaues Strahlen.
»Wie ihr wisst, gibt es wieder einmal Versorgungsschwierigkeiten«, fuhr Bussarth fort. »Die Rentierjäger sind heute Nacht zurückgekommen. Sie sind total erledigt und haben nur wenig Beute gemacht.«
»Und ratet mal, wer das meiste Fleisch bekommen wird«, sagte einer der Männer.
»Maul halten!« Bussarth sah wieder grimmig drein. So kannte man ihn. Er wandte sich an Frost.
»Der Kommandant hat entschieden, deine außergewöhnlichen Fähigkeiten zu nutzen. Du wirst eine Jagd leiten. Nimm dir so viele Leute, wie du brauchst.«
Matt Larkim, der neben Norstrøm in der Reihe stand, stieß einen leisen Pfiff aus.
»Moment mal«, sagte Norstrøm. »Wir kennen diesen Mann nicht. Wir wissen nicht, ob er uns die Wahrheit sagt.«
Bussarth drehte sich zu ihm herum. »Und wie hätte er sonst hierherkommen sollen? Du weißt, dass es hier weit und breit keine Siedlungen mehr gibt.«
»Keine menschlichen Siedlungen«, entgegnete Norstrøm.
Bussarth lachte auf. »Sicher. Und glaubst du nicht, wir würden den Feind erkennen, wenn er jetzt hier vor uns stünde?«
Norstrøm betrachtete das Gesicht des Fremden. Frost erwiderte seinen Blick gleichmütig.
»Also, wie viele Männer brauchst du für die Jagd?«, sagte Bussarth an Frost gewandt.
»Ich brauche nur einen«, sagte Frost, und noch immer ruhte sein Blick auf Norstrøm.


Freyr ging in der Baracke auf und ab. »Überall sprechen sie von ihm«, sagte sie.
Norstrøm verdrehte die Augen und kaute auf einem zähen Stück Robbenfleisch.
»Und nicht nur die Frauen«, sagte Sveija. »Auch viele Männer glauben, dass sich jetzt etwas ändern wird.«
»Jemand, der es so lange allein in der Wildnis geschafft hat, weiß Dinge«, fuhr Freyr fort.
Norstrøm wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Dinge?«
Freyr setzte sich an den Tisch. In ihren Augen lag ein seliges Leuchten. »Wir könnten einen neuen Anführer brauchen«, sagte sie. »Jemanden, der sich da draußen wirklich auskennt. Jemanden wie Frost.«
»Hat der Mann, seit er hier aufgetaucht ist, überhaupt mehr als zehn Worte gesprochen?«, erwiderte Norstrøm.
»Aber das muss er ja gar nicht«, sagte Freyr und blickte zwischen Sveija und Norstrøm hin und her. »Frost weiß Dinge«, wiederholte sie.
»Gefällt mir trotzdem nicht, dass du allein mit ihm auf die Jagd gehen sollst«, sagte Sveija an Norstrøm gewandt.
»Bussarth hat entschieden, dass uns Larkim begleiten wird.«
»Der Krüppel?«
»Bussarth will mich demütigen. Seit der letzten Patrouille wären wir wohl beste Freunde, hat er gesagt.«
Sveija schüttelte den Kopf. »Und wie soll das helfen? Überhaupt. Wie wollt ihr zu dritt genügend Fleisch für uns alle beschaffen?«
»Der Kommandant will nur, dass uns Frost seine Jagdmethode zeigt.«
»Es heißt, er hätte den weißen Wisent mit bloßen Händen erlegt«, sagte Freyr und fuhr sich durch das blonde Haar.


Frost streckte sich und warf die Beifahrertür zu. »Von hier ist es nicht mehr weit«, sagte er. »Wir gehen zu Fuß.«
Norstrøm und Larkim holten ihre Ausrüstung aus dem Jeep und schulterten die Gewehre.
»Du gehst voran«, sagte Norstrøm.
Sie folgten Frost einen felsigen Hang hinab, der an beiden Seiten dicht mit Lärchen und Kiefern bewachsen war. Vor ihnen öffnete sich eine weite Ebene. Im Osten dunkelten die Uferböschungen des Torneflusses, weiter im Norden erstreckten sich Wälder bis zum Horizont.
Frost hob einen Arm und deutete auf einen weit entfernten Punkt der Ebene. Norstrøm hob sein Fernglas und suchte die Gegend ab, bis er eine Gruppe von zwanzig oder dreißig Rentieren entdeckte.
»Die sind mehr als einen Klick entfernt«, sagte er und ließ das Glas sinken. »Wie geht es jetzt weiter?«
Frost zog das Büffelfell von seinen Schultern und warf es in den Schnee. Er löste das Schloss seines Koppels und knöpfte den dicken Armeemantel auf.
Norstrøm trat einen Schritt zurück. »Was zur Hölle ...«
»Rentiere sind neugierig«, sagte Frost. »Man kann sie mit ungewöhnlichem Verhalten anlocken.« Er hatte Koppel und Mantel zu Boden geworfen und legte jetzt auch den Rest seiner Kleider ab.
»Nicht dein Ernst«, sagte Larkim. »Du willst doch nicht …« Er verstummte, als Frost nackt vor ihnen stand.
Norstrøm schnalzte mit der Zunge. Er wollte etwas sagen, doch dann schwieg er.
Frost sah ihn einen Augenblick an. Dann sagte er: »Wartet hier auf mich.« Mit diesen Worten drehte er sich um und schritt auf die Ebene zu. Sein haarloser, weißer Leib setzte sich scharf vor dem Hintergrund ab.
Larkim stand mit offenem Mund da. Norstrøm stieß ihn an.
»Thor hat jedenfalls seinen Hammer dabei«, sagte Larkim.
Norstrøm packte ihn am Kragen. »Hältst du das hier für einen Witz?«
Larkim zuckte zusammen und hob die Hände. »Ich …«
»Kapierst du das nicht?«, fuhr ihn Norstrøm an. »Bin ich der Einzige in diesem verdammten Camp, der sieht, dass da was faul ist?«
»Okay«, erwiderte Larkim. »Was sollen wir jetzt tun?«
Norstrøm ließ ihn los. Er hob erneut das Glas und beobachtete Frost, der die Ebene erreicht hatte und sich nun seinen Weg durch Schnee, Eis und Morast bahnte.
»Wir folgen ihm«, entschied er.


Sie waren keine hundert Meter weit gekommen, als fauchend ein Wind einsetzte und ihnen so eisig entgegenwehte, dass sie stehenblieben und die Gesichter abwandten.
»Das wird ein verfluchter Schneesturm«, sagte Larkim.
»Wir müssen an ihm dranbleiben«, rief Norstrøm gegen den Wind. Er wickelte sich ein wenig fester in seinen Schal und setzte sich wieder in Bewegung. Larkim humpelte neben ihm her. Der Wind heulte stärker und stärker.
Norstrøm suchte die Ebene nach Frost ab, doch der Sturm wirbelte lockeren Schnee vom Boden empor und jagte ihn in weißen Schleiern vor sich her.
»Siehst du ihn?«, rief Larkim. Er keuchte.
»Nein, keine Chance.«
»Dann lass uns umkehren.«
Norstrøm biss die Zähne aufeinander. »Okay«, sagte er schließlich. »Folgen wir unseren Spuren zurück, solange wir noch können.«
Als sie eine Stunde später erschöpft und durchgefroren wieder bei ihrem Jeep ankamen, wurde ihnen bewusst, dass es keine andere Möglichkeit gab, als den Sturm im Wagen auszusitzen. An eine Heimfahrt war nicht zu denken, denn mittlerweile konnte man kaum mehr zehn Schritte weit sehen.
Sie packten Schlafsäcke und Decken aus und richteten sich so gut ein, wie es ging.
»Wollen wir den Motor starten?«, sagte Larkim.
»Nein«, erwiderte Norstrøm. »Ich will nicht, dass die Batterie schlappmacht.«
Der Sturm tobte beinahe bis Mitternacht. Als das Heulen endlich nachließ, stieß Norstrøm Larkim an.
»Los, raus aus dem Schlafsack.«
»Willst du jetzt nach Frost suchen?«, fragte Larkim.
»Nein«, sagte Norstrøm. »Ich weiß, wo er ist.«


Riesig und bleich stand der Mond über der Basis und warf ein gelbes Licht über die Palisaden und das Tor.
»Weshalb warten wir hier?«, fragte Larkim. »Willst du nicht reinfahren?«
Norstrøm hatte den Motor abgestellt und spähte mit dem Glas über das Steuer hinweg hinüber zum Camp.
»Schau dir das an«, sagte Norstrøm. Er reichte Larkim den Feldstecher.
Larkim sah durch das Glas. »Was zur Hölle! Da steht ein Wolf vor dem Tor.«
»Ja«, sagte Norstrøm. »Im Unterholz sind noch mehr von denen. Und das Tor steht offen.«
»Verdammt, du hast recht.« Larkim setzte das Glas ab. »Was bedeutet das?«
Norstrøm stieß die Fahrertür auf. »Nimm dein Gewehr. Wir lassen den Wagen hier.«


Tiefe Stille lag über dem Wald und dem Lager. Im Dickicht links und rechts vor dem Tor bewegten sich Wölfe wie Schatten durch das Unterholz.
»Werden die uns angreifen?«, flüsterte Larkim.
»Nein«, erwiderte Norstrøm. »Die tun uns nichts. Sie warten nur.«
»Warten? Worauf?«
Norstrøm antwortete nicht.
»Was ist mit dem da vorn?«, sagte Larkim und entsicherte seine Waffe.
»Werden wir sehen.«
Als sie das Tor erreichten, wandte sich der Wolf ihnen zu. Er hielt einen Moment lang inne, dann trottete er über den Zufahrtsweg und verschwand in der Schwärze des Waldes.
Norstrøm spähte durch das offene Tor in das Camp und warf einen Blick hinauf zum Wachturm.
»Niemand hier«, sagte er. »Gehen wir rein.«
Auf dem Hof wankte ihnen ein Mann des Patrouillenkommandos entgegen. Er war betrunken und konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Norstrøm sprach ihn an. »Was ist hier los? Warum sind die Wachen nicht auf ihren Posten?«
Der Mann sah ihn an, doch er schien ihn nicht zu erkennen.
Norstrøm packte ihn an den Schultern. »Was geht hier vor? Wieso wird das Lager nicht geschützt?«
»Weil … «, der Mann suchte nach Worten. »Weil wir nur unsere Angst zu fürchten haben«, brachte er schließlich lallend hervor. Seine Augen waren trübe, das Gesicht gerötet.
»Wo sind die anderen?«, fragte Norstrøm.
»Sind alle … die meisten … im Gunnarson …« Der Mann wand sich los. Schwankend ging er davon.
»Schauen wir nach«, schlug Larkim vor.
Norstrøm schüttelte den Kopf. »Dafür bleibt keine Zeit. Lauf zur Garage. Wir brauchen einen Kanister Diesel. Ich hole Sveija, und dann verschwinden wir von hier.«
»Aber …«
Norstrøm warf Larkim einen glühenden Blick zu. »In weniger als einer Stunde sind hier alle tot. Wir verschwinden, solange es noch geht.«
»Und wohin?«
»Die Küste entlang nach Sundsvall. Jetzt los!«
Norstrøm eilte durch die schlammverkrusteten Gassen des Camps. Hier und dort waren Stimmen zu hören: hysterisches Gelächter, dann ein Wehklagen, irgendwo sang eine Frau ein altes Lied der Samen.
Mit der Mündung des Gewehrlaufs drückte Norstrøm gegen die Tür der Baracke. Im Innern flackerte das rötliche Licht von Öllampen, Gurgeln und Keuchen war zu hören, und ein seltsamer, beißender Geruch lag in der Luft. Es roch nach Tier. Norstrøm spürte, wie ihn der Dunst betäubte. Die Konturen des Raumes verschwammen, ein dumpfes Pulsieren waberte durch die Baracke und zerrte Norstrøm in den Eingeweiden.
Als er durch die Diele trat, erstarrte er. Sveija lag auf dem Bett, ihre Schenkel umklammerten den weißen Leib von Frost. Freyr wand sich wie eine Schlange zwischen ihnen. Die Körper der Frauen wirkten winzig, sie waren nicht mehr als Puppen in den Händen des weißen Riesen.
Norstrøm hob das Gewehr. »Geh runter von ihr«, wollte er sagen, doch es war nur ein kehliges Krächzen, das aus seinem Mund kam.
Er machte einen Schritt in den Raum, er wollte schreien. Doch Körper und Stimme gehorchten ihm nicht länger. Versteinert stand er da und sah, wie sich Sveija unter Frosts Stößen bog. Sah das pupillenlose Weiß in Freyrs Augen, sah den Schaum, der von Frosts Lippen herablief und auf Sveijas Brüste tropfte. Einen Moment lang schien Sveija Norstrøm zu bemerken. Sie drehte den Kopf und blickte ihn an. Sie öffnete die Lippen und streckte eine Hand nach ihm aus. Dann zuckte sie zusammen, ein Schauer jagte über ihre bleiche Haut und ihre Augen rollten zurück, in einem Zustand, der Qual oder Lust war oder beides in einem.
»Weg hier!«, brüllte Larkim ihm ins Ohr. Er packte Norstrøm und zerrte ihn aus der Baracke. Während sie im Mondschein über den Hof taumelten, kehrten Norstrøms Sinne zurück.
»Ich muss sie retten«, stammelte er. »Sveija, ich muss sie da raus holen.«
»Komm zu dir«, rief Larkim. »Sie ist tot, Arve. Sie ist tot.«


Die Ruinen von Umeå lagen hinter ihnen, als im Osten über der Bottensee eine kalte Sonne aufging.
»Halt an«, sagte Norstrøm.
Er stieß die Tür auf und lehnte sich aus dem Wagen.
Larkim steckte sich eine Zigarette an und klopfte Norstrøm sachte auf den Rücken.
»Lass es raus«, sagte er, und Norstrøm erbrach sich hustend. Als es vorüber war, reichte ihm Larkim eine Wasserflasche. Norstrøm trank, spuckte und stieg aus dem Wagen. Er machte ein paar Schritte und starrte über die Wipfel des Waldes hinweg in den Himmel. Das raue Krächzen von Aaskrähen war zu hören. Und dann schien es, als erbebte die Taiga unter dem Donnern tausender Hufe.

 
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Hallo Wieselmaus, vielen Dank für Deine Hinweise und Gedanken zum Text. Dank Dir auch für Dein Lob zu Sprache und Gestaltung. Ich sehe das mit den Heldengeschichten ein wenig anders. Klassische Heldenepen, die uns Männer und Frauen mit bewundernswerten Eigenschaften zeigen, haben sicher auch die Funktion, Vorbilder zu skizzieren. Ich denke da an Odysseus, Achill, Beowulf, Robin Hood, Mulan (China) oder die 47 Rōnin (Japan). Doch bei genauem Hinschauen waren diese Figuren oft nicht nur positive Erscheinungen. Odysseus war listig und grausam, Achill ein gnadenloser Krieger usw.

Die Moderne ist ohnehin sehr vorsichtig, was Helden betrifft. Und dort würde ich auch diese Geschichte einordnen. Norstrøm ist bestimmt kein reiner Held.

Meine Frage ist, sollen Eltern deine Protagonisten als Vorbilder für für Söhne und Töchter verstehen, sind die untergehenden Gesellschaften fatalistisch hinzunehmen?

Ich weiß, dass ich selbst manchmal so frage, meist um jemanden aus der Reserve zu locken und um mehr zu erfahren. Aber im Grunde ist diese Fragestellung nicht mehr zeitgemäß. Literatur hat heute keinen Bildungsauftrag mehr in dem Sinne, eine Anleitung zum richtigen Handeln zu sein oder dem Leser definitive Wahrheiten über die Welt zu vermitteln. Das war einmal so.

Bedeutet, was die Eltern aus dem Text entnehmen, steht ihnen frei. Ich kann nur sagen, was ich dieser Art von Texten entnehme, wobei ich meinen eigenen Geschichten gegenüber natürlich befangen bin.

Ich entnehme dieser Art von Texten eine grundlegende Skepsis gegenüber der Gesellschaft. Und zwar gegenüber jeder Art von Gesellschaft, sei es eine Stammesgesellschaft, eine feudale oder eine moderne, kapitalistische Demokratie. Skepsis bedeutet nicht, dass ich jeden Anspruch der Gesellschaft an das Individuum ablehne, aber ich schaue mir das sehr genau an.

Manipulation ist von Gesellschaft nicht zu trennen, deshalb hatten die Weisen der Weltgeschichte auch eine Menge Arbeit damit, den Menschen die gesellschaftlich bedingten Wahnvorstellungen (Kreuzzüge, arische Weltherrschaft, endloses Wirtschaftswachstum) als Illusionen vor Augen zu führen.

Auch in diesem Text geht es um Illusion, Manipulation, die Frage nach dem richtigen Weg usw.

Es gibt auch Helden und Heldinnen des Alltags …

Nein, die gibt es nicht. Das mag ein Schlagwort von Pro 7 sein, aber … naja. Ein Held ist immer jemand, der etwas ganz und gar Außer-Alltägliches tut. Zumindest, wenn wir wirklich klassische Maßstäbe anlegen. Tun wir das nicht, steht es uns natürlich frei, jede gute oder nützliche Tat als heldenhaft zu bezeichnen und so wird der Techniker, der endlich wieder unser Wlan in Gang setzt, zum Held.

… solche, die unverdrossen gegen die Dämonen von Armut, Angst und Ungerechtigkeit ankämpfen. Ist das langweilig? Ich meine das nicht als rhetorische Frage.

Klar, ich verstehe schon, was Du meinst. Natürlich ist das nicht langweilig, wenn es gut erzählt ist. Mythische Geschichten haben mit der Gefahr zu kämpfen, zu allgemein zu bleiben. Dann wird ihr Inhalt beliebig. Alltagsgeschichten haben mit der Gefahr des Anekdotischen zu kämpfen, dann wird ihr Inhalt trivial. Hier die Balance zu finden ist sehr schwierig.

Nochmals, du schreibst sehr souverän, angenehm zu lesen, spannend. Die Themen sind mir eher fremd.
Dystopien, bei denen mir häufig der Zusammenhang von Ursache und Wirkung fehlt, oder anders gesagt, die historische Reflexion, bereiten mir Unbehagen.

Historische Reflexionen sind nur eine Art, die Welt und ihre Geschehnisse zu verstehen. Natürlich darf ein Weltbild nicht ahistorisch sein, aber Geschichten, die die Conditio humana korrekt reflektieren, lassen sich auch in Dystopien (Bladerunner), sogar in Fantasy (Herr der Ringe) hervorragend realisieren. Man muss nur bereit sein, sich dafür zu öffnen.

Wieselmaus, vielen Dank für Deine Hinweise zum Text. Ich freue mich, dass Du das gelesen hast, obwohl es sicher nicht Dein Genre ist.

Beste Grüße
Achillus

wird fortgesetzt

 

Hallo Achillus,

Danke für die ausführliche Antwort auf meinen Kommentar. Um gleich ein mögliches Missverständnis auszuräumen:

Ich selbst habe meinem Sohn die Begeisterung für Science Fiction vererbt, meine Schwiegertochter teilt mit mir das Lesevergnügen an Fantasy, unsere Bücherregale sind vollgestopft mit den mehrbändigen einschlägigen Werken.
Das Lesevergnügen ist das eine. Das andere ist die Wahrnehmung und die Verantwortung für das wahre Leben. Du bezweifelst den Erziehungsauftrag von Literatur? Da möchte ich dir wirklich widersprechen. Manches davon habe ich schon bei Friedrichard dazu gesagt. Die Lektüre von Kindern ist ganz wichtig für ihr Weltbild. Und gerade gebrochene Helden spielen dabei eine wichtige Rolle, was ich den Fragen meiner Enkel entnehmen kann.

Vorbilder müssen hinterfragt werden. Das ist schon noch bzw. erst recht ein wichtiger Bildungsauftrag von Literatur. Wie im einzelnen damit umgegangen wird, ist meiner Überzeugung nach im Rahmen demokratischer Normen pluralistisch zu beantworten. Hier und jetzt. Davor kann man sich als Eltern nicht drücken, höchstens scheitern.

Das kommt dir wahrscheinlich apodiktisch vor, so wie mir deine Haltung. Macht aber nichts. Ich kann es aushalten.

Beste Grüße
wieselmaus

 

Hallo Achillus,
zur handwerklichen Seite muss man nach den vorherigen Kommentaren nichts sagen. Das ist ein Erzählrhythmus, der bestens funktioniert. Lange Sätze, kurze Sätze, alles genau getimed und geplant und gekonnt geschrieben.
Beim ersten Lesen vor einigen Tagen bleibt bei mir übrig: Eine herbe, archaische Szenerie, kalt und grausam. Feinde, die nicht genauer definiert werden. Frost, der aus dem Nichts auftaucht. Feuerwaffen vergesse ich. In der Erinnerung reduziere ich das Bild auf eine Schicksalsgemeinschaft in grauer Vorzeit und vergesse die Feuerwaffen und Jeeps. Eindrücklich bleibt das Entfremdungsmotiv von Welt und Natur, die emotionale Erstarrung, die Verbindung Sexualität und Tod, Eros und Thanatos. Aber ich kann die Fäden nicht zusammenbekommen. Alles hängt ein wenig lose herum und bleibt, bei aller Routine in der Beschreibung und dem Können in der dramaturgischen Disposition, vage und nebulös. Ich denke an einen mythologischen Text, aber dazu erscheinen mir die Figuren zu vage.
Heute lese ich den Text noch einmal und ich habe irgendwie eine Idee, was es sein könnte und finde für mich eine Spur zum Textinhalt.

Weil wir nur unsere Angst zu fürchten haben
Das könnte für mich der Kern der Geschichte sein, die Aussage des Betrunkenen am Ende. Dann sind die Feinde mit ihren Narben die eigenen vernarbten Gesichter. Vernarbt von der eigenen Vergangenheit, von Verletzungen, Schlägen, Traumen, die Ängste hervorbringen, die man nicht bewältigen kann. Sie begegnen also ihren eigenen Ängsten da draußen, weshalb der Kampf auch so unplanbar und chaotisch verläuft, so wenig greifbar ist und der Feind nicht fassbar. Das erklärt auch die Aussage von Norstrøm, dass der Feind sie nur kopiert. Er kopiert sie aber nicht nur, Feind und Verteidiger sind identisch und deshalb gibt es keinen Sieg. Nur ein zwischenzeitliches Entkommen. In der Entfremdung, die mit der unfassbaren, unbekämpfbaren Angst einhergeht, geht das Gefühl für die Welt, für die Natur, für das Leben verloren. Deshalb versinkt alles in Matsch, Schnee und Dreck. Und die Fortpflanzung ist keine lustvolle Angelegenheit mehr, sondern eine sinnentleerte Übung, weshalb Norstrøm dabei sprichwörtlich zusammenbricht.
Ich sehe dann in Frost selbst etliche religiöse Symbole, explizit auch christliche, die fast eins zu eins übernommen sind. Der einsame Wanderer durch den Wald entspricht dem vierzigtägigen Wüstenaufenthalt des Jesus in der Wüste. Er kommt dann nach dem läuternden Aufenthalt/Wanderung in die Welt, in das Lager und sofort schöpfen Menschen Hoffnung, dass mit ihm alles anders werde. Seine Entkleidung entspricht der Inszenierung als Lichtgestalt bei der Himmelfahrt. Wartet hier spricht Christus auf dem Ölberg zu den Jüngern. Frost sagt es zu den beiden und er geht nackt davon. Vielleicht ist das überinterpretiert. Aber die Häufung ist doch auffällig. Gut, es gibt wohl ähnliche Berichte über Buddhas Berufung, über Mohammeds Einsetzung als Prophet. Herkules als Löwentöter tritt ja auch kurz in Erscheinung. Religiös auf jeden Fall, messianisch. Wenn es nicht so geplant war, dann sind das eben mythische Urbilder, die sich da niedergeschlagen haben. Vielleicht aber ist es auch bewusst so gezeichnet. Allerdings erscheint Frost dann als Antichristus, als Antimessias in der Kälte, die von ihm ausgeht, die Leben zerstört, statt es zu retten, wie in der Beischlafszene mit den Frauen, in der wieder mit der sich Schlängelnden ein religiöses Bild hereintritt. Die Szene kann ich für mich nicht ganz auflösen. Es ist ja nicht klar, ob es real ist oder eine Vision. Der Lahme sieht die Frauen ja tot, während Norstrøm sie im todbringenden Verkehr betrachtet. Aber gut, ein wenig Geheimnis darf ja sein.
Wenn ich es also so lese, sehe ich neben einer spannend erzählten Geschichte eine mythologische Kraft atmen, die schon sein muss, denke ich, damit es nicht nur reines Abenteuer ist. Dafür wurden ähnliche Geschichten ja schon zu oft erzählt. In der Lesart bin ich dann beides: gespannter Leser und von den Vernetzungen, Hintergründen und Tiefen gebannter Schauer. Ich lese quasi eine Antiweihnachtsgeschichte, eine Geschichte von Menschen, die in sich selbst gefangen sind in ihren Ängsten und der Befreier, der als Hoffnungsträger auftritt, bringt Untergang, statt Heil, Dunkelheit, statt Licht.


Ein paar Textdetails:
Für mich nicht passendes Bild.

schwimmende Gesicht.

Finde ich eine zu technische Beschreibung:
chaotische Szene
Ich kann mich an einen Kommentar von Dir erinnern, in dem Du über Frisch schreibst und seine Methode, im Grunde normal zu erzählen und dann bestimmte Entwicklungen mit einer über die bloße Schilderung hinausgehenden Innensicht abzuschließen. Das kommt mir hier so vor und das rundet dann die reine Außensicht ab, gibt Leben und Belebung, was ich eine sehr überzeugende Methode finde. Dadurch bündelt sich auch das Menschliche auf bestimmte Momente. Es wird keine Dauerseelenschau, sondern eben ein kurzer Blick in den Abgrund, den Höhenflug oder was auch immer. Und das ist deshalb hier bemerkenswert und ich möchte sagen exemplarisch, weil das sowohl sprachlich und inhaltlich den üblichen Textduktus verlässt, dadurch vertieft und überhöht. Dass ich eben einen kurzen Moment in die Figur schauen kann in der zentralen Erfahrung des Todes, an dem sich der ganze Text ableiten lässt, in eine Figur also, die sich sonst wortkarg und abweisend durch die Geschichte bewegt, reißt eine Dimension auf, die über das Zeigen hinausgeht.
Unter dem Anprall des Schreckens duckte sich Norstrøms Seele, krümmte sich zusammen, zog sich in einen unzugänglichen Winkel des Seins zurück, und nicht mehr als eine kalte, ganz und gar empfindungslose Aufmerksamkeit verfolgte aus seinem Innern heraus das Stechen, Würgen und Trampeln, das Schießen, Schneiden und Reißen.
Und das geht dann weiter in die elementare Todeserfahrung, die dramaturgisch einfach gut gearbeitet ist.
Irgendwie ist mir dann aber hier das „schließlich“ zu überlegt, zu geplant für die haltlose Situation:
und schließlich den auf ihn gerichteten Blick des Feindes
Finde ich wenig aussagekräftig.
presste den Griff ihres Weidenkorbes
Die überleitende Passage empfinde ich als einen Bruch im Vergleich zur bisherigen Erzählweise.
Wollte man nicht in der eigenen Hütte trinken, ging man ins Gunnarson, wo neben Sima und Met auch Brännvin und Wodka ausgeschenkt wurde.
Beinahe finde ich entbehrlich.
Der Sturm tobte beinahe bis Mitternacht.
Herzliche Grüße
rieger

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Wieselmaus, schön, dass Du nochmal reinschaust.

Das kommt dir wahrscheinlich apodiktisch vor…

Nein, apodiktisch nicht, sondern antiquiert. Du brauchst dringend ein Update, Wieselmaus.

Literatur hat ebensowenig einen Erziehungsauftrag wie ein Baum den Auftrag hat, Schatten zu spenden. Die Vorstellung, Kunst im Allgemeinen oder Literatur im Speziellen müsse gut, schön oder aus sich selbst heraus verständlich sein ist ebenso naiv, wie der Glaube, Literatur mache uns zu besseren Menschen.

Solche Vorstellungen aus Anno Zupp sind einfach nicht mehr der Stand der Dinge und das aus mehreren Gründen. Es ist nicht der allgemeine Verfall der Gesellschaft, wie man vielleicht denken könnte, der Kunst und Literatur von irgendwelchen erzieherischen Missionen befreit, sondern der Umstand, dass wir in den letzten Jahrzehnten unser Verständnis von der Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft vertieft haben, dass wir mehr über das Entstehen von Wirklichkeitsvorstellungen wissen, dass wir kritischer über Kunst und Kultur nachdenken.

Vor vielen Jahrhunderten stand die Kunst im Dienst der Kirche. Michelangelo (nee, Caravaggio wars) musste sein Bild des heiligen Matthäus „verschandeln“, weil die Originalversion als respektlos empfunden wurde. Später vermittelten Romane und Erzählungen bürgerliche Werte oder auch die Werte diktatorischer Systeme. Heute strebt man in der Literatur nach dem formvollendeten und dabei authentischen Ausdruck menschlicher Innenwelten, ganz egal ob dieser Audruck erzieherisch wertvoll oder bedenklich ist.

Die deutsche Mittelschicht der 1930er Jahre war sicher weitaus gebildeter als der Durchschnitt der Weltbevölkerung. Doch hat das diese Mittelschicht nicht davor bewahrt, im dritten Reich in tiefste Barbarei zurückzufallen. Viele Intellektuelle dieser Zeit waren Anitsemiten, offenbar hat Kennntis der Klassiker sie nicht vor dem moralischem Niedergang bewahrt.

Wagner war Antisemit, schmälert das den Wert seiner Kunst? Wie sieht es mit dem erzieherischen Wert der Werke von Marquis de Sade aus? Ist der Mann schlicht ein Perverser oder ein sexueller Aufklärer, und je nachdem was er ist, mindert oder stärkt das den literarischen Wert seiner Erzählungen?

Ich bin als Teenager mit der Musik von den Sex Pistols und von Napalm Death groß geworden. Bedenklich? Noch heute machen ultrakonservative Organisationen Rockmusiker wie Marilyn Manson für den Verfall der Moral verantwortlich. Auch die haben nicht verstanden, dass Kunst nicht den Auftrag hat, die Menschen zum Guten (oder zu was auch immer) zu erziehen. Sie kann es auch gar nicht.

Natürlich ist es so, dass in unseren Geschichten Meinungen, Ansichten und Werturteile mitschwingen. Kein Autor ist frei davon. Und manchmal sympathisieren wir Leser mit diesen Vorstellungen, teilen „die Moral der Geschichte“, die vielleicht oder vielleicht auch nicht die Privatmeinung des Autors ist. Aber das ist kein Gütekriterium. Auch eine Geschichte von zweifelhafter Moral und bedenklicher Botschaft kann künstlerisch wertvoll sein.

Kunst richtet sich heute an mündige, aufgeklärte Menschen, Wieselmaus, nicht an Zu-Erziehende, Zu-Unterweisende oder Zu-Belehrende. Ein Künstler (ob Literat oder was immer) geht davon aus, dass der Rezipient selbständig einordnet, wertet, entscheidet.

Nun kannst Du Dich weigern, das zu akzeptieren. Kann ja jeder seine persönlichen Ansprüche an Literatur formulieren. Nichts dagegen. Aber dann gehört es zur intellektuellen Redlichkeit auch einzusehen, dass Du damit einen großen Teil der modernen Kunst von Deiner Liste streichst. Die Trägheit, eingefleischte Anschauungen zu überwinden, ist ein großes Hemmnis, wenn man Neues entdecken will.

Ich kann es aushalten.

Das weiß ich. Ich finde solche Diskussion auch gut. Mich bringen sie weiter, schärfen mein Denken. Deshalb vielen Dank dafür.

Beste Grüße
Achillus

… wird fortgesetzt …

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo hell,

vielen Dank für Deine Gedanken zu meinem Text. Freut mich sehr, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um zu lesen und zu kommentieren.

Von den Textkorrekturen im ersten Abschnitt habe ich gleich einiges umgesetzt. Danke für Deine Hinweise.

Deine Geschichte ist mMn zu recht empfohlen worden, und ich finde auch, man kann eine Menge aus deinen Texten und Kommentaren lernen, wenn man will - auch wenn ich solcherart Genre wohl nicht bedienen werde.

Hm, jedes Genre hat ja so seine Eigenheiten. Dieser Text scheint mir ein Mix aus Abenteuer, Fantasy und Mystik zu sein und solche Geschichten kommen beispielsweise nie ganz ohne Pathos aus, glaube ich. Das kann man mögen oder auch nicht. Ich schätze, das ist wohl etwas, das Dich daran stört, wenn ich Deine bisherigen Geschichten und Kommentare bedenke, aber ich kann mich irren.

Vergleicht man den Autor und Kommentator Achillus miteinander, lässt sich eine hohe Stringenz erkennen, wie ich finde. Du hast, denke ich, ein festes Gerüst, mit dessen Hilfe du an die Arbeit gehst. Du hast verinnerlicht, wovon du überzeugt bist, und es gelingt dir, das auch umzusetzen. Das merkt man, finde ich, du bewegst dich sehr sicher, das strahlen deine Geschichten auch aus. Großen Respekt dafür.

Danke, das ist sehr nett von Dir. Ich finde, das ist ein wunderbarer Aspekt dieses Forums, man kann Theorie und Praxis miteinander verbinden oder es zumindest versuchen. Das, was man theoretisch in Kommentaren und im Gespräch mit anderen Schreibenden behandelt, dann in den eigenen Schreibversuchen umzusetzen ist schon ein spannendes Experiment.

Hell, ich wünsche Dir ein schönes Jahresende.

Gruß aus Berlin
Achillus


Hey Fliege!

Vielen Dank für Deinen Kommentar zur Geschichte. Schön, von Dir zu hören.

Deine Zusammenfassung der Ereignisse würde ich größtenteils so teilen. Es ist nicht zweifelfrei ersichtlich, wer denn nun hier der Feind ist und wie es zum Krieg kam. Das Ganze als Gleichnis für ein Mensch vs. Natur Szenario zu sehen, wäre erstmal naheliegend, aber dann gibt es da diese Unstimmigkeiten, wie Du schreibst.

Ich denke, man kann es auch andersherum drehen und fragen, ob sich hier nicht äußere und innere Welten mischen. Im Alltag sind wir uns der Trennlinie zwischen Außen und Innen sehr sicher, obwohl das bereits eine Täuschung darstellt. Und in diesem Text könnte man überlegen, ob diese Durchdringung von Welt und Anschauung deutlich wird.

Was mich aber richtig rausgehauen hat aus deiner Geschichte, waren die monatlichen Lieferungen aus Sundvall für das Gunnarson. Jetzt frage ich mich doch die ganze Zeit, warum diese Barackenmenschen sich nicht einfach in ihre Autos setzen und nach Sundvall ziehen (da scheint noch einiges mehr in Ordnung zu sein), oder wie man in "Kriegszeiten", wo das Lager nur zum Kämpfen auf Leben und Tod verlassen wird, wie also da so ein Lieferwagen so mir nix, dir nix, die Schnapskisten durchjuckeln kann. Okay. Über die Luft ginge noch.

Ich hatte dabei die Außenposten der Römer in Germanien im Sinn oder die Forts der weißen Siedler im Indianerland. Solche Camps dienen im Krieg und/ oder Expansionsprojekten der Errichtung eines Netzwerks. Irgendwo ist dann zwangsläufig das letzte bzw. erste Camp, umgeben von mehr oder weniger feindlicher Umwelt. Und solche Camps wurden natürlich auch beliefert, von bewaffneten Versorgungstrupps, das ist eigentlich nicht ungewöhnlich.

Wenn im Text die Frage gestellt wird, wohin man denn gehen soll, dann meint das die Gesamtsituation: auch in Sundsvall ist das Leben trostlos. Ein Camp ist wie das andere, Flucht durch die Wildnis deshalb im Grunde keine attraktive Alternative. Und außerhalb eines Camps leben zu wollen, scheint Selbstmord zu sein.

So liest sich das natürlich auch sehr gut weg. Spannend allemal.

Schön, das ist ja schon mal was.

Nur so richtig mitnehmen kann ich am Ende nichts, außer den Sex mit Frost, das fand ich eine sehr originelle Umschreibung für den Tod. Aber ich bin auch ganz sicher nicht die Zielgruppe.

Mag sein, dass das Ganze ein wenig zu abstrakt geraten ist. Ich hatte schon bei meiner letzten Geschichte ein bisschen in Richtung David Lynch geschielt. Nach seinen Filmen geht es mir oft so, dass ich beeindruckt bin, baff und bewegt, aber ich könnte nicht erklären, was ich da eigentlich gesehen habe …

Wünsche Dir einen schönen Jahresausklang, Fliege.

Lieber Gruß
Aus der Stadtmitte
Achillus

 

Hallo Achillus,

erst einmal gratuliere ich zur Empfehlung, die natürlich verdient ist.

Für einen detaillierten Kommentar fehlt mir bei Deinem kraftvollen, gelungenen Text momentan die Kraft.

Was mir aber aufgefallen ist, weil ich gerade selbst damit kämpfe, sind viele Sätze nach dem Muster A + B (oder A, B + C).

Ich zeige mal ein Beispiel:

Arve Norstrøm fuhr herum, ließ das Gewehr fallen und rannte los. Der Mantel behinderte ihn, und die Stiefel versanken tief im Schnee.

Oder hier:

Sveija beugte sich zu Norstrøm hinab und küsste seinen Hals. Sie fuhr mit der Hand in seine Hose und rieb in langsamen kreisenden Bewegungen, doch Norstrøm saß nur da, starrte auf den leeren Teller, der vor ihm auf dem Tisch stand, und sagte nichts.

Ich finde das nicht grundsätzlich schlecht, bin aber gespannt, was Du dazu sagst bzw., ob es Dir aufgefallen ist.

Zum Inhalt fällt mir nicht wirklich etwas ein, außer, dass ich die Stimmung mochte, das Mystische, die Symbolik, das Ausweglose, das Kämpferische, also alles sozusagen.

Man muss ja auch nicht immer (krampfhaft?) ein Haar in der Suppe suchen, sondern kann es auch einmal kurz machen: Toller Text!

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Achillus,

angesichts der großen Zahl von Challenge-Beiträgen schaffe ich es nicht, neben den Texten auch die Kommentarstränge genau zu lesen, also entschuldige, falls ich viel wiederhole, was schon diskutiert wurde. Es wäre dann eh hauptsächlich Lob, was sich wiederholt, und das kann man sich ja ruhig ein paar mal anhören. :)

Ich finde die Geschichte sehr eindrucksvoll. Sie hat vieles, was man aus deinen Texten schon gewohnt ist - sehr gekonnter Spannungsaufbau, Liebe zum Detail, und eine raue Männerwelt als Hintergrund (meine ich nicht negativ, ist nur ein kurzer Umschreibungsversuch, für das was viele deiner Geschichten ausmacht). Aber es gibt auch Elemente, die mir - im Vergleich zu den Texten, die ich bisher von dir gelesen habe - neu vorkommen, weil sie so ein bisschen in den Phantastikbereich gehen, zumindest andeutungsweise. Das gefällt mir auch gut, dass das nur angedeutet ist, dadurch wirkt die Geschichte geheimnisvoll.

Am Anfang habe ich ein bisschen gebraucht, um mit dem Text warm zu werden, weil ich geglaubt habe, es würde um irgendeinen realen, historischen Krieg gehen und nach Hinweisen gesucht habe, welcher da wohl gemeint ist (weiß nicht, wie ich da drauf gekommen bin, die Geschichte ist ja nicht mit Historik getaggt), aber sobald mir die Situation der Figuren ein bisschen klarer war, hat mich die Geschichte total gefesselt.

Besonders spannend finde ich die Frage, wer der "Feind" in der Geschichte eigentlich ist.

»Es ist die Wildnis selbst, die …« Er verstummte, zog an seiner Zigarette, und dann sagte er: »Was wissen wir eigentlich über den Feind?«
Larkim hob die Schultern. »Nicht viel. Aber ich verstehe nicht …«
»Er kopiert uns«, sagte Norstrøm.
»Er kopiert uns?«
Norstrøm ergriff die Flasche und während er ihre Gläser nachfüllte, sagte er: »Ich glaube jedenfalls nicht an Wiedergänger, Geister und Dämonen.«

Das denke ich auch, dass das keine herkömmlichen "übernatürlichen" Feinde sind. Etwas, das Menschen kopiert, das könnten natürlich Aliens sein oder intelligente Maschinen (so à la Terminator), aber das scheint nicht zu passen. Ein Albino, dem die Kälte nichts ausmacht, der sich "Frost" nennt, das erinnert an Elementargeister oder heidnische Gottheiten. Mir gefällt der Gedanke am besten, dass der Feind quasi den Zorn der Elemente verkörpert, die Rache der Natur. Die Zeit der Menschen ist vorbei, denkt Norstrøm an einer Stelle, und na ja, so richtig verdenken könnte man es der Natur ja nicht.

Was ich mir vielleicht noch gewünscht hätte, wäre eine zumindest angedeutete Erklärung, warum Norstrøm - anders als alle anderen Figuren - in der Lage ist, Frost zu durchschauen. Also er hat am Anfang den Traum mit den Wisenten, und Frost tritt mit einem Wisentfell auf - könnte man als schlechtes Omen deuten. Und er hat sich wohl auch vor der "Apokalypse" gut in der Wildnis ausgekannt. Aber eigentlich kann er ja nicht der einzige im Lager sein, auf den das zutrifft, oder? An ihm ist irgendwas anders, und das weiß auch Frost, deshalb wählt er ihn für die Jagd aus. (Larkim ist ja eigentlich bloß dabei, weil den alle unterschätzen und denken, es macht keinen Unterschied, ob der mitkommt, einschließlich Frost.)

Und niemand von den anderen scheint zu kapieren, dass mit Frost irgendwas ganz und gar nicht stimmen kann. Also das hätte ich noch spannend gefunden, warum Norstrøm und niemand sonst.
Damit will ich aber nicht sagen, dass der Geschichte etwas fehlt, die Rätselhaftigkeit steht der eigentlich ganz gut. Das sind halt die Fragen, über die ich nach dem Lesen eine ganze Weile nachdenken musste und das ist ja positiv, wenn einen ein Text nicht gleich loslässt.

Einen kleinen Einwand hätte ich vielleicht noch an der Stelle:

»Es ist mir scheißegal, wie lange wir hier draußen stehen«, brüllte er. »Auch wenn es den ganzen Tag dauert. Jeder von euch wird mir vier Treffer auf fünf Schuss zeigen. Also noch einmal. Bereitmachen!«
Da es ja nicht mehr viele menschliche Siedlungen gibt und die Versorgungslage so schwierig ist, kommt mir das wie Munitionsverschwendung vor. Woher soll Nachschub kommen, wenn sie soviel beim Training verballern? Aber Bussarth macht auch nicht gerade den Eindruck eines besonnenen und weitsichtigen Anführers, von daher passt es wohl.

Grüße von Perdita

 

Hallo Achillus,

starke Geschichte und gern gelesen. Eigentlich bin ich ein Fan von weitschweifigeren Erzählungen, aber mit diesen ganz kurzen Absätzen und wie du das aufbaust: Da steht als Überschrift schon zurecht "Spannung" drüber.

Den Namen "Frost" fand ich stark. Die letzte Szene mit Frost und Sveija, das hatte natürlich was. Hat bei mir Eindruck hinterlassen:).

Ein paar Sachen:

Sveija, die mit ihrer Freundin Freyr ganz in der Nähe stand als das Tor geöffnet wurde,

Beim ersten Lesen hab ich gedacht, da kommt ein [,] vor dem "als". Bin mir aber nicht ganz sicher. FYI.

»Ich brauche nur einen«, sagte Frost, und noch immer ruhte sein Blick auf Norstrøm.

Nice!

»Thor hat jedenfalls seinen Hammer dabei«, sagte Larkim.

Lustig:).

Ich häng mich an einer anfänglichen Szene auf, wo Norström und Larkim auf den "Feind" stoßen. Ich hab zwar nur Grundwehrdienst geleistet - der Kommentar ist also mit Vorbehalt zu genießen -, aber wenn du da an der Front stehst und Feindkontakt hast, dann haust du doch deinem Kameraden keine Nebelgranate zwischen die Beine! Ich nehme an, das soll Larkim schützen, aber erstens sieht er dann den Feind selbst nicht und zweitens stehen die da im Kugelhagel. Oder schießt der Feind nicht zurück? Vielleicht kann er ihn dann aber riechen? Ist mir aufgefallen, musst ich mal loswerden:).

VG, kayoschi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Peeperkorn, vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Hinweise zum Text. Ich habe das von Dir erwähnte dann rausgenommen und ein paar Veränderungen schon auf hells Kommentar hin vorgenommen.

… Zuvor beschreibst du seine Muskeln, die Sehnen, den Blick des Feindes. Also so unbekannt ist er offenbar doch nicht. Später hab ich dann an einen Feind gedacht, der sich der Körper von Menschen bedient, das würde dann wieder passen.

Ja, das stimmt. Die äußere Form des Feindes und die Waffen, die er verwendet sind eigentlich nur Kopien aus der Welt der Menschen.

Kommafehler und einiges andere habe ich verbessert. Vielen Dank für all die hilfreichen Tipps.

Den Text habe ich sehr gern gelesen, du ziehst den Leser gekonnt ins Geschehen rein, hast ein tolles Setting, gutes Personal. Kann ich mir auch sehr gut verfilmt vorstellen, diese Geschichte.

Grundsätzlich habe ich eine fotografische Art des Erzählens, glaube ich. Ich sehe die Szenen deutlich vor meinem inneren Auge, wenn ich schreibe. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, aber im Moment funktioniert es für mich ganz gut.

Vielen Dank für Deine Zeit, Peeperkorn, ich wünsche Dir einen guten Start ins neue Jahr.

Beste Grüße
Achillus


Hallo Eisenmann, danke fürs Lesen und Kommentieren. Schön, dass Du reingeschaut hast.

Wow - das muss ich jetzt auch mal loswerden, so wie viele andere hier auch. Die dystopische Handlung, das skandinavische Setting (das so exakt und lebendig beschrieben ist, dass ich erstmal die Heizung angemacht habe!), die Figuren, der Wald, der Schnee, die Kämpfe - die Liste könnte ich jetzt einfach so weiter durchorgeln.

Danke für das Lob. Freut mich sehr.

Von der Handlung her hat mich die Geschichte ein wenig an Mutant Chronicles erinnert. Anfangs dachte ich an den finnisch-russischen Krieg, aber diese geheimnisvolle Sache mit den Monstern/Dämonen machte das Ganze um einiges interessanter.

Mutant Chronicles kenne ich nicht. Da schau ich bestimmt mal rein. Ja, die historische Assoziation lag nahe. Ich experimentiere gerade ein wenig damit, Genres und Realitätsebenen zu mischen.

Ich habe mich am Schluss gefragt, wie es wohl weitergeht. Die Geschichte macht definitiv Lust auf mehr - wärs ein Buch, ich hätte es mir nach dieser Leseprobe gekauft! Und das ist eigentlich das größte Lob, das ich einem Autor aussprechen kann!

Dem stimme ich auf jeden Fall zu. Das ist ein Riesenlob, vielen Dank dafür. Mir gehen immer mal wieder Ideen für einen Roman durch den Kopf, aber ich schrecke vor der Monsterarbeit zurück. Wenn ich daran denke, wie viel Zeit ich schon bei einer Kurzgeschichte aufwende. Das würde sich bei einem Roman wohl verzehnfachen, wenn das überhaupt reicht. Dazu fehlt mir gerade die Geduld, von den schreibtechnischen Herausforderungen mal ganz abgesehen.

Eisenmann, auch Dir einen guten Start ins neue Jahr!

Beste Grüße
Achillus


Hallo Rieger,

über Deinen Kommentar habe ich mir sehr gefreut. Es ist schon beeindruckend so eine Interpretation zu lesen. Vielen Dank dafür.

… zur handwerklichen Seite muss man nach den vorherigen Kommentaren nichts sagen. Das ist ein Erzählrhythmus, der bestens funktioniert. Lange Sätze, kurze Sätze, alles genau getimed und geplant und gekonnt geschrieben.

Danke für das Lob.


Beim ersten Lesen vor einigen Tagen bleibt bei mir übrig: Eine herbe, archaische Szenerie, kalt und grausam. Feinde, die nicht genauer definiert werden. Frost, der aus dem Nichts auftaucht. Feuerwaffen vergesse ich. In der Erinnerung reduziere ich das Bild auf eine Schicksalsgemeinschaft in grauer Vorzeit und vergesse die Feuerwaffen und Jeeps. Eindrücklich bleibt das Entfremdungsmotiv von Welt und Natur, die emotionale Erstarrung, die Verbindung Sexualität und Tod, Eros und Thanatos. Aber ich kann die Fäden nicht zusammenbekommen.

Ich habe mich auch gefragt, ob diese Lesart die häufigste sein wird und falls ja, ob das für eine gute Geschichte reicht. Wahrscheinlich nicht.

Alles hängt ein wenig lose herum und bleibt, bei aller Routine in der Beschreibung und dem Können in der dramaturgischen Disposition, vage und nebulös. Ich denke an einen mythologischen Text, aber dazu erscheinen mir die Figuren zu vage.

Ich kann das gut nachvollziehen. Das Ganze ist schon ziemlich karg.

Weil wir nur unsere Angst zu fürchten haben … Das könnte für mich der Kern der Geschichte sein, die Aussage des Betrunkenen am Ende. Dann sind die Feinde mit ihren Narben die eigenen vernarbten Gesichter. Vernarbt von der eigenen Vergangenheit, von Verletzungen, Schlägen, Traumen, die Ängste hervorbringen, die man nicht bewältigen kann. Sie begegnen also ihren eigenen Ängsten da draußen, weshalb der Kampf auch so unplanbar und chaotisch verläuft, so wenig greifbar ist und der Feind nicht fassbar. Das erklärt auch die Aussage von Norstrøm, dass der Feind sie nur kopiert.

Ich hatte schon in einem anderen Kommentar geschrieben, dass eine Grundidee darin bestand, das Ineinanderfließen von innerer und äußerer Wirklichkeit zu illustrieren. Und in diesem Sinne würde ich Deine Gedanken teilen. Das was diese Menschen erleben hat viel mit ihrer inneren Wirklichkeit zu tun, spiegelt sie im Grunde.

In der Entfremdung, die mit der unfassbaren, unbekämpfbaren Angst einhergeht, geht das Gefühl für die Welt, für die Natur, für das Leben verloren.

Ja, mir war hier besonders wichtig, dass der Naturraum als feindlich empfunden wird. Und das, obwohl die Menschen dort früher in dieser Natur gelebt haben, wie Norstrøm auch berichtet. Das ist die Entfremdung, von der Du schreibst.

Ich sehe dann in Frost selbst etliche religiöse Symbole, explizit auch christliche, die fast eins zu eins übernommen sind.

Das war so jedenfalls nicht bewusst angelegt, aber

Wenn es nicht so geplant war, dann sind das eben mythische Urbilder, die sich da niedergeschlagen haben.

Ich habe mich schon immer für Mythen aus verschiedensten Kulturkreisen interessiert, egal ob indianisch, griechisch, indisch oder nordisch. Diese Urbilder bilden sicher auch die Grundlage für meine Art, in die Welt zu schauen. Nicht zuletzt habe ich mir ja auch hier einen Nick gewählt, der an mythische Themen erinnert.

Ich kann mich an einen Kommentar von Dir erinnern, in dem Du über Frisch schreibst und seine Methode, im Grunde normal zu erzählen und dann bestimmte Entwicklungen mit einer über die bloße Schilderung hinausgehenden Innensicht abzuschließen.

Die Innensicht ist mir immer noch wichtig, obwohl mir schon klar ist, dass zuviel davon den Gang der Dinge ausbremsen kann. Aber in dieser Dosierung hier bei der Geschichte fand ich es angemessen.

Und das geht dann weiter in die elementare Todeserfahrung, die dramaturgisch einfach gut gearbeitet ist.
Irgendwie ist mir dann aber hier das „schließlich“ zu überlegt, zu geplant für die haltlose Situation …

Stimmt, das sehe ich inhaltlich auch so. Das schließlich ist nur drin, um die Gleichförmigkeit der Aufzählung zu dämpfen. Werde ich mir noch mal anschauen.

Finde ich wenig aussagekräftig (presste den Griff ihres Weidenkorbes)

Das sollte Erregung und Anspannung illustrieren.

Die überleitende Passage empfinde ich als einen Bruch im Vergleich zur bisherigen Erzählweise.

Ja, den Teil hat Peeperkorn auch beanstandet. Ich bin da nicht ganz sicher. Beim Schreiben wusste ich nicht, wie ich die Kneipe benennen sollte, den es gab nur einen Begriff, der passte: Schenke. Alles andere funktionierte nicht (Keipe, Gasthaus, Kantine, Krug). Also dachte ich mir, es wäre gut in diesem Fall einen Eigennamen zu nutzen. Das konnte ich wiederum nur dann tun, wenn der Leser diesen Namen versteht. Daher der Infoeinschub. Ich schaue mir das noch mal an.

Vielen Dank für Deine Zeit und Mühe, Rieger und alles Gute für das neue Jahr!

Beste Grüße
Achillus

 

Lieber Achillus,

das meiste, was ich an deiner Geschichte zu kritisieren habe, bewegt sich im Rahmen von eigenen Lesevorlieben, Geschmacksfragen eben, die ich beim Kommentieren deiner Texte bereits beschrieben habe. Das Setting in einer mehr oder weniger menschenverachtenden Männer-, bzw. Kriegerwelt, hier in einer Endzeitstory, die in der Kälte des Nordens spielt, einige Elemente aus Game of Thrones adaptiert. Die Beschreibung von Kriegsszenen, die ich regelmäßig überlese. Das weitgehende Fehlen von Frauen und Kindern (darüber könntest du allerdings nachdenken, schließlich spielt die Handlung in einem letzten menschlichen Außenposten, wird wohl kaum klappen, wenn es dort nur ne Kneipe gibt, aber keine Häuser/Baracken mit Kinderstimmen, was aber auch bei GOT problematisch ist, dort aber aufgelöst wird, indem immer wieder zu entsprechnden Handlungsebenen gewechselt wird.). Das funktional Frauenbild, um es vorsichtig auszudrücken.

Andererseits kann ich die Sehnsucht nach Abenteuer, die der Text bedient ganz gut nachvollziehen, gerade weil er auf handwerklich höchstem Niveau geschrieben ist und ich ihn als Lesegenuss, Ausflug in eine Lesewelt, die mir sonst verschlossen bleibt, genossen habe. Dafür hat die Geschichte eine Empfehlung verdient.

Paar Textstellen:

krächzten Aaskrähen.
das doppelte „kr“ liest sich unrythmisch

Dann umfasste sie seinen Hintern und zog ihn dicht an sich heran.
»Fick mich, Krieger!«, flüsterte sie in sein Ohr.
Norstrøm drückte sie in die Kissen
na ja, klingt pornomäßig

Es roch nach Diesel, Feuer und Blut.
keine Ahnung, ob es auf einem modernen Schlachtfeld wirklich nach Blut riecht, ich stelle mir den Geruch von abgebranntem Feierwerk vor.

Norstrøm betrachtete die unter der vernarbten Haut zuckenden Muskeln, die zum Zerreißen fest gespannten Sehnen und schließlich den auf ihn gerichteten Blick des Feindes, ein Blick, in dem es kein Verzeihen gab, kein Verständnis, kein menschliches Fühlen oder Wollen.
im Grunde reicht das nicht als Beschreibung, da würde ich gern lesen, was er genau seiht, was er empfindet.

Sveija schüttelte den Kopf. »Niemand ist stärker als der Tod.«
sehr pathetisch, fehlt die Filmmusik, aber ich höre sie

»Thor hat jedenfalls seinen Hammer dabei«, sagte Larkim.
Norstrøm packte ihn am Kragen. »Hältst du das hier für einen Witz?«
Larkim zuckte zusammen und hob die Hände. »Ich …«
ist ein Witz, ja, vielleicht sogar ein abgetakelter, der die Grundstimmung stört

Die Konturen des Raumes verschwammen, ein dumpfes Pulsieren waberte durch die Baracke und zerrte Norstrøm in den Eingeweiden.
diese Traumsequenz, das Unnatürliche könntest du ausbauen, deutlicher beschreiben.

Viele Grüße und ein kreatives Freudenjahr für dich
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Geschichtenwerker, vielen Dank für das Lob und Deine Hinweise zum Text. Dieses Satzkonstruktionsmuster ist mir selbst schon vor einiger Zeit aufgefallen und ich bemühe mich darum, das ein wenig aufzubrechen. Ich habe mir angeschaut, wie das andere Autoren machen und dabei sind mir zwei „Techniken“ aufgefallen. Einerseits verlassen sie die konkrete Beschreibungsebene und nutzen zusammenfassende, reflektierende Einschübe um das monotone Satzmuster aufzulockern. Andererseits variieren sie die Blickwinkel bei der Beschreibung einer Szene oder Situation, was großes Können und Geschick verlangt. Ich bin da weiter dran und versuche, zu verfeinern.

Was das Mystische des Textes betrifft, freut mich, dass Du damit was anfangen konntest. Für mich ist es auch ein Stimmungstext, das heißt, es gibt eine Grundstimmung (das Raue, Harte, Verbitterte), die wie ein Element der Handlung die Geschichte trägt.

Vielen Dank für Deine Zeit, Geschichtenwerker

Gruß Achillus


Hallo Perdita, schön, dass Du Zeit gefunden hast, mir zu schreiben. Habe mich sehr darüber gefreut.

Ich finde die Geschichte sehr eindrucksvoll. Sie hat vieles, was man aus deinen Texten schon gewohnt ist - sehr gekonnter Spannungsaufbau, Liebe zum Detail, und eine raue Männerwelt als Hintergrund (meine ich nicht negativ, ist nur ein kurzer Umschreibungsversuch, für das was viele deiner Geschichten ausmacht). Aber es gibt auch Elemente, die mir - im Vergleich zu den Texten, die ich bisher von dir gelesen habe - neu vorkommen, weil sie so ein bisschen in den Phantastikbereich gehen, zumindest andeutungsweise. Das gefällt mir auch gut, dass das nur angedeutet ist, dadurch wirkt die Geschichte geheimnisvoll.

Ja, damit experimentiere ich ein wenig. Eine Idee dabei war, das Phantastische nicht so sehr als Parallel- oder Alternativwelt darzustellen (wie bei Tolkien oder George R. R. Martin), sondern quasi in die Realwelt einfließen zu lassen.

Am Anfang habe ich ein bisschen gebraucht, um mit dem Text warm zu werden, weil ich geglaubt habe, es würde um irgendeinen realen, historischen Krieg gehen und nach Hinweisen gesucht habe, welcher da wohl gemeint ist (weiß nicht, wie ich da drauf gekommen bin, die Geschichte ist ja nicht mit Historik getaggt), aber sobald mir die Situation der Figuren ein bisschen klarer war, hat mich die Geschichte total gefesselt.

Das freut mich sehr. Ich denke, die Hürde für den Leser ist bei Dystopien häufig sehr hoch. Ich habe vor einiger Zeit bei dem Kunsthistoriker Ernst Gombrich gelesen, dass die meisten Menschen auf Bildern gern Dinge anschauen, die sie auch in der Realität gern betrachten, beispielsweise Naturlandschaften, eindrucksvolle Gebäude, ausdrucksvolle Gesichter usw.

Es liegt demnach nahe, dass wir gern Geschichten über Ereignisse lesen, die uns auch in der Realität ansprechen. Aus dem Grunde setzen uns Dystopien zu, denn wer wollte in so einer Welt leben? Ich weiß noch, dass mich 1984 von George Orwell beim Lesen fertig gemacht hat. Ich fand es ebenso spannend wie deprimierend.

Was ich mir vielleicht noch gewünscht hätte, wäre eine zumindest angedeutete Erklärung, warum Norstrøm - anders als alle anderen Figuren - in der Lage ist, Frost zu durchschauen.

Ja, das ging mir auch durch den Kopf. Das Ganze geht ja ein bisschen in Richtung Monomythos, und da kann man wirklich fragen, was den Auserwählten denn nun auszeichnet. Für mich ist der Ausgangspunkt der Heldenreise der prophetische Traum. Hier wird angedeutet, dass Norstrøm Einsichten hat, die über das Verständnis der anderen hinausgeht. Aber ich gebe Dir recht, das könnte man auf jeden Fall ausbauen.

Da es ja nicht mehr viele menschliche Siedlungen gibt und die Versorgungslage so schwierig ist, kommt mir das wie Munitionsverschwendung vor. Woher soll Nachschub kommen, wenn sie soviel beim Training verballern?

Ich hatte mir vorgestellt, dass das Camp Versorgungslieferungen aus Sundsvall bekommt. Wie regelmäßig, dazu äußert sich der Text nicht. Aber ich verstehe Deinen Einwand.

Perdita, vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,

vielen Dank, dass Du mich an Deinem Wissensschatz teilhaben lässt (ich war mir 99% sicher, eine hervorragende Antwort auf meine Frage zu bekommen):

Ich habe mir angeschaut, wie das andere Autoren machen und dabei sind mir zwei „Techniken“ aufgefallen. Einerseits verlassen sie die konkrete Beschreibungsebene und nutzen zusammenfassende, reflektierende Einschübe um das monotone Satzmuster aufzulockern. Andererseits variieren sie die Blickwinkel bei der Beschreibung einer Szene oder Situation, was großes Können und Geschick verlangt. Ich bin da weiter dran und versuche, zu verfeinern.

Ja, diese mystische Ebene und Stimmungsebene, die Du auch erwähnst:

Was das Mystische des Textes betrifft, freut mich, dass Du damit was anfangen konntest. Für mich ist es auch ein Stimmungstext, das heißt, es gibt eine Grundstimmung (das Raue, Harte, Verbitterte), die wie ein Element der Handlung die Geschichte trägt.

machen für mich die Stärke des Texts aus.

Es ist für mich übrigens auch interessant zu sehen, wie Du Dich entwickelst. Dieser Text erscheint mir irgendwie ruhiger, gelassener oder entspannter vom Stil her als die letzten.

Nochmals herzlichen Dank für den obigen Tipp, der ist Gold wert.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Moin Achillus,
ich habe mich in den letzten Tagen bemüht, auch die vielen Kommentare mitzulesen, möchte aber trotzdem meinen Leseeindruck zu Deiner Geschichte dalassen. Sieh mir bitte nach, wenn etwas bereits gesagt wurde.

Die Taiga erbebte dem Donnern tausender Hufe. Arve Norstrøm fuhr herum, ließ das Gewehr fallen und rannte los. Der Mantel behinderte ihn, und die Stiefel versanken tief im Schnee. Den Fluss erreichen ... Die Ohrenklappen der Trappermütze schlugen gegen seine Wangen, eiskalte Luft schnitt ihm in die Kehle.
Wunderschöner Einstieg, ich bin mittendrin. Mein erster Eindruck - prima, das wird eine Naturgeschichte, oder?

Mit dem Knacken berstender Knochen in den Ohren umfing ihn Finsternis und das Gefühl, lebendig begraben zu sein.
ich stolpere über das "lebendig", gefühlt stimmt das nicht mehr

Sveija beugte sich zu Norstrøm hinab und küsste seinen Hals. Sie fuhr mit der Hand in seine Hose und rieb in langsamen kreisenden Bewegungen, doch Norstrøm saß nur da, starrte auf den leeren Teller, der vor ihm auf dem Tisch stand, und sagte nichts.
Oh, da liege ich mit meinem Tipp Naturgeschichte wohl ziemlich falsch, das läüft auf etwas anderes hinaus

»Ich hoffe nur, dass du ein paar Kugeln abfängst, bevor du krepierst«, sagte Bussarth. »Dann wärst du wenigstens für den Mann hinter dir zu etwas nutze.«
Netter Typ - super beschrieben

»Fick mich, Krieger!«, flüsterte sie in sein Ohr.
Hart, aber für meine Ohren genau ihr Ton

unter ihm im unruhigen Licht der Öllampe schwimmende Gesicht.
sorry, ich stolper auch über das "schwimmende" Gesicht

»Morgen geht es dir bestimmt besser«, sagte Sveija.
»Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte Norstrøm.
»Wirklich?« Sveija drehte sich zu ihm herum. »Okay, und was hat dein Schwanz für ein Problem?«
Norstrøm steckte sich eine Zigarette an. Er blies den Rauch unter die niedrige Decke der Baracke und schwieg.
Empfinde ich als tolle Beschreibung seines Unbehagens im Zusammenspiel mit Ihrer Oberflächlichkeit

Norstrøm trat an Larkim heran. »Du hast da draußen nichts zu suchen«, sagte er.
Larkim wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels das Blut aus dem Gesicht. »Der Kommandant hat es entschieden. Alle Freiwilligen können mit auf Patrouille gehen.«
»Weil die Männer da draußen sterben wie die Fliegen«, erwiderte Norstrøm. »Aber der Kommandant hat keine Krüppel gemeint.«
Larkim zuckte die Schultern. »Mir egal, was du denkst.«
Norstrøm stieß ihn hart vor die Brust. Larkim schwankte zurück.
»Halt dich fern von mir, du Freak«, sagte Norstrøm.
Wahrscheinlich liegt es nur an mir, aber ich verstehe die Motivationen nicht. Larkim will, glaube ich dabei sein, nützlich sein. Aber wie meint Norstrom das? Ihm ist Larkim doch völlig egal?
Über "Freak" bin ich gestolpert, bis dahin hatte ich die Geschichte eher historisch verortet, wohl mein Fehler, fand ich im Nachhinein eine gute Wendung/Überraschung.

dann folgte das böse Zwitschern umherfliegender Wrackteile
für mich ein tolles Bild

»Idiot«, fluchte Norstrøm. Er löste eine Nebelgranate von seinem Gürtel, zog den Sicherheitsstift und schleuderte die Granate Larkim entgegen. Weißer Rauch wallte auf.als
okay, ich oute mich militärisches Rindvieh. Er will ihm helfen?


Er stürzte vorwärts, inmitten explodierender Rauchgranaten, gemeinsam mit den anderen Männern, vielleicht waren es zwei Dutzend, vielleicht waren es ein paar verlorene Seelen mehr.
Das sind so wunderschöne Sätze, mir ist der Inhalt fast egal

Unter dem Anprall des Schreckens duckte sich Norstrøms Seele, krümmte sich zusammen, zog sich in einen unzugänglichen Winkel des Seins zurück, und nicht mehr als eine kalte, ganz und gar empfindungslose Aufmerksamkeit verfolgte aus seinem Innern heraus das Stechen, Würgen und Trampeln, das Schießen, Schneiden und Reißen.
auch das hier, wie komme ich da hin ...

Unsere Zeit ist vorbei
Hier weiß ich, das es eine Endzeitstory wird, ich hoffe, dass ich nicht zu langsam war

Falls es in dem langen Abschnitt etwas wichtiges gibt, ich kann es nicht sehen, ich verschlinge die Geschichte.

Sveija senkte den Blick und starrte auf ihr halbgeleertes Glas, doch Norstrøm bemerkte das Flackern in ihren Augen.
»Frost«, sagte sie leise. »Ich hörte, sein Name sei Frost.«
Obwohl Dein Titel nur aus dem einen Wort bestand, machte er mich sofort neugierig, aber diesen Bezug zwischen Person, Beschreibung und Titel ist Klasse.

Norstrøm ergriff die Flasche und während er ihre Gläser nachfüllte, sagte er: »Ich glaube jedenfalls nicht an Wiedergänger, Geister und Dämonen.«
»Naja«, sagte Larkim und trank. »Wer oder was auch immer sie sind. Sie wollen unseren Tod.«
schön unheimlich

»Es heißt, er hätte den weißen Wisent mit bloßen Händen erlegt«, sagte Freyr und fuhr sich durch das blonde Haar.
schön, ihr unterschwelliges Interesse

»Die sind mehr als einen Klick entfernt«,
meinst Du einen Schuss?, okay, könnte ich googlen

»Nicht dein Ernst«, sagte Larkim. »Du willst doch nicht …« Er verstummte, als Frost nackt vor ihnen stand.
interssante Wendung, Danke fürs Kopfkino

Sein haarloser, weißer Leib setzte sich scharf vor dem Hintergrund ab.
Vor welchem Hintergrund, der letzte, den ich finde liegt gefühlte zehn Zeilen zurück. Oder gegen den Schnee?

Hier bin ich wieder einfach in Deiner Geschichte versunken, verdammt, ist das gut. Danke für das Vergnügen

»Weg hier!«, brüllte Larkim ihm ins Ohr. Er packte Norstrøm und zerrte ihn aus der Baracke. Während sie im Mondschein über den Hof taumelten, kehrten Norstrøms Sinne zurück.
»Ich muss sie retten«, stammelte er. »Sveija, ich muss sie da raus holen.«
»Komm zu dir«, rief Larkim. »Sie ist tot, Arve. Sie ist tot.«
okay, jetzt grusele ich mich

Das raue Krächzen von Aaskrähen war zu hören. Und dann schien es, als erbebte die Taiga unter dem Donnern tausender Hufe.
Ich liebe runde Geschichten

Ich bin ziemlich beeindruckt, da ist der Kommentar fürchte ich nicht allzu konstruktiv geworden. Ich danke wirklich sehr für das Lesevergnügen. Mal schauen, ob ich etwas dazu gelernt habe.
Beste Wünsche
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kayoschi,

vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text. Freut mich, dass Du Gefallen an der Geschichte gefunden hast.

Beim ersten Lesen hab ich gedacht, da kommt ein [,] vor dem "als". Bin mir aber nicht ganz sicher. FYI.

Thx, habe ich inzwischen korrigiert.

Ich häng mich an einer anfänglichen Szene auf, wo Norström und Larkim auf den "Feind" stoßen. Ich hab zwar nur Grundwehrdienst geleistet - der Kommentar ist also mit Vorbehalt zu genießen -, aber wenn du da an der Front stehst und Feindkontakt hast, dann haust du doch deinem Kameraden keine Nebelgranate zwischen die Beine!

Also Rauchgranaten werden beim Militär u.a. eingesetzt, um vorrückende Infanterie zu schützen, wenn sie sich über ungedecktes Gelände bewegt. In dieser Situation nähert sich Larkim seitlich der Truppe und wird von vorn vom Gegner unter Feuer genommen, so habe ich mir das jedenfalls vorgestellt.

Norstrøm wirft die Rauchgranate, damit der Feind Larkim nicht mehr sehen und treffen kann. Dass das ziemlich chaotisch ist und Larkim sich besser auf den Bauch legen sollte, ist schon klar. Trotzdem vielen Dank für den Hinweis, Kayoschi!

Gruß Achillus

Hallo Isegrims, vielen Dank für Dein Feedback zum Text. Habe mich sehr über Deine Gedanken zu meiner Geschichte gefreut.

das meiste, was ich an deiner Geschichte zu kritisieren habe, bewegt sich im Rahmen von eigenen Lesevorlieben, Geschmacksfragen eben, die ich beim Kommentieren deiner Texte bereits beschrieben habe.

Deine Rückmeldung ist trotzdem willkommen, denn es bringt mich so oder so weiter, andere Blickwinkel kennenzulernen.

Das Setting in einer mehr oder weniger menschenverachtenden Männer-, bzw. Kriegerwelt, hier in einer Endzeitstory, die in der Kälte des Nordens spielt, einige Elemente aus Game of Thrones adaptiert.

Ich verstehe, weshalb Du das so siehst, stimme dem aber nicht 100%ig zu. Was ist eine menschenverachtende Welt? Ich finde, bei der Antwort darauf darf man es sich nicht zu leicht machen. Wir halten einerseits die brutalen Bedingungen des Mittelalters für menschenverachtend, leben aber selbst in einer Welt, in der sich die wirtschaftliche und politische Macht in den Händen weniger Menschen konzentriert, die den Rest der Gesellschaft nach ihrer Pfeife tanzen lassen, millionenfach Hunger und Elend zulassen, ja fördern, Kriege für Profite provozieren usw. usf.

Besonders menschenliebend, respektvoll und anständig geht es auch in unserer Welt nicht zu. Deshalb bin ich mit solchen Urteilen sehr vorsichtig, auch wenn mir die Formulierung natürlich auch oft auf der Zunge liegt.

Die Beschreibung von Kriegsszenen, die ich regelmäßig überlese. Das weitgehende Fehlen von Frauen und Kindern (darüber könntest du allerdings nachdenken, schließlich spielt die Handlung in einem letzten menschlichen Außenposten, wird wohl kaum klappen, wenn es dort nur ne Kneipe gibt, aber keine Häuser/Baracken mit Kinderstimmen, was aber auch bei GOT problematisch ist, dort aber aufgelöst wird, indem immer wieder zu entsprechnden Handlungsebenen gewechselt wird.). Das funktional Frauenbild, um es vorsichtig auszudrücken.

Dem stimme ich zu: Auch dort wird es Frauen und Kinder geben. Allerdings zeigt die Geschichte ja ohnehin nur einen Ausschnitt aus dem Leben der Gemeinschaft. Viele Aspekte des Zusammenlebens bleiben unerwähnt. Wie funktioniert der zivile Teil der Gemeinschaft, Berufe, Kommunikation mit anderen menschlichen Siedlungen, Kulturaspekte usw. Natürlich kann man sich ein vollständiges Bild wünschen, und in einem Roman wäre das sicher auch nötig, aber bei einer Kurzgeschichte sehe ich die Schwerpunkte doch ein wenig anders.

Andererseits kann ich die Sehnsucht nach Abenteuer, die der Text bedient ganz gut nachvollziehen, gerade weil er auf handwerklich höchstem Niveau geschrieben ist und ich ihn als Lesegenuss, Ausflug in eine Lesewelt, die mir sonst verschlossen bleibt, genossen habe. Dafür hat die Geschichte eine Empfehlung verdient.

Was Frauen manchmal nicht verstehen (jedenfalls ist das mein Eindruck nach etlichen Diskussionen zu diesem Thema) und deshalb mit Widerwillen und Leugnung reagieren, ist folgendes: Nahezu alle Handlungen, die evolutionär überlebensnotwendig waren, bereiten Freude. Das gilt nicht nur für Sex, Essen und Trinken. Es gilt nicht nur für die Freude beim Aufziehen von Kindern, für das Erschaffen, Schützen und Pflegen. Es gilt ebenso für das Jagen und Kämpfen.

Shooter-Videospiele setzen genau hier an: Sie lassen (primär Jungs und Männer) genau das nacherleben, was Millionen Jahre lang überlebensnotwendig war. Vielleicht helfen Reflexionen dazu, das Ganze ein bisschen weniger in den Kategorien von Gut und Böse zu sehen.

Meiner Ansicht nach besteht die Aufgabe von Kultur darin, solche evolutionär programmierten Impulse aufzufangen und so zu kanalisisieren, dass der Einzelne und die Gemeinschaft keinen Schaden nehmen, sondern im Gegenteil stärker werden. Das Verteufeln bringt dabei nicht viel.

Viele Grüße und ein kreatives Freudenjahr für dich

Vielen Dank Isegrims, das wünsche ich Dir auch!

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Greenwitch,

vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Gedanken zum Text.

Wahrscheinlich liegt es nur an mir, aber ich verstehe die Motivationen nicht. Larkim will, glaube ich dabei sein, nützlich sein. Aber wie meint Norstrom das? Ihm ist Larkim doch völlig egal?

Wie die meisten anderen sieht Norstrøm in Larkim eher eine Last, als eine Hilfe. Die Männer wollen ihn wegen seiner Behinderung nicht dabei haben. Sie können sich nicht vorstellen, dass Larkim nützlich sein könnte.

okay, ich oute mich militärisches Rindvieh. Er will ihm helfen?

Genau, Rauchgranaten werden u.a. als Sichtschutz genutzt. Indem Norstrøm ihn einnebelt, schützt er ihn vor den Kugeln des Feindes.

Vor welchem Hintergrund, der letzte, den ich finde liegt gefühlte zehn Zeilen zurück. Oder gegen den Schnee?

Also die Taiga ist häufig nicht rein-weiß. In den Ebenen ist das eher so eine Mischung aus Braun- und Grautönen. Ich stelle mir vor, wie der Körper von Frost sich von dieser Ebene strahlend weiß abhebt.

meinst Du einen Schuss?, okay, könnte ich googlen

Die Bezeichnung »Klick« wird beim Militär für die Strecke eines Kilometers verwendet. Ursprünglich wurde es vor allem beim US-Militär benutzt, hat sich mittlerweile aber auch bei Einheiten anderer Länder verbreitet.

Ich bin ziemlich beeindruckt, da ist der Kommentar fürchte ich nicht allzu konstruktiv geworden. Ich danke wirklich sehr für das Lesevergnügen. Mal schauen, ob ich etwas dazu gelernt habe.

Vielen Dank greenwitch. Ein paar Gedanken zum poetischen Ausdruck in Kurzgeschichten.

Das sind so wunderschöne Sätze, mir ist der Inhalt fast egal … auch das hier, wie komme ich da hin ...

Wie kommt man da hin? Mein Eindruck von der Verbesserung des Schreibens in diesem Bereich ist folgender: Zunächst übt sich jeder Autor in der möglichst präzisen Beschreibung von Vorgängen, von Handlungen, Gesten, aber auch in Beschreibung von Szenerien, Situationen usw. Dabei geht es darum, das Charakteristische einzufangen, so wie ein Zeichner mit wenigen Strichen eine Katze darstellt. In der Phase macht man häufig den Fehler, jedenfalls ging es mir so, zu viel, zu ausschweifend, zu detailliert zu beschreiben.

Wenn man das einigermaßen draufhat, kann man sich über den poetischen Ausdruck Gedanken machen. Dabei meine ich jetzt keine abgefahrenen lyrischen Figuren, sondern die Suche nach der Ästhetik in der Beschreibung eines Vorgangs oder einer Szene. Das kann man sich so vorstellen: Ein Fotograf, der eine Kaffeemaschine für ein Benutzerhandbuch fotografiert, braucht nicht nach dem ästhetischen Ausdruck zu suchen. Es genügt, wenn das Bild scharf und handwerklich korrekt ist, man also alle Teile gut erkennen kann.

Jemand der nach dem künstlerischen Ausdruck sucht, wird nicht so nüchtern an das Fotografieren gehen. Es geht ihm nicht primär um Exaktheit, sondern um eine bestimmte ästhetische Wirkung.

Das Problem dabei ist aber, dass man bei Über-Ästhetisierung schnell wieder im Kitsch landet. Das gilt für die Fotografie wie für den Film oder die Literatur. Denke an die TV-Serie Vikings beispielsweise. Die grimmigen Krieger dort werden häufig in besonders schönem Licht gefilmt, ihre Gesichter sind dreckverschmiert, aber ihre Augen leuchtend blau, die Zähne weiß usw. Überhaupt sieht man bei solchen Serien (Vikings, Game of Thrones) überdurchschnittlich viele schöne Menschen. Das alles sind Ästhetisierungstechniken, die das Ganze aber eben auch mehr und mehr unecht machen.

Vielleicht bringen Dir meine Gedanken dazu ein bisschen was, Ich danke Dir jedenfalls für Deine Hinweise und Dein Lob zu meiner Geschichte, Greenwitch.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,

Ein paar Gedanken zum poetischen Ausdruck in Kurzgeschichten.
Wie kommt man da hin? Vielleicht bringen Dir meine Gedanken dazu ein bisschen was
Und ob! Die Frage war ja ernst gemeint und Deine Antwort ist wirklich hilfreich. Ich empfinde meinen eigenen Ausdruck als sehr plump, direkt und ästhetisch unschön und genau das möchte ich ändern. Aber halt ohne in eine, völlig gegen meine eigene Natur liegende "Künstlichkeit", abzutreiben.
Dankeschön, der Ansatz ist für mich nachvollziehbar. Ob auch erlernbar, werden wir in einigen Jahren sehen ...
Gruß witch

 

Hallo Achillus,

nur ganz kurz. Das deine Geschichte gut gelungen ist, muss ich dir wahrscheinlich nicht extra sagen. Eine Mischung von Vikings und Game of Thrones kam mir in den Sinn, als ich sie las. Lediglich die Waffen und Fahrzeuge zeigten mir auf, dass es sich wohl doch um eine Zeit handeln muss, die unter Umständen in unserer Zukunft liegt? Quasi, so die Überbleibsel der modernen Technologie und durch den Feind zerstörte Zivilisation? Ich könnte mir Frost auch als eine Art nordischen Gott vorstellen, der sein grausames Spielchen mit den Menschen treibt. Rätselhaft ist deine Geschichte, spannend aber rätselhaft und genau so hast du es ja gewollt. Kompliment.

Liebe Grüße Sabine

 

Gude Achillus,
mir gefällt die erste Hälfte deiner Geschichte sehr gut. Gemäß der goldenen Regel zeigst du hier (statt es platt zu erzählen) eindrucksvoll wie der Protagonist beschaffen ist: er hat Alpträume, psychologische Probleme, die sich auch auf seine Potenz /seine Beziehung im Allgemeinen auswirken. Grund dafür ist ein scheinbar ewiger Abnutzungskampf gegen einen mysteriösen Feind – dass du so wenig über diesen verrätst passt sehr gut, es verstärkt die Aussichtslosigkeit der Situation. Könnte man „den Feind“ wenigstens benennen, wäre man schon weiter. Aber nicht einmal das geht.
Ich war zu Beginn etwas irritiert, da ich die Epoche der Handlung schwer fassen konnte. Der eher archaische Traum, Bajonette und Jeeps wollten für mich nicht ganz zusammenpassen, doch es fügt sich dann in das etwas aus der Zeit gefallene Szenario einer postapokalyptischen Welt. Erinnert mich auch etwas an die Herrschaft des Feuers (ich glaube der Film ist bei Kritikern nicht sonderlich beliebt, die von mir gezogene Parallele soll hier aber nicht heißen, dass dein Text schlecht wäre).
Dann kommt Frost – und für mich wird es ab seinem Erscheinen etwas schwieriger. Ich habe versucht, die meisten der vorherigen Kommentare zu überfliegen, um dir nicht in 100 Zeilen darzulegen, was vielleicht schon vier andere benannt haben. Bei der bisherigen Menge war das nicht ganz leicht, aber ich finde barnhelm hat bereits auf den Punkt gebracht, was ich sagen wollte, daher zitiere ich hier noch einmal drei ihrer wesentlichen Stichpunkte (und erspare dir das Zurückblättern):

Ein Problem, was ich aber mit deiner Geschichte habe, ist das Fehlen einer Entwicklung. Da gibt es für mich keine Veränderung in den Personen.

Das ist für mich ein bisschen zu sehr schwarz-weiß: der Held erkennt das Böse, die anderen sehen es nicht oder wollen es nicht sehen.

Was mir insgesamt fehlt, das ist die Möglichkeit der Einordnung des Geschehens. Platt ausgedrückt: Alles geschieht einfach.
Hieran möchte ich anschließen: du hast Norstrom am Anfang als glaubwürdig gebrochenen Mann geschaffen. Als dann Frost auftaucht verfügt er plötzlich über geheimes Wissen. Eine gewisse Grundskepsis möchte ich ihm ja nicht absprechen, aber es wirkt tatsächlich so, als sei er der einzige, der diese habe. Und die Reaktion seines Freundes dazu ist:
»Okay«, erwiderte Larkim. »Was sollen wir jetzt tun?«
-> Hier findet keine Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen statt, sondern das Gespräch zwischen dem Helden und seinem Sidekick.
Dass Norstrom später noch vermutet, Frost sei ins Lager zurückgekehrt, kann ich wiederum akzeptieren. Allerdings wird es für mein Empfinden etwas kurios, als feststellt:
Norstrøm schüttelte den Kopf. »Dafür bleibt keine Zeit …
-> Woher weiß er das? Es klingt, als hätte er genau dieses Szenario bereits einmal durchlebt, doch dafür sehe ich keine Hinweise in deinem Text. Das wird noch stärker, als er dann sagt:
Norstrøm warf Larkim einen glühenden Blick zu. »In weniger als einer Stunde sind hier alle tot. Wir verschwinden, solange es noch geht.«
Damit wird Norstrom für mich vom vielschichtigen, gebrochenen Mann zur eindimensionalen Heldenfigur, die einen Plan für alles hat.
Mein Vorschlag wäre hier, Larkim und Norstrom als tatsächliches Team zu entwickeln, die gemeinsam zu einem Plan kommen. Dabei wäre das dann auch nur logisch, einen Blick in die Kneipe zu werfen, um sich vom Wahnsinn ihres ganzen Camps zu überzeugen. So würde das Ende wieder an Glaubhaftigkeit und damit für mich auch an Spannung gewinnen. Derzeit verliert die Geschichte aber für mich aber leider und ausgerechnet ab dem Auftauchen von „Frost“ an Spannung.

Daneben habe ich nur noch ein paar Kleinigkeiten:

Larkim zuckte die Schultern. »Mir egal, was du denkst.«
Norstrøm stieß ihn hart vor die Brust. Larkim schwankte zurück.
»Halt dich fern von mir, du Freak«, sagte Norstrøm.
-> Warum soll sich Larkim von ihm fern halten? Er war ihm bisher in der Erzählung nie wirklich nahe. Für mich wirkt diese Szene inszeniert (und damit auch unfreiwillig komisch): es soll irgendwie ein Konflikt hergestellt werden, damit die Rettung später umso stärker wirkt. Auch die Formulierung „Halt dich fern von mir, du Freak“ an sich klingt in meinen Ohren etwas steif. Mein Vorschlag wäre, die Szene auszulassen, sodass es bei einer stillen Abneigung seitens Norstroms bleibt. Oder du fügst noch ein, wie Larkim versucht, sich anzubiedern, was dann zu der oben genannten Reaktion führen kann (mit vielleicht etwas frischerer Wortwahl).
»Frost«, sagte sie leise. »Ich hörte, sein Name sei Frost.«
-> Eine Dopplung verleiht der Sache meistens mehr Gewicht – hier liest es sich für mich aber wie die Vorstellung von James Bond und damit als ein unpassendes Klischee. Angesichts der Tatsache, dass der Titel den Namen bereits enthält (und seine Nennung daher im Text ohnehin besondere Aufmerksamkeit produziert), würde ich eine Variante vorschlagen wie: „Sie sagen, er nenne sich Frost.“ Mit dem Namen, einfach genannt, am Ende des Satzes.
Sein haarloser, weißer Leib setzte sich scharf vor dem Hintergrund ab.
-> Da liegt aber schon Schnee, oder? Da finde ich den Kontrast (von weiß auf weiß) als Betonung etwas schwierig.

Mein Fazit ist, dass deine Geschichte sehr stark beginnt, aber ab der Hälfte mit dem Erscheinen Frosts in der Handlung verflacht. Nichtsdestotrotz verleiht das bis zum Schluss unaufgelöste Mysterium um „den Feind“ dem Ganzen eine spannende Atmosphäre. Würden sich die Protagonisten gemeinsam mit dem Leser dieser Bedrohung stellen und sie erkunden, statt aufgrund scheinbaren Geheimwissens zu agieren, würde die Handlung diese Spannung meinem Empfinden nach noch verstärken können.

Ich hoffe, ich konnte dir damit insgesamt neuen Input + konstruktives Feedback zu deiner Geschichte liefern :thumbsup:

Liebe Grüße,
Vulkangestein

 

Hallo Sabine, vielen Dank für Deinen Kommentar.

Eine Mischung von Vikings und Game of Thrones kam mir in den Sinn, als ich sie las. Lediglich die Waffen und Fahrzeuge zeigten mir auf, dass es sich wohl doch um eine Zeit handeln muss, die unter Umständen in unserer Zukunft liegt?

Naja, zumindest ist das eine Alternativversion der geschichtlichen Abläufe, die wir kennen.

Ich könnte mir Frost auch als eine Art nordischen Gott vorstellen, der sein grausames Spielchen mit den Menschen treibt.

Das passt mir gut.

Rätselhaft ist deine Geschichte, spannend aber rätselhaft und genau so hast du es ja gewollt. Kompliment.

Vielen Dank, freut mich sehr, Sabine.

Beste Grüße
Achillus


Hallo Vulkangestein, schön, dass Du den Text angeschaut hast. Vielen Dank für Deine Hinweise. Einiges davon wurde schon in anderen Kommentaren angesprochen. Macht aber nix.

Erinnert mich auch etwas an die Herrschaft des Feuers …

Ja, ich erinnere mich an den Film. Grundsätzlich mag ich den Kontrast zwischen Archaik und Technologie sehr.

Hieran möchte ich anschließen: du hast Norstrom am Anfang als glaubwürdig gebrochenen Mann geschaffen. Als dann Frost auftaucht verfügt er plötzlich über geheimes Wissen.

Das ist so nicht richtig. Die Geschichte beginnt mit einem Traum, in dem sich das Wissen des Protagonisten bereits zeigt, auch wenn er es zu diesem Zeitpunkt noch nicht einordnen kann. Damit wird er als »Wissender« eingeführt, bzw. in einem Vorstadium davon. Das erklärt nicht nur, weshalb er im Laufe der Ereignisse immer tieferes Verständnis erlangt, sondern auch, wo die von Dir vermisste Entwicklung stattfindet: Am Anfang erwähnt Sveija, dass Norstrøm diesen Traum schon mehrere Male hatte, das zeigt ein Muster und eine Bedeutung. Die Bedeutung wird Norstrøm im Laufe der Ereignisse klar. Beispielsweise träumt er von Büffeln und Frost trägt ein Büffelfell.

Ich gebe zu, dass diese Hinweise recht karg sind. Aber der Leser sollte ja auch kein definitives Wissen erhalten, sondern mehr oder weniger ahnen, worum es hier geht oder gehen könnte.

Damit wird Norstrom für mich vom vielschichtigen, gebrochenen Mann zur eindimensionalen Heldenfigur, die einen Plan für alles hat.

Kann ich nicht nachvollziehen. Für mich gehört zu einer eindimensionalen Heldenfigur nicht nur das Fehlen innerer Widersprüche, sondern auch der siegreiche Kampf. Das gibt es hier alles nicht. Und dort wo ein Held tragisch wird, ist ja bereits nicht mehr eindimensional.

Mein Vorschlag wäre hier, Larkim und Norstrom als tatsächliches Team zu entwickeln, die gemeinsam zu einem Plan kommen.

Ich denke, dass man so auch eine Geschichte erzählen könnte, aber ich bezweifle, dass es dann die wäre, die erzählen wollte.

So würde das Ende wieder an Glaubhaftigkeit und damit für mich auch an Spannung gewinnen. Derzeit verliert die Geschichte aber für mich aber leider und ausgerechnet ab dem Auftauchen von „Frost“ an Spannung.

Das sehe ich ganz anders. Wenn man sieht, dass Norstrøm bereits mit einer prophetischen Anlage ins Spiel tritt, dann kann man auch akzeptieren, dass er nach und nach mehr weiß und sieht, als die anderen. Deshalb ist das Ende auch glaubwürdig – das ist ohnehin ein schwieriges Kriterium bei dieser Art magischer Geschichten.

Und für mich kommt das Ganze erst mit dem Auftauchen von Frost ins Rollen. Im Gegenteil finde ich, dass sein Erscheinen dem ganzen Szenario erst die richtige Spannung gibt. Bis dahin ist es eine relativ konventionelle Endzeitfiktion. Durch Frost kommt aber ein mythischer Zug in das Ganze. Er ist als Person ungreifbar, der Leser kann all seine positiven oder negativen Projektionen in diese Figur entladen.


Warum soll sich Larkim von ihm fern halten?

Hatte ich schon bei einem anderen Kommentar angemerkt. Ein Mann, auf den man sich im Kampf nicht verlassen kann (und das ist die Annahme gegenüber Larkim) ist so etwas wie eine Bedrohung. Deshalb will niemand, dass Larkim mit rausgeht. Ich kann an dem Dialog nichts Komisches finden.

Eine Dopplung verleiht der Sache meistens mehr Gewicht – hier liest es sich für mich aber wie die Vorstellung von James Bond und damit als ein unpassendes Klischee.

Ja, der Name ist hier ein Zeichen. Die Dopplung war beabsichtigt. Und diese Bond-Assoziation kann ich nicht nachvollziehen.

Da liegt aber schon Schnee, oder? Da finde ich den Kontrast (von weiß auf weiß) als Betonung etwas schwierig.

Da hatte ich schon kurz was zu gesagt. Eine Taiga-Landschaft ist meist nicht rein schneeweiß, das wäre dann eher Tundra. Die (winterliche) Taiga ist eher eine Mischung aus Weiß-, Grau-, Grün- und Brauntönen. Ich sehe da neben Schnee auch Erde, Morast, Fichten und Tannen, vertrocknetes Gras …

Mein Fazit ist, dass deine Geschichte sehr stark beginnt, aber ab der Hälfte mit dem Erscheinen Frosts in der Handlung verflacht. Nichtsdestotrotz verleiht das bis zum Schluss unaufgelöste Mysterium um „den Feind“ dem Ganzen eine spannende Atmosphäre. Würden sich die Protagonisten gemeinsam mit dem Leser dieser Bedrohung stellen und sie erkunden, statt aufgrund scheinbaren Geheimwissens zu agieren, würde die Handlung diese Spannung meinem Empfinden nach noch verstärken können.

Mein Eindruck ist durchaus, dass man auf der Grundlage Deiner Gedanken auch eine schöne Geschichte schreiben könnte. Aber mein Ziel war, glaube ich, ein wenig anders. Das Ungewisse, das Du gern teammäßig in einer Art Buddystory erkunden möchtest, soll ja als tragende Empfindung präsent sein. Denn das ist für uns moderne Menschen die schärfste Bedrohung, ein Gegensatz zu all den scheinbaren Sicherheiten unserer durchstrukturierten Welt.

Danke fürs Lesen und Deine Zeit, Vulkangestein.

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Gude Achillus,

ich melde mich nochmal ganz kurz zurück, um vielleicht etwas von den für dich nicht nachvollziehbaren Leseeindrücken aufzuklären.

"Das ist so nicht richtig. Die Geschichte beginnt mit einem Traum, in dem sich das Wissen des Protagonisten bereits zeigt, auch wenn er es zu diesem Zeitpunkt noch nicht einordnen kann."
-> Das macht Sinn und erklärt besser den Kreisschluss am Ende. Ich finde allerdings weiterhin, dass man den Anfang wie einen dauerhaft verfolgenden Alptraum lesen kann, der einem Trauma folgt - die spätere Schlachtszene verstärkt für mich diesen Eindruck. Damit ich persönlich den Traum als Grundlage für sein Wissen nehmen kann, würden mir später Analogien helfen. Als ein verkapptes Beispiel fiele mir da gerade etwas ein, wie "vom Jeep aus sah er den Fluss, diesen rettenden Fluss, hörte aber das Trommeln der Hufe nicht - er konnte noch zurück!" und dann geht er mit Larkim zurück ins Lager. Oder er fragt nach, als hört, dass Frost ein Büffelfell trägt, zeigt dem Leser also an, dass er damit eine Assoziation hat. Also zugegeben die Beispiele sind nicht besonders toll, aber vielleicht verstehst du damit, was ich hier mit Analogien (und Interpretationen) zum Traum meine.
Das sind dann mehr Informationen als du vielleicht zu geben bereit bist - das musst du dann für dich entscheiden.

"Ich gebe zu, dass diese Hinweise recht karg sind. Aber der Leser sollte ja auch kein definitives Wissen erhalten, sondern mehr oder weniger ahnen, worum es hier geht oder gehen könnte."
-> Dementsprechend soll das hier von mir auch nur ein möglicher Leseeindruck sein: ein Traum muss für mich keine Prophezeiung begründen. Ob das jetzt am Text liegt oder am Leser, kannst du wohl am besten einschätzen, da du ja auch alle anderen Kommentare gelesen hast.

"Da hatte ich schon kurz was zu gesagt. Eine Taiga-Landschaft ist meist nicht rein schneeweiß, das wäre dann eher Tundra. Die (winterliche) Taiga ist eher eine Mischung aus Weiß-, Grau-, Grün- und Brauntönen. Ich sehe da neben Schnee auch Erde, Morast, Fichten und Tannen, vertrocknetes Gras …"
-> Ich meine, das war nur ein kurzer Hänger meinerseits, aber wenn du noch etwas für den Feinschliff suchst, kann man überlegen, ob hierzu ein Satz der näheren Beschreibung hilfreich wäre, um das Bild beim Leser zielgerichteter auszulösen. Später steht nämlich noch
"nun seinen Weg durch Schnee, Eis und Morast bahnte."
Da ist dann wieder die Assoziation eines weißen Geländes deutlich stärker, das für mich hier den Morast eher übertüncht.


So viel nur noch von mir, ich hoffe, mein Rückkommentar war etwas hilfreicher.


Liebe Grüße,
Vulkangestein

Edit: Ich meinte nicht nur Analogien sondern (und vor allem) Reflexionen über den Traum, da er eine, meinem Empfinden nach, zentrale Rolle einnimmt.

 

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