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Fruehling in Wien, meine Damen und Herrn ...

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02.07.2001
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Fruehling in Wien, meine Damen und Herrn ...

Wenn mich die Leute fragen, was ich arbeite, dann muss ich immer laecheln. Es ist ein so schoener, so friedlicher, kuenstlerischer, kreativer, freundlicher Beruf. Denken sie zumindest. Sagen sie dann auch, wenn ich antworte. Deshalb muss ich immer laecheln, wenn sie fragen.

Ich bin Blumenverkaeufer.
Ich besitze einen eigenen kleinen Laden ganz in der Naehe des Stephansdomes, dort wo immer viele Menschen unterwegs sind. Ich habe zwei Angestellte und jede Woche kommt eine Studentin fuer einige Stunden als Aushilfe vorbei. Sie sagt, sie mag das Friedliche, Freundliche, das Kreative und Kuenstlerische an dieser Arbeit. Sie ist noch nicht lange dabei.

Mein Laden geht sehr gut. Im Fruehling verkaufe ich - kurz bevor sie in der Natur zu bluehen beginnen - die ersten Priemeln, Osterglocken, Stiefmuetterchen und Tulpen. Im Sommer gehen Rosen, Gerbera und Sonnenblumen sehr gut. Im Winter habe ich auch Teestraeusse im Angebot - viele moegen das.

Und weil mein Laden so gut geht, kann ich es mir an besonderen Tagen leisten, Blumen zu verschenken.
Das macht bestimmt Spass! vermuten die Leute, denen ich davon erzaehle. Mit einer Blume, meinen sie, koenne man Freude machen. Sie schwaermen dann oft von der Schoenheit, die in einem solchen Wunder der Natur steckt. Loben den Duft, die Farben und glauben, dass jeder das so empfinden muesse.

Am Valentinstag also und dann nochmal am Frauentag, stehe ich vor meinem Geschaeft und druecke den Passanten Blumen in die Hand. Dabei laechle ich freundlich-froehlich und sage meistens einen netten Satz wie "Frohen Valentinstag!" oder "Mit allen guten Wuenschen und herzlichem Dank an die Dame!"

Viele greifen reflexartig zu, nicken, laecheln, danken und gehn vorueber. Andere heben reflexartig abwehrend die Hand, schuetteln den Kopf, brummen und gehn vorueber. Noch andere bleiben kurz stehen, zoegern und verhalten sich dann wie die vielen oder die anderen. Manche wollten sowieso gerade Blumen kaufen und wollen es nun noch mehr.

Aber eine Reaktion ist selten. Sie ist so selten, dass ich sie bisher erst einmal erlebt habe. Sie ist sogar so selten, dass ich von diesem einen mal geschockt war. So selten ist sie, dass ich hier davon berichten muss.

Ein Samstag im Fruehling. Sonne, blauer Himmel, viele Menschen unterwegs, einige schon sommerlich bekleidet, so warm ist es. Die Studentin ist gerade da und weil sie ein huebsches Kleid traegt, entschliesse ich mich, ein paar Blumen zu verschenken. Sie findet das eine gute Idee und bleibt im Laden, waehrend ich mit einem Korb voll Narzissen ein kurzes Stueck der Strasse auf und abgehe, und den Passanten, die einigermassen danach aussehen, eine in die Hand gebe.

Besonders gern gebe ich meine Blumen schoenen Frauen. Das muss ich nicht weiter erlaeutern. Und am zweitliebsten gebe ich sie haesslichen Maedchen, die so aussehen, als wuerde ihnen nie jemand eine Blume schenken. Die strahlen immer besonders freundlich-froehlich, erroeten leicht und werden ploetzlich doch huebsch. Metamorphose nenne ich das. Alles dank der Blumen.

An diesem Samstag im Fruehling also hatte ich schon einige Narzissen an schoene Frauen und haessliche Maedchen, auch einige an Maenner und Kinder verschenkt, als mir ein besonders blondes, besonders zierliches Wesen am Ende der Strasse auffiel. Ruhigen Schrittes bewegte sie sich auf meinen Laden zu, blickte dabei vertraeumt in den blauen Himmel, dann wieder neugierig in die Gesichter der Entgegenkommenden, schliesslich geradezu beglueckt auf die Blumenstraeusse, die ich vor meinem Laden aufgebaut hatte. Dann zu mir.

Und schon war sie heran und war ausgesprochen blond und zart und mit strahlenden blauen Augen und einer ganz entzueckenden Nase und einem so lieblichen Laecheln, dass mir fuer einen Moment der Atem stockte. Wortlos hielt ich ihr die schoenste Narzisse (die ich fuer einen solchen Anlass etwas abgesondert hatte) entgegen und hoffte inbruenstig auf ein Wort aus ihrem feinen roten Mund.

Fuer mich? fragte sie unglaeubig und mein Herz jubelte Ja!, bevor mein Kopf es nickte.
Eine so schoene Blume? Fuer mich? fragte sie nochmal, staunend, sanft wie ein Rehkitz, und glaenzte mich dabei mit ihren blauen Augen an.
Nochmal nickte ich, und was immer in diesem Moment in meiner naechsten Naehe geschehen waere - ich haette nicht als Zeuge dienen koennen, so gefesselt war ich von ihrer Anmut, ihrer Zerbrechlichkeit. Fast zu grob erschien mir ploetzlich die Blume, die sie nun hielt, dagegen.

Danke! Vielen Dank! sagte sie und ich beobachtete voll Freude zwei kleine Gruebchen, die sich beim Sprechen um ihren Mund formten.
Dann ging sie weiter, an mir vorbei, ich konnte ihr Haar riechen und den zaertlichen Hauch spueren, den ihre Bewegung in der Luft verursachte und im Voruebergehen, aus den Augenwinkeln nur, noch im Taumel meiner Gefuehle gefangen, der Realitaet noch nicht ganz zurueckgegeben, sah ich es! Sah ich, wie dieses Wesen, dieser Engel, dieses Alles an Liebreiz und Schoenheit, dieses einmalig zauberhafte Geschoepf meine Blume, die Narzisse, die ich ihre gerade gereicht hatte, in den Mund steckte und aufass!

Kauend, den Blick mal vertraeumt in den Himmel, dann wieder neugierig auf die Entgegenkommenden gerichtet, ging sie die Strasse hinauf. Als sie um die Ecke bog sah ich undeutlich, dass ihre Haende leer waren.

 

Hallo Weltentochter!

Ich weiß nicht so recht, was ich zu Deiner Geschichte sagen soll - ich schwanke zwischen einem scherzhaften "Tja, der Mensch ißt, was er ist" und einem kritischen "die äußere Fassade sagt eben nichts über das Innere aus", wobei letzteres ja auch durch die "hässlichen" Mädchen gezeigt wird, die plötzlich doch schön werden.
Den Schluß fände ich eher für "Seltsam" passend als für "Alltag".

Allgemein ist mir das Bild des Blumenhändlers etwas zu sehr aufs Blumenverschenken ausgelegt, als wäre das Geschäft nur Nebensache für ihn. - Vielleicht willst Du diese Beschreibungen ja kürzen?
Beschreibungen wie...

Ich habe zwei Angestellte und jede Woche kommt eine Studentin fuer einige Stunden als Aushilfe vorbei. Sie sagt, sie mag das Friedliche, Freundliche, das Kreative und Kuenstlerische an dieser Arbeit. Sie ist noch nicht lange dabei.
...lassen mich als Leserin erst glauben, es würde vermutlich im weiteren Verlauf der Geschichte noch irgendwie um die Studentin gehen, aber sie taucht später gar nicht mehr auf, deshalb ist es auch nicht wichtig, was sie denkt und daß sie einmal die Woche kommt.
Es ist eigentlich auch unwichtig, daß es noch zwei Angestellte gibt, denn sie haben in der Geschichte auch keine weitere Rolle - außer Du würdest damit, daß sie die Arbeit machen, begründen, warum der Protagonist so viel Zeit zum Blumenverschenken hat.

Daß die Geschichte in Wien spielt, hat eigentlich auch keine weitere Bedeutung, es könnte nur für ortskundige einem besseren Vorstellen dienen, aber dann müßtest Du vielleicht auch die Straße nennen, in der das Geschäft ist, sonst hilft auch die Angabe, es wäre in der Nähe des Stephansdomes, nicht wirklich, da es hier doch atmosphärisch sehr unterschiedliche Gassen und Straßen gibt.

Was mich aber besonders stört, sind die ausgeschriebenen Umlaute und nichtvorhandenen ß, ganz besonders schlimm sieht das im Wort "Teestraeusse" (=Teesträuße) aus. - Wäre schön, wenn Du doch noch Umlaute findest...

Viel interessanter als die ganze Einleitung fände ich es, wenn der Protagonist versucht, mehr über das Mädchen herauszufinden, das die Blume gegessen hat. - Das könnte vielleicht eine spannende Geschichte werden... ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo,

ohne blumig zu reden: ich bin geteilter Ansicht über den Inhalt und die Form dieser Geschichte.
Die Sprache gefällt mir, liest sich flüssig (bis auf die angesprochenen Umlaute).
Der Inhalt hingegen weniger.
Ob es sich ein Blumenverkäufer leisten kann, im Alltag Blumen zu verschenken. Ich denke da an die Rosenpreise - gigantisch!
Und dann auch noch am Valentinstag und Muttertag? Wann, wenn nicht dann, soll er denn Geld verdienen?

Gut, es wäre unfair, es dabei zu belassen.
Dem genialen Lob von kakaotesschen kann ich mich auch deshalb nicht anschließen, weil die Ungereimtheiten in der Gewichtung des Inhalts, wie sie Susi schon beschrieben hat, auch mir aufgefallen sind.

Die Pointe ist bei den Haaren herbeigezogen, baut vielleicht auf dem Klischee auf, dass alle Blonden dumm sind.
Wenn man über diese Unterstellung hinweg sieht, kommt ein leichtes Lächeln auf (auch bei mir), weswegen ich die Geschichte auch nicht weiter kritisieren will.

Gruß Jan

 

Hi Weltentochter! Ich finde die Geschichte wirklich klasse. Ich kann überhaupt nicht verstehen, was Häferl und jbk labern. Natürlich endet die Geschichte woanders, als man zu Beginn denkt. Ist das etwa schlecht?
Wenn interessiert schon die finanzielle Situation des Verkäufers?
Naja, jedem seine Meinung. Coole Story!
Gruß, JuJu

 

Wie geschrieben: Man KANN die Geschichte blumig sehen. Da du aber bereits durch die Überschrift "...in Wien..." einen Ort der Realität gewählt hast, habe ich die Geschichte nach realen Erfahrungen bewertet.

 

Liebes Kakaotesschen,

falls ich je in die Verlegenheit kommen sollte, einen Anwalt zu brauchen, wuerde ich gern auf Dich zurueckgreifen. Du verstehst scheinbar ganz genau, worum es mir geht und die Verteidigung meiner Geschichte ist so gelungen, dass ich dem gar nichts mehr hinzufuegen kann oder will.

Danke.

 

Würden wir in China im Jahre 1960 leben und Mao persönlich hätte diese Geschichte geschrieben: Wahrscheinlich hätte ich mir den Kommentar verkniffen.
So aber berufe ich mich auf die Meinungsfreiheit und unterstreiche noch einmal, dass mir diese Geschichte nicht gefallen hat.
Freispruch.
Danke.
Tschüss...

 

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