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Geheuert, gefickt und gefeuert
Geheuert, gefickt und gefeuert
(Rockys Problem mit dem Feminismus)
Einsamkeiten schrägen sich durch seinen Tag. Joblos. Die Wohnung – ein Gefängnis. Die Wände krallen ihm sein bisschen Hirn aus dem Verstand. Er wagt sich kaum mehr aus dem Haus. Alles, ja, einfach Alles stinkt ihn an. Die Decke sinkt und sinkt und sinkt. Er wagt nicht mehr hinauf zu schauen. Auch aufrecht gehen traut er sich nicht mehr. Der Tag, die Nacht sind nur noch drückende Depression. Angst! Manchmal hat er so ein Gefühl: Ein Jeder riecht sie kilometerweit. Zu einem Arzt zu gehen? Da scheißt er drauf. Sein ganzes Leben in dieser letzten Zeit? Es fickt ihn an.
„Ich bin ein Nichts. Ich bin eines dieser so vielen Nichts von Heute. Nie habe ich einem Menschen wahrhaft Böses getan. Etwas Schlimmes zu tun, dazu war ich nie fähig. Und doch habe ich ein Riesenproblem mit meiner Welt. Ich lasse mich nicht gerne verarschen. Und so wurden meine Jobs in den letzten Jahren immer kürzer. Ich habe diese oft so unzählbaren Aneinanderreihungen von Sinnlosigkeiten, Anmaßungen bis hin zu Frechheiten einfach nicht mehr ausgehalten. Und mit den Jahren wurden diese Jobs dann halt auch immer mehr und mehr beschissen. Ach, was soll’s? Da scheiß ich drauf! Diese Welt kann mich ab nun und endlich am Arsch lecken!“
Er hat Schlosser gelernt. Nebenbei kann er Alles zusammen schweißen, ja, auch auseinander, null Problem. Darin ist er ein wahrer Künstler. Wenn er will, dann sind seine Schweißnähte für Nicht-Profis einfach unsichtbar. Kein Chef, der das nicht sofort begriffen hat. Und trotzdem ist er heute ohne Job, denn auf Montage fahren, irgendwohin in die ferne Welt, das will er nicht mehr. Er ist mit seinen knapp fünfzig Jahren auch schon zu alt dafür. Den letzten Job hat ihm ein frecher Junge mit so falschem Grinsen aus Ungarn geklaut. Dabei hat sich diese Arbeit eigentlich zu seiner eigenen Überraschung sogar ganz gut angelassen. Er hat auch nicht gleich nach kurzer Zeit wieder aufgehört, wie in den fünf Jahren davor. Nach fast zwei Jahren dachte er schon, nun ist er wieder wer. Er hat wieder einigermaßen gut verdient, so gut drei Euro über dem Stundenlohn nach Kollektivvertrag. Im Grunde genommen ja eh nicht viel. Er hat den Neuen dann sogar noch selber eingeschult, ohne an etwas Schlechtes zu denken. Was ist er doch immer wieder für ein Trottel? Und dann kommt sein Chef nach gut einer Woche daher und sagt zu ihm: „Hey, Rocky, es tut mir ja echt leid, aber ich habe ein echtes Problem mit dir. Du bist ja echt der beste Schweißer, den ich je gesehen habe. Und schlossern tust du königlich. Aber du bist mir echt zu teuer, echt. Es tut mir echt leid, aber ich habe mich gestern entschlossen, dass ich den Ungarn einstellen werde. Und für euch beide habe ich keine Arbeit nicht. Tut mir echt leid. Aber du weißt ja, der ist auch nicht schlecht. Okay, er hat nicht deine Klasse, aber, für die Arbeiten hier in meiner Firma reicht es auch. Und stell’ dir vor, der arbeitet unter dem KV. Ich zahle ihn zwar danach, wegen der Gewerkschaft, aber er gibt mir monatlich hundert Euro retour. Ich zahl ihn immer bar und zieh ihm den Hunderter gleich ab. Also, ich mag dich ja, aber …. du verstehst? Also, ich muss dich leider mit Monatsende kündigen. Du kannst ab Montag zu Hause bleiben und deinen Urlaub nehmen, den du noch hast. Die zwei Tage zu viel, die schenke ich dir auch.“
Der Chef hatte wohl ein schlechtes Gewissen. Rocky war dann gleich eingeschnappt, hat Nichts gesagt, hat seine Sachen zusammen gepackt und hat einen Abgang gemacht. Nun ja, und seit dem stinkt ihn sein Leben wieder an. Er sitzt nur noch zu Hause herum, fickt seinen Computer, versauft sein Arbeitslosengeld und ist jeden Tag auch noch voll dicht von den Joints. Zum Glück kostet der Rauch ihn nichts. Er baut ja selber an. Sein Betreuer beim Arbeitsmarktservice sitzt ihm seit seinem ersten Tag brutal im Nacken. Er meint, so „Schlosser- und Schweißerhack’n“ gäbe es genug. Er müsse halt von seinem hohen Ross heruntersteigen. Der Arbeitsmarkt von Heute wäre halt so. Schicksal. Irgendwann würden auch wieder bessere Zeiten kommen. Aber so lange könne er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen und auf einen Job für einen Prinzen warten, zumindest nicht bei ihm.
Aber was soll er machen? Er hat solche Angst vor genau wieder so einem Job, wie er ihn gerade gehabt hat. Wenn ihn noch einmal so ein Arschloch von Chef weg wirft, einfach so aus dem Nichts heraus, dann bringt er ihn um. So einem Arschloch drückt er beim nächsten Mal die Gurgel zu. Scheiß drauf, ob er dann ins Häfen muss. Irgendwann muss Schluss sein mit Verarschen, so viel hat er inzwischen begriffen. In dieser unserer Gutmenschenwelt sind nur die Arschlöcher König und wer kein Arschloch ist, der wird verarscht und auf den Müll geworfen, und das schneller, als man schauen kann. So gut kannst du in deinem Job heute gar nicht sein. Das ist diesen Chefs heute so was von völlig EU, also wurscht, egal. Heute hast du einfach nur billig zu sein, also „euro-neutral“. Du hast gut zu sein für einen Euro, doch zufrieden geben musst du dich mit dem Wert von zehn Schilling von Damals. Diese Einführung des Euro war doch nichts Anderes, also eine Geldabwertung um mehr als dreißig Prozent. Alles EU, also scheißen!
Also, wenn man heute 2005 keinen sicheren Job hat bei Bund, Land, Stadt oder einer Gemeinde oder bei so einem Unternehmen, das irgendwie mit dem Staat brav verwandt ist, dann hat man ausgeschissen. Von einem Aufsichtsratsposten bei der BAWAG kann man nur träumen. Fast. Natürlich gibt es da und dort noch Nischen. So ein Betreuer von Arbeitslosen beim Arbeitsmarktservice Österreich zu sein, ja, das ist auch nicht schlecht. Man muss halt Kaiser im Verarschen armer Schweine sein. Na ja, EU! `s ist EU! `s ist wurscht, egal. Scheißen! Jedenfalls sitzt er nun wieder einmal nur blöde zu Hause herum, dabei hat er doch immer so gerne gearbeitet. Er fühlt sich nur noch beschissen. Er weiß nicht: Was tun? Diese Unsicherheit, diese Angst bringt ihn noch um.
Und Alle zeigen sie wieder mit dem Finger auf ihn. Er kann sie Alle denken sehen: „Der Rocky ist und bleibt halt ein Versager!“ Seine Mutter sagt ihm dauernd: „Ich kann Nachts wegen dir wieder einmal nicht mehr schlafen. Was machst du bloß aus deinem Leben? Du hältst es Nirgendwo lange aus. Ich habe solche Angst um dich!“ Sie versteht es nicht. Sie will es nicht begreifen. Das bin nicht ich! Auch einem Haufen anderer braver Ösi-Jungs ergeht es heute so wie mir. Und sie werden immer mehr, Tag für Tag. Die Zeiten sind einfach nur noch beschissen. Und man kann Nichts dagegen tun, außer bugerln und Arsch kriechen. Na ja, sich selber umbringen, das geht auch noch. Es ist Alles so EU, wurscht, verschissen!
Sein Vater redet gar nicht mehr mit ihm. Er, Rocky, ist der perfekte Versager für ihn. Er hat gut reden. Er genießt seinen Ruhestand als Ex-Gemeindebeamter. Der Narr ist heute sogar noch stolz darauf, dass er einmal Straßenarbeiter und Mädchen für Alles in seiner Gemeinde war, zu einer Zeit, als die Behörden noch nicht jeden Job ausgegliedert haben. Sein Vater wollte ja immer, dass er „irgendwie“ in seine Fußstapfen treten würde, so wie halt sein kleines Brüderchen. Der hat einmal Elektriker gelernt, gerade dass er mal die Berufsschule geschafft hat, lauter „Genügend“ hatte er, der kleine Scheißer. Er hat aber gleich kapiert, dass ihn kein Chef lange behalten würde, mit seinen Unkenntnissen von seinem Job. Also hat er den Job dann auch gleich hingeschmissen, nachdem er ausgelernt hatte. Sein kleiner Bruder hat brav auf den Papa gehört. Heute ist er Schulwart in der Hauptschule in unserem Dorf und natürlich wie der Papa brav pragmatisiert. Ein kleines Mitesserl von einem kleinen und so brav angepassten Beamterl ist er, sein kleiner Wichtigtuer von einem kleinen Bruder. Und wie er immer auf ihn herab schaut, dieser blöde Arsch. Umbringen könnte er ihn manchmal, diesen falschen Hund. Sein kleiner Bruder redet auch nichts mehr mit ihm. Er schämt sich wohl für ihn.
Na ja, völlig EU. Scheißen! Er sitzt jedenfalls wieder einmal da, der Tag will wieder einmal nicht und nicht vergehen. Es ist fast vier Uhr am Nachmittag. Er döst dahin. Der zehnte Joint zieht ihn ins Nirvana. Er überlegt, ob er sich nicht einfach weg tun soll, einfach so. `s ist ja EU, wurscht, egal. Scheißen! Er geht ja sowieso Niemandem ab. Und selbst die, die ihn mögen, lieben, ja, seine Freunde sind und nicht auf ihn scheißen, also, er denkt, auch die werden es mit der Zeit verschmerzen, wenn er nicht mehr ist. Und in letzter Zeit war da sowieso nicht mehr viel los mit ihm. Er tut nur noch sudern. Selber eine Gaudi machen, das ist nicht mehr drin.
Er denkt gerade wieder einmal darüber nach, wie er sich am Besten weg tun könnte. Auf einen Abgang mit viel Schmerzen ist er jedenfalls echt nicht scharf. Schnell sollte es gehen! Mit dem Auto Vollgas und gegen einen dicken Baum oder eine Mauer? Ja, das könnte gehen. Oder sich total ansaufen? Sich noch einmal so richtig schön weg töten mit guter brauner Scheiße – das Wort „Shit“ mag er nicht so, schließlich liebt er seine deutsche Sprache. Dazu ein paar Teddy-bärig wirkende Ecstasy-Tabletten. Auch ein paar lange Leins des schnellen Schnees wären nicht schlecht. Außerdem könnte er sich wieder einmal ein paar Nasen bestes Kokain leisten. Ein paar Schwammerln sind auch schnell aufgetrieben. Und wenn nicht, ein paar Hütchen LSD tun’s auch. Und vielleicht erstmals in seinem Leben so einen Schuss von dieser Todesdroge Heroin dann ganz kurz vor dem Schluss. Der Rest aber schön verteilt über so ein langes Wochenende. Ende Oktober kommen ja zwei. Allerseelen wäre kein schlechter Termin.
Und kein anderer Mensch soll wissen: Wieso? So richtig abfeiern. All seine Freunde und Freundinnen noch einmal besuchen. Ja, er könnte sogar bei ein paar von seinen Exen vorbei schauen und fragen, wie es ihnen heute geht. Dabei nur lustig sein. Dabei alle Witze ausgraben von Gestern und von Vorgestern. Noch einmal alle Geschichten aufwärmen und dabei ein ganzes langes Wochenende keinen einzigen Gedanken an diese Scheiß-Tat verschwenden. Und sich dann am Sonntag gegen Morgen, nach vier Tagen und Nächten ohne Schlaf, voll zu, von der Nibelungenbrücke in Linz schmeißen, eintauchen in das eisige Kalt der Donau Ende Oktober 2006. Mann oh Mann, wäre das nicht geil. Gott Herzinfarkt steht ihm sicher bei.
Du hinterlässt ein großes Rätsel, oder auch nicht. Dein letzter Chef weiß vielleicht, wieso. Aber er schiebt es sicher eiskalt weg und nennt seine Anständigkeit „gesunden Unternehmer-Geist einer Neuen Zeit“. Auf Arbeitnehmer sei ab nun geschissen! Und sein Vater hat sowieso immer gewusst, dass er nichts wert ist. Und er hat ja noch einen anständigen Sohn. „Wer sich nicht anpasst, der ist selber schuld!“ Wie hat er doch immer so „schön“ gesagt: „Wer dauernd von der Taube auf dem Dach träumt, der bekommt zuletzt nicht einmal den kleinen Spatz in seine Hand. Man muss zufrieden sein! Diese Welt ist nun einmal so! Glaube mir mein Sohn! Schließlich kann nicht ein Jeder Gewerkschaftspräsident sein oder gar so ein Generaldirektor von der BAWAG! Nicht ein Jeder kann sich am Geld der kleinen Leute bereichern. Es muss auch die kleinen Leute geben, sonst geht die Welt in’n Arsch.“ So hat er vor Kurzem bei einem Familienfest gemeint, in Bezug auf den Gewerkschafts- und BAWAG-Bank-Skandal.
Ja, genau so würde er es am übernächsten Wochenende machen. Kein Mensch sollte wissen, warum. Er würde einfach einen extrem lustigen Abgang nehmen. Manche werden vielleicht sogar meinen, es wäre ein Unglück gewesen, so dicht würde er sein. Und genau in diesem Moment passierte es, als er das endlich endgültig beschlossen hatte. Ja, er würde so hinüber sein, dass ihm selbst die eiskalte Donau so warm erscheinen würde, wie das Meerwasser um Mykonos herum, damals Ende Juni 1991, als er mit seiner damaligen Freundin jeden Quadratmeter Felsen auf der Ostküste durchgefickt hatte, so als wäre er Achilles zu seiner besten Zeit gewesen, damals, als der noch alle Sehnen seiner Fersen beisammen hatte, hihi. Wow! Was ist das doch für ein geiler und so heißer Urlaub gewesen, so und so? Wow!
Ja, wow! Doch heute ist Alles so Etwas von EU! Wurscht! Egal! Ja, scheißen! Wow! Und da läutete das Telefon. Andrea, eine seiner besten und schon ewig langen Freundinnen war dran. Mit ihr konnte er immer reden, wie mit einem Mann. Was für ein geiles Weib! Sie heulte Rotz und Wasser, so dass er sie kaum verstehen konnte. Irgendwann verstand er sie dann doch. Er „bremste“ sie dann ein wenig ein.
„Beruhige dich doch! Ich kann dich nicht verstehen! Was ist? Bitte, fang noch einmal von Vorne an, damit ich dich auch verstehen kann. Was ist mit dem Patrick?“ „Ach, krank ist er! Asso? Und wo liegt da das Problem?“ „Ach so, du kannst nicht bei ihm zu Hause bleiben. Du musst noch bis acht Uhr am Abend arbeiten!“ „Ach, und wenn du wegen ihm zu Hause bleibst, dann schmeißt dich dein Chef hochkant raus.“ „Was, du spinnst ja! Der Patrick ist seit Gestern allein zu Hause!!! Er hätte Angst in der neuen Wohnung. Und und und, ja, ja, ich verstehe ja. Niemand hätte Zeit. Er hätte so hohes Fieber, wahrscheinlich brütet er gerade die Masern aus, oder was auch immer. Ach, ein paar rote Flecken hat er schon.“ „Ob ich die Masern schon gehabt hätte?“ „Ja, ja, hatte ich. Auch Scharlach habe ich schon gehabt und all die anderen Kinderkrankheiten auch, die man als Kind halt so hat. Ja, ja, hehe, ja, ja, hatte ich Alles, ich war ja einmal ein braves Kind. Hihi, ich bin erst mit fortgeschrittenem Alter ein Revoluzzer geworden, hihi, der sich an keine Regeln mehr halten will, haha.“
Da musste sogar Andrea lachen. Dabei heulte sie die Telefonleitung zu, dass es ihm fast das Herz zerrissen hat. Er dachte schon, sie spült ihm mit ihren Tränen die Ohren sauber, so nass klang ihre Stimme durch den Äther. Er mochte sie ja sehr, seine Andrea. Und dabei hatte er nie Etwas mit ihr. Irgendwie ging es sich nie richtig aus. Er hat sie vor gut fünfzehn Jahren als Freundin einer Ex kennen gelernt. Die Ex kennt er heute nicht mehr, die Andrea sie auch nicht. Aber sie, die Andrea, ist ihm irgendwie geblieben. Und immer wenn einer gerade einmal solo gewesen ist, war der andere vergeben. Dieses scheiß Leben ist halt oft so, wie es ist. Aber sie stand ihm immer sehr nahe. Sie war immer ein guter Freund. Und vor Allem, sie hat ihn nie verraten.
„Ob ich Zeit habe? Ob ich auf den Patrick aufpassen könnte bis zum Wochenende? Immer so von halb zwei Uhr am Nachmittag bis so gegen halb neun am Abend.“ Er wäre die letzte Hoffnung für sie. „Ja, ja, klar. Früher habe ich doch auch schon auf ihn aufgepasst. Wieso hast du denn nicht schon gestern angerufen?“ „Ach, du hättest nicht an mich gedacht!“ „Das ist aber nicht schön. Ich hätte gedacht, du denkst öfter an mich! Haha! Jetzt weiß ich, du liebst mich nicht.“ Da musste sie wieder lachen. Endlich konnte er sie klar verstehen. Er musste sich die Resterln nicht mehr dazu denken.
„Du hast ja in den letzten zwei Jahren selber gearbeitet. Irgendwie habe ich dann glatt vergessen, dass du ja jetzt seit ein paar Wochen wieder daheim bist. Und das ist mir gerade vor ein paar Minuten eingefallen. Der Patrick hat mich jetzt schon seit zwei Uhr zum zehnten Mal angerufen. Er hat so viel Angst. Und kalt ist ihm. Er geht nicht ins Bett. Angeblich sitzt er seit zwei Uhr beim Telefon im Wohnzimmer und heult Rotz und Wasser. Wenn er mich anruft, dann bibbert er mit den Zähnen. Oh, ich bin ja so eine schlechte Mutter, verdammt. Ich bin nicht bei ihm. Aber ich brauche diesen Job, verdammt. Ich muss endlich meine Schulden zahlen, sonst fliege ich wieder aus der Wohnung hinaus. Die drehen mir jetzt im Winter den Strom und die Heizung ab. Verdammt! Ich weiß echt nicht mehr, was tun? Mein Job hängt an einem seidenen Faden.“
Also hat er dann den Rest der Woche auf den Patrick aufgepasst. Und die Woche darauf auch noch. Er hatte die Schafplattern. Die dauern echt lang. Wenn da ein Kind dann keine brave Oma hat, dann ist die berufstätige Mama echt schlimm dran, wenn sie nicht gerade bei Bund, Land, Stadt oder Gemeinde verbeamterlt ist. Angestellt bei der Gewerkschaft oder der BAWAG ist natürlich auch gut, ja, sogar noch besser. Dort haben sie zwei Wochen Pflegeurlaub, und sonst geht man halt so lange selber in den Krankenstand, wenn die Kinder krank sind. Dieses Gesetz gibt es natürlich auch für Angestellte in der Privatwirtschaft, haha, aber trau dich das dort einmal, wow, da hast du dann keinen Job mehr, wenn du so „frech“ bist und dich danach wieder in die Firma traust. Die schicken dich dann gleich wieder gutmenschenbrav nach Hause.
Rocky dachte (wieder einmal) bei sich selbst: „Was ist das doch heute für eine beschissen materialistisch orientierte Welt? Die lassen sogar unsere eigenen Kinder glatt verrecken, und dabei jammert jedes Arschloch von Gutmensch laut und klar, dass Europa aussterben würde, wenn wir nicht bald mehr Kinder zeugen. Aber wir lassen ja auch jeden Tag ohne jeden Genierer in der Dritten Welt über dreißigtausend Kinder allein am Hunger sterben. Auch das ist uns heute völlig EU, also wurscht und scheißen.
Irgendwie hat Rocky dann bis zum langen Wochenende im Oktober 2005 glatt vergessen, dass er sich eigentlich in die Donau schmeißen wollte. Die Tage mit dem Patrick vergingen wie im Flug. Rocky hat so nebenbei zwei Bücher ausgelesen, verdammt gute Musik gehört, oft gemeinsam mit dem Patrick. Er hat ihm die Welt der Erwachsenen ein wenig erklärt, und der Patrick ihm die seine. Der Patrick ist mit seinen fünf Jahren schon ein verdammt gescheiter Junge. Rocky hat ihm das Turm-Rechnen beigebracht. In den letzten Tagen hat ihn der Kleine sogar schon (fast) geschlagen. Rocky hat ihn ein paar Mal gewinnen lassen, also, er hat absichtlich einen Fehler eingebaut. Mann oh Mann, was war das doch für eine Gaudi. Auf einmal hatte Patrick so einen roten Kopf, so dass Rocky schon dachte, er würde schon wieder krank werden. Aber es war nur der Eifer. Braver Bub, haha.
Am langen Wochenende hat Rocky dann aber ordentlich abgefeiert. Er ist seit über einem Monat wieder einmal ausgegangen, einmal sogar mit der Andrea. Zuerst am Nachmittag ins Kino und dann Essen. „Cars“, was für eine Gaudi, sogar für Erwachsene. Da war sogar der Patrick mit dabei. Den haben sie dann anschließend nach dem Essen nach Hause gebracht, dort hat dann eine Freundin weiter auf ihn aufgepasst. Und dann haben sie die Altstadt auf den Kopf gestellt. Den Rest des langen Wochenendes ist Rocky dann mit ein paar Freunden herumgezogen. Und es war so steil und lustig, wie geplant, nur halt ohne seinen starken Abgang, also Donauwasser, so und so, haha. Und es war auch endlich wieder einmal eine Zeit der Witze. Einer war geiler als der andere. Und ein Witz davon ging so:
„A girl is looking with her boyfriend in the newspaper for a job. They find some. The boyfriend is driving his girl to the place, where the job is. The girl is going into the building. The boyfriend is waiting in the car. He is waiting and waiting and waiting and ….. One hour has gone. The second hour has gone. The boyfriend is still waiting. After three hours, God save the Queen, the girl is coming back. She is sitting into the car. She says nothing. The boyfriend asks her: ‘So much time? You have the job, yeah?!’ The girl: ‘Yeah, oh, no, yeah, no, yeah, but ….’ ‘Hey, what is? You have the job, or not?’ The girl begins to cry an says: ‘Oh, I’m so confused. Oh, I think, this has been the shortest job, I’ve ever had.’ ‘Oh, …. Because? What’s happened?’ ‘Oh, …. No.’ She is crying. The tears are running over her face. ‘Ooooohhh, …. I’m hired, fucked und fired.’”
Ein Freund, der den Witz erzählt hat, konnte nicht gut Englisch. Er hatte seine Schulzeiten auch schon lange hinter sich. Rocky hat den Witz dann aber genau so in diesem beschissen schlechten, aber so irre geil klingenden Englisch hundert Mal weiter erzählt. Und echt, Alle, wirklich Alle, die ihn gehört haben, haben sich halb tot gelacht. Rocky gibt zu, er auch. Sie waren halt Alle auch ziemlich besoffen. Und jedes Mal hat er dabei an all die Frauen, an all diese Mütter von Heute gedacht. Dieser Witz erschien ihm immer wieder wie ein Spiegel unserer Zeit von Heute. Fünfunddreißig Jahre Feminismus pur. Was ist bloß daraus geworden? Zumindest den Müttern erging es in Österreich, seit dieser Bruno Kreisky den Österreichischen Humanismus erfunden hat, noch nie so schlecht, wie heute. Rocky dachte, also bitte, wenn dieser Feminismus nicht mehr „kann“, dann sei auf ihn geschissen.
Und dabei musste er auch an seine Großmutter denken. Seine Großmutter väterlicherseits, eine Wiener Kabarettistin und Kommunistin der Dreißigerjahre, eine Arbeiterkämpferin der Alten Schule, und gerade noch rechtzeitig vor diesem Massenmörder Adolf Hitler in die Schweiz geflüchtet, einen ihrer älteren Brüder haben dann die Nazis im Herbst 1938 aufgehängt, den zweiten haben sie in ein Strafbataillon gesteckt, der kam im Jänner 1939 beim Minensuchen um, also, Rocky ist sich hundert Prozent sicher: seine Großmutter dreht sich heute jeden Tag in ihrem Grab um, weil sie von dort mit ansehen muss, was diese 68er-Hosenscheißer- und Möchtegern-Friedensgeneration, die jetzt alt und frustriert geworden ist, aus „ihrem“ Feminismus-Gedanken von Damals gemacht hat. Und nicht nur daraus!!! Verdammt! Welch ein Graus? Anspeiben, anschiffen und anscheißen müsste man dieses Massenmitmörder-Gesindel von Heute, und zwar im besten Sinne ihrer eigenen Aktionskunst von Damals, als sie noch an sich und ihre schönen Gedanken geglaubt haben.
Nun ja, ist ja eh völlig EU. Wurscht! Egal! Und scheißen! Mit Selbstmord war es also nichts mehr an diesem Wochenende. Beim Witze-Erzählen hat Rocky am Sonntag in der Früh, er hatte einen Mords-Rausch, einen neuen Freund und verständnisvollen Leidensgenossen, ebenfalls in seinem Alter, getroffen. Der hatte einen Job für ihn. Der fuhr selber ab Mitte der Woche für eine Linzer Firma auf Montage nach Palästina, in den Gaza-Streifen. Die Firma war noch immer schwer auf der Suche nach einem schweißenden Schlosser-Genie, der sich Nichts scheißt, also keine Angst vor Nichts und Niemandem hat. Rocky hat sich dann gleich am Montag in der Firma vorgestellt. Am Dienstag saß er dann schon mit seinem neuen Freund im Flugzeug.
Dort im Gaza-Streifen sind ja schon wieder einmal alle Wasser- und Elektrizitätsleitungen hin. Da gibt es für wahre Männer, also solche, die sich wegen Nichts und Niemandem in die Hosen scheißen und die sich selbst vor diesen Juden von Heute nicht fürchten, viel zu tun. Und Rocky hat ja weder vor dem Teufel noch vor dem Tod eine Angst. Eh schon wissen. Er wäre den Beiden ja kurz zuvor am Liebsten direkt in deren Rachen gesprungen.
Also hieß es für Rocky wieder einmal aufbauen und helfen, damit diese Juden wieder Etwas zum Zerschießen haben. Rocky ist das ja eh schon gewöhnt. Er hat ja schon einmal mitgeholfen, diesen Flughafen im Gaza-Streifen aufzubauen, den damals Deutschland ganz allein bezahlt hat. Und er kann auch echt Nichts dafür, dass es diesen anderen und ebenfalls „seinen“ Flughafen in Bagdad nicht mehr gibt. Den haben allein unsere Möchtegern-Weltpolizisten, diese Amis mit ihrem ebenfalls so stinkenden Wurmfortsatz, den Briten, auf dem Gewissen.
In diesem Sinne ist Rocky ja ein armer Hund. Er kann sich nicht daran erinnern, dass irgendetwas von dem, was er einst bei seinen so ungeheuer vielen Montage-Abenteuern in der Dritten Welt jemals aufgebaut hat, heute noch steht. Scheiß Welt! Aber EU. Also wurscht und somit scheißen!
Rocky ist dann gut drei Monate im Gaza-Streifen geblieben. Mann oh Mann, was war das doch für ein lustiges und jeden Tag so spannendes Abenteuer. Kaum hatte er eine Wasserleitung zusammen „geschweißt“, kam ein Israeli daher, und hat ganz knapp an ihm vorbei die Leitung gleich wieder zerschossen. Zweimal hat Rocky sogar von den Israelischen Soldaten Prügel bezogen, und zwar ordentlich, zwei neue Narben sind Zeugen, weil er nicht freiwillig zur Seite gegangen ist. Und dabei gegrinst hat er auch noch, das haben diese tapferen Krieger nicht verstehen wollen. Zu dieser Zeit hatte Rocky aber auch schon wieder schwere Depressionen. Er hoffte andauernd, dass ihm so eine Salve endlich tapfer in die Augen „sehen“ würde. Er betete zu seiner Göttin Danae, unserer Mutter Erde, und somit der einzigen Gottheit, die, wenn das überhaupt möglich ist, einem Erdling helfen kann: „Bitte, liebe Mutter Erde, hab’ ein Einsehen und lass mich als Märtyrer der Entwicklungshilfe hier in Palästina sterben!“ Aber Göttin Danae hat nicht auf ihn gehört. Kein einziger Israeli war tapfer genug, den grinsend da stehenden Rocky zu erschießen. Was für ein feiges Gutmenschen-Gesindel? Jedenfalls geriet so der Montage-Einsatz wieder einmal zu einem einzigen gutmenschlich entarteten Schildbürgerstreich. Nach den drei Monaten härtester Arbeit, Tag für Tag, gab es im Gaza-Streifen nicht eine einzige funktionierende Wasserleitung mehr. Aber EU. Wurscht und somit scheißen. Rocky hat dort jedenfalls viele neue Freunde gefunden. Man hat ihm zu Verstehen gegeben, dass er selbst im Irak oder in Afghanistan bei den Taliban nun bekannt, willkommen und somit völlig sicher wäre. Dafür steht er aber ab nun als Terroristenfreund bei den Israelis auf den schon kilometerlangen Fahndungslisten. Das ist aber eh EU, denn auf denen steht heute ja eh schon fast die ganze Welt drauf. Außerdem hat man ihm bei seiner Abreise zu verstehen gegeben, er hätte ab nun auch Einreiseverbot nach Amerika. US-Amerika, natürlich, klar, in Bolivien, Venezuela und so weiter und so fort wäre er jedoch hoch willkommen. Er hat inzwischen auch schon ein höchst lukratives Angebot aus dem Iran bekommen, von Präsident Ahmadinedschad höchstpersönlich. Dort gilt es hochsichere Schweißnähte in der neuen Atom-Industrie zu schweißen.
Nun ja, EU. Und an jedem Tag in diesen drei Monaten hat Rocky mit seinem Patrick telefoniert, auf Firmenkosten, klar, sein neuer Chef war da nämlich überhaupt nicht kleinlich. Schließlich wäre Rocky ja gar nicht dort, wenn ihm nicht der Kleine das Leben gerettet hätte.
Versteht dies Irgendwer? Wenn nicht? EU! Und scheißen!
© Copyright by Lothar Krist (26.10.2006 von 01.40 – 04.00 im Smaragd und dann noch viele schöne und so schmerzhafte Kreuz- und Nackenstunden zu Hause am PC, eh schon wissen! Und wenn nicht? EU! Völlig EU und somit scheißen!)
Erläuterung bestimmter buji-eigener Begriffe:
Braune Scheiße – Shit, besser wohl Kit;
Schneller Schnee – Speed:
Lein = natürlich Line, aber ich bin ja ein in die deutsche Sprache schwer verliebter Dichter;
Hütchen LSD = auch als Hüterli bekannt, das sind in LSD getränkte Löschblätter, die in winzige Dreiecke geschnitten werden;