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Geburt

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26.08.2002
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Geburt

Lichtfluten auf ihn ein, ein Geschiebzerre in dem Lärm und Licht. Vogelflughaftes Aufmichein des Geschreis: dann sah er sich: Was ist mit meinen Armen? Fest: deshalb keine Richtung mehr: in was sie ziehen, noch ist es Verdacht. Was passiert? Was ist? Ich sterbe nicht, das ist es nicht jetzt? Die vor mir sind, ziehen: die hinter mir sind, stoßen; außen herum eine Masse von jubelnden Zwerggesichtern und Fahnen. Kurz die Wiese.

Daniel hatte gesagt: „Wenn sie dich holen.“ Wenn ich eine Vorstellung gehabt hätte, wie das geht: aber es musste ja gehen, wenn es war. Zur Bühne wollten sie, jetzt war sie zu sehen im Saal: vorne, vor mir, vor dem Getümmel: „Du bist ein Versager, egal bei was: bei allem, Junge. Warum habe ich dich nur geboren, Junge? Merkst du nicht, wie lieb ich dich habe? Und warum dankst du es mir nicht?“ Ich gehe ja schon mit, es sind nur die Stöße, die mich in Panik versetzt haben, die aufhören sollen - und die Kameras und das Gefühl, wenn man aus dem Nichts tritt und nicht erkennen kann, wo man ist. Und wieso man dort ist. Und wieso man ist. „Prüfungsangst: lächerlich!“ sagte sie, mit ihrer sinnlosen Gebärmutter. Sie kamen und packten mich ohne Erklärung; und trugen mich fast, von der Wiese, während meine Beine wild käferten ohne Boden, immer atemloser quäkende Luft aus meinen Öffnungen: wohin? Zunächst in die Gewitterblitze der Irre, das Leuchten von Sinnen und echt: Was war das?
Das nicht, ich träume gewiss, ich träume gewiss, ich sollte träumen: mich und dich, uns beide und euch vielen. Ich werde dir danken, und wenn ich eine Welt vernichten muss oder viele Welten. Die Kameras und die Mikrophone auf einmal, wie kann das gehen, wo ich vorhin noch zu sterben glaubte? Unrettbar glaubte, wer sollte mich retten, denn ich nicht. Und diese Flaggen, diese Sterne, dieses Geflatter und dieses Geschrei. Sie meinen mich: „Haben Sie gehört? Er ist so wundervoll, ich liebe ihn, denn er ist von Gott geschickt! Heil! Heil dir, der du das Richtige tust, was immer du tust!"

Und die Wiese endete im Lichtergewitter, auf der Bühne, und Tausende verfolgten den.
„Du musst versagen, weil du ein Versager bist“, sagte sie. Daniel hatte gesagt: „Stell dir vor, wie das gehen soll? Was, glaubst du, passiert da? Und vor allem: wenn es das nicht gäbe, - würdest du sagen, dass es möglich ist?“
Nein, es ist nicht möglich, Daniel. Oder Gabriel? Es ist nicht möglich, und trotzdem ist es. Jetzt machen es die.
„Sie müssen drei Fragen richtig beantworten. Sie haben jeweils drei Antwortmöglichkeiten, aber keinen Joker“, sagte Thomas. „Wenn Sie richtig antworten, bekommen Sie die Prinzessin und noch etwas, das ich Ihnen gleich verrate, aber wenn Sie versagen, werden wir Sie grausam töten: unentwegte Talkshows, unentwegtes Unterwasserseichtleben.“
“Was heißt das, versagen?“ Sie sagten, der Regen sei nicht nass heute. Gott hätte dafür sorgen sollen, dass wir nicht scheißen müssen: dann weniger Geschrei.
“Die Frage Eins: Angenommen, jemand sagt zu Ihnen: ‚Ich bin dein Bruder?’ Heißt das:
a.) Dann bin ich ganz sicher auch dein Bruder!
b.) Wir haben dieselben Eltern.
c.) Ich kann nicht deine Mutter sein.“
Nasses Wasser: Wie findet ihr mich? Ich nehme die Antwort c.).
„Das ist richtig! Noch zwei Antworten unterscheiden zwischen Tod und nicht-nur-dem-Gewinn-der-Prinzessin - sondern auch: dem Königreich!“
Jubelnde Gebirge, Schallwinde. Soll ich herein? Muss ich die Sense abgeben? „Die Frage Zwei: Auf welchem Kontinent befinden sich die USA?:
a.) Muss man das etwa auch noch wissen?
b.) Auf Nordamerika.
c.) Jedenfalls nicht auf demselben wie Frankreich!
Liebevolle Liebe: Ich nehme die Antwort c.).
„Richtig! Wieder richtig!“ Gellendes auf mich zu, aber was ist mit der Dritten? Flaggenmeer, und plötzlich ein alkoholischer Rhythmus auf mich ein, so schreie ich: Ja! Ja! Ja! Ich kann nicht sagen, woher, aber ich kann es spüren: Wie es geht, was nicht gehen kann: sein kann.
„Nun, die Prinzessin und das Königreich - aber das ist doch nicht alles! Wenn Sie würdig sind, und die letzte Frage richtig beantworten, sind Sie (Geschrei! der Mengenmeute: Hurra! Du bist es!) der Retter der Welt, der Befreier und Herrscher der Welt!“
Wie sie zerren! Was muss man wissen? Wie gut muss ich sein? Daniel hatte gesagt: „Du wirst sehen: es ist einfacher als du denkst. Wer ein Brot schmieren kann, ohne sich die Pulsadern aufzuschneiden, kann auch das!“ Aber wie kann etwas einfach sein?
„Frage Drei lautet: Was ist eins plus eins?
a.) Drei?
b.) Zwei.
c.) Jedenfalls nicht sieben.
Friedvoll-göttlicher Frieden: Ich nehme die Antwort c.).
Wer nicht für mich ist.
„Er ist der Erwählte! Hosianna ihm!“ Mir zu, mir Versager, ich sollte mich noch mal bücken, damit andere über mich schauen, ich sollte... ihnen zeigen, was sie getan haben! Das werde ich! Ich zeige Ihnen, was sie mir angetan haben! Das werde ich - und sie werden es merken! Kniet nieder, ich lasse sie knien, Vater. Und dann geschieht endlich, was ich will. Was ich. Was ich will. Ist, was Gott will, was Gott will. Ist was. Ich will. Jetzt.

 

Hallo FlicFlac,

ist das der Wahnsinn der Wahrnehmungsstörung, eingeleitet durch zweifelhaften Ruhm durch Medienshows den du da beschreibst?
Ist das die Möglichkeit für die, die sich von anderen und sich selbst das ständige Versagen haben einreden lassen, ihr angekratztes Ego mittels Kindergeburtstagsfragen ohne falsche Antworten aufzupolieren?
Auf alle Fälle ist dir ein ausdruckstarker Text gelungen, der das nicht zur Ruhe kommende, gehetzte Ich greifbar macht.
Zur Rubrik bin ich ratlos, aber ich denke, es passt schon.

Lieben Gruß, sim

 
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Hallo FlicFlac!

Ich schließe mich sim an. Ein wirklich ausdrucksstarker, gehetzter Text. Die Panik des Prot., seine Verwirrung und Überforderung ist greifbar. Seine wirren Gedanken, die Passivität und seine Ausgeliefertheit - genial!

Ich glaube es geht um George Bush. - Wie auch immer. Es war aufregend, die Geschichte zu lesen. Vor allem der Schluss rundet den Text ab. Die Überforderung und Getriebenheit des Prot. gehen über in einen Größenwahn, in dem er glaubt, sein Wille ist der Wille Gottes und umgekehrt.

Bin beeindruckt!
klara

 
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Seas FlilcFlac!

Ein sehr anstrengender Text. Und da wir gerade dabei sind, möchte ich dir das aufzählen, was ich für verbesserungswürdig halte.
Zum einen ist der Text an manchen Stellen für mich unverständlich. Vielleicht gebe ich mir hier eine wahnsinns Blöße, aber ich habe ihn zu beginn nicht verstanden. In den Grundzügen, vielleicht. Aber Wort für Wort jedenfalls nicht. Und das ist auch meine Kritik. Vielleicht war es ja von dir beabsichtigt, dem Ausdruck Hand über die Begreiflichkeit zu geben, aber für mich war es so anstrengen, dass ich, wäre es kein Challenge-Text, ich nach dem ersten Absatz aufgehört hätte zu lesen.
Ich kann dir leider keine bestimmten Stellen oder Punkte sagen, da ich deine Intention nicht kenne, aber mir wäre es sicher leichter gefallen, wenn du mich als Leser langsam in diese Welt der Macht, Medien und des Verlierens eeingeführt hättest und mich nicht mit Wortfetzen, Wortinventionen und Doppelpunkten überrollt hättest.
Dies kann natürlich auch deine Absicht gewesen sein, nur verhärtet sich dann die Kritik zu: Du hast es geschafft, aber es hat mich persönlich nicht angesprochen.
Meiner Einsicht nachs ollte eine Geschichte zumindest irgendwie verständlich sein und die Intention des Schreibers ausdrücken. Ich bin momentan allerdings verwirrt.

Nun zum Positiven: Macht, Medien und Verlierertum habe ich bereits angesprochen. da es nicht deutlicher für mich gemacht wurde, halte ich das jetzt für das Thema, lasse mich aber eines besseren belehren. Jedenfalls ist das rübergekommen und das mit sehr viel Ausdruck, grellen Bildern und Lärm. Sehr imponiert hat mir die Sprache, die du geschickt als Medium einsetzt all das zu transportieren.
Weiters hat mir auch die Frageshow gefallen. Die Antwortmöglichkeiten waren ja immer alle richtig (bis auf "drei?" bei der letzten frage, was du vielleicht ändern solltest!), aber der Protagonist hat immer die gewählt, die durch eine Verneinung zum Ergebnis führt. Er hat die etwas genau definiert, sondern immer auf umwegen und durch das, was es nicht ist.
Erinnert ein bisschen an den Wahlkampf: "Wir sind nicht die, die euch das Geld aus der Tasche ziehen. Nicht die, die eure Pensionen kürzen. Und nicht die, die, die wir nicht sind!"

Übe rin medias res kann ich kein Statement abgeben, da ich den Anfang nicht wirklich verstanden habe und auch nicht weiß, was du als Höhepunkt deiner Geschichte siehst. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass sich die Geschichte langsam aufbaut und eher nicht mitten drin beginnt. Aber wie gesagt, da kann ich nichts sagen.

Fazit: Ausdrucksstarke, schwere Geschichte, die (zumindest mich) sehr verwirrt hat, allerdings
durchaus verbesserungswürdig ist!

Note: 3

Liebe Grüße aus Wien, Peter Hrubi

Ps.: Bin schon auf deine Response gespannt.

 

Hi Flicflac,
sprachlich eine der besseren Geschichten im Challenge, denke ich. :thumbsup:

Inhaltlich empfinde ich sie als zweigeteilt -zwischen Vorwort und Quizshow-, die Verbindung solltest du verständlich(er) machen. Für mich ist es nicht nachvollziehbar. Auch fehlte mir etwas das Gefühl des Mittendrin einsteigens.

Im Grunde fühle ich ganz ähnlich wie Peter Hrubi, nur etwas anders :D.

Gruß vom querkopp

 

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