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Gartenarbeit
Nichts besonderes, nur eine spontane Fingerübung, weil ich die Wörterbörse mal ausprobieren wollte ...
Die Geschichte entstand zu den Wörtern: Lawine, himmelblau, Durst, erben und Schmalzgebäck.
Als Susan bei ihrem Geliebten eintraf, verschwendete sie keine Zeit.
"Was ist passiert?", herrschte sie Peter an, der wie ein Häuflein Elend vor ihr saß.
"Sie ist tot", krächzte Peter und brach in heftiges Schluchzen aus. Susan schwankte einen Moment, doch sie fing sich schnell wieder.
"Das hast du schon am Telefon gesagt", entgegnete sie. "Ich will wissen, was passiert ist!"
Peter wischte sich mit einer Hand über das Gesicht.
"... konnte nichts dafür ...", murmelte er kaum hörbar. "... einfach umgefallen ..."
Susan wollte gerade erneut nachsetzen, als ihr Blick auf etwas fiel. Ihre Augen weiteten sich.
"Was hast du getan", flüsterte sie.
Peter senkte seinen Kopf, bis auch er auf seine schmutzigen Hände sah.
"Ich hab sie begraben", gab er tonlos zurück. "Im Garten."
Susan schwankte abermals. Ihre Haut wurde aschfahl. Ihr Mund öffnete sich, doch sie brachte kein Wort heraus. Langsam sank sie auf den Stuhl vor sich nieder. Sie atmete tief durch; einmal, noch einmal. Nur mit Mühe fand sie ihre Sprache wieder.
"Du hast sie umgebracht." Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
"Aber nein", protestierte Peter sofort. "Ich sagte doch, ich konnte nichts dafür! Sie ... sie ist einfach umgefallen." Er schniefte. "Sie wollte Schmalzgebäck machen und legte die Zutaten zusammen. Dann murmelte sie plötzlich, dass sie Durst habe, griff sich ans Herz und fiel um."
Als Susan ihn nur stumm anstarrte, fügte er hinzu:
"Sie saß genau da wo du jetzt sitzt, als es geschah." Susan sprang auf.
"Was soll das alles?", rief sie zitternd. "Verdammt, sie hatte einen Herzinfarkt, ja? War es das?"
"Vermutlich. Sie musste immer diese Tabletten-"
"Verdammt!" Susan begann in der kleinen Küche auf und ab zu wandern. "Sie ist also eines ganz natürlichen Todes gestorben, ja? Einfach umgekippt und tot, richtig? Oh, scheiße!"
Peter verzog das Gesicht. "Sie war älter als ich, das weißt du."
Susan blieb stehen und funkelte ihn an.
"Ja, sie war verdammt nochmal älter als du und sie war krank und jetzt, wo sie tot ist, verlierst du die Nerven und vergräbst sie im Garten!"
Peter zuckte unter ihren Worten zusammen.
"Ich habe nicht die Nerven verloren", begann er schüchtern, "ich bin sogar recht klar geblieben. Als sie so dalag und ich keinen Puls mehr fühlte, wusste ich, was ich zu tun hatte ..."
"Und wieso?" Susan schrie fast. "Deine Frau war krank, sie hatte einen Herzinfarkt und kein noch so verfluchter Arzt hätte irgendwelche Fragen gestellt, geschweige denn die Polizei informiert!" Ihre Finger krallten sich in ihre Haare. "Du hättest bloß einen dieser Quacksalber anrufen müssen und sie hätten sie weggebracht! Weg! Für immer!" Susan brach ab.
Peter schüttelte den Kopf. "Sie hätten geglaubt, dass ich sie umgebracht habe", begann er mit dünner Stimme, "sie hätten bestimmt geglaubt, dass ich ihr zu viele oder zu wenig Tabletten gegeben habe!"
In seinen Augen schimmerte es feucht.
"Es wussten doch alle, dass unsere Ehe nicht mehr funktionierte." Er schluchzte erneut. "Sie war doch gar nicht so krank, sie hätte doch so lange leben können!" Die letzten Worte wurden von seinen Tränen verschluckt.
"Schwachsinn", zischte Susan in die Stille hinein. "Niemand hat auch nur den leisesten Verdacht, dass wir beide ein Verhältnis haben. Du hast keine Nachbarn, sie hatte keine Verwandte mehr - niemand würde nachfragen! Fast jede Ehe scheitert heutzutage; es kümmert niemanden, ob ihr glücklich wart. Du wirst noch nicht einmal viel von ihr erben - glaub mir, kein Mensch hätte dich im Verdacht!"
Urplötzlich schmetterte sie die Faust auf den Tisch. Peter schrak zusammen.
"Wenn sie aber spurlos verschwindet, wird man natürlich Fragen stellen! Eine ganze Lawine wird damit in Gang gesetzt werden! Warum sollte sie dich verlassen, hm? Sie hatte kein Geld, sie sah nicht gut aus, sie war nicht gesund - verdammt, noch heute Abend hätten wir die Kripo hier und sie würden garantiert irgendwann auch das Haus absuchen!" Ihre Stimme überschlug sich. "Die würden doch den gesamten Garten abgrasen! Die würden Spuren finden, egal wie gut du alles tarnst ... Scheiße, du bringst uns noch ins Gefängnis, obwohl wir sie nicht einmal umgebracht haben!"
Sekundenlang schwiegen beide. Peters Körper bebte.
"Das habe ... ich ... ich ..." Mühsam versuchte er sich zu artikulieren. "... nicht daran gedacht ... " Seine Miene war kreidebleich.
In Susans Gesicht arbeitete es.
"Wo hast du sie vergraben?", fuhr sie ihn rauh an. Peter schluckte, ehe er stockend "Neben dem Rosenbeet" von sich gab. Susans Blick glitt aus dem Fenster.
"Wann? Wann genau?"
"Kurz ... kurz bevor du gekommen bist."
Ihr Atem ging schneller.
"Hast du sie irgendwo reingetan? Eingewickelt?"
Peter zögerte. "Ich hatte nur einen dieser Plastiksäcke", gestand er fast verlegen. "Einen dieser himmelblauen für die Mülltonne ..." Sie winkte ab.
"Das genügt. Komm mit. Wir holen sie raus."
Fassungslos stolperte Peter hinter seiner Geliebten her.
"Was hast du vor?"
Susan erreichte das Rosenbeet und prüfte die Stelle.
"Man sieht, dass du hier vor kurzen gegraben hast", rügte sie ihn.
"Ich wollte es noch sorgfältiger machen", verteidigte sich Peter mit herabhängenden Schultern.
Susan griff nach dem Spaten, der noch neben dem Schuppen lehnte und drückte ihn ihm in die Hand.
"Mach schon. Hol sie wieder raus." Als Peter nicht reagierte, fügte sie ungeduldig hinzu: "Wenn du sie gut eingewickelt hast, besteht die Chance, dass man ihr nicht ansieht, was mit ihr geschehen ist. Wenn sich noch irgendwelche Spuren finden, sagst du dem Arzt halt, dass sie ins Rosenbeet gefallen sei. Da ist es völlig logisch, dass sich noch Erdklumpen an ihr befinden!" Peter nickte stumm und begann mechanisch zu graben.
"Wir lassen sie am besten wirklich im Garten liegen", spann Susan ihren Gedanken weiter. "Du rufst den Notarzt an und sagst ihm, du hättest versucht sie wiederzubeleben."
"Ja", sagte Peter mit glasigem Blick, während er weitergrub. Der Erdhaufen neben ihm wurde immer höher.
Susan beachtete ihn kaum. "Sie können uns nichts anhaben, wenn alles nach Plan läuft, wenn wir sie so herrichten, dass niemand sieht dass sie begraben wurde. Nicht das geringste! Wir haben ihr nichts angetan, sie ist eines natürlichen Todes ge-"
Ein dumpfes Geräusch ließ sie zusammenzucken und sie fuhr herum. Peter starrte mit offenem Mund in das Grab. Die Schippe fiel zu Boden. Wie in Trance näherte sich Susan der erdigen Öffnung und spähte hinein.
Sie erbrach sich neben die blutige Spatenspitze, als sie den eingeschlagenen Schädel erkannte.